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Auslieferung: Strafverfolgung wegen Mordes bzw. menschenrechtswidriger Haftbedingungen

entnommen openclipart.org

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Nach den beiden U-Haft-Postings am vergangenen Dienstag – siehe U-Haft I: „Hohe Freiheitsstrafe“ und Reststrafaussetzung, oder: Olle Kamellen  und U-Haft II: „Hohe Freiheitsstrafe“ und Reststrafenaussetzung – so geht es beim BGH – hier dann zwei Entscheidungen betreffend Auslieferung/Auslieferungshaft. Auslieferungsrecht nimmt an Bedeutung zu, kommt aber leider hier im Blog doch zu kurz. Bei den beiden Entscheidungen handelt es sich um:

  • OLG Hamm, Beschl. v. 16.08.2016 – 2 Ausl. 145/13 – ergangen in einem Verfahren betreffend die Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen nach Belgien zur Strafverfolgung wegen Mordes bei drohender Verurteilung zu einer zweiten lebenslangen Freiheitsstrafe. Der Leitsatz der Entscheidung:„Die Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen, der bereits in Deutschland aufgrund einer inländischen Verurteilung eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßt, zum Zwecke der Strafverfolgung wegen einer anderen, im ersuchenden Staat begangenen und dort mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe bedrohten Tat, für die auch die deutsche Gerichtsbarkeit nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB sowie eine Gesamtstrafenfähigkeit nach §§ 53-55 StGB gegeben wäre, kann trotz einer für den Fall der Verurteilung abgegebenen Zusicherung der Rücküberstellung unzulässig sein. Dies ist dann der Fall, wenn dem Verurteilten ohne Härteausgleich die Vollstreckung einer weiteren, gesondert zu vollstreckenden lebenslangen Freiheitsstrafe droht.“
  • OLG Hamm, Beschl. v. 23.08.2016 – 2 Ausl 125/16 betreffend die Unzulässigkeit der Auslieferung nach Rumänien zur Strafvollstreckung aufgrund der Besorgnis menschenrechtswidriger Haftbedingungen. Der Leitsatz der Entscheidung:„Die Auslieferung eines Verfolgten nach Rumänien zur Strafvollstreckung ist derzeit unzulässig, weil die begründete und durch die bisherigen Auskünfte der rumänischen Behörden nicht ausgeräumte Besorgnis besteht, dass der Verfolgte im Hinblick auf den ihm lediglich zugesicherten persönlichen Haftraumanteil von 2-3 Quadratmetern menschenrechtswidrigen Haftbedingungen ausgesetzt sein wird.“

„Theaterdonner“ – beim BGH

HammerDer BGH, Beschl. v. 06.05.2014 –   5 StR 99/14 – befasst sich mit einem Ablehnungsgesuch, das vom LG aus formellen Gründen zurückgewiesen worden ist. Zugrunde lag dem Ablehnungsgesuch folgender Sachverhalt: Der Angeklagte hatte die die Entbindung seines Pflichtverteidigers beantragt, weil dieser die Verteidigung des Angeklagten durch Einwirken auf zwei Zeuginnen gegen dessen Willen eingeschränkt und damit das Vertrauensverhältnis schwerwiegend gestört habe. Mit außerhalb der Hauptverhandlung ergangenem und dem inhaftierten Angeklagten formlos per Post übersandten Beschluss wies der Vorsitzende den Entpflichtungsantrag zurück. Die Vorwürfe des Angeklagten lägen neben der Sache, würden dem bisherigen Einsatz des Verteidigers nicht gerecht und stellten sich entsprechend einer durch den Verteidiger in anderem Zusammenhang gebrauchten Formulierung als „Theaterdonner“ dar. Im nachfolgenden Hauptverhandlungstermin lehnte der Angeklagte den Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Er machte unter anderem geltend, dass der Vorsitzende im Zurückweisungsbeschluss das Wort „Theaterdonner“ aufgegriffen und verwendet habe, als sei damit „glasklar erwiesen“, dass der Verteidiger fair gearbeitet und ihn nicht seiner Rechte beraubt habe.

