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Verkehrsrecht I: Trunkenheitsfahrt, oder: Wenn im AG-Urteil aber auch gar nichts stimmt

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Heute dann mal ein wenig Verkehrsrecht. Und den Reigen eröffne ich mit dem OLG Celle, Beschl. v. 26.09.2018 – 3 Ss 25/18 -, den mir der Kollege Stahl aus Parchim geschickt hat. Er behandelt eine Verurteilung wegen einer Trunkenheitsfahrt (§ 316 StB) durch das AG Burgdorf, bei der aber auch gar nichts gestimmt hat. Das OLG holt zum „Rundumschlag“ aus und gibt auch einige „weiterführende Hinweise“:

„Das Urteil des Amtsgerichts ist auf die allgemeine Sachrüge hin aufzuheben. Die Feststellungen sind lückenhaft und die Beweiswürdigung des Amtsgerichts hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.

Die Würdigung der Beweise ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts, das sich unter dem um-fassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld des Angeklagten zu bilden hat (§ 261 StPO). Das Revisionsgericht ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatgerichts mit Rechtsfehlern behaftet ist, weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesicherten Erfahrungswissen nicht übereinstimmt oder sich so weit von einer Tatsachengrundlage entfernt, dass sich die gezogenen Schlussfolgerungen letztlich als reine Vermutung erweisen. (BGH, Urteil vom 12. Januar 2017 — 1 StR 360/16 —, Rn. 10, juris m.w.N.).

Gemessen an diesem Maßstab erweist sich die Beweiswürdigung des Amtsgerichts in mehreren Punkten als rechtsfehlerhaft.

1. Es bestehen bereits Widersprüche zwischen den Feststellungen und der Beweiswürdigung. Soweit das Amtsgericht festgestellt hat, dass der Angeklagte gegen 3:00 Uhr im Rahmen der verfahrensgegenständlichen Fahrt öffentliche Straßen befuhr und im Rahmen der Beweiswürdigung hingegen den Rückschluss zieht, frühestens um 2:30 Uhr sei es zum Unfall gekommen, steht dieses in einem unauflösbaren Widerspruch zueinander. Wenn das Unfallereignis um 2:30 Uhr eingetreten ist, kann der Angeklagte nicht um 3:00 Uhr die Fahrt auf der angegebenen Strecke vorgenommen haben. Dieses ist insoweit auch nicht unerheblich, da der Zeitpunkt des Fahrtendes für die hier vorgenommene Rückrechnung entscheidend ist.

2. Die der Rückrechnung zugrundeliegenden Feststellungen erweisen sich – gemessen an den oben dargestellten Maßstäben — lediglich als Vermutungen.

Die Berechnung bzw. Feststellung des Alkoholisierungsgrades beruht zunächst auf der Fest-stellung, dass der Unfall um frühestens 2:30 Uhr stattgefunden hat und nicht zwischen 1:30 Uhr — 1:45 Uhr wie vom Angeklagten angegeben. Als Feststellungsgrundlagen hat das Gericht hier den Umstand, dass es sich um eine um diese Uhrzeit befahrene Straße handelt sowie das Qualmen des Motors beim Eintreffen des Zeugen herangezogen.

Das Amtsgericht teilt bereits schon nicht mit, welche indizielle Bedeutung der Umstand der Straßennutzung für die Überzeugungsbildung hatte. Auch die Feststellung des qualmenden Motors lässt einen Schluss auf den vom Gericht festgestellten Unfallzeitpunkt nicht zu. Ein Erfahrungssatz, wie lange Qualm maximal nach einem Unfall aus dem Motorraum aufsteigt, existiert nicht. Insoweit hätte festgestellt und nachvollziehbar dargelegt werden müssen, warum ein Qualmen nicht über einen längeren Zeitraum hätte erfolgen können. Dieses wäre ¬ggf. unter Beteiligung eines Sachverständigen — unter ergänzender Feststellung wesentlicher Anknüpfungstatsachen wie etwa der Grund des Qualmens aufzuklären gewesen.

