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Unfallschadenregulierung, oder: (Keine) Reparaturkosten nach der 130%-Rechtsprechung?

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Und als zweite Samstags-Entscheidung dann das KG, Urt. v. 14.12.2017 – 22 U 241/13. Es geht um Reparaturkosten im Rahmen einer Unfallschadenregulierung auf der Grundlage der 130%-Rechtsprechung. Davon bringe ich hier nur die Leitsätze, den Rest bitte selbst lesen. Zum Teil löst das KG die Fragen wie die h.M.:

  1. Übersteigen die voraussichtlichen Bruttoreparaturkosten den Wiederbeschaffungswert eines durch einen Verkehrsunfall geschädigten KfZ kann der Geschädigte nur den Wiederbeschaffungsaufwand ersetzt verlangen. Das gilt aber nicht, wenn er ein besonderes Integritätsinteresse nachweisen kann.
  2. Die Annahme eines solchen besonderen Integritätsinteresses an der Reparatur kommt grundsätzlich nicht in Betracht, wenn die Reparaturkosten mehr als 30% über dem Wiederbeschaffungswert liegen.
  3. Sie kommt weiter dann nicht in Betracht, wenn der Geschädigte das Fahrzeug nicht genau entsprechend den Vorgaben des von ihm eingeholten und zur Entscheidungsgrundlage für die Reparatur gemachten Gutachtens eines anerkannten KfZ-Sachverständigen reparieren lässt.

Diskutieren wird man die Vorgabe des KG können, eine Abrechnung der Reparaturkosten bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes auch dann abzulehnen, wenn durch die Reparatur die Fahrtüchtigkeit des Fahrzeuges wiederhergestellt wird. Denn grundsätzlich hält der BGH eine solche Abrechnung ja durchaus für möglich, ohne dass es dann im Einzelnen auch auf die Qualität der Reparatur ankommen würde (vgl.  BGH, Urt. v. 29.04.2003 – VI ZR 393/02). Insbesondere in den Fällen einer Teilreparatur wird dies auch schon regelmäßig in der Rechtsprechung bejaht (OLG Düsseldorf, Urt. v. 06.03.2006 – I-1 U 163/05). Wenn es sich aber zugleich um einen 130%-Fall handelt, stellt das KG nun offenbar noch eine weitere zusätzliche Voraussetzung auf. Hiernach wird eine Abrechnung der Reparaturkosten nur mit einem besonderen schützenswerten Integritätsinteresse nach dem Maßstab der 130%-Rechtsprechung zugelassen, da der Geschädigte ja auch genau über diese Anforderungen Bescheid gewusst hätte. Eine Abrechnung auf Basis der Reparaturkosten als „Minus“ bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes ist nach Ansicht des KG dann nicht mehr statthaft. So restriktiv hat der BGH vergleichbare Fälle jedenfalls noch nicht entschieden.

Unfallschadenregulierung, oder: Wann kann der Rechtsanwalt, der sich als Unfallgeschädigter selbst vertritt, dafür Gebühren abrechnen?

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Im ersten „Kessel Buntes“ des Jahres 2018 „köchelt“ heute dann zunächst das AG Köln, Urt. v. 11.12.2017 – 261 C 176/17 -, quasi Gebührenrecht mit verkehrsrechtlichem Einschlag. Entschieden hat das AG die Ersatzpflicht aus einem Verkehrsunfall für vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren, wenn der Anspruchsteller selbst als Rechtsanwalt bei der Unfallschadenregulierung tätig wurde. Also die Frage: Kann der Rechtsanwalt, der sich bei einer Unfallschadenregulierung als Unfallgeschädigter selbst vertritt, dafür Gebühren abrechnen/geltend machen. Das AG sagt – mit der Rechtsprechnung des BGH: Ja, das geht:

„Nach Auffassung des erkennenden Gerichts stellen die durch die Kläger geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren einen ersatzfähigen Schaden i.S.d. § 249 Abs. 1 BGB dar. Sie gehören zu dem mit dem Schaden unmittelbar verbundenen und nach § 249 Abs. 1 BGB auszugleichenden Vermögensnachteil. Umfasst wird hier der erforderliche Aufwand, zu dem nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs solche Kosten zählen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Hinsichtlich der Frage der Erforderlichkeit ist dabei auf eine ex-ante Sicht abzustellen. Grundsätzlich sind gerade bei Verkehrsunfällen die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten als erforderlicher Aufwand anzusehen.

