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Strafzumessung III: Bei positiver Entwicklung kurze Freiheitsstrafe nicht „unerlässlich“….

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Und zum Abschluss der kleinen Strafzumessungsserie dann der OLG Naumburg, Beschl. v. 30.06.2016 – 2 Rv 50/16, der eine alt bekannte und auch hier shcon häufig behandelte Problematik zum Gegenstand hat, nämlich die mit § 47 Abs. 2 StGB zusammenhängenden Fragen. Der bereits vielfach vorbestrafte Angeklagte ist vom LG noch einmal wegen eines Einmietungsbetrugs verurteilt worden. Das OLG hebt im Strafausspruch auf und führt aus:

„Die Kammer hat festgestellt, dass der Angeklagte während des Strafvollzuges an der Arbeitsgruppe „Deliktaufarbeitung“ teilgenommen hat. Der Angeklagte strebte eine vorzeitige Entlassung in eine betreute Wohneinheit an, wo ihm ein Platz zur Verfügung stand. Ein Mitarbeiter der Jugendanstalt hatte dem Angeklagten am 7. März 2016, also zwei Tage vor der Hauptverhandlung, mitgeteilt, dass die Anstalt bei der Strafvollstreckungskammer eine positive Stellungnahme zu einer vorzeitigen Haftentlassung einreichen werde.

Die Kammer hat nicht verkannt, dass eine kurze Freiheitsstrafe gemäß § 47 StGB nur verhängt werden darf, wenn dieses unerlässlich ist. Die Unerlässlichkeit hat sie mit den zahlreichen Vorstrafen des Angeklagten, seiner umfangreichen Hafterfahrung auch vor der hier abgeurteilten Tat, seinem Bewährungsversagen und seiner schnellen Rückfälligkeit begründet. Auf seine Entwicklung während der jetzigen Haftverbüßung und die angekündigte positive Stellungnahme der Justizvollzuganstalt gegenüber der Strafvollstreckungskammer ist sie nicht eingegangen. Diese Ausführungen tragen die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe nicht.

Die Annahme der Unerlässlichkeit einer kurzen Freiheitsstraße bedarf einer besonderen und eingehenden Begründung. Sie bedeutet mehr als Gebotenheit (BGH 2, StR 407/10 vom 8. September 2010, Senat, Beschlüsse vom 13. August 2015 — 2 Rv 94/15, Beschluss vom 12. März 2012 — 2 Ss 157/11, Beschluss vom 28. Juni 2011, 2 Ss 68/11, alle zitiert nach juris, Francke in MüKo StGB, § 47 Rn 9). Voraussetzung ist, dass unter Beachtung des Regel-Ausnahmeverhältnisses die Unverzichtbarkeit einer freiheitsentziehenden Einwirkung mit einer umfassenden und erschöpfenden Begründung dargestellt wird. Zwar ist die Würdigung der Vorstrafen im Rahmen dieser Abwägung nicht zu beanstanden. Indes hat das Landgericht dabei einen Gesichtspunkt nicht erörtert, nämlich die Entwicklung des Angeklagten während des laufenden Strafvollzuges. Er hat an der Arbeitsgruppe Deliktsaufarbeitung teilgenommen und dies offenbar erfolgreich, außerdem hat er sich offenbar in der JVA gut geführt und gezeigt, dass er gewillt und in der Lage ist, in Zukunft ein straffreies Leben zu führen. Anders wäre es nicht zu erklären, dass seitens der JVA eine positive Stellungnahme gegenüber der Strafvollstreckungskammer zu einer vorzeitigen Haftentlassung formuliert worden ist. Dem Senat ist nämlich bekannt, dass die Mitarbeiter der JVA Rillet insbesondere bei vielfach vorbestraften hafterfahrenen Gefangenen nicht bloße verbale Absichtsbekundungen als Grundlage für positive Stellungnahmen ausreichen lassen. Das Landgericht hat die Entwicklung des Angeklagten in der Haft zwar bei der Prüfung einer positiven Kriminalprognose i. S. d. § 56 Abs. 1 StGB erörtert, das kann indes eine vorherige Erörterung dieses Umstandes bei Prüfung der Unerlässlichkeit i. S. d. § 47 StGB nicht ersetzen. Insoweit sind die Maßstäbe unterschiedlich: Eine negative Kriminalprognose führt nicht zur Unerlässlichkeit der Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe (Senat, Beschluss vom 13. August 2015, 2 Rv 94/15, juris). Eine Strafaussetzung zur Bewährung setzt die Erwartung straffreier Führung voraus, d. h., eine durch Tatsachen begründete Wahrscheinlichkeit straffreier Führung (Fischer, StGB, 63. Auf., Rn 4 zu § 56). Insoweit muss die Wahrscheinlichkeit straffreier Führung positiv festgestellt werden, sie kann nicht zu Gunsten des Angeklagten unterstellt werden. Demgegenüber bedarf die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe der Feststellung ihrer Unerlässlichkeit. Zwar ist es ein Indiz für eine solche Unerlässlichkeit, wenn die Verhängung mehrerer Geldstrafen den Täter ebensowenig zu straffreier Führung veranlassen konnte wie die Verhängung von Bewährungsstrafen und die Verbüßung von Freiheitsstrafen. Diese Indizwirkung kann jedoch entfallen, wenn der Täter konkrete Änderungen in seinen Lebensumständen vorgenommen hat, die zu seiner künftigen Straffreiheit führen können, selbst wenn deren Erfolg nicht überwiegend wahrscheinlich ist. In einem solchen Fall ist die Unerlässlichkeit i. S. d. § 47 StGB nicht festgestellt, mögen die Dauer oder der Erfolg der Änderung der Lebensumstände auch ungewiss sein. Hier hat der Beschwerdeführer an der Arbeitsgruppe Deliktsaufarbeitung teilgenommen, sein Verhalten im Strafvollzug ist Anlass für die JVA, eine positive Stellungnahme zur Haftentlassung abzugeben. Dies hätte bei der Frage, ob die Verhängung einer Freiheitsstrafe unerlässlich ist, erörtert werden müssen.“

