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Täteridentifizierung – der BGH hat schon 1995 etwas dazu gesagt

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Die „Täteridentifizierung“ bietet im Bußgeldverfahren „Verteidigungspotential. denn – darauf habe ich schon häufiger hingewiesen: Die AG setzen die Vorgaben des BGH aus BGHSt 41, 376 – häuifg nur unzureichend um. Folge: Die amtsgerichtlichen Urteile werden aufgehoben, was für den Betroffenen bei der Frage des Absehens vom Fahrverbot zumindest einen Zeitgewinn bedeutet, der für das Absehen entscheidendend sein kann. Mich erstaunt immer wieder, warum die Vorgaben des BGH, die deutlich in der Grundsatzentscheidung aus 1995 (!!) aufgeführt sind, nicht beachtet werden. Aber das ist vielleicht/sicherlich ein anderes Thema

Deutlich wird das Ganze noch einmal am KG, Beschl. v. 22.09.2015 – 3 Ws (B) 484/15. Da muss das KG mal wieder monieren, dass nicht „prozessordnungsgemäß“ i.S. des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug genommen worden ist:

„Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin weist in ihrer Stellungnahme zu dem Rechts-mittel zutreffend darauf hin, dass das Urteil hinsichtlich der Feststellung zu der Identifizierung der Betroffenen als Fahrerin an einem durchgreifenden Darstellungsmangel leidet. Ausweislich der Urteilsgründe hat der Tatrichter die Betroffene anhand der Fotos und der Aufzeichnungen der Rotlicht- und Geschwindigkeitsüberwachungsanlage als Führerin des maßgeblichen Fahrzeugs erkannt. Die bloße Darlegung jedoch, dass das Gericht die Fotos und Aufzeichnungen in die Hauptverhandlung eingeführt habe, stellt keine prozessordnungsgemäße Verweisung dar. Denn die Absicht, wegen der Einzelheiten des Inhalts auf die Lichtbilder Bezug zu nehmen, kommt damit nicht deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Oktober 2014 — 3 Ws (B) 550/14 —). Der Tatrichter muss insoweit ausdrücklich auf die in der Akte befindlichen Lichtbilder gemäß den §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Bezug nehmen. Lediglich dann werden diese zum Bestandteil der Urteilsgründe und das Rechtsmittelgericht kann sie aus eigener Anschauung würdigen Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 58. Aufl., § 267 Rdn. 10) und ist daher in der Lage zu beurteilen, ob sie als Grundlage einer Identifizierung tauglich sind (vgl. BGH NZV 1996, 157 mit weit. Nachw.),

Wenn der Tatrichter jedoch — wie vorliegend — von der erleichternden Verweisung auf die In Augenschein genommenen Fotos und Aufzeichnungen gemäß den §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 Satz 3 StPO abgesehen hat, muss das Urteil Ausführungen zur Bildqualität enthalten sowie die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere charakteristische Identifizierungsmerkmale so präzise beschreiben, dass dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei Betrachtung der Lichtbilder die Prüfung ermöglicht wird, ob diese zu Identifizierung generell geeignet sind (vgl. BGH a. a. O.).

Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht, weil lediglich mitgeteilt wird, dass der Tatrichter die Betroffene anhand der Frisur und der Gesichtsform eindeutig wiedererkannt habe. Das Urteil kann daher, ohne dass es auf das weitere Beschwerdevorbringen ankommt, keinen Bestand haben.“

Amtsrichterliches 1 x 1: Täteridentifizierung anhand eines Lichtbildes?

© Gina Sanders - Fotolia.com

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Diejenigen, die bei mir in FA-Kursen aber auch in Fortbildungen waren, wissen: Eine Chance auf Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils und damit zusammenhängender Zeitgewinn besteht häufig dann, wenn es um die Identifizierung des Fahrers anhand eines Lichtbildes geht, das vom Verkehrsverstoß vorliegt. Obwohl die damit zusammenhängenden Fragen in Rechtsprechung und Literatur mehr als „durchgekaut“ sind, werden an der Stelle in den amtsgerichtlichen Urteilen doch immer wieder und immer noch Fehler gemacht, die die Aufhebung des Urteils zur Folge haben. Das zeigt noch einmal bzw. ruft in Erinnerung der OLG Brandenburg, Beschl. v. 28.07.2015 – (1 B) 53 Ss-OWi 278/15 (149/15), von dem ich daher auch nur die Leitsätze einstelle. Damit ist alles gesagt:

1. Der Tatrichter, der ein Sachverständigengutachten eingeholt hat und ihm Beweisbedeutung beimisst, muss auch dann, wenn er sich dem Gutachten des Sachverständigen, von dessen Sachkunde er überzeugt ist, anschließt, in der Regel die Ausführungen des Sachverständigen in einer – wenn auch nur gedrängten ¬zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben.

