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Verkehrsrecht II: Zusammentreffen von Verstoß gegen BtMG und Verkehrsdelikt, oder: Strafklageverbrauch

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In der zweiten Entscheidung, dem OLG Köln, Beschl. v. 20.07.2021 – 1 RVs 123/21 – geht es auch um eine „Dauerbrennerproblematik“, nämlich um den Fall des Zusammentreffens von Betäubungsmittelbesitz und  Verkehrsdelikt.

Das AG hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge  verurteilt. Dagegen die Sprungrevision des Angeklagten. Zur deren Begründung führt er aus, es habe das Verfahrenshindernis des anderweitigen Strafklagverbrauchs im Hinblick auf eine zuvor erfolgte rechtskräftige Verurteilung wegen einer nur kurze Zeit vor der Kontrolle begangenen Verkehrsunfallflucht bestanden. Der Angeklagte war nämlich wegen des Vorwurfs des unerlaubten Entfernens vorn Unfallort verurteilt worden. Ihm wurde in dem insoweit erlassenen Strafbefehl zur Last gelegt, am 16. Juni 2019 in Bergheim als Fußgänger beim Überqueren der Aachener Straße eine Kollision mit einem PKW verursacht und sich anschließend unter Verstoß gegen die Pflichten aus § 142 StGB vorn Unfallort entfernt zu haben. Die Revision hatte Erfolg. Das OLG hat nach § 206a StPO eingestellt:

„1. Die Generalstaatsanwaltschaft führt zutreffend aus:

„Der prozessuale Tatbegriff gemäß Art. 103 Abs. 3 GG, § 264 StPO verbürgt den Grundsatz der Einmaligkeit der Strafverfolgung. Die Vorschrift will den Bürger davor schützen, dass er wegen einer bestimmten Tat, derentwegen er schon strafgerichtlich zur Verantwortung gezogen worden ist, nochmals in einem neuen Straf-verfahren verfolgt wird (BGHSt 28, 119, 121). „Tat“ im Sinne dieser Bestimmung ist ein „konkretes Vorkommnis“, ein einheitlicher geschichtlicher Vorgang, der sich von anderen ähnlichen oder gleichartigen unterscheidet. Zu diesem Vorgang gehört das gesamte Verhalten des Täters, soweit es nach natürlicher Lebensauffassung einen einheitlichen Lebensvorgang darstellt. Zwischen den einzelnen Verhaltensweisen des Täters muss eine „innere Verknüpfung“ bestehen, dergestalt, dass ihre getrennte Aburteilung in verschiedenen erstinstanzlichen Verfahren als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden würde. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an (so insgesamt SenE v. 28.06.2016 – III-1RBs 181/16; Senat NZV 2005, 210 m. w. N.).