3. Die Feststellungen des Amtsgerichts zu der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit des Angeklagten sind zudem unzureichend und halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Maßstäben ist die Annahme einer alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit vorliegend rechtsfehlerhaft.

Relative Fahruntüchtigkeit ist gegeben, wenn die Blutalkoholkonzentration des Angeklagten zur Tatzeit zwar unterhalb des Grenzwertes liegt, aber aufgrund zusätzlicher Tatsachen der Nachweis alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit geführt werden kann (BGH, Urteil vom 22. April 1982 — 4 StR 43/82 —, BGHSt 31, 42-46, Rn. 6).

Dabei sind die an eine konkrete Ausfallerscheinung zu stellenden Anforderungen umso geringer, je höher die Blutalkoholkonzentration und je ungünstiger die objektiven und subjektiven Bedingungen der Fahrt des Angeklagten sind (BGH, Urteil vorn 22. April 1982 — 4 StR 43/82 BGHSt 31, 42-46, Rn. 8). Für die Annahme alkoholbedingter Ausfallerscheinungen ist eine Gesamtwürdigung sämtlicher Tatumstände unter Einbeziehung des Unfallhergangs und von Darlegungen zu der Kausalität zwischen der festgestellten Alkoholisierung und dem Unfallereignis erforderlich (Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24. August 2015 — 2 Rv 104/15 —, Rn. 9, juris). Das Amtsgericht stellt insoweit darauf ab, dass aufgrund der auf dem Lichtbild erkennbaren Fahrspuren und dem nicht geplatzten Reifen ein alkohol-bedingter Fahrfehler gegeben sei. Insoweit hätte das Amtsgericht im Hinblick auf die hier vergleichsweise geringe Alkoholisierung klären müssen, dass es sich nicht um einen Fahrfehler handelt, der auch einem nicht alkoholisierten Fahrzeugführer hätte passieren können. Das Amtsgericht hätte daher weitere Feststellungen wie etwa zum Straßenverlauf, zur gefahrenen Geschwindigkeit und zu den Lichtverhältnissen treffen müssen.

Soweit das Amtsgericht hinsichtlich der Spurenlage anhand der Inaugenscheinnahme von Lichtbildern die Überzeugung hinsichtlich eines alkoholbedingten Fahrfehlers gewinnt, genügen diese Ausführungen bereits nicht den Darstellungserfordernissen an ein Urteil.

Das Amtsgericht teilt lediglich mit, dass auch die auf den Lichtbildern erkennbaren Fahrspuren deutlich ein Schleudern des Fahrzeuges erkennen lassen. Insoweit kann der Senat nicht nachvollziehen, aufgrund welcher Fahrspuren hier ein alkoholbedingter Fahrfehler gegeben sein soll.

Auch ist es dem Senat insoweit verwehrt, selbst Einblick in Lichtbilder zu nehmen. Eine ordnungsgemäße Verweisung gern. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO enthält das Urteil nicht. Hinsichtlich der Fahrspuren führt das Amtsgericht lediglich aus, dass Lichtbilder in Augenschein genommen worden seien. Es teilt bereits nicht mit, um welche Lichtbilder es sich handelt und verweist in diesem Zusammenhang auch auf keine Lichtbilder.

Soweit das Amtsgericht unter II. des Urteils im Rahmen der Feststellungen hinsichtlich der Unfallsituation gern. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder BI. 125 a,b,c, verweist, ist eine Verweisung in dieser Form nicht zulässig. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO erlaubt wegen der weiteren Einzelheiten auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, zu verweisen. Die Formulierung, dass hinsichtlich der Unfallsituation Bezug genommen werde, ist indes eine pauschale Bezugnahme auf eine Gesamtsituation und nicht auf Einzelheiten. Die Schilderung des „Aus-sagegehaltes“ der Abbildung darf nicht entfallen. Zudem ist eine Beschreibung des Wesentlichen in knapper Form erforderlich (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 267, Rn. 10 m.w.N.).