Lediglich dann, wenn ein einfach gelagerter Schadensfall vorliegt, in dem die Haftung dem Grunde und der Höhe nach derart klar ist, dass aus der Sicht des Geschädigten kein Anlass zu Zweifeln an der Erstattungspflicht des Schädigers besteht und wenn es sich nicht um einen Geschädigten handelt, der selbst zur Geltendmachung der Schäden aus besonderen Gründen, wie etwa einem Mangel an geschäftlicher Gewandtheit, nicht, in der Lage ist, ist eine Ersatzfähigkeit der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren zu verneinen (BGH, Urteil vom 08.11.1994, Az: VI ZR 3/94). Zu beachten ist dabei, dass es nicht ausreichend ist, wenn nur eine der genannten

Voraussetzungen zu bejahen ist, vielmehr müssen beide Voraussetzungen kumulativ vorliegend. Dies ist hier nicht der Fall.

Denn der hier betroffene Verkehrsunfall ist schon nicht ein derart einfach gelagerter Fall wie der, der der Entscheidung des BGH zugrunde lag. Anders als im vom BGH entschiedenen Verfahren kollidierten hier zwei Fahrzeuge. In einem solchen Fall stellt sich automatisch die Frage der Betriebsgefahren (vgl. LG Krefeld, Urteil v. 07.04.2011, Az. 3 S 39/10). Die Anrechnung einer Betriebsgefahr kommt auch bei geparkten Fahrzeugen in Betracht.

Zu beachten ist außerdem, dass die Erforderlichkeit der Einschaltung aus der ex-ante Sicht zu beurteilen ist. Dass weder die Haftung dem Grunde nach noch die Höhe unstreitig sein würde, war für die Kläger nicht ohne weiteres ersichtlich. Gerade bei der Schadenshöhe kommt es häufig zu Streitigkeiten über die Kompatibilität, die Höhe der Stundenverrechnungssätze, Verbringungskosten etc. So wurde auch hier zunächst eine Kürzung um € 37,22 vorgenommen. Ferner waren diverse weitere Positionen geltend zu machen, u.a. Mietwagenkosten. Bei einem Anspruch auf Erstattung von Mietwagenkosten ist schon angesichts der deutschlandweit variierenden und unüberschaubaren Rechtsprechung zu dieser Frage kein einfach gelagerter Fall gegeben.

Die Ersatzpflicht entfällt auch nicht, weil die Kläger selbst als Rechtsanwalt tätig wurden. Die Ersatzpflicht besteht auch, wenn sich ein Rechtsanwalt selbst vertritt, soweit ein rechtsunkundiger die Einschaltung eines Anwalts als erforderlich ansehen durfte (AG München, Urteil vom 28.1.2004, Az: 322 C 33323/03; AG Münster, Urteil vom 9.2.2011, Az: 60 C 4389/10; BGH, Urteil vom 10.11.2010, Az: IV ZR 188/08; Palandt/Heinrichs, § 249 Rn. 39). Dies war hier der Fall, s.o.“

Fazit nach AG Köln: Immer dann, wenn es um Mietwagenkosten und die Schadenshöhe geht, handelt es sich um einen nicht einfach gelagerten Sachverhalt, der die Einschaltung eines Rechtsanwaltes erlaubt/erfordert.

Resteverwertung, oder: Muss man auf ein besseres Angebot des Versicherers warten?

