Schlagwort-Archive: Urteilsgründe

BGH: Wie wird im Urteil „prozessordnungsgemäß“ auf ein Lichtbild verwiesen?

© fotoknips - Fotolia.com

© fotoknips – Fotolia.com

Wir haben lange Zeit nichts vom BGH zur Fahreridentifizierung aufgrund eines Lichtbildes (im Bußgeldverfahren) gehört. Da gab es die Grundsatzentscheidung BGHSt 41, 376 und danach war Ruhe. Jetzt gibt es aber das BGH, Urt. v. 28.01.2016 – 3 StR 425/15. Zwar nicht im Bußgeldverfahren, sondern im Strafverfahren ergangen, aber – natürlich – auch im OWi-Verfahren anwendbar und bedeutsam. Im Verfahren hatte das LG in einem Urteil wegen eines Tötungsdelikts  in den Urteilsfeststellungen auf „Miniatur-Lichtbilder“ verwiesen und einen Klammerzusatz „Anlage 2 zum Protokoll vom 24. Juni 2015“ hinzugefügt. Das hatte der Angeklagte mit der Revision als nicht ausreichend gerügt. Der BGH hat es „gehalten“:

„d) Unbegründet ist auch die weitere materiellrechtliche Beanstandung der Beschwerdeführerin, das Urteil enthalte weder eine den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO genügende Verweisung auf das Bildschirmfoto noch eine zureichende Beschreibung der darauf erkennbaren „Miniatur-Lichtbilder“ und erlaube deshalb keine revisionsgerichtliche Überprüfung, ob der Tatrichter diese rechtsfehlerfrei als für die Identifizierung des Chat-Teilnehmers unergiebig angesehen habe.

aa) Das Urteil verweist in zulässiger Weise auf die zu den Akten ge-nommene, die „Miniatur-Lichtbilder“ enthaltende Ablichtung. Mit dem Klammerzusatz „Anlage 2 zum Protokoll vom 24. Juni 2015“ ist der Inhalt der Verwei-sung eindeutig bestimmt. Auch die Art und Weise genügt den Anforderungen von § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO.

Will der Tatrichter bei der Abfassung der Urteilsgründe im Sinne von § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf eine bei den Akten befindliche Abbildung verweisen, so hat er dies deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck zu bringen (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1995 – 4 StR 170/95, BGHSt 41, 376, 382). Dem hieraus von der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung und der strafrechtlichen Literatur gezogenen Schluss, eine bloße Mitteilung der Fundstelle in den Akten genüge dafür nicht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 267 Rn. 8 mwN), kann sich der Senat jedenfalls in dieser Allgemeinheit nicht anschließen. Eine besondere Form schreibt die genannte Vorschrift für die Ver-weisung nicht vor. So wird teilweise auch die Notwendigkeit verneint, den Gesetzeswortlaut zu wiederholen oder mitzuteilen, die Verweisung geschehe „we-gen der Einzelheiten“ (hierzu OLG Brandenburg, Beschluss vom 8. Dezember 1997 – 1 Ss (OWi) 96B/97, NStZ-RR 1998, 240 mwN). Darüber, ob der Tatrichter deutlich und zweifelsfrei erklärt hat, er wolle die Abbildung zum Bestandteil der Urteilsgründe machen (OLG Brandenburg aaO), ist deshalb stets im Einzelfall unter Heranziehung seiner Darlegungen insgesamt zu entscheiden. Insoweit gilt nichts anderes als für die Feststellungen und Wertungen des Tatrichters im Übrigen, die, um rechtlich Bestand zu haben, ebenfalls die Gebote der Eindeutigkeit und der Bestimmtheit wahren müssen.

Nach diesen Maßstäben hat das Landgericht dadurch, dass es bei der Nennung und der nachfolgenden inhaltlichen Erörterung der Ablichtung einen Klammerzusatz mit dessen genauer Fundstelle angebracht hat, deutlich und zweifelsfrei erklärt, es wolle die Ablichtung zum Gegenstand der Urteilsgründe machen. Schon nach allgemeiner Lebensanschauung enthält ein unter solchen Umständen hinzugefügter Klammerzusatz die Aufforderung an den Adressaten, nicht nur die Beschreibung des Gegenstands zur Kenntnis zu nehmen, sondern sich darüber hinaus durch dessen Betrachtung auch einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Wird dergestalt bei der Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe verfahren, so drängt sich diese Auslegung in besonderem Maße auf, denn dem Tatrichter kann das Bewusstsein unterstellt werden, dass eine bloße Fundstellenangabe ohne Sinn bliebe.“