Das Schwurgericht hat den Befangenheitsantrag unter Mitwirkung des abgelehnten Vorsitzenden als unzulässig gem. § 26a Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO verworfen. Der BGH sagt: So geht es nicht. Das Befangenheitsgesuch hätte nicht nach § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO abgelehnt werden dürfen.

bb) Diesen Maßstäben wird der Zurückweisungsbeschluss der Schwurgerichtskammer nicht gerecht. Dem Befangenheitsgesuch ist die Besorgnis des Angeklagten zu entnehmen, dass der Vorsitzende das Vorbringen zur Beeinträchtigung seiner Verteidigungsinteressen durch den Pflichtverteidiger nicht ernst nehme („Theaterdonner“) und sich deshalb vorschnell auf die Seite des Genannten gestellt habe. Damit hat er dessen Voreingenommenheit geltend gemacht, ohne dass weitere Ausführungen notwendig gewesen wären. Das durch ein Zitat belegte Ablehnungsgesuch konnte nicht als aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung des Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet angesehen werden. Denn es erforderte eine inhaltliche und keine rein formale Prüfung, ob die Aussage in der gewählten Formulierung aus Sicht eines verständigen Angeklagten die Besorgnis der Befangenheit zu begründen vermochte (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 2006 – 5 StR 154/06, aaO). Weil der abgelehnte Richter die Entscheidung selbst getroffen und damit eine inhalt-liche Bewertung des Ablehnungsgesuchs in Nichtausschöpfung des Gesuchs versagt hat, ist der Anwendungsbereich des § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO in einer Weise überspannt worden, die im Blick auf die Anforderungen von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht mehr vertretbar war (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 2006 – 5 StR 154/06, aaO). Daran vermag nichts zu ändern, dass das Ablehnungs-gesuch ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters gemäß § 27 StPO wohl als unbegründet zu verwerfen gewesen wäre.

Schade, dass der BGH nicht in einem „obiter dictum“ mitteilt, was er denn nun vom Theaterdonner hält.

Revision I: Die bedingte Revision – geht nicht

© Dan Race - Fotolia.com

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Ein Verteidiger hatte gegen ein LG-Urteil   „für den Fall, dass Staatsanwaltschaft und Nebenkläger Revision einlegen, für den Angeklagten ebenfalls … Revision“ eingelegt. „Für den Fall, dass die anderen … Parteien keine Revision einlegen“, wurde deren Rücknahme angekündigt. Mit einem weiteren Schriftsatz hat der Verteidiger ausgeführt, die Revision sichere „die Rechte des Angeklagten im Revisionsverfahren, da bekannt wurde, dass die Nebenkläger und die Staatsanwaltschaft … Revision eingelegt haben“. Beantragt wurde, die Revision der Nebenkläger und die Revision der Staatsanwaltschaft zurückzuweisen. Weiter ist nur noch wiederholend ausgeführt, die eigene Revision werde zurückgenommen, wenn die übrigen Revisionen auch zurückgenommen würden.

Der BGH, Beschl. v. 30.09.2013 – 1 StR 487/13 – sagt: Geht nicht, denn:

Die Revision ist unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO), da sie unter einer Bedingung – andere Verfahrensbeteiligte legen Rechtsmittel ein – eingelegt wurde (so schon BGH, Urteil vom 12. November 1953 – 3 StR 435/53, BGHSt 5, 183, 184; weitere Nachweise bei Frisch in SK-StPO, 4. Aufl., vor §§ 296 ff. Rn. 261 Fn. 990).

Hinzu kommt, dass dem Schriftsatz vom 27. Juni 2013 allenfalls die Behauptung zu entnehmen ist, das Urteil enthielte keine Rechtsfehler zu Gunsten des Angeklagten, die auf eine zum Nachteil des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft oder der Nebenkläger zur Aufhebung des Urteils führen könnten. Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass derartiges Vorbringen den Mindestanforderungen zur Begründung einer Revision des Angeklagten (§ 344 StPO) nicht entspricht.

Letztlich liegt dem gesamten Vorbringen die rechtlich verfehlte Auffassung zu Grunde, das Ergebnis einer zum Nachteil des Angeklagten eingelegten Revision könne davon abhängen, ob er selbst Revision eingelegt hat, wobei zur Begründung dieser eigenen Revision jedoch die Behauptung genüge, die zum Nachteil des Angeklagten eingelegte Revision sei unbegründet.!

Aus der Kiste: Begründung der Verfahrensrüge – Wo wohnt der Angeklagte im Inland?

Aus der Kiste „ausreichende Begründung der Verfahrensrüge“ (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) – ich habe nicht geschrieben „Trickkiste“ 🙂 – stammt der KG, Beschl. v. 05.04.2013 – (4) 161 Ss 78/13 (71/13), der sich u.a. mit den Anforderungen an die Zulässigkeit der Verfahrensrüge befasst, wenn die Unzulässigkeit der öffentlichen Zustellung des Angeklagten zur Berufungshauptverhandlung, in der seine Berufung wegen unentschuldigten Ausbleibens verworfen worden ist, gerügt wird. Dazu der KG, Beschl.:

„…Will die Revision die fehlerhafte Ladung rügen, muss sie alle hierfür maßgeblichen Umstände schlüssig vortragen (vgl. KG NStZ 2009, 111; OLG Stuttgart Justiz 2006, 235; OLG Hamm NStZ-RR 2005, 114; Meyer-Goßner aaO). Dazu zählt auch die Anschrift, unter welcher der Angeklagte hätte geladen werden können, wo er also tatsächlich gewohnt hat, sowie  die Umstände, aufgrund derer das Gericht dies hätte erkennen oder ermitteln können (vgl. OLG Düsseldorf VRS 97, 132). Wenn die Ladung durch öffentliche Zustellung nach § 40 Abs. 2 StPO bewirkt worden ist, weil der Angeklagte bereits zu einer früheren Hauptverhandlung geladen werden konnte, muss die Revision den die Unzulässigkeit der öffentlichen Zustellung bewirkenden Umstand mitteilen, dass seine Ladung im Inland hätte bewirkt werden können. Die inländische Anschrift ist anzugeben.

 Diesen Anforderungen genügt die Revision nicht. Der Verteidiger teilt lediglich mit, die Angeklagte sei zur erstinstanzlichen Hauptverhandlung über die JVA geladen worden und nach der Verurteilung in ihr Heimatland abgeschoben worden. Weiter trägt er vor, die jetzige Wohnanschrift der Angeklagten (offenbar in Rumänien) sei bekannt, ein Versuch, sie hierüber zu laden, sei durch das Landgericht aber nicht unternommen worden.

Die Revision teilt hingegen schon nicht die (ausländische) Anschrift mit, unter der eine Ladung der Angeklagten möglich gewesen wäre. Insbesondere unterlässt sie die Erklärung, unter welcher inländischen Anschrift die Angeklagte hätte geladen werden können. Das wäre erforderlich gewesen, weil die öffentliche Zustellung der Ladung zur Berufungshauptverhandlung nur unzulässig gewesen wäre, wenn sie im Inland hätte bewirkt werden können. Denn die Angeklagte war zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht bereits wirksam über die JVA geladen worden. Nach § 40 Abs. 2 StPO kann der in erster Instanz zur Hauptverhandlung nach allgemeinen Vorschriften geladene Angeklagte durch öffentliche Zustellung geladen werden, wenn er nach Einlegung von Rechtsmitteln ins Ausland übersiedelt oder dorthin zurückkehrt (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2004, 48 mwN). Im diesem Falle erwartet der Gesetzgeber, dass der Betroffene sich um den weiteren Fortgang des Verfahrens kümmert und Vorsorge dafür trifft, dass ihn im Inland zu bewirkende Zustellungen fortan erreichen (vgl. KG aaO; OLG Frankfurt aaO). Dies kann durch die Erteilung einer schriftlichen Ladungsvollmacht nach § 145a Abs. 2 Satz 1 StPO gegenüber dem Verteidiger oder auf andere Weise geschehen (vgl. KG aaO). Die erforderliche Mitteilung einer derartigen inländischen Zustellungsmöglichkeit enthält das Revisionsvorbringen nicht.

Wie gehabt bei der Verfahrensrüge. Da ist also eine Menge zu recherchieren und vorzutragen, will man die Hürde des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO überspringen.

Oh ha Herr Verteidiger (?), Beschwerde gegen Revisionsverwerfung?

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Kurz und knapp behandelt der BGH eine in meinen Augen verfahrensmäßige Fehlleistung nach einer Revsionsverwerfung. Gegen den Verwerfungsbeschluss wird nämlich noch Beschwerde eingelegt. Dazu dann der BGH, Beschl. v. 27.07.2012 – 1 StR 210/12:

„Durch den angefochtenen Beschluss hat der Senat die Revision der Angeklagten verworfen.
Hiergegen ist keine Beschwerde zulässig (§ 304 Abs. 4 Satz 1 StPO). Selbst wenn man (entsprechend § 300 StPO) das Begehren als Antrag gemäß § 356a StPO werten wollte, hat dieser keinen Erfolg. Es kann hierbei dahinstehen, ob die Wochenfrist des § 356a Satz 2 StPO eingehalten wurde; denn es fehlt an der erforderlichen Begründung des Antrags.
Im Übrigen wurde bei der Senatsentscheidung vom 14. Juni 2012 der Anspruch der Verurteilten auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt.“

Man fragt sich natürlich, wer war es? Die Verurteilte ggf. selbst oder deren Verteidiger(in)? Letzteres könnte ich kaum verstehen. Denn das sollte man, wenn man Revisionsrecht macht, wissen, dass die Revisionsentscheidungen des BGH mit der Beschwerde nicht anfechtbar sind. Und wenn eine Anhörungsrüge (§ 356a StPO) gemeint gewesen sein sollte: Ein Blick ins Gesetz zeigt, welche Anforderungen erfüllt sein müssen.