Strafzumesssung II: Hemmschwelle

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Das LG Aachen hat einen Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu zwei Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt, und zwar einmal zu einer von sieben Jahren und dann noch zu einer von fünf Jahren. Der BGH hebt im BGH, Urt. v. 20.07.2016 – 2 StR 18/16 – u.a. den Strafausspruch auf. Begründung: Bei der Tatserie die herabgesetzte Hemmschwelle nicht beachtet:

a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Ihm obliegt es, auf der Grundlage seines in der Hauptverhandlung gewonnenen Ge-samteindrucks alle für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte festzustellen, zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. In die Strafzumessungsentscheidung des Tatgerichts kann das Revisionsgericht nur eingreifen, wenn sie Rechtsfehler aufweist, weil die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder weil die Strafzumessung – auch unter Berücksichtigung des weiten tatrich-terlichen Ermessens – nicht mehr als gerechter Schuldausgleich angesehen werden kann. Nur in diesem Rahmen kann eine Verletzung des Gesetzes im Sinne von § 337 Abs. 1 StPO vorliegen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349).

b) Gemessen hieran weist die Strafzumessung des angefochtenen Urteils durchgreifende Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten auf, die zur Aufhebung des gesamten Rechtsfolgenausspruchs zwingen. Die Ausführungen des Landgerichts zur Strafrahmenwahl wie auch im Rahmen der konkreten Strafzumessung lassen besorgen, dass das Gericht die erforderliche Gesamtwürdigung nicht in rechtsfehlerfreier Weise vorgenommen hat, weil ein wesentlicher die Tat prägender Gesichtspunkt erkennbar nicht berücksichtigt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 1993 – 2 StR 127/93, StV 1994, 17).