2. Sieht der Tatrichter von der Verweisung auf ein von einem Verkehrsverstoß gefertigtes Lichtbild (§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO) ab, so genügt es weder, wenn er das Ergebnis seiner Überzeugungsbildung mitteilt, noch wenn er die von ihm zur Identifizierung herangezogenen abstrakten Merkmale auflistet. Vielmehr muss er dem Rechtsmittelgericht, dem das Foto dann nicht als Anschauungsobjekt zur Verfügung steht, durch eine entsprechend ausführliche Beschreibung die Prüfung ermöglichen, ob es für eine Identifizierung geeignet ist.

Mich wundern solche Aufhebungen dann doch immer. Denn die angesprochenen Fragen sind in meinen Augen amtsrichterliches 1 x 1, bzw: Sollten es sein.

Anfängerfehler I: Täteridentifizierung im Straßenverkehr – aufgehoben und zurück

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Immer noch/wieder Erfolg versprechend sind Rechtsbeschwerden, die sich gegen die Täteridentifizierung anhand eines Lichtbildes von einem Verkehrsverstoß richten (vgl. auch hier: Das sollte man aber wissen; oder: Die Täteridentifizierung anhand eines Lichtbildes). Denn da werden doch immer wieder Fehler gemacht, die auf die Rechtsbeschwerde hin dann zur Aufhebung mit der Folge des Zeitgewinns führen. Ein Beispiel für eine solche erfolgreiche Rechtsbeschwerde ist der OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.07.2013 –  IV-3 RBs 67/13. Da hat es mal wieder an der prozessordnungsgemäßen Bezugnahme i.S. des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO gehapert; m.E. ein Anfängerfehler:

„Das angefochtene Urteil weist nicht ausdrücklich auf § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO hin und verwendet auch nicht den Wortlaut dieser Vorschrift. Die im angefochtenen Urteil vom Tatrichter verwandten Formulierungen, mit denen hinsichtlich der Beweisaufnahme lediglich auf das Sitzungsprotokoll verwiesen wird, genügt nicht, um die in der Akte vorhandenen Fotos – zumal nicht einmal deren Fundstellen in den Akten mitgeteilt werden – zum Bestrandteil der Urteilsgründe zu machen. Die Angaben beschränken sich auf eine oberflächliche Beschreibung des Beweiserhebungsvorgangs. Den Gründen kann damit auch nicht mit hinreichender Sicherheit entnommen werden, dass bzw. welche Lichtbilder durch Bezugnahme in das Urteil eingefügt sein sollen.“

Und das war es dann, denn:

„Sieht der Tatrichter von einer Verweisung gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO ab, muss das Urteil Ausführungen zur Bildqualität enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere ldentifizierungsmerkmale in ihren charakteristischen Eigenschaften so präzise beschreiben, dass dem Rechtsmittelgericht in gleicherweise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung der Ergiebigkeit des Fotos ermöglicht wird (BGH NJW 1996, 1420; OLG Frankfurt NZV 2002, 137; OLG Hamm, Beschluss vom 26. November 2007 — 2 Ss OWi 757/07 —, juris). Die Gründe des angefochtenen Urteils beschränken sich auf die bloße Mitteilung des Ergebnisses der tatrichterlichen Überzeugungsbildung ohne hierfür eine Grundlage mitzuteilen.

Mangels deutlicher und zweifelsfreier Inbezugnahme der Lichtbilder, kann das Rechtsbeschwerdegericht diese nicht aus eigener Anschauung würdigen und ist daher auch nicht in der Lage zu beurteilen, ob die Lichtbilder als Grundlage einer Identifizierung tauglich sind (vgl. BGH a.a.O.).

Also: Aufgehoben und zurück.