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Aus dem „Kessel Buntes“ am heutigen Samstag zunächst das schon etwas ältere – also Resteverwertung 🙂 –  BGH, Urt. v. 27.09.2016 – VI ZR 673/15 – zur Frage, ob der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall, wenn ihm bereits Restwertangebote vorliegen, auf ein besseres Restwertangebote seines/des Versicherers warten muss. Nach dem Sachverhalt des Urteils hatte der durch einen Verkehrsunfall geschädigte Kläger im Rahmen der Regulierung ein Schadensgutachten eingeholt und dieses an die beklagte Versicherung geschickt. Bei der war es am 08.02.2014 eingegangen. Der Restwert des Pkws des Klägers war in dem Gutachten unter Berücksichtigung von vier Angeboten auf dem regionalen Markt errechnet worden. Am 11.02.2014 hat der der Kläger sein Fahrzeug dann verkauft, wobei der erzielte Kaufpreis in etwa dem ermittelten Restwert entsprach. Dann kam die Beklagte, die am 13.02.2014 dem Kläger u. a. ein verbindliches Angebot eines anderen Händlers vorlegt, das immerhin um rund 9.000 EUR höher ausfiel. Dieses Gutachten hat die Versicherung bei der Schadensregulierung zugrunde gelegt. Um die Differenz wurde gestritten.

Was der BGH dazu meint, ergibt sich aus den beiden Leitsätzen seiner Entscheidung:

a) Der Geschädigte, der von der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB Gebrauch macht und den Schaden wie im Streitfall nicht im Wege der Reparatur, sondern durch Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beheben will, leistet bei der Verwertung des beschädigten Fahrzeugs dem Wirtschaftlichkeitsgebot im Allgemeinen Genüge, wenn er die Veräußerung zu einem Preis vornimmt, den ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger in einem Gutachten, das eine korrekte Wertermittlung erkennen lässt, als Wert auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (Fortführung Senatsurteil vom 1. Juni 2010 – VI ZR 316/09, VersR 2010, 963).

b) Er ist weder unter dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots noch unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht dazu verpflichtet, über die Einholung des Sachverständigengutachtens hinaus noch eigene Marktforschung zu betreiben und dabei die Angebote auch räumlich entfernter Interessenten einzuholen oder einen Sondermarkt für Restwertaufkäufer im Internet in Anspruch zu nehmen. Auch ist er nicht gehalten abzuwarten, um dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer vor der Veräußerung des beschädigten Fahrzeugs Gelegenheit zu geben, zum eingeholten Gutachten Stellung zu nehmen und gegebenenfalls bessere Restwertangebote vorzulegen.

Ersatz der Reparaturbestätigung, – die wird bei fiktiver Schadensabrechnung i.d.R, nicht ersetzt, so der BGH

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In der vergangenen Woche ist auf der Homepage des BGH das BGH, Urt. v. 24.01.2017 – VI ZR 146/16 – veröffentlicht worden. Eine Leitsatzentscheidung, was zeigt, wie wichtig der BGH die entschiedene Frage nimmt, wenn er selbst den Leitsatz bildet. Darüber gibt es dann nur noch die Veröffentlichung in BGHZ 🙂 .

In der Entscheidung ging es um eine Restschadenabrechnung aus einem Verkehrsunfall vom 22. Juli 2014 in Anspruch. Die volle Haftung des Beklagten für den Unfallschaden war nicht im Streit. Ein Privatsachverständiger ermittelte die Kosten für die Reparatur des Unfallschadens am Fahrzeug der Klägerin mit netto 4.427,07 €. Die Klägerin rechnete auf Gutachtenbasis mit dem Beklagten ab, der den ermittelten Betrag erstattete. Die Reparatur ließ die Klägerin von ihrem Lebensgefährten, einem gelernten Kfz-Mechatroniker vornehmen. Die Ordnungsgemäßheit der Reparatur ließ sie sich von dem Sachverständigen bestätigen, der für die Erstellung der Reparaturbestätigung 61,88 € in Rechnung stellte. Und um diesen Betrag wurde noch gestritten. Das AG hatte die Klage abgewiesen, das LG die vom AG zugelassene Berufung zurückgewiesen.