Das Landgericht hat ersichtlich nicht in seine Bewertung eingestellt, dass die abgeurteilten Taten Bestandteil einer Tatserie waren, weshalb die Hemmschwelle des Angeklagten gesunken sein kann. Werden Taten gleichförmig in Serie begangen, kann sich daraus eine Verminderung des Schuldgehalts der Folgetaten ergeben, wenn auf Grund des inneren Zusammenhangs auf eine herabgesetzte Hemmschwelle geschlossen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 15. Mai 1991 – 2 StR 130/91, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Tatumstände 8; Beschluss vom 22. Dezember 2011 – 4 StR 581/11, StraFo 2012, 151, 152; Beschluss vom 12. November 2008 – 2 StR 355/08, NStZ-RR 2009, 72). Da die Schuld des Täters in Bezug auf die Einzeltaten durch eine Mehrheit von Taten erhöht werden kann, ist es möglich, auch diesen Umstand schon bei der Bemessung der Einzelstrafe und bei der Erwägung mit in Betracht zu ziehen, ob jeweils ein minder schwerer Fall bejaht werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 1971 – 1 StR 485/71, BGHSt 24, 268, 271; Beschluss vom 6. Juni 1994 – 5 StR 229/94 – juris Rn. 4; Urteil vom 28. März 2013 – 4 StR 467/12 – juris Rn. 23).

Der Senat kann angesichts der Höhe der betroffenen Einzelstrafen nicht ausschließen, dass deren Bemessung auf diesem Rechtsfehler beruht. Der Senat hebt aber auch die für die ersten Taten verhängten Einzelstrafen auf, um dem neuen Tatrichter eine insgesamt ausgewogene, aufeinander abgestimmte Strafzumessung zu ermöglichen. Dadurch verlieren auch die Aussprüche über die Gesamtstrafen wie auch die Anordnung der Aufrechterhaltung der Einziehung ihre Grundlage.“

Strafzumessung I: Die Verurteilung des Steuerberaters wegen Steuerhinterziehung

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Heute also mal wieder ein Strafzumessungstag, den ich mit dem BGH, Beschl. v. 27.07.2016 – 1 StR 256/16 – eröffne. Gegenstand der BGH, Entscheidung ist die Verurteilung eines selbständig tätigen Steuerberaters wegen gemeinschaftlicher versuchter Steuerhinterziehung. Und wenn man nur ein wenig Ahnung von Strafzumessung hat, dann weiß man: In einem solchen Fall müssen die Strafzumessungserwägungen etwas zu den ggf. drohenden berufsrechtlichen Folgen sagen bzw. die muss die Strafkammer im Blick haben. Hatte sie aber beim LG Kassel nicht, was für mich nicht so ganz nachvollziebar ist. Und das führt dann beim BGH zur Aufhebung:

3. Der Strafausspruch hält dagegen rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Das Landgericht hat im Rahmen seiner Strafzumessungserwägungen nicht erkennbar die dem Angeklagten als Steuerberater drohenden berufsrechtlichen Folgen in den Blick genommen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 11. April 2013 – 2 StR 506/12, NStZ 2013, 522 mwN). Die Begehung einer – hier versuchten – Steuerhinterziehung durch einen Steuerberater kann gemäß § 89 Abs. 1, § 90 Abs. 1 Nr. 5 Steuerberatungsgesetz als Berufspflichtverletzung sogar zu einem Ausschluss aus dem Beruf führen (Kuhls in Kuhls u.a., Steuer-beratungsgesetz, 3. Aufl., § 90 Rn. 47 mwN). Steht die Möglichkeit eines Verlustes der beruflichen oder wirtschaftlichen Existenz aufgrund berufsrechtlicher Folgen aus Anlass der Begehung einer Straftat im Raum, handelt es sich regelmäßig um einen zu berücksichtigenden Strafzumessungsgrund (BGH aaO). Dem hat die Strafkammer nicht entsprochen, sondern lediglich außerhalb der Strafzumessung die Maßregel des § 70 StGB erörtert und die Anordnung des Berufsverbots im Ergebnis abgelehnt.

Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Tatgericht zu einer geringeren Freiheitsstrafe gelangt wäre, wenn es die aufgezeigten, möglichen berufsrechtlichen Folgen bei der Bemessung der Strafe bedacht hätte.“

