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Verdunkelungsgefahr – nur so lange es noch etwas zu verdunkeln gibt

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Gegen den Angeklagten besteht ein Haftbefehl des AG wegen Verdunkelungsgefahr, den das LG auch nach durchgeführter Hauptverhandlung u.a. mit diesem Haftgrund (§ 112 Abs. 2 Nr. 3b StPO) aufrecht erhält.  Der KG, Beschl. v. 11.07.2012 – 4 Ws 73/12 – sagt: geht so nicht. Verdunkelungsgefahr nur so lange, wie es etwas zu verdunkeln gibt:

„Der Senat kann dahinstehen lassen, ob aufgrund bestimmter Tatsachen ein Verhalten des Angeklagten festzustellen ist, das den dringenden Verdacht begründen könnte, der Beschwerdeführer werde auf die Geschädigte unlauter einwirken, um deren Aussageverhalten zu beeinflussen.

 Denn es fehlt jedenfalls an der weiteren Voraussetzung einer auf bestimmte Tatsachen gegründeten konkreten Gefahr der Verdunkelung. Eine entsprechende Absicht des Angeklagten, durch eine (nunmehr unterstellte) unlautere Einwirkung auf die Zeugin die Beweislage zu seinen Gunsten prozessordnungswidrig zu beeinflussen, genügte hierfür nicht. Erforderlich ist vielmehr, dass die Verdunkelungshandlung auch objektiv (noch) geeignet ist, die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren. Daran mangelt es hier angesichts der im Verfahren eingetretenen Beweislage. Hinsichtlich der Taten nach dem Gewaltschutzgesetz liegt ein vom Gericht für glaubhaft erachtetes richterliches Geständnis des Angeklagten vor, das den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr entfallen lässt (vgl. OLG Düsseldorf StV 1984, 339; OLG Hamm StV 2002, 318, 319; OLG Stuttgart StV 2005, 225; Meyer-Goßner, StPO 55. Aufl., § 112 Rn. 35; Wankel in KMR-StPO, § 112 Rn. 13). Auch in Bezug auf die Körperverletzung sind die Beweise in einer Weise gesichert, dass der Beschwerdeführer die Wahrheitsermittlung nicht mehr mit Erfolg behindern könnte. Zum einen liegt eine richterlich protokollierte Aussage der Geschädigten vor (vgl. dazu OLG Karlsruhe NJW 1993, 1148), die das Gericht für uneingeschränkt glaubhaft erachtet hat und die zur Grundlage des Schuldspruchs geworden ist; zum anderen ist der Beweiswert der potentiell gefährdeten Zeugenaussage auch deshalb nicht mehr ernstlich in Frage gestellt, weil der Inhalt dieser Aussage durch den Amtsrichter bzw. die Amtsanwältin bezeugt werden könnte (vgl. dazu OLG Naumburg StV 1995, 259; OLG Schleswig SchlHA 2001, 135; zum Aspekt der hinreichenden Sachaufklärung, insbesondere durch vorangegangene Vernehmungen potentiell gefährdeter Zeugen, vgl. ferner OLG München StraFo 1997, 29; OLG Oldenburg StV 2005, 394; LG Hamburg StV 2000, 373; LG Zweibrücken StV 2002, 147; Hilger in LR-StPO 26. Aufl., § 112 StPO Rn. 50; Paeffgen in SK-StPO 4. Aufl., § 112 Rn. 39; Graf in KK-StPO 6. Aufl., § 112 Rn. 39).“   

Damit wird Verdunkelungsgefahr nach durchgeführter erstinstanzlicher Haußtverhandlung als Haftgrund i.d.R. ausscheiden.

 

Haftrecht: OLG Naumburg und (verneinte) Verdunkelungsgefahr

Gegen den Angeklagten war ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung anhängig. In unmittelbarem Zusammenhang mit einer Durchsuchungsmaßnahme verschwand ein gefüllter Plastikmüllsack (womit gefüllt?). Das hat das AG zum Anlass genommen, einen Haftbefehl gegen den Angeklagten auf den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO zu stützen. Das hat das LG gehalten. Das OLG Naumburg sagt jetzt im Beschluss vom 02.12.2009 – 1 Ws 789/09: reicht nicht!

„Die bloße Fortwirkung einer früheren Verdunkelungshandlung, die hier im vom Beschuldigten nicht hinreichend erklärten Verschwinden eines gefüllten Plastikmüllsacks im unmittelbaren Zusammenhang mit den Durchsuchungsmaßnahmen am 22. September 2009 erblickt wer­den könnte, reicht für die Annahme einer noch bestehenden Verdunkelungsgefahr grund­sätzlich nicht aus (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 112 Rdnr. 35). Die auf bestimmte Tatschen begründete Gefahr zukünftiger Verdunkelungshandlungen ist derzeit nicht ersicht­lich.“

Stimmt.