Nach diesen Maßstäben geht die Rechtsprechung in den Fällen des Zusammentreffens von Betäubungsmittelbesitz und Führen eines Kraftfahrzeugs unter dem Einfluss berauschender Mittel vom Vorliegen zweier Taten im prozessualen Sinne dann aus, wenn beide ohne innere Beziehung zueinander stehen, der Drogenbesitz gleichsam nur „bei Gelegenheit“ der Fahrt stattfindet (BGH NStZ 2004, 694 = StV 2005, 256; SenE v. 09.05.2014 — 111-1 RVs 49/14; SenE v. 09.02.2007 – 83 Ss 1/07 -; OW Hamm NStZ-RR 2010, 154; KG NStZ-RR 2012, 155 = NZV 2012, 305; OLG Braunschweig Urt. v. 10.10.2014 — 1 Ss 52/14 bei Juris Tz. 21; zust. König/Seitz DAR 2012, 362). Ein innerer Zusammenhang zwischen dem Führen eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung berauschender Mittel bei gleichzeitigem Mitsichführen von Betäubungsmitteln wird indessen angenommen, wenn die Fahrt den Zweck verfolgt, den Drogenbesitz aufrechtzuerhalten bzw. abzusichern, also dazu dient, die Betäubungsmittel zu transportieren, zu finanzieren, an einen sicheren Ort zu bringen, sie zu verstecken oder dem staatlichen Zugriff zu entziehen. Maßgeblich ist demnach eine Finalbeziehung von Fahrt und Drogenbesitz (vgl. BGH NStZ 2012, 709; BGH DAR 2012, 390; BGH NStZ 2009, 705; BGH NStZ 2004, 694 = StV 2005, 256; SenE v. 28.06.2016 — III-1 RBs 181/16; SenE v. 09.05.2014 – 111-1 RVs 49/14 -). Diese Grundsätze beanspruchen gleichermaßen Geltung, wenn einem unerlaubten Handelt reiben mit Betäubungsmitteln eine Verkehrsunfallflucht anlässlich einer Polizeikontrolle nachfolgt, um den Besitz des unmittelbar zuvor unter den Augen der Polizei zum Zwecke des Handeltreibens erworbene Haschischs zu sichern und aufrechtzuerhalten; Unfall und Unfallflucht können dann nicht sachgerecht als bloßes Verkehrsgeschehen bewertet werden (vgl. Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 10.09.1993 – 4 Ss 133/93 -, StV 1994, 119). Diese Grundsätze dürften grundsätzlich auch dann heranzuziehen sein, wenn das – später festgestellte – Betäubungsmitteldelikt im unmittelbaren Zusammenhang mit einer zuvor erfolgten Verkehrsunfallflucht steht.“

2. Bei der — in jeder Lage des Verfahrens vorzunehmenden — Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen ist das Revisionsgericht nicht auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils beschränkt. Es steht insoweit vielmehr der gesamte Akten-inhalt einschließlich des Inhalts des beigezogenen Verfahrens zur Verfügung.

Den Akten ist Folgendes zu entnehmen:

Der Strafanzeige im vorliegenden Verfahren zufolge beabsichtigten die Polizeibeamten C. und Gr. aufgrund eines am Tattag um 13:15 Uhr eingegangenen Hinweises, den Angeklagten im Skaterpark in Q. wegen des Verdachts der Begehung von Betäubungsmitteln zu überprüfen. Nach den Beobachtungen der Beamten verließ er gerade ein Grundstück, welches polizeibekannt für den Erwerb von Betäubungsmitteln aufgesucht wird. Nachdem er den Streifenwagen wahrgenommen hatte, ergriff der Angeklagte sogleich die Flucht in Richtung Netto Markt. Er lief um 13:34 Uhr, ohne auf den Verkehr zu achten, auf die 300 Meter entfernte A. Straße, wurde dort von dem Fahrzeug der Zeugin N. erfasst, setzte aber seine Flucht unbeeindruckt vom Unfallgeschehen fort (vgl. Strafanzeige Bl. 4 und Vermerk BI. 18 in den Akten 962 Js 5714/19). Nachdem mehrere Passanten Hinweise gegeben hatten, konnten die verfolgenden Beamten den Angeklagten nur einige Minuten später in dem Haus pp. steilen. Dabei war er im Besitz einer schweren Umhängetasche, in der sich u.a. die vorliegend verfahrensgegenständlichen Betäubungsmittel (65g Marihuana brutto sowie eine kleine Menge Kokain), Dealerutensilien sowie Bargeld befanden.

b) Bei dieser Sachlage bestehen keine vernünftigen Zweifel daran, dass der Angeklagte die zum Handeltreiben bestimmten Drogen bereits bei sich führte, als die Polizeibeamten ihn im Skaterpark kontrollieren wollten. Er hatte sich offenbar zuvor entsprechend versorgt. Der Besitz der Drogen erklärt seine Flucht, bei der er sich auch von dem nicht unerheblichen Unfallgeschehen nicht aufhalten ließ. Dass der Angeklagte sich erst später zumal in Kenntnis der Verfolgung durch die Polizeibeamten – in den Besitz der Umhängetasche mit den Drogen gebracht hat, erscheint hingegen fernliegend.