Und der BGH? Der gibt dem LG Recht und hat die Revision zurückgewiesen. Der Leitsatz:

Wählt der Geschädigte den Weg der fiktiven Schadensabrechnung, sind die im Rahmen einer tatsächlich erfolgten Reparatur angefallenen Kosten einer Reparaturbestätigung für sich genommen nicht ersatzfähig. Eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung ist insoweit unzulässig.

Also: Entscheidet sich der Geschädigte für die fiktive Schadensabrechnung, sind die im Rahmen einer tatsächlich erfolgten Reparatur angefallenen Kosten nicht (zusätzlich) ersatzfähig. Der Geschädigte muss sich vielmehr an der gewählten Art der Schadensabrechnung festhalten lassen. Aber:

„Etwas anderes könnte gelten, wenn die Reparaturbestätigung aus Rechtsgründen zur Schadensabrechnung erforderlich gewesen wäre, etwa im Rahmen der Abrechnung eines zusätzlichen Nutzungsausfallschadens (vgl. AG Düsseldorf, Urteil vom 30. Juli 2015 – 235 C 11335/14, juris Rn. 18; AG Schwabach, Urteil vom 22. November 2012 – 2 C 999/12, juris Rn. 5 ff.; AG Mainz, Urteil vom 15. Mai 2012 – 86 C 113/12, juris Rn. 12; AG Frankfurt, Urteil vom 3. Februar 2011 – 29 C 2624/10, juris Rn. 97 ff.). Die Reparaturbescheinigung wäre – ihre Eignung im Übrigen vorausgesetzt – dann als Nachweis der tatsächlichen Gebrauchsentbehrung (vgl. zu dieser Anspruchsvoraussetzung Senatsurteile vom 23. März 1976 – VI ZR 41/74, BGHZ 66, 239, 249; vom 10. März 2009 – VI ZR 211/08, VersR 2009, 697 Rn. 9; Geigel/Knerr, Der Haft-pflichtprozess, 27. Aufl., Kap. 3 Rn. 96; Wussow/Zoll, Unfallhaftpflichtrecht, 16. Aufl., Kap. 41 Rn. 90) erforderlich zur Rechtsverfolgung im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Entsprechendes kann im Fall der den Wiederbeschaffungsaufwand überschreitenden fiktiven Reparaturkosten für den Nachweis der ver-kehrssicheren (Teil-)Reparatur des Unfallfahrzeugs und damit des tatsächlich bestehenden Integritätsinteresses des Geschädigten (vgl. hierzu Senatsurteile vom 29. April 2008 – VI ZR 220/07, NJW 2008, 1941; vom 29. April 2003 – VI ZR 393/02, BGHZ 154, 395; Geigel/Knerr, aaO, Rn. 35; Wussow/Zoll, aaO, Rn. 10 f.) gelten.“

Unfallschadenregulierung: Welcher Umtauschkurs beim ausländischen Geschädigten?

entnommen openclipart.org

So, und dann gleich noch ein AG-Urteil, und zwar das AG Mitte, Urt. v. 11.01.2017 – 112 C 3117/16, zu der interessanten Frage: Wie berechnet sich eigentlich der Schadensersatzanspruchs eines ausländischen Geschädigten bzw. auf welchen Umtauschkurs ist bei ihm abzustellen? Dazu das AG:

„Zutreffend hat der Kläger für die Berechnung seines Schadensersatzanspruchs auf den Umtauschkurs des Unfalltages abgestellt. Denn an diesem Tag ist der Schadensersatzanspruch entstanden. Soweit die Beklagte meint, es sei auf den Umtauschkurs am Tag der Regulierung durch die Beklagte abzustellen, ist dieser Tag völlig willkürlich gewählt. Der Umtauschkurs könnte an diesem Tag zugunsten des Geschädigten oder aber auch zugunsten des Schädigers ausfallen. Darüber hinaus hätte es der Schädiger in der Hand, an einem Tag zu regulieren, der einen für ihn günstigen Umtauschkurs bietet. Dies kann nicht richtig sein. Soweit die Beklagte auf die von ihr zitierten Entscheidungen des BGH abstellt, sind diese zum einen veraltet und zum anderen betreffen sie keine Schadensersatzansprüche aus Verkehrsunfallsachen.“