4. Soweit das Amtsgericht angeführt hat, dass der Angeklagte jedenfalls bei der Entnahme der Blutprobe eine lallende Aussprache, ein schwankendes Gleichgewicht und eine verzögerte Reaktion hatte, ist nicht auszuschließen, dass diese Umstände ebenfalls für die Bewertung einer relativen Fahruntüchtigkeit herangezogen wurden. Sofern das Amtsgericht davon ausgeht, dass ein Nachtrunk in der angegebenen Höhe stattgefunden hat, kann es die im Rahmen der Blutprobe dokumentierten Ausfallerscheinungen nicht heranziehen. Diese alkoholbedingten Ausfallerscheinungen stünden dann in einem kausalen Zusammenhang mit dem erheblichen Nachtrunk.“

Die „Segelanweisungen“ dann bitte im Volltext nachlesen…..,

„Trunkenheitsfahrt“ mit 0,88 Promille, oder: Wenn die Ausfallerscheinungen „nicht reichen“

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Und die dritte und letzte Entscheidung des Tages kommt auch aus Berlin, allerdings nicht aus der Elßholzstraße, also vom KG, sondern vom AG Tiergarten. Es ist das AG Tiergarten, Urt. v. 31.08.2018 – 343 Cs) 3034 Js 7166/18 (112/18).

Angeklagt war eine Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB, das AG hat den Angeklagten aber nur wegen eines Verstoßes gegen § 24a Abs. 1 StVG verurteilt. Grund: Keine ausreichenden Feststellungen zur relativen Fahruntüchtigkeit – der Angeklagte hat eine BAK von 0,88 Promille – möglich:

„II.

Am 11.05.2018 gegen 03:13 Uhr befuhr der Angeklagte mit dem Pkw Porsche, amtliches Kennzeichen, den Olivaer Platz und den Kurfürstendamm in Berlin. Er wies dabei infolge Alkoholgenusses eine Blutalkoholkonzentration von 0,88 Promille auf, was er bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt als Kraftfahrzeugführer hätte erkennen können und müssen. Alkoholbedingte Ausfallerscheinungen, die eine Fahruntüchtigkeit des Angeklagten begründen könnten, ließen sich zur Überzeugung des Gerichts nicht feststellen.

III.

Die vorstehenden Feststellungen ergeben sich zur Überzeugung des Gerichts aus der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung.

Der vertretungsbevollmächtigte Verteidiger, welcher für den abwesenden Angeklagten auftrat, trug zu dessen persönlichen Verhältnisse vor und gab zum Anklagevorwurf keine Einlassung ab. Dass der Angeklagte nicht vorbestraft ist, ergab sich aus dem in der Hauptverhandlung verlesenen, ihn betreffenden Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 16.05.2018, welcher keine Eintragungen enthält.

Aus den Schilderungen der Polizeibeamten H. und R. ließ sich zur Überzeugung des Gerichts die Fahrereigenschaft des Angeklagten feststellen und das in der Hauptverhandlung verlesene Gutachten des Landeskriminalamtes vom 14.05.2018 belegte die Blutalkoholkonzentration von 0,88 Promille zum Zeitpunkt der Blutentnahme um 04:30 Uhr. Da über den Zeitpunkt des Trinkendes beziehungsweise der Resorptionsphase keine Feststellungen getroffen werden konnten, war zu Gunsten des Angeklagten von einer Blutalkoholkonzentration von 0,88 Promille zur Tatzeit auszugehen. Darüber hinausgehende alkoholbedingte Fahrfehler beziehungsweise körperliche Ausfallerscheinungen im Hinblick auf eine relative Fahrunsicherheit ließen sich nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen.