Tödlicher Unfall durch WhatsApp – 2 Jahre Jugendstrafe mit Bewährung

entnommen wikimedia.org Autot WhatsApp

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Autot WhatsApp

Vor einiger Zeit ist ja schon die Nachricht zum BGH, Urt. v. 04.08.2016 – 4 StR 142/16 – über die Ticker gelaufen. Das war das Verfahren, in dem eine junge Frau am Steuer ihres Pkw WhatsApp-Kurznachrichten geschrieben und einen tödlichen Unfall verursacht hatte. Das LG Stuttgart hatte festgestellt, dass die Frau mindestens neun Sekunden lang nicht auf die Fahrbahn geschaut hat, weil sie zwei Nachrichten auf WhatsApp zu Ende tippte. Die Frau war war auf einer breiten Bundesstraße ohne Kurven ungebremst in zwei Rennradfahrer gefahren. Einer der Männer erlitt dabei so schwere Kopfverletzungen, dass er kurz darauf starb. Sein Begleiter wurde schwer verletzt. Obwohl das Auto schwere Schäden hatte, hielt die Frau nur kurz an, schaute in den Rückspiegel und fuhr dann weiter.Ob sie die Männer und ihre Räder im hohen Gras liegen sah, konnte nicht geklärt werden. Das LG hat die Angeklagte wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Der StA hatte das nicht gereicht. Ihre Revision hat der BGH nun aber verworfen:

„2. Bei Zugrundelegung dieses beschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs weist der Strafausspruch des angefochtenen Urteils Rechtsfehler weder zu Gunsten der Angeklagten noch – für § 301 StPO bedeutsam – zu ihrem Nachteil auf.

a) Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die nach jugendspezifischen Kriterien (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 2016 – 2 StR 320/15 NJW 2016, 2050, 2051; Radtke in MüKo, 2. Aufl., § 17 JGG Rn. 58, 70) zu bestimmende Schwere der Schuld nach § 17 Abs. 2 JGG ist die innere Tatseite. Dem äußeren Un-rechtsgehalt der Tat kommt nur insofern Bedeutung zu, als hieraus Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und das Maß der persönlichen Schuld gezo-gen werden können. Entscheidend ist, inwieweit sich die charakterliche Hal-tung, die Persönlichkeit und die Tatmotivation des jugendlichen oder heranwachsenden Täters in der Tat in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 20. April 2016 – 2 StR 320/15 aaO mwN; Beschluss vom 14. August 2012 – 5 StR 318/12, NStZ 2013, 289, 290; Urteile vom 29. September 1961 – 4 StR 301/61, BGHSt 16, 261, 263; vom 11. November 1960 – 4 StR 387/60, BGHSt 15, 224, 226). Von diesem rechtlichen Maßstab ausgehend hat das Landgericht zutreffend das gesamte Tatge-schehen in seine Schuldbewertung einbezogen und ist mit Blick auf die in dem Verhalten nach dem Unfall deutlich gewordene charakterliche Haltung der An-geklagten zur Annahme der Schwere der Schuld nach § 17 Abs. 2 JGG gelangt. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen bei allein fahrlässigen Straftaten im Straßenverkehr die Annahme der Schwere der Schuld nach § 17 Abs. 2 JGG in Betracht kommt (vgl. OLG Braunschweig, NZV 2002, 194 f.; OLG Karlsruhe, NStZ 1997, 241 f.; BayObLG, VRS 67, 121, 122; Radtke aaO Rn. 71; Dölling in Brunner/Dölling, JGG, 12. Aufl., § 17 Rn. 16; Eisenberg, JGG, 18. Aufl., § 17 Rn. 32b; Sonnen in Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 7. Aufl., § 17 Rn. 26), bedarf daher keiner nähe-ren Erörterung.

b) Auch die Bemessung der Jugendstrafe ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

aa) Der das Jugendstrafrecht als Strafzweck beherrschende Erziehungsgedanke ist auch dann vorrangig zu berücksichtigen, wenn eine Jugendstrafe – wie hier – ausschließlich wegen Schwere der Schuld verhängt wird. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Erziehungswirksamkeit als einziger Gesichts-punkt bei der Strafzumessung heranzuziehen ist. Vielmehr sind daneben auch andere Strafzwecke, bei Kapitalverbrechen und anderen schwerwiegenden Straftaten namentlich der Sühnegedanke und das Erfordernis eines gerechten Schuldausgleichs zu beachten. Erziehungsgedanke und Schuldausgleich ste-hen dabei in der Regel miteinander in Einklang, da die charakterliche Haltung und das Persönlichkeitsbild, wie sie in der Tat zum Ausdruck gekommen sind, nicht nur für das Erziehungsbedürfnis, sondern auch für die Bewertung der Schuld von Bedeutung sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2013 – 1 StR 178/13, NStZ 2013, 658, 659; Urteile vom 23. März 2010 – 5 StR 556/09, NStZ-RR 2010, 290 f.; vom 31. Oktober 1995 – 5 StR 470/95, NStZ-RR 1996, 120; vom 16. November 1993 – 4 StR 591/93, StV 1994, 598, 599).