Daraus folgt ein untrennbarer innerer Zusammenhang zwischen dem dem Angeklagten angelasteten unerlaubten Entfernen vom Unfallort und dem vorliegend abgeurteilten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Bei dem durch den Strafbefehl geahndeten Geschehen handelt es sich der Sache nach nicht mehr um ein reines Verkehrsgeschehen, denn die Flucht des Angeklagten diente der Entziehung der drohenden Festnahme und dem Erhalt des Besitzes an den später sichergestellten Betäubungsmitteln. Der Sachverhalt ist im Ergebnis nicht anders zu behandeln, als die der zitierten Entscheidung des OLG Frankfurt zugrunde liegende Fallkonstellation, bei der sich der im Besitz von Drogen befindliche Täter die Flucht mittels eines Fahrzeugs erzwungen hat…..“

StPO I: Körperlicher Übergriff und Bedrohung —-> Und Vergewaltigung, oder: Strafklageverbrauch

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Heute: StPO-Tag. Und den beginne ich mit dem BGH, Beschl. v. 19.01.2021 – 2 StR 458/20 – zum Strafklageverbrauch. Der BGH hat ein Urteil des LG Kassel aufgehoben und das Verfahren gegen den Angeklagten eingestellt:

„1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Vorwurf, der Angeklagte habe seine Ehefrau am Vormittag des 21. Juni 2018 unter Mitsichführen eines Messers vergewaltigt. Dies sei nach einem körperlichen Übergriff auf sie geschehen, bei dem sie misshandelt und mittels des Messers bedroht worden war, wobei sich die Situation zwischenzeitlich beruhigt hatte und es zu einem Gespräch der Eheleute über ihre gemeinsame Zukunft gekommen war.

Wegen des vorangegangenen körperlichen Übergriffs und der Bedrohung am 21. Juni 2018 verurteilte das Amtsgericht in Kassel den Angeklagten am 10. Januar 2019 wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die das Landgericht nunmehr in seine Entscheidung einbezogen hat.

2. Dem weiteren Verfahren steht ein dauerndes Verfahrenshindernis entgegen, weil durch das Urteil des Amtsgerichts Kassel Strafklageverbrauch eingetreten ist. Das Verfahren war daher gemäß § 206a i.V.m. § 354 Abs. 1 StPO einzustellen.

Das amtsgerichtliche Urteil betrifft dieselbe Tat wie das vorliegende Verfahren. Der Begriff der Tat im Sinne des Art. 103 Abs. 3 GG, § 264 Abs. 1 StPO bestimmt sich dabei nach dem von der zugelassenen Anklage umschriebenen geschichtlichen Vorgang, innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll. Sie erstreckt sich auf das gesamte Verhalten des Täters, das nach natürlicher Auffassung ein mit diesem geschichtlichen Vorgang einheitliches Geschehen bildet (vgl. st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschluss vom 23. September 2020 – 2 StR 606/19; BGH, Beschluss vom 24. November 2004 – 5 StR 206/04, BGHSt 49, 352, 362 f.). Danach stehen der erste Übergriff des Angeklagten auf seine Ehefrau am Vormittag des 21. Juni 2018 und ihre sich mit einem gewissen zeitlichen Abstand anschließende Vergewaltigung im Verhältnis der prozessualen Tatidentität.