Die Zeugen R.und H. berichteten übereinstimmend von ihrer Streifenfahrt, die sie zur Tatzeit auf den Kurfürstendamm in nordöstlicher Richtung geführt habe, als ihnen in Höhe der Kreuzung Kurfürstendamm / Olivaer Platz ein schwarzer Porsche (ppp.) mit lauten Motorengeräuschen und überhöhter Geschwindigkeit entgegengekommen sei. Sie hätten gewendet, die Verfolgung aufgenommen und kurz vor der Kreuzung Kurfürstendamm / Lewishamstraße zu dem Porsche aufgeschlossen. Der Porsche habe nun ohne zu blinken gewendet und sei zurück in Richtung Olivaer Platz gefahren, wo er in die Konstanzer Straße abbog. Der Streifenwagen habe direkt zu dem Porsche aufschließen können, als dieser erneut ohne zu blinken wendete. Bei diesem Wendemanöver hätten die Zeugen bei guter Straßenbeleuchtung erkennen können, dass der Fahrer allein im Fahrzeug gewesen sei. Die Zeugin H. habe den Fahrer in dieser Situation als einen südländisch wirkenden Typ, mit dunklem Hemd und leicht zurückgegelten Haaren wahrgenommen. Übereinstimmend bezeugten beide, es habe sich dabei um die später kontrollierte Person, den hier Angeklagten, gehandelt.

Im Anschluss an dieses Wendemanöver habe der Porsche stark beschleunigt, sei erneut in den Kreuzungsbereich Kurfürstendamm / Olivaer Platz eingefahren und anschließend ohne zu blinken in die Giesebrechtstraße eingebogen. Der Streifenwagen habe nun Probleme gehabt zu folgen, jedenfalls hätten die Zeugen noch erkennen können, wie der Porsche am Ende der Giesebrechtstraße in die Clausewitzstraße eingebogen sei. Selbst mit einer Geschwindigkeit von etwa 70 bis 80 km/h sei es ihnen nicht möglich gewesen, aufzuschließen. Sie hätten den Porsche für rund 10 Sekunden aus den Augen verloren, seien dann ohne Sichtkontakt die Clausewitzstraße Richtung Kurfürstendamm gefahren und dort nach rechts eingebogen. Nach einer nur kurzen Wegstrecke sei den Zeugen auf Höhe Kurfürstendamm Nr. 69 auf der dort befindlichen Parkinsel der Porsche wieder aufgefallen. Als sie sich ihm genähert hätten, sei die Person ausgestiegen, die sie bei dem Wendemanöver in der Konstanzer Straße als Fahrer wahrgenommen hätten. Andere Personen hätten sie im Umfeld des Porsches nicht wahrnehmen können. Bei dem kontrollierten habe es sich um den Angeklagten gehandelt, der beim Aussteigen aus dem Porsche seine Jacke vom Beifahrersitz gegriffen und beim Anziehen derselben erheblich Probleme gehabt habe, den Arm einzufädeln. Der Angeklagte habe eine kräftige Statur gehabt und die Jacke sei eng gewesen. Während des Gesprächs mit dem Angeklagten habe dieser undeutlich, leicht lallend gesprochen und man habe Alkoholgeruch wahrnehmen können.

Die Schilderungen der Zeugen belegen zur Überzeugung des Gerichts die Fahrereigenschaft des Angeklagten. Sie hatten beim Wendemanöver in der Konstanzer Straße beide die Möglichkeit, den Innenraum des Porsches wahrnehmen zu können und erkannten aus kurzer Distanz den später kontrollierten Angeklagten als den Fahrer. Dem steht auch nicht die kurze Zeit entgegen, in dem die Zeugen den Sichtkontakt zum Porsche verloren. Diese Phase war lediglich etwa 10 Sekunden lang und als die Zeugen den Porsche auf der Parkinsel wieder entdeckten, stieg der Angeklagte gerade aus und zog sich anschließend die Jacke. Es ist weder vorgetragen worden noch ansatzweise wahrscheinlich, dass in der kurzen Phase der Sichtunterbrechung ein Fahrerwechsel stattgefunden haben könnte. Da die Zeugen beim Wendemanöver im Porsche lediglich einen Fahrzeuginsassen wahrnahmen, hätte der etwaige Fahrertausch zudem mit einer Person außerhalb des Fahrzeugs stattfinden müssen.