bb) Die Strafkammer hat bei ihrer Entscheidung über die Bemessung der Jugendstrafe nicht nur die erforderliche erzieherische Einwirkung auf die Angeklagte, sondern auch die Belange eines gerechten Schuldausgleichs in den Blick genommen. Sie hat die für den bestehenden Erziehungsbedarf als auch das Maß der persönlichen Schuld der Angeklagten relevanten Umstände um-fassend gewürdigt und auch die gesetzliche Bewertung des Tatunrechts, wie sie in den Strafandrohungen des Allgemeinen Strafrechts ihren Ausdruck ge-funden hat, in ihre Überlegungen miteinbezogen. Gegen das auf dieser Grund-lage gefundene Ergebnis ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Dass die verhängte Jugendstrafe von zwei Jahren dem Gedanken eines gerechten Schuldausgleichs – auch unter Berücksichtigung der in grob fahrlässiger Weise herbeigeführten schweren Folgen – in unangemessener Weise nicht mehr ge-recht wird und damit zugleich ihre erzieherischen Zwecke verfehlt (vgl. BGH, Urteile vom 31. Oktober 1995 – 5 StR 470/95 aaO; vom 7. September 1993 – 5 StR 455/93, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Strafzwecke 3), vermag der Senat nicht festzustellen.

cc) Die Ausführungen zur Bemessung der verhängten Jugendstrafe las-sen schließlich nicht besorgen, dass das Landgericht gegen das auch bei Anwendung von Jugendstrafrecht geltende Gebot, die Erwägungen zur Strafzumessung nicht mit solchen zur Strafaussetzung zur Bewährung zu vermengen (vgl. BGH, Urteile vom 28. April 2016 – 4 StR 563/15 Rn. 20; vom 20. No-vember 2012 – 1 StR 428/12, NStZ 2013, 288; Beschluss vom 12. März 2008 – 2 StR 85/08, NStZ 2008, 693; Radtke aaO § 21 JGG Rn. 3 mwN), verstoßen hat. Die ausführlichen Darlegungen der Strafkammer zu den für die Bemessung der Jugendstrafe maßgeblichen Gesichtspunkten lassen eine solche rechtlich unzulässige Vermengung von Strafzumessung und Bewährungsentscheidung nicht erkennen. Anderes ergibt sich – entgegen der Ansicht des Generalbun-desanwalts – weder aus der im Rahmen der Strafzumessung zu Gunsten der Angeklagten erfolgten Berücksichtigung des auf eine „nicht notwendigerweise im nicht mehr bewährungsfähigen Bereich“ liegende Jugendstrafe gerichteten Schlussantrags der als Nebenklägerin am Verfahren beteiligten Witwe des Tatopfers, noch aus der abschließenden, das Ergebnis der Zumessungsüberlegungen zusammenfassenden Formulierung der Strafkammer, wonach auf eine Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren erkannt werde, „mithin eine Strafe, die bei Vorliegen der Voraussetzungen zur Bewährung ausgesetzt werden kann“.

Jugendstrafe I: Jugendstrafe muss erziehen

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Das Jugendrecht ist hier im Blog in der letzten Zeit ein wenig zu kurz gekommen. Daher dann heute mal zwei Entscheidungen aus dem Jugendstrafrecht. Beide betreffen Probleme der „besonderen Schwere der Schuld2 (§ 18 JGG). Zunächst der Hinweis auf den BGH, Beschl. v. 19.04.2016 – 1 StR 95/16. Die Jugendkammer hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren verurteilt sowie ge-gen den Angeklagten M. wegen vorsätzlicher Körperverletzung zwei Freizeitarreste verhängt. Seine Revision hat dann mit der Sachrüge Erfolg:

„Die erhobene Sachrüge deckt zum Schuldspruch und in Bezug auf die Verhängung einer Jugendstrafe keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten D. auf (§ 349 Abs. 2 StPO). Insbesondere hat das Landgericht rechtsfehlerfrei dargelegt, dass wegen der Schuldschwere die Verhängung von Jugendstrafe erforderlich ist. Die Erwägungen des Landgerichts zur Höhe der verhängten Jugendstrafe halten hingegen revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand, da sie nicht den Anforderungen des § 18 Abs. 2 JGG entsprechen.