Der Angeklagte hatte seine Ehefrau am Morgen des 21. Juni 2018 an der Wohnungstür überrascht, sie in die Wohnung gedrängt und schmerzhaft am Arm festgehalten. Nachdem sich das Geschehen ins Wohnzimmer verlagert hatte, hatte er ein Messer hervorgezogen und es auf die Zeugin mit der Drohung gerichtet, sie umzubringen. Insbesondere diese vom Amtsgericht als Bedrohung ausgeurteilte Drohung und die im hiesigen Verfahren angeklagte und abgeurteilte Vergewaltigung im Schlafzimmer, zu der sich der Angeklagte im Anschluss an den erfolglos gebliebenen Versuch einer Versöhnung mit seiner Ehefrau und deren Ablehnung eines einverständlichen Geschlechtsverkehrs entschlossen hatte, stehen in einem unmittelbaren räumlichen, zeitlichen und personellen Zusammenhang. Daran ändert im Übrigen auch der Umstand nichts, dass mit der zwischenzeitlichen Beruhigung der Situation ein gewisser zeitlicher Abstand zwischen den strafrechtlich relevanten Übergriffen des Angeklagten gegeben ist. Denn Bedrohung und Vergewaltigung sind innerlich dadurch miteinander verknüpft, dass die vorangegangene Bedrohung mit dem Messer auch bei der folgenden Vergewaltigung fortwirkte. Wie das Landgericht ausdrücklich feststellte, entschied sich die Ehefrau des Angeklagten, „unter dem Eindruck der vorangegangenen Bedrohung mit dem Messer und dem Umstand, dass der Angeklagte das Küchenmesser in der Hosentasche bei sich hatte“, dem Ansinnen des Angeklagten (nach Geschlechtsverkehr) keinen Widerstand mehr entgegenzusetzen. Insbesondere auch mit Blick darauf stellt sich das gesamte Verhalten des Angeklagten vom Eindringen in die Wohnung bis zur Vergewaltigung als ein in sich geschlossenes, zusammengehöriges Geschehen dar, dessen getrennte Würdigung und Aburteilung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden würde.“

Verkehrsrecht III: Strafklageverbrauch, oder: Trunkenheitsfahrt meets Drogenbesitz

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Und die dritte Entscheidung ist dann nicht unbedingt eine verkehrsrechtliche, aber sie hat verkehrsrechtlichen Einschlag. Sie stammt vom AG Stralsund. geschickt hat sie mir der Kollege Rakow aus Rostock.

Es geht um die Frage des Strafklageverbrauch hinsichtlich einer Trunkenheitsfahrt, wenn „wegen der Fahrt“ schon eine Verurteilung wegen Drogenbesitzes vorliegt. Hier war die Fahrerlaubnis nach § 111a StPO entzogen worden. Das AG hat dann aber im AG Stralsund, Beschl. v. 15.02.2021 – 315 Cs 853/20 – aufgehoben:

„Es bestehen derzeit keine Gründe für die Annahme, dass dem Angeklagten in diesem Strafverfahren die Fahrerlaubnis entzogen wird, da das Verfahren nach dem derzeitigten Ermittlungsstand wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen ist.

Der Angeklagte hat sich zur Fahrt am 20.05.2020 dahin eingelassen, dass er auf dem Rückweg von einem Drogenkauf, namentlich von Amphetaminen, gewesen sei, um die erworbenen Drogen nach Hause zu bringen. Beim Verkäufer, den er nicht benennen will, habe er mit diesem zusammen noch Kokain konsumiert. Wegen der Einzelheiten wird auf die Stellungnahme des Angeklagten in der Hauptverhandlung vom 28.01.2021 Bezug genommen, vgl. BI. 51 f.

Dies kann dem Betroffenen nicht mit der erforderlichen Sicherheit widerlegt werden.