Eine (relative) Fahrunsicherheit des Angeklagten können die Schilderungen der Zeugen hingegen nicht tragen. Bei einer Alkoholisierung von 0,88 Promille müssen aufgrund des Abstands zu der in der Rechtsprechung anerkannten Grenze zur absoluten Fahrunsicherheit (ab 1,1 Promille) zusätzliche Umstände hinzukommen, die einen Rückschluss auf die Fahrunsicherheit nahelegen. Die beschriebene Fluchtfahrt mit lauten Motorengeräuschen, überhöhter Geschwindigkeit und fehlender Anzeige von Wende- beziehungsweise Abbiegmanöver kann zur Überzeugung des Gerichts nicht mit der erforderlichen Sicherheit als alkoholbedingte Ausfallerscheinung gewertet werden. Sofern man sich – aus welchen Gründen auch immer – einer Verkehrskontrolle entziehen will und versucht, dem Streifenwagen zu entfliehen, ist eine solche Fahrweise nachvollziehbar auf die Fluchtintention und nicht unbedingt auf die Alkoholisierung zurückzuführen. Dies muss umso mehr berücksichtigt werden, wenn lediglich eine bußgeldbewehrte Alkoholisierung (0,88 Promille) erreicht wurde und im Übrigen keinerlei Fahrunsicherheiten wie Schlangenlinien oder ähnliches wahrgenommen werden konnten. Auch die während der Kontrollsituation wahrgenommenen Auffälligkeiten rechtfertigen die Annahme einer Fahrunsicherheit nicht. Die Schwierigkeiten des Angeklagten, die Jacke anzuziehen können plausibel mit seiner kräftigen Statur und der eng geschnittenen Jacke in Verbindung gebracht werden. Der Alkoholgeruch deutet lediglich auf die tatsächlich vorhandene Alkoholisierung hin und die undeutliche Aussprache kann bei dem türkischen Angeklagten herkunftbedingt veranlagt sein und lässt für sich genommen keinen sicheren Rückschluss auf eine Fahrunsicherheit zu.“

Also mit einem blauen Auge davon gekommen. Das Urteil ist übrigens rechtkräftig. Die StA Berlin hat, wie mir der Kollege Kroll aus Berlin, von dem die Einsendung stammt, mitgeteilt hat, die von der Amtsanwaltschaft eingelegte Berufung zurückgenommen.

OWi II: Fahrlässige Trunkenheitsfahrt, oder: Unbewusste Alkoholaufnahme

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Die zweite Entscheidung kommt auch aus Berlin, es ist der KG, Beschluss, v. 31.07.2018 – 3 Ws (B) 188/18, der sich mit dem Fahrlässigkeitsvorwurf bei § 24a Abs. 1 StVG – also Trunkenheitsfahrt – befasst. Dazu das KG:

Der Schriftsatz der Verteidigerin vom 30. Juli 2018 lag vor, gab aber keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.