1. Auch bei einer wegen der Schwere der Schuld verhängten Jugendstrafe ist gemäß § 18 Abs. 2 JGG die Höhe der Strafe so zu bemessen, dass die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist (BGH, Beschlüsse vom 21. Juli 1995 – 2 StR 309/95, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 10 und vom 18. August 1992 – 4 StR 313/92, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 8). Grundsätzlich ist zwar die in den gesetzlichen Regelungen des allgemeinen Strafrechts zum Ausdruck gelangende Bewertung des Ausmaßes des in einer Straftat hervorgetretenen Unrechts auch bei der Bestimmung der Höhe der Jugendstrafe zu berücksichtigen. Keinesfalls darf aber die Begründung wesentlich oder gar ausschließlich nach solchen Zumessungserwägungen vorgenommen werden, die auch bei Erwachsenen in Betracht kommen. Die Bemessung der Jugendstrafe erfordert vielmehr von der Jugendkammer, das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abzuwägen (BGH, Beschluss vom 18. August 1992 – 4 StR 313/92, BGHR JGG § 18 Abs. 2 Erziehung 8; Eisenberg JGG 18. Aufl., § 18 Rn. 42). Denn auch bei einer wegen der Schwere der Schuld verhängten Jugendstrafe bemisst sich ihre Höhe vorrangig nach erzieherischen Gesichtspunkten. Die Urteilsgründe müssen daher in jedem Fall erkennen lassen, dass dem Erziehungsgedanken die ihm zu-kommende Beachtung geschenkt worden ist (BGH, Beschluss vom 22. April 2015 – 2 StR 503/14, NStZ 2016, 105).

2. Diesen Anforderungen genügen die Strafzumessungserwägungen des Landgerichts nicht. Das Landgericht hat sich bei der konkreten Bemessung der Jugendstrafe im Rahmen seiner mit „Strafzumessung im Einzelnen“ überschriebenen Darstellung nur an der Bewertung des in der Schwere des in der Straftat hervorgetretenen Unrechts orientiert, wie sie in der Strafandrohung der allgemeinen Gesetze Ausdruck gefunden hat. So hat das Landgericht bei der Prüfung des Provokationstatbestands nach § 213 Alt. 1 StGB zwar die letzten Äußerungen („Hurensohn“) des Tatopfers dem Angeklagten D. gegenüber berücksichtigt. Es hat jedoch die Faustschläge des Tatopfers gegen ihn und die vorausgegangenen Äußerungen einschließlich der zwei Ohrfeigen gegenüber dem Angeklagten M. jeweils nur isoliert betrachtet, ohne dieses Verhalten in seiner Gesamtheit schon in die Beurteilung nach § 213 Alt. 1 StGB einzubeziehen. Zu Lasten des Angeklagten D. berücksichtigt das Landgericht schließlich im Rahmen seiner „Strafzumessung“ – auch wenn § 46 Abs. 3 StGB hier jedenfalls nicht unmittelbar anwendbar ist -, dass „der Angeklagte nicht vermocht hat, deeskalierend zu wirken“. Dies ist schon für sich genommen nicht rechtsfehlerfrei.

Jedenfalls aber berücksichtigt das Landgericht damit ausschließlich Um-stände, die auch bei Erwachsenen berücksichtigt werden müssen, lässt hinge-gen wesentliche erzieherische Gesichtspunkte völlig außer Betracht, die für die Bemessung der Jugendstrafe Bedeutung haben und deren Erörterung sich des-halb für das Landgericht aufdrängte. Auch fehlt die erforderliche Abwägung zwi-schen dem Tatunrecht und den Folgen der Verbüßung der verhängten Jugend-strafe für die weitere Entwicklung des Angeklagten ……“