Wie die Nachermittlungen ergeben haben, kam der Angeklagte aus Richtung Ribnitz in die Kontrollstelle in Damgarten gefahren. Anders als beim Erlass des § 111a StPO-Beschlusses angenommen, wohnte der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Ribnitz, was gegen seine Einlassung sprach, sondern in Trinwillershagen. Dies hat der Angeklagte in seiner Beschwerde durch die Vorlage des Übergabeprotokolls seiner Wohnung in Ribnitz an seinen damaligen Vermieter vom 28.04.2020 belegt. Es ist daher davon auszugehen, dass er zum Zeitpunkt der Fahrt bereits in Trinwillershagen wohnte, so dass die Fahrtrichtung zu seiner Einlassung passt. Weitere Beweismittel, die seine Einlassung widerlegen könnten, sind nicht ersichtlich.

Es ist -deshalb davon auszugehen, dass sich der Angeklagte auf der Rückfahrt von einem Drogenkauf befand, die Fahrt also dem Transport der Drogen diente. Damit diente die Fahrt gerade dem Transport der Drogen, so dass das Mitführen der Betäubungsmittle nicht nur in einem engen zeitliche und örtlichen Zusammenhang, sondern – darüber hinaus – in einem inneren Beziehugns- oder Bedingungszusammenhang mit dem Fahrvorgang stand, vgl. BGH, Beschluss vom 03.05.2021 in NStZ 2021, 709 m.w.N. Besitz der Drogen und die Trunkenheitsfahrt sind damit als eine prozessuale Tat zu werten. Mit der rechtskräftigen Verurteilung wegen des Drogenbesitzes bei der Fahrt im Verfahren 315 Cs 625/20 514 Js 11678/20 ist damit Strafklageverbrauch eingetreten.

Entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft Stralsund führt die Entscheidung des OLG München vom 22.03.2019, 4 OLG 13 Ss 491/18 B, zu keinem anderen Ergebnis, denn dort wird entscheidend darauf abgestellt, dass wenn eine minderschwere Dauerstraftat mit mehreren schwereren Gesetzesverstößen zusammentrifft, aufgrund des großen Schwereunterschiedes eine „Entklammerung“ stattfindet. Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. Zum einen fällt es schon an mehreren schweren Verstößen neben dem „Klammerdelikt“ und zum anderen wiegen Trunkenheitsfahrt und der Besitz von einer geringen Menge (5,5 g) Amphetamin etwa gleich schwer.

Mobiltelefon und Beleidigung ==> Tatidentität, oder: Strafklageverbrauch

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Die zweite Entscheidung kommt heute vom KG. Das behandelt im KG, Beschl. v. 12.10.2018 – 3 Ws (B) 250/18 – die Frage von „ne bis in idem“, also Strafklageverbrauch, bei Zusammentreffen von Straftat und Ordnungswidrigkeit. Eine Frage, die in der Praxis immer wieder von Bedeutung sein kann.

Gegenstand des Verfahrens beim KG war der Vorwurf, der Betroffene habe entgegen § 23 Abs. 1a StVO als Führer eines Kraftfahrzeugs während einer Fahrt auf der Rudower Straße/Johannisthaler Chaussee am 16.11.2017 um 23.40 Uhr wissentlich auf ein in seiner rechten Hand gehaltenes, eingeschaltetes Mobiltelefon geschaut. Der Betroffene wurde in der Folge durch Polizeibeamte, die den vorgeworfenen Verkehrsverstoß beobachtet haben wollen, wegen des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit angehalten. Während dieser polizeilichen Überprüfung in der Rudower Straße, Höhe Hausnummer 135, äußerte der Betroffene um 23.45 Uhr zu dem Polizeibeamten POM X in ehrverletzender Absicht die Worte „Halts Maul, schrei nicht so und verpiss Dich!“ Insoweit hat die Staatsanwaltschaft ein gesondertes Verfahren wegen des Vorwurfs der Beleidigung (§ 185 StGB) eingeleitet, in dem der Betroffene durch Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten vom 16.08.2018, rechtskräftig seit 06.09.2018, zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen verurteilt wurde.