„Allerdings ist der Rechtsbeschwerde zuzugeben, dass die vom OLG Hamm am 27. Juli 1999 erlassene Entscheidung (Blutalkohol 39, 123) verlangt, dass die Verurteilung wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG Feststellungen zu der Frage erfordert, „aufgrund welcher konkreten Umstände der Betroffene voraussehen konnte, dass infolge seines Verhaltens die einschlägige Norm tatbestandsmäßig verwirklicht wurde“ (juris-Orientierungssatz). Im Entscheidungstext heißt es: „Aus der festgestellten Blutalkoholkonzentration von 0,95 Promille kann ohne weitere Feststellungen nicht auf eine fahrlässige Tatbestandsverwirklichung des Betroffenen geschlossen werden. Wenn nämlich dieser Wert etwa auf dem Vorhandensein von Restalkohol nach länger zurückliegendem Trinkende und längerer Eliminationsphase beruht, was hier aufgrund der fehlenden Feststellungen nicht ausgeschlossen werden kann, bedarf es ebenfalls noch der Darlegungen zusätzlicher konkreter Umstände zur Annahme fahrlässiger Tatbegehung. Schließlich lässt sich angesichts der Feststellungen auch eine unbewusste Alkoholaufnahme des Betroffenen nicht ausschließen. Bei einer solchen schiede eine Bestrafung möglicherweise aus.“

Der Senat folgt dem OLG Hamm insoweit nicht. Insbesondere muss das Tatgericht zugunsten des (schweigenden) Betroffenen nicht von dem völlig unwahrscheinlichen Fall einer unbewussten Alkoholaufnahme ausgehen. Der vom OLG Hamm angenommenen Bewertung, auch ein länger zurückliegender Alkoholkonsum könne den Fahrlässigkeitsvorwurf entfallen lassen, folgt der Senat gleichfalls nicht. Vielmehr gelten die vom Bundesgerichtshof im Falle länger zurückliegenden Cannabiskonsums aufgestellten Grundsätze eines umfassenden Fahrlässigkeitsvorwurfs (vgl. BGHSt 62, 42; vgl. auch Senat VRS 127, 244) erst recht für den Konsumenten von Alkohol, zumal sich dieser vergleichsweise linear und damit für den Kraftfahrer vorherseh- und berechenbar abbaut.

Einer Vorlage an den Bundesgerichtshof bedurfte es nicht. Denn die vorgenannten Überlegungen des OLG Hamm bewertet der Senat als nicht tragend. Anders als im hier zu entscheidenden Fall enthielt das vom OLG Hamm überprüfte Urteil bereits keinerlei Feststellungen zur inneren Tatseite, so dass die weiteren Ausführungen, welcher Art die Feststellungen sein müssten, überschießend und nicht tragend waren. Das hier angefochtene Urteil hingegen weist aus: „Die Betroffene hätte bei sorgfältiger Selbstkontrolle erkennen können, dass die Menge an konsumiertem Alkohol einen Wert von 0,25 mg/l Atemalkoholkonzentration überschreiten würde.“ Die vom OLG Hamm (aaO) darüber hinaus, aber nicht tragend verlangten Feststellungen („Art und Umstände der Alkoholaufnahme“) sind nach Auffassung des Senats nicht erforderlich. In dieser Einschätzung sieht sich der Senat zusätzlich bestätigt durch die zu den Urteilsessentialia bei § 21 StVG ergangene Grundsatzentscheidung des BGH vom 27. April 2017 (vgl. BGHSt 62, 155).“

Eine „Trunkenheitsfahrt“ ist nicht „sozialwidrig“, oder: Grundsicherung muss nicht zurückgezahlt werden

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Als zweite Entscheidung im „Kessel Buntes“ dann das LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 05.07.2018 – L 6 AS 80/17. Entschieden worden ist über einen vom sog. Grundsicherungsträger gegenüber dem Kläger, einem Kraftfahrer, geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung von Grundsicherungsleistungen. Die waren dem Kläger nach dem Verlust seines Arbeitsplatzes aufgrund einer Trunkenheitsfahrt gewährt worden. Das LSG sagt: Nein, der Kläger muss nichts zurückzahlen: Denn mit der Trunkenheitsfahrt, die zum Verlust des Führerscheins und nachgehend zum Verlust des Arbeitsplatzes führte, hat der Kläger seine Hilfebedürftigkeit nicht i.S.d. § 34 Abs 1 SGB II (in der bis zum 31. Juli 2016 geltenden Fassung) herbeigeführt. Die Trunkenheitsfahrt war nicht sozialwidrig:

„Entgegen den Grundsätzen des SGB II und damit „sozialwidrig“ verhält sich der Betroffene, wenn es ihm aus eigener Kraft möglich (gewesen) wäre, die Hilfebedürftigkeit abzuwenden und sein Verhalten diesen Möglichkeiten zuwiderläuft. Das Tatbestandsmerkmal des „sozialwidrigen Verhaltens“ umfasst nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 4-4200 § 34 Nr 2 Rn 20 f) nur ein Verhalten, das (1) in seiner Handlungstendenz auf die Einschränkung bzw den Wegfall der Erwerbsfähigkeit oder der Erwerbsmöglichkeit oder (2) die Herbeiführung von Hilfebedürftigkeit bzw der Leistungserbringung gerichtet war bzw hiermit in „innerem Zusammenhang“ stand oder (3) ein spezifischer Bezug zu anderen nach den Wertungen des SGB II zu missbilligenden Verhaltensweisen bestand.  Für die Annahme eines sozialwidrigen Verhaltens ist zudem erforderlich, dass die Existenzgrundlage durch das maßgebliche Verhalten selbst unmittelbar beeinträchtigt wird oder wegfällt.

Das BSG hat eine Sozialwidrigkeit verneint bei Straftaten (räuberischer Diebstahl in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und versuchter Vergewaltigung – B 4 AS 39/12 R, vorsätzliches Handeln mit Betäubungsmitteln – B 14 AS 55/12 R), die absehbar zu einer Inhaftierung und damit zum Wegfall von Erwerbsmöglichkeiten führen. Denn der Vorwurf der Sozialwidrigkeit sei nicht in der Strafbarkeit einer Handlung, sondern darin begründet, dass der Betreffende – im Hinblick auf die von der Solidargemeinschaft aufzubringenden Mittel der Grundsicherung für Arbeitsuchende – in zu missbilligender Weise sich selbst oder die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen in die Lage gebracht hat, Leistungen nach dem SGB II in Anspruch nehmen zu müssen. Dagegen sei in den entschiedenen Fällen die berufliche Existenzgrundlage durch das strafbare Verhalten nicht unmittelbar beeinträchtigt worden oder weggefallen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Verhalten des Klägers zwar als rechtlich in höchstem Maße zu missbilligende Tat zu werten, nicht jedoch als sozialwidrig iSd § 34 SGB II einzustufen:

Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Handlungstendenz des Klägers darauf gerichtet war, seine berufliche Existenzgrundlage zu vernichten und damit zu Lasten öffentlicher Kassen hilfebedürftig iSd SGB II zu werden. Für diese Annahme besteht kein Grund. Der Kläger war seit 2012 als Kraftfahrer beim selben Arbeitgeber beschäftigt und hatte dort zu Beginn des Jahres 2014 eine Festanstellung sowie eine Gehaltserhöhung erhalten, weil der Arbeitgeber mit seinen Leistungen zufrieden war.

Es bestand auch kein spezifischer Bezug zu anderen nach den Wertungen des SGB II zu missbilligenden Verhaltensweisen…..“

Trunkenheitsfahrt. Was muss ins Urteil?, oder: In Berlin ist man strenger

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Und zum Schluss heute dann noch eine KG-Entscheidung, die ganz gut zu dem Beschluss vom 28.02.2018 passt (vgl. zu dem hier: Drogenfahrt: weiß doch jeder, dass man nach Kiffen nicht fahren darf, oder: Dabei bleibt es). Es geht nämlich auch um § 24a StVG, aber dieses Mal § 24a Abs. 1 StVG, also Trunkenheitsfahrt. Das KG nimmt im KG, Beschl. v. 15.02.2018 – 3 Ws (B) 55/18 – noch einmal zu den Urteilsanforderungen bei einer Atemalkoholanalyse Stellung und hebt das AG-Urteil auf:

„Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, da die ihm zugrunde liegende Beweiswürdigung aufgrund ihrer Lückenhaftigkeit dem Senat als Rechtsbeschwerdegericht die gebotene Überprüfung nicht ermöglicht.