Einschätzung: Die Entscheidung schreibt die ständige Rechtsprechung der Obergerichte zur i.S. des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO prozessordnungsgemäßen Bezugnahme fort. Dies wird allein schon daran deutlich, dass der BGH auf die insoweit maßgebliche Grundsatzentscheidung in BGHSt 41, 376 verweist, die gerade zur Täteridentifizierung im Bußgeldverfahren ergangen ist (wegen der Vorgaben und des Standes der Rechtsprechung s. Gübner in: Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl., 2015, Rn 2688 ff.). Aber auch nach dieser Entscheidung des BGH ist (nach wie vor) ein (ausdrücklicher) Verweis auf das Lichtbild erforderlich. Der (bloße) Angabe des Fundortes reicht m.E. nach wie vor nicht aus. Anders ist übrigens m.E. auch die vom BGH zitierte Fundstelle bei Meyer-Goßner/Schmitt nicht zu verstehen.

Gebetsmühle BGH: Immer wieder „wiederholtes Wiedererkennen“ und DNA

entnommen wikimedia.org Urheber Bin im Garten

entnommen wikimedia.org
Urheber Bin im Garten

Heute ist in NRW und einigen anderen Bundesländern Feiertag – Fronleichnam. Aber da in anderen Bundesländern „normal“ gearbeitet wird, mache ich das volle Programm, und zwar heute mit einem Identifizierungs-/Wiedererkennungstag. Den Auftakt macht der BGH, Beschl. v. 30.03.2016 – 4 StR 102/16, der sich noch einmal mit den Anforderungen an die Urteilsgründe im Fall des wiederholten Wiedererkennens befasst. M.E. an sich auch ein Bereich, den man als große Strafkammer kennen und beherrschen sollte. Ist/war aber am LG Paderborn leider nicht der Fall, wie der BGH, Beschluss beweist.

Das LG hatte den Angeklagten, der sich nicht zur Sache eingelassen hatte, u.a. wegen Raubes verurteilt. Die Verurteilung hat das LG auf folgende Umstände gestützt:

  • Ein Mittäter hatte in der Hauptverhandlung bekundet, er habe bei einer im Ermittlungsverfahren durchgeführten Wahllichtbildvorlage den Angeklagten mit großer Wahrscheinlichkeit als Mittäter identifiziert; bei dieser habe ihm aber der Polizeibeamte mitgeteilt, dass der Angeklagte ohnehin schon von einem anderen identifiziert worden sei.
  • Unter verschiedenen Kleidungsstücken, die die Täter unmittelbar nach Ausführung der Tat abgelegt hatten, konnte eine Baseballkappe mit der Aufschrift „Kärcher“ sichergestellt werden, an der sich DNA-Material befand, das dem Angeklagten zugeordnet werden konnte. Nach dem Ergebnis des kriminaltechnischen Gutachtens kommt das betreffende DNA-Identifizierungsmuster unter mehr als 10 Milliarden nicht blutsverwandten Personen kein zweites Mal vor und konnte daher als individualcharakteristisch bewertet werden.6

Der BGH sieht die Beweiswürdigung des LG in zwei Punkten als lücken-/fehlerhaft an:

„b) Jedenfalls hat die Strafkammer ausweislich der Urteilsgründe nicht erkennbar bedacht, dass es sich bei dem Wiedererkennen des Angeklagten durch die in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen vor dem Hintergrund der Einzel- bzw. Wahllichtbildvorlagen im Ermittlungsverfahren um ein wiederholtes Wiedererkennen handelte, dessen Verlässlichkeit wegen der Beeinflussung durch die Situation des ersten Wiedererkennens und der durch diese bedingten Überlagerung des ursprünglichen Erinnerungsbildes deutlich vermindert sein konnte (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 25. September 2012 – 5 StR 372/12, NStZ-RR 2012, 381 mwN). Das Landgericht hätte daher in seine Bewertung, die nach den Urteilsgründen auf einer Gesamtschau der Wie-dererkennungsleistungen beruht, einstellen müssen, dass sich die Zeugen unbewusst an der Einzel- bzw. Wahllichtbildvorlage im Ermittlungsverfahren orientiert haben könnten. Das ist nicht geschehen.

Auch die Ausführungen zu den ausweislich der Urteilsgründe verlesenen DNA-Gutachten genügen den Anforderungen an eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung nicht.

