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Fahrerlaubnisentziehung wegen harter Drogen, oder: „Aufnahme durch Natursekt“ unglaubhaft

Bild von Steve Buissinne auf Pixabay

Die zweite Entscheidung kommt vom VG Schwerin. Das äußert sich im VG Schwerin, Beschl. v. 23.12.2021 – 6 B 1698/21 – noch einmal zur Entziehung der Fahrerlaubnis wegen des Konsums sog. harter Drogen.

Gestriiten wird um die Rechtmäßigkeit der Entziehung der Fahrerlaubnis. Der Antragsteller war Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen A, B, C, CE, T sowie einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung. Am 05.03.2021 um 10:40 Uhr kontrollierten Beamte des Hauptzollamtes Kiel den PKW des bereits mehrfach fahrerlaubnisrechtlich in Erscheinung getretenen Antragstellers. Dabei fanden sie eine Druckverschlusstüte mit 2,7 g weißem Pulver in der Mittelkonsole, wobei ein durchgeführter Drug-Wipetest positiv auf Kokain verlief. Die kontrollierenden Beamten hatten den Eindruck, dass der Antragsteller unter dem Einfluss von Betäubungsmitteln stünde und baten eine vorbeifahrende Streife um Unterstützung. Auf Nachfrage der Polizeibeamten äußerte der Antragsteller, dass ihm die Drogen nicht gehörten und er keine Drogen konsumiert habe. Jemand müsse ihm diese in sein Fahrzeug gelegt haben. Es gehöre seiner Freundin und außerdem ginge es nicht abzuschließen, da die Elektronik kaputt sei. Eine in diesem Zusammenhang um 11:34 Uhr am gleichen Tag entnommene Blutprobe wies ausweislich des forensisch-toxikologischen Befundberichts der Universitätsmedizin Schleswig-Holstein vom 6. Juli 2021 eine Konzentration von Benzoylecgonin (Kokain-Abbauprodukt)  ca. 1 ng/ml auf. Ergänzend heißt es im Bericht: ca.= unterhalb des kalibrierten Bereiches.

Mit Bescheid vom 16.09. entzog der Antragsgegner dem Antragsteller die Fahrerlaubnis, forderte ihn zur Herausgabe seines Führerscheins binnen sieben Tagen auf und ordnete die sofortige Vollziehung der Entziehung an. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein. Er habe nicht aktiv Kokain konsumiert und könne sich nicht erklären, wie das Kokainabbauprodukt Benzoylecgonin in sein Blutserum gelangt sei. Geringe Spuren von Drogen könnten auch über dritte Träger wie Geldscheine etc. auf den Körper und alsdann durch entsprechende Bewegung auch in den Blutkreislauf der Person gelangen. Es könne nicht von einem unmittelbar vorher begangenen Konsum ausgegangen werden, da lediglich das Abbauprodukt Benzoylecgonin im Wert von 1 ng/ml nachgewiesen werden konnte. Die von der Polizei festgestellten Reaktionen deuteten nicht auf eine Kokaineinnahme hin, er – der Antragsteller – habe sich in Auswertung des Blutserums nicht in einer Kokainrauschphase befunden. Es liege zudem ein Abweichen vom Regelfall vor, vor einer etwaigen Entscheidung sei ein ärztliches Gutachten oder eine medizinisch-psychologische Untersuchung anzuordnen gewesen.

Der Antragsteller hat dann verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz beantragt und das wie folgt begründet: Er habe zu keinem Zeitpunkt aktiv Kokain konsumiert, räume aber ein des Öfteren auch im Zeitraum Februar/März 2021 über Internetportale („markt.de/poppen.de“ sowie „mydirtyhobby.de“) sich mit Prostituierten bzw. „Hobby-Prostituierten“ getroffen und dort die Sexualpraktik „Natursekt‘“ praktiziert zu haben. Er habe den Urin der Prostituierten getrunken. Ob diese selbst Kokain konsumiert hätten, entziehe sich seiner Kenntnis. Er habe, sofern es seine finanziellen Mittel ihm erlaubten, möglichst einmal in der Woche eine Prostituierte bezüglich der vorgenannten Sexualpraktik aufgesucht, ansonsten alle 14 Tage. Dabei sei er mit dieser unter die Dusche gegangen und habe sodann den kompletten von der Prostituierten ausgeschiedenen Urin direkt von der Vagina in den Mund gespritzt bekommen und getrunken. Um welche Menge es sich dabei immer im Einzelnen gehandelt habe, könne er nicht näher beschreiben. Der Urin sei vorher nicht in einen Messbecher umgefüllt worden. Er erinnere sich, dass er jeweils mehrere Schlucke getrunken habe.

Das VG hat den Antrag zurückgewiesen. Hier die Leitsätze der Entscheidung:

  1. Bereits die einmalige – bewusste – Einnahme von sogenannten „harten Drogen“ rechtfertigt die Annahme der Nichteignung, ohne dass es eines Zusammenhangs zwischen dem Drogenkonsum und der Teilnahme am Straßenverkehr bedarf.

  2. Nur das untersuchende Labor kann beantworten, ob es den festgestellten Wert für sicher hält, da die Grenzwerte sich durch den Fortschritt der Laboranalytik ständig verbessern und es insoweit keine niedrigste Bestimmungs- oder Nachweisgrenze gibt, die die Verwertbarkeit einschränken könnte.

  3. Macht ein Fahrerlaubnisinhaber, bei dem ein positiver Befund in Bezug auf ein Betäubungsmittel vorliegt, geltend, er habe die Droge unwissentlich zu sich genommen, muss er einen detaillierten, in sich schlüssigen und auch im Übrigen glaubhaften Sachverhalt, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt, vortragen.

Zur „Natursektbehauptung“ führt das VG aus:

„Die Tatsache, dass durch eine Prostituierte verstoffwechseltes und über deren Urin ausgeschiedenes Kokain nach nochmaliger Verstoffwechselung zu einem Nachweis von Kokain-Metaboliten in seinem Blut geführt hat, hat er – der Antragsteller – nicht glaubhaft gemacht. Zwar hat er den oralen Konsum von Urin als Grund für den Drogenbefund angegeben. Zu Zeit, Ort und Menge des Uringenusses hat er jedoch lediglich pauschale Angaben gemacht. Es hätte ihm jedenfalls anhand der nach seinen Schilderungen über die Internetportale „markt.de/poppen“ und „mydirtyhobby.de“ mit den jeweiligen Prostituierten geführten Konversationen möglich sein müssen, Zeit und Ort näher einzugrenzen und dem Gericht zumindest Name und Wohnort der jeweiligen Prostituierten bzw. deren E-Mail-Adresse zu benennen. Er hat darüber hinaus auch nicht dazu vorgetragen, ob und wann eine der Prostituierten, deren Urin er getrunken hat, Kokain überhaupt konsumiert hat. Vielmehr hat er selbst eingeräumt, dass es sich seiner Kenntnis entzieht, ob diese Prostituierten Kokain zu sich genommen haben. Damit hat er selbst offengelassen, ob der von ihm geschilderte Geschehensablauf überhaupt zutreffen kann.“