Akteneinsicht a la AG Plön: Her mit dem „Hochglanzbild“

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Ob eine Täteridentifizierung anhand eines vom Verkehrsverstoß gefertigten Lichtbildes möglich ist, lässt sich in der Praxis häufig an dem in den Anhörungsbogen hineinkopierten Bild nicht endgültig beurteilen. Dazu muss man das sog. „Hochglanzbild“ kennen. Von dem ist daher dm Verteidiger auf Antrag ein Ausdruck zu überlassen, wenn der bislang zur Akte genommene Ausdruck keine ausreichende Identifizierung ermöglicht. So der AG Plön, Beschl. v. 23.01.2013 –  4 OWi 10/12 GE, das wie folgt begründet:

„Bei den bei den Akten befindlichen Fotos handelt es sich um solche von erkennbar geringer Qualität auf Papier, die unscharf und kontrastarm sind. Das konkrete in der Akte befindliche Foto bietet sowohl dem Verteidiger als auch dem Gericht gegenüber keine ausreichende Möglichkeit einer Täteridentifizierung anhand dieses Fotos. Da der Verteidiger nur in der Tatsacheninstanz vor dem Amtsgericht Einwände gegen die Qualität des bei der Akte befindlichen Fotodrucks erheben kann, muss ihm zur Vorbereitung der Hauptverhandlung die Möglichkeit gegeben werden, gegebenenfalls qualifizierte Einwände gegen die Fahrereigenschaft seines Mandanten vortragen zu können. Auch der Tatrichter ist gehalten, anhand der auf dem Foto erkennbaren charakteristischen Merkmale, die er benennen und beschreiben muss, die Fahreridentifizierung durchzuführen.“

 

Verwertung eines anthropologischen Vergleichsgutachtens – was muss ins Urteil?

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Von Kollegen höre ich auf Fortbildungen, dass dann doch im Zusammenhang mit der  Täteridentifizierung auch in Bußgelvderfahren immer mehr anthropologische Vergleichsgutachten eingeholt und zur Grundlage der Verurteilung gemacht werden. Daher stellt sich immer häufiger die Frage: Was gehört dann eigentlich ins Urteil?

Mit der Frage befasst sich der OLG Celle, Beschl. v. 06.11.2012 – 311 SsBs 136/12. Das AG hatte der Verurteilung des Betroffenen wegen einer  Geschwindigkeitsüberschreitung die nach seiner Auffassung schlüssigen gutachterlichen Ausführungen eines Sachverständigen für anthropologische Vergleichsgutachten zugrunde gelegt. Der Sachverständige habe 21 prägnante Gesichtsmerkmale auf dem qualitativ sehr guten Messfoto feststellen können, die sämtlich mit denen des Gesichts des in der Hauptverhandlung anwesenden Betroffenen übereinstimmten. Das OLG hat auch die Rechtsbeschwerde aufgehoben. Wesentlich aus Aufhebungsentscheidung sind zwei Punkte:

  1. Nach der Rechtsprechung des BGH und der OLG muss der Tatrichter, der ein Sachverständigengutachten eingeholt hat und ihm Beweisbedeutung beimisst, auch dann, wenn er sich dem Gutachten des Sachverständigen, von dessen Sachkunde er überzeugt ist, anschließt, in der Regel die Ausführungen des Sachverständigen in einer – wenn auch nur ge­drängten – zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde­liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben, um dem Rechtsbeschwerdegericht die gebotene Nach­prüfung zu ermöglichen. Hiervon kann lediglich bei sogenannten standardisierten Untersuchungsmethoden abgewichen werden, bei welchen sich die Darstellung im Wesentlichen auf die Mitteilung des Ergebnisses des Gutachtens be­schränken kann. Bei einem anthropologischen Vergleichsgutachten handelt es sich indessen nicht um eine standardisierte Untersuchungsmethode. Dem ist der AG nicht gerecht geworden.
  2. Eine ausdrückliche Absage hat das OLG der Auffassung in der Rechtsprechung erteilt, die in diesen Fällen auch noch konkrete Angaben zu der Merkmalshäufigkeit verlangt (OLG Bamberg VA 2010, 138; OLG Braunschweig NStZ-RR 2007, 180; OLG Celle [2. Senat für Bußgeldsachen] NZV 2002, 472; OLG Jena DAR 2006, 523), und sich damit dem OLG Oldenburg (NZV 2009, 52) und dem OLG Hamm (DAR 2008, 395) angeschlossen. Begründet hat das OLG diese Ansicht damit, dass zwischen den Klassifizierungen von Einzelmerkmalen ein gleitender Übergang bestehe, weswegen in der Regel keine genauen Angaben über die Häufigkeit der Merkmale in der Bevölkerung, der die zu identifizierende Person angehört, gemacht werden können (vgl. BGH StV 2005, 374). Zwar könne es Merkmale geben, die äußerst selten sind und bei denen Angaben zu Häufigkeiten illustrativ und nützlich sein können. Bei einem „Durchschnittsgesicht“ kommt es jedoch viel mehr auf die Anzahl der Merkmale an, die der Sachverständige erkennen und gewichten könne.