Der Tatrichter hat in den Fällen, in denen er dem Gutachten eines Sach-verständigen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Gutachtens so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind. Für die Darstellung des Ergebnisses einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung, bei der es sich nicht um ein standardisiertes Verfahren handelt, ist es danach erforderlich, dass der Tatrichter mitteilt, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und in-wieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergeben ha-ben, mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination zu erwarten ist und, sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, inwieweit dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (vgl. BGH, Urteile vom 5. Juni 2014 – 4 StR 439/13, NJW 2014, 2454; vom 21. März 2013 – 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212, 217; Beschlüsse vom 25. Fe-bruar 2015 – 4 StR 39/15 und vom 22. Oktober 2014 – 1 StR 364/14, NStZ-RR 2015, 87, 88). Daran fehlt es hier. Die bloße Mitteilung der Wahrscheinlichkeit einer Übereinstimmung reicht nicht aus.“

Beides ist nichts Neues, sondern wird vom BGH immer wieder – gebetsmühleartig – wiederholt/ausgeführt. Liest das eigentlich keiner?

Das Sachverständigengutachten im Urteil – immer wieder „zu knapp“

© eyetronic Fotolia.com

© eyetronic Fotolia.com

Und zum Abschluss des heutigen Tages dann – noch einmal – Grundkurs: Das Sachverständigengutachten in den Urteilsgründen. Immer wieder und häufig von Bedeutung und leider immer wieder von den Instanzgerichten falsch gemacht. So auch vom LG Wiesbaden in dem dem BGH, Beschl. v.  27.01.2016 –  2 StR 314/15 – zugrunde liegenden Urteil. Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Diebstahls verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Das LG hat – so der BGH „– stereotyp – in allen diesen Fällen „aufgrund der Psychose des Angeklagten“ einen „Zustand der erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht auszuschließen“ vermocht. Hinsichtlich weiterer angeklagter Taten – Nötigung und versuchte Nötigung im Februar 2013, drei Fälle des (versuchten) Diebstahls aus unverschlossenen Kraftfahrzeugen sowie Körperverletzung und Beleidigung im Dezember 2013, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung im April 2014 – hat das sachverständig beratene LG den Angeklagten freigesprochen, weil entweder die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund seiner schizophrenen Erkrankung bzw. Psychose aufgehoben bzw. „die vollständige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit“ nicht ausgeschlossen werden könne.

Das LG hat sich hinsichtlich der Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten dem Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen angeschlossen. Danach bestünde beim Angeklagten eine paranoide, aktuell unvollständig remittierte Schizophrenie und ein Abhängigkeitssyndrom von multiplen psychotropen Substanzen.

Und der BGH hat Bedenken, wie das LG mit dessen Gutachten im Urteil umgeht – oder auch nicht. Denn:

„a) Wenn sich der Tatrichter – wie hier – darauf beschränkt, sich der Beurteilung eines Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit anzuschließen, muss er dessen wesentliche Anknüpfungspunkte und Darlegungen im Urteil so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juni 2014 – 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305, 306 mwN). Dies gilt auch in Fällen paranoider Schizophrenie; denn die Diagnose einer solchen Erkrankung führt für sich genommen noch nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 24. April 2012 – 5 StR 150/12, NStZ-RR 2012, 239; vom 17. Juni 2014 – 4 StR 171/14, NStZ-RR 2014, 305, 306 mwN). Erforderlich ist vielmehr die Feststellung eines akuten Schubs der Erkrankung sowie die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die festgestellte psychische Störung bei Begehung der jeweiligen Tat auf die Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten in der konkreten Tatsituation und damit auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (Senat, Be-schluss vom 29. Mai 2012 – 2 StR 139/12, NStZ-RR 2012, 306, 307)….“

Also: Urteilsgründe an der Stelle zu knapp. Wie gesagt – ein häufiger/klassischer Fehler…..

Klassischer Fehler XXXI: Nicht nur „Worthülsen“, sondern die „ganze Einlassung“ gehört ins Urteil

© J.J.Brown - Fotolia.com

© J.J.Brown – Fotolia.com

Das ist mal wieder eine Entscheidung, die ich für mich schon in Rubrik „Klassischer Fehler“ einordnen möchte. Nämlich die Frage des Umfang der Ausführungen im tatrichterlichen Urteil zur Beweiswürdigung, wenn der Verurteilung ein Geständnis des Angeklagten zugrunde liegt. Das war in einem beim LG Aachen anhängigen Verfahren wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. der Fall. Das LG hatte die Verurteilung der beiden Angeklagten auf deren Geständnisse gestützt. Zur Beweiswürdigung war in den Urteilsgründen ausgeführt:

„Die Feststellungen zur Sache […] beruhen auf den umfassenden und glaubhaften Geständnissen beider Angeklagten, die durch die in der Sitzungsniederschrift aufgeführten Beweismittel bestätigt und ergänzt worden sind. Zwischen der Kammer und dem Angeklagten K. sowie der Staatsanwaltschaft ist eine Verständi-gung gemäß § 257 c StPO zustande gekommen. Die Kammer hat keinen Zweifel, dass das von ihm abgelegte umfassende Ge-ständnis zu den ihm noch vorgeworfenen Taten, das durch das übrige Beweisergebnis bestätigt und verifiziert worden ist, der Wahrheit entspricht. Soweit er sich dahin gehend eingelassen hat, dass er nicht als alleiniger Abnehmer des Rauschgifts, sondern in Absprache mit – von ihm nicht benannten Dritten – gehandelt hatte, konnte ihm dies nicht widerlegt werden und ist im Sinne seiner Einlassung ebenfalls in obige Feststellungen zur Sache eingeflossen.

In Bezug auf den Angeklagten V. ist mangels Zustimmung der Staatsanwaltschaft keine Verständigung zustande gekommen […]. Sein gleichwohl zu den ihm noch vorgeworfenen Taten abge-legtes Geständnis war ebenfalls glaubhaft und ist durch die sonstigen Beweisergebnisse bestätigt und verifiziert worden. Auch seine Einlassung zu seiner Rolle bei den Rauschgiftgeschäften konn-te ebenfalls nicht widerlegt werden und ist in diesem Sinne bei den Feststellungen zur Sache zugrunde gelegt worden.“

Liest sich auf den ersten Blick ganz gut, aber sind letztlich ja nicht mehr als Worthülsen, die das LG da aneinander gereiht hat. Der BGH drückt es im BGH, Beschl. v. 29.12.2015 – 2 StR 322/15 – eleganter aus:

„Diese Beweiserwägungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand, denn sie sind lückenhaft.

a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, sich aufgrund des umfassenden Eindrucks der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Die revisionsgerichtliche Kontrolle ist auf die Prüfung beschränkt, ob dem Tatrichter dabei ein Rechtsfehler unterlaufen ist. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder der Tatrichter an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt. Die Überzeugung des Tatrichters muss darüber hinaus in den Feststellungen und der den Feststellungen zugrunde liegenden Beweiswürdi-gung eine ausreichende objektive Grundlage finden (BGH, Beschluss vom 22. August 2013 – 1 StR 378/13, NStZ-RR 2013, 387, 388). Die schriftlichen Urteilsgründe müssen deshalb nicht nur die für erwiesen erachteten Tatsachen, ihre rechtliche Würdigung sowie die für die Entscheidung der Straffrage maß-geblichen Erwägungen wiedergeben (vgl. § 267 StPO); der Tatrichter ist außerdem verpflichtet, seine Beweiserwägungen so geschlossen und aus sich heraus verständlich in den schriftlichen Urteilsgründen niederzulegen, dass die Beweiswürdigung einer revisionsgerichtlichen Kontrolle anhand des genannten Maßstabes einer sachlich-rechtlichen Überprüfung zugänglich ist (st. Rspr; Senat, Beschluss vom 21. Juli 2015 – 2 StR 75/14, juris; Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 StR 222/10; vgl. BGH, Urteil vom 7. August 2014 – 3 StR 224/14 mwN; BGH, Beschluss vom 25. Februar 2015 – 4 StR 39/15, NStZ-RR 2015, 180).