Zwar ist die Würdigung der Beweise Sache des Tatrichters, das Rechtsbeschwerdegericht hat aber auf die Sachrüge zu prüfen, ob ihm dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung unter anderem dann, wenn sie unklar oder lückenhaft ist. Dabei brauchen die Schlussfolgerungen des Tatrichters zwar nicht zwingend zu sein; es genügt grundsätzlich, dass sie möglich sind und er von ihrer Richtigkeit überzeugt ist. Das Gericht muss jedoch die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die Erfahrungssätze des täglichen Lebens und die Gesetze der Logik beachten. Um dem Rechtsbeschwerdegericht diese Nachprüfung zu ermöglichen, müssen die Urteilsgründe daher erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruht und die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen – wenn auch möglicherweise schwerwiegenden – Verdacht zu begründen vermag (vgl. Senat, Beschluss vom 29. Oktober 2015 – 3 Ws (B) 473/15 -, DAR 2005, 634 und VRS 122, 232 (233)).

Das Amtsgericht hat festgestellt, „der alkoholisierte Betroffene fuhr um 2.28 Uhr mit dem PKW der Marke Audi mit dem polizeilichen Kennzeichen ppp. die Straße Alt-Mariendorf. Seine mit einem zugelassenen und geeichten Messgerät der Berliner Polizei ermittelte Atemalkoholkonzentration betrug 0, 4 mg/l“.

Zwar handelt es sich bei der Messung der Atemalkoholkonzentration, wenn diese mit einem von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zugelassenen Messgerät unter Beachtung der Bedienungsvorschriften durchgeführt wird, um ein so genanntes standardisiertes Messverfahren, bei dessen Anwendung die Mitteilung des Messverfahrens und des Messergebnisses in den Urteilsgründen ausreicht, etwa bei der Verwendung des Messgeräts „Dräger Evidential 7110“ (vgl. Senat, VRS 131, 148f, NZV 2001, 388 und Beschlüsse vom 28. September 2015 – 3 Ws (B) 450/16 -,  29. Mai 2012 – 3 Ws (B) 282/12 – und  4. Juni 2008 – 3 Ws (B) 152/08-; OLG Hamm BA 46, 413 (414); OLG Bamberg DAR 2010, 143; Thüringer OLG VRS 110 32 (33); OLG Brandenburg VAS 112, 280 (281)). Weitere Feststellungen zur ordnungsgemäßen Durchführung der Messung sind lediglich erforderlich, wenn die ordnungsgemäße Durchführung der Messung bezweifelt wird oder sich sonstige Anhaltspunkte für eine Abweichung von der Regel bieten (vgl. Thüringer OLG a.a.O.; OLG Brandenburg a.a.O.).

Diese Anforderungen werden die Urteilsgründe nicht gerecht.

Das Gericht geht zwar erkennbar von einem standardisierten Messverfahren aus. Es teilt auch das Messergebnis mit, versäumt jedoch, das Gerät, mit welchem die Atemalkoholkonzentrationsmessung erfolgt ist, zu benennen, so dass die Annahme des Gerichts, es handele sich um ein standardisiertes Messverfahren vom Rechtsbeschwerdegericht nicht überprüft werden kann.“

Das KG sieht die Frage also deutlich strenger als andere OLG. Denn sowhl dem OLG Bamberg als auch dem OLG Hamm reicht es, wenn nur mitgeteilt wird, dass eine Atemalkoholmessung durchgeführt worden ist. M.E. ist das, da es nur ein Gerät zur Atemalkoholmessung gibt, zutreffend (vgl. a. Burhoff/, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 5. Aufl., 2018, Rn 3594). Zur Bestellung geht es übrigens hier – musste mal wieder sein 🙂 .