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Vorrang der Strafhaft

Verhältnismäßig neu in der StPO ist § 116b StPO, der das Verhältnis von U-Haft zu anderen freiheitsentziehenden Maßnahmen dahin regelt. Dazu hat jetzt das KG in einem Beschl. v. 11.20.2010 – 2 Ws 504/10 zur Strafhaft (Satz 2) ausgeführt:

Der Vorrang der Strafhaft tritt bei einem bereits in Untersuchungshaft befindlichen Verurteilten nicht erst mit dem Eingang des Aufnahmeersuchens in der Justizvollzugsanstalt ein, sondern bereits dann, wenn die Staatsanwaltschaft – wie hier durch den Erlaß eines Vollstreckungshaftbefehls – unmißverständlich zum Ausdruck bringt, daß die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe nunmehr ansteht.

Kann für das Ende der Strafhaft von Bedeutung sein.

Besuchserlaubnis für den Ehepartner – Art. 6 GG lässt grüßen

An sich selbstverständlich, aber dennoch musste der Beschuldigte in Kaiserslautern den Weg über die Beschwerde gehen, damit seine Frau eine Besuchserlaubnis bekam (vgl. Beschl. v. 05.01.2011 – 2 Qs 182/10). Das LG sagt: Bei der Entscheidung darüber, ob dem Ehegatten des Beschuldigten eine Besuchserlaubnis zu erteilen ist, ist § 119 Abs. 1 Nr. 1 StPO im Lichte des Grundrechts aus Art. 6 Abs. 1 GG auszulegen. Das führt dazu, dass auch dann, wenn konkrete Gründe für Verdunkelung bestehen (Zusatz: Nach den mir vorliegenden Infos des einsendenden Verteidigers waren der Beschuldigte und seine Ehefrau beide Beschuldigte eines Verfahrens wegen BtM-Handel) die Besuchserlaubnis nicht insgesamt versagt werden darf, sondern ggf. visuelle und akustische Überwachung des Besuchs mit Trennscheibe ausreicht oder ein Polizeibeamter hinzugezogen werden kann.

Pflichtverteidigerbestellung bei Untersuchungshaft – verfahrensbezogen Ja oder Nein?

Ein Streitpunkt (vgl. hier und hier) bei der Auslegung der neuen Vorschrift des § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO ist die Frage, ob der Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger auch dann zu bestellen ist, wenn die Untersuchungshaft  nicht in demjenigen Verfahren vollzogen wird, für welches sich der Verteidiger bestellt hat.

Das OLG Frankfurt sagt in seinem Beschl. v. 22.04.2010 – 3 Ws 351/10, auf den ich erst jetzt gestoßen bin: Dem Beschuldigten ist der Rechtsanwalt gleichwohl zum Pflichtverteidiger zu bestellen. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der gesetzlichen Neuregelung. Es werde dort ausschließlich die Vollstreckung von Untersuchungshaft als Anknüpfungspunkt für die Erforderlichkeit der Pflichtverteidigung genannt. Auch historische Argumente sprechen nach Auffassung des OLG für diese Sichtweise, da bereits zur alten Rechtslage anerkannt war, dass eine Beiordnung verfahrensunabhängig zu erfolgen hatte.

M.E. nach Sinn und Zweck der Neuregelung zutreffend.

Gut Ding will Weile haben, aber 14 Wochen (Monate) Verzögerung führen zur Aufhebung des Haftbefehls…

Das OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.08.2010 – 1 Ws 462/10 H hat jetzt im Verfahren nach §§ 121, 122 StPO einen Haftbefehl wegen Verfahrensverzögerung aufgehoben und dabei ausgeführt, dass es dann, wenn durch eine prozessleitende Verfügung des Vorsitzenden die gründliche Vorbefassung mit dem Verfahren belegt und damit vom Vorliegen der Eröffnungsreife bereits vor Erlass des Eröffnungsbeschlusses auszugehen ist, ist bei der Prüfung, ob das Beschleunigungsgebot in Haftsachen beachtet wurde, auf den Zeitpunkt des Eintritts der Eröffnungsreife und nicht auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Erlasses des Eröffnungsbeschlusses abzustellen.

Und: Eine vermeidbare Gesamtverzögerung des Verfahrens von knapp 14 Wochen ist erheblich, wenn das Verfahren bei sonst gleichem Verfahrensgang deutlich vor Ablauf der Sechsmonatsfrist mit einem Urteil hätte abgeschlossen werden können. Ist doch mal was….

P.S. Überschrift von Monate in Wochen geändert. War ein Versehen. Sorry.

Telefonieren mit dem ausländischen Verteidiger …….

darum ging es einem rumänischen U-Haft-Gefangegen in dem dem Beschl. des OLG Köln v. 12.08.2010 – 2 Ws 498/10 – zugrunde liegenden Verfahren. Dies wurde nicht erlaubt. Das OLG führt dazu aus, dass einem Untersuchungshäftling keine richterliche Erlaubnis für ein Ferngespräch mit einem Verteidiger in anderer Sache im Ausland zu erteilen sei. Eine Versagung einer solchen Genehmigung sei in aller Regel geboten, da das Begehren des Untersuchungsgefangenen, Telefonate mit Personen außerhalb der Justizvollzugsanstalt zu führen oder von solchen zu empfangen, in der Regel dem Zweck der Untersuchungshaft widerstreite. Dies gelte unabhängig davon, ob dem Haftbefehl die Annahme einer Verdunklungsgefahr zu Grunde gelegt worden seioder nicht. Auch die bloße Fluchtgefahr seiinsoweit ausreichend, weil nicht gewährleistet werden könne, ob die Kontaktaufnahme tatsächlich zu einem Anwalt stattfindet.

Und verfahrensmäßig gilt: Nach der gesetzgeberischen Neuregelung des § 119 StPO obliegen derartige Entscheidungen nunmehr der Anstaltsleitung.