Die sachlich-rechtliche Begründungspflicht umfasst auch die Verpflichtung, die Einlassung des Angeklagten jedenfalls in ihrem wesentlichen Inhalt wiederzugeben. Dies gilt auch in Fällen, in denen der Angeklagte ein Geständnis ablegt (Senat, Beschluss vom 21. Juli 2015 – 2 StR 75/14, juris), denn ein Geständnis enthebt den Tatrichter nicht von seiner Pflicht, dieses einer kritischen Prüfung auf Plausibilität und Tragfähigkeit hin zu unterziehen und zu den sonstigen Beweismitteln in Beziehung zu setzen. Legt der Tatrichter das Ge-ständnis des Angeklagten seinen Feststellungen in vollem Umfange zugrunde, weil er es für glaubhaft erachtet, so ist er zwar grundsätzlich nicht verpflichtet, es in den Urteilsgründen in allen seinen Einzelheiten zu dokumentieren, um dem Revisionsgericht eine Kontrolle seiner Entscheidung zu ermöglichen. Es kann vielmehr – je nach den Umständen des Einzelfalls – genügen, auf die Feststellungen Bezug zu nehmen. Erforderlich ist außerdem, dass der Tatrichter in den Urteilsgründen für das Revisionsgericht nachvollziehbar darlegt und begründet, aus welchen Gründen er das Geständnis des Angeklagten für glaubhaft erachtet. Decken sich die Angaben des Angeklagten mit sonstigen Beweisergebnissen und stützt der Tatrichter seine Überzeugung von der Glaubhaftigkeit des Geständnisses auch auf diese Beweisergebnisse, so ist er zu deren jedenfalls gedrängter Wiedergabe verpflichtet, da anderenfalls eine revisionsgerichtliche Überprüfung seiner Überzeugungsbildung nicht möglich ist. Diese Maßstäbe gelten auch in Fällen, in denen der Angeklagte im Rahmen einer Verfahrensverständigung ein Geständnis ablegt.2

Also mal wieder: Kleiner Grundkurs, der an sich nicht nötig sein sollte. Die Ausführungen gelten übrigens nicht nur für LG-Urteile, sondern auch und gerade für AG-Urteile, die häufig auch an der Stelle fehlerhaft sind.

Täteridentifizierung/Wiedererkennen, oder: Die zu knappen Urteilsgründe

© eyetronic Fotolia.com

© eyetronic Fotolia.com

Ich habe den Eindruck, dass die Entscheidungen des BGH, in denen die Senate die tatrichterlichen Beweiswürdigungen als unzureichend beanstanden, zunehmen, aber vielleicht ist das auch nur „gefühlt“. Und es ist nicht nur der 2. Strafsenat, der die Zügel anzuziehen scheint, sondern die anderen Senate beanstanden auch. So im BGH, Beschl. v. 17.02.2016 – 4 StR 412/15 -, der 4. Strafsenat in Zusammenhang mit der Verurteilung eines Angeklagten wegen besonders schweren Raubes durch das LG Arnsberg. Da sind/waren dem BGH die Ausführungen zur Täteridentifizierung zu knapp:

„Der Generalbundesanwalt hält die Beweiswürdigung im Fall II. 2 der Urteilsgründe für durchgreifend rechtsfehlerhaft; die Darstellung und Auseinandersetzung mit den den Angeklagten belastenden Indizien im Zusammenhang mit seiner Identifizierung durch den Geschädigten seien lückenhaft (§ 261 StPO). Dem kann sich der Senat – jedenfalls im Ergebnis – nicht verschließen.

Ob die Annahme einer hinreichend sicheren Identifizierung vor dem Hin-tergrund des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe schon deshalb einer tragfähigen Grundlage entbehrt, weil sich der Geschädigte bei der Wahllicht-bildvorlage lediglich zu 60% sicher war, kann letztlich dahinstehen. Entsprechendes gilt, soweit der Generalbundesanwalt die Erwägungen der Strafkammer zum Beweiswert des wiederholten Wiedererkennens als unzureichend beanstandet. Jedenfalls lassen die Urteilsgründe, soweit der Zeuge zur Begründung der Wiedererkennung auf die markante Augenpartie des Angeklagten verwiesen hat, eine genauere Wiedergabe seiner Bekundungen vermissen, ferner eine Darlegung der Gesichtspunkte, die für die Folgerung des Landgerichts maßgebend waren, es liege diesbezüglich tatsächlich eine Übereinstimmung vor. Bei der Würdigung einer zusammenfassenden Wertung eines Zeugen, wie sie das Landgericht hier in Bezug auf die Identifizierung des Angeklagten vorgenommen hat, kommt es auch auf die dieser Wertung zugrundeliegenden, von dem Zeugen mehr oder weniger substantiierten Tatsachen an, hier also darauf, welche äußeren Merkmale für das Wiedererkennen maßgebend waren (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 1991 – 3 StR 178/91). Dies wäre hier umso mehr erforderlich gewesen, als der von dem Geschädigten beobachtete, hier in Betracht kommende Täter eine Kappe trug und sich ein Tuch vor den Mund ge-bunden hatte. Die Urteilsgründe sind auch deshalb lückenhaft, weil nicht mitgeteilt wird, ob und gegebenenfalls welche Angaben der Zeuge zu der festgestellten Fehlstellung der Nase des Angeklagten gemacht hat.