Das KG hat im Zulassungsverfahren das Verfahren wegen des Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO eingestellt. Es geht von Tatidentität und damit von „Strafklageverbrauch“ durch den rechtskräftigen Strafbefehl aus:

„c) Vorliegend ist gleichfalls Tatidentität anzunehmen, da das im Strafbefehlsverfahren geahndete Vergehen dieselbe Tat im prozessualen Sinne wie die im angegriffenen Urteil betrifft. Der motivische Anlass der Beleidigung des Polizeibeamten war das Anhalten und die Überprüfung des Betroffenen unter Eröffnung des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit. Der vorgeworfene Verkehrsverstoß und das Vergehen sind mithin nicht nur sachlich eng verknüpft. Da der Betroffene unmittelbar – wie sich aus den jeweiligen Tatzeiten und Örtlichkeiten ergibt – nach dem Verdacht einer Ordnungswidrigkeit angehalten wurde, besteht zudem ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang. Es kann folglich auch nicht darauf ankommen, dass der vom Amtsgericht festgestellten Ordnungswidrigkeit und der anschließenden Straftat verschiedene innere Vorgänge des Betroffenen zu Grunde lagen. Denn diese inneren Vorgänge traten in einem so engen zeitlichen Zusammenhang auf, dass diese sich nach der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise nicht trennen lassen, sondern einen einheitlichen geschichtlichen Vorgang darstellen. Es ist daher auch ohne Bedeutung, dass materiell-rechtlich die Ordnungswidrigkeit bereits beendet war, als die Beleidigung geäußert wurde.“

Geht natürlich auch „andersherum“.

Drogen III: Amphetamin im Überraschungsei, oder: Schöne Überraschung

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Und zum Abschluss des Tages dann noch eine Drogenentscheidung, die von einem OLG stammt. Es handelt sich um den OLG Köln, Beschl. v. 21.02.2017 – 1 RBs 361/16 – mit einer verfahrensrechtlichen Problematik, die in BtM-Verfahren, die ihren Ausgang im Straßneverkehr genommen haben, immer wieder eine Rolle spielt. Nämlich die Frage des Strafklageverbrauchs.

So auch hier: Das AG stellt fest, dass der Betroffene am 31.07.2015 seinen PKW unter dem Einfluss von Amphetamin geführt hat. der Betroffene ist im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle angehalten worden; hierbei wurde ein mit Amphetamin gefülltes Überraschungsei aufgefunden. Durch ein weiteres, rechtskräftiges Urteil ist der Betroffene außerdem wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe verurteilt worden, wobei diese Tat ebenfalls am 31.07.2015 begangen wurde. Gegen das im Bußgeldverfahren ergangene Urteil mit dem Verstoß gegen § 24a Abs. 2 StVG hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt. Diese hatte beim OLG Köln Erfolg:

Das OLG beanstandet, dass das Amtsgericht- was bereits auf die erhobene Sachrüge beachtlich ist (vgl. BGH NStZ 2010, 160; BGH NStZ 1999, 38) – die Erörterung der Frage unterlassen habe, ob der Verurteilung des Betroffenen das dauernde Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs entgegensteht. Und dazu weist das OLG auf Folgendes hin::

„bb) Nach diesen Maßstäben geht die Rechtsprechung in den Fällen des Zusammentreffens von Betäubungsmittelbesitz und Führen eines Kraftfahrzeugs unter dem Einfluss berauschender Mittel vom Vorliegen zweier Taten im prozessualen Sinne dann aus, wenn beide ohne innere Beziehung zueinander stehen, der Drogenbesitz gleichsam nur “bei Gelegenheit” der Fahrt stattfindet (BGH NStZ 2004, 694 = StV 2005, 256; SenE v. 09.05.2014 – III-1 RVs 49/14; SenE v. 09.02.2007 – 83 Ss 1/07 -; OLG Hamm NStZ-RR 2010, 154; KG NStZ-RR 2012, 155 = NZV 2012, 305; OLG Braunschweig Urt. v. 10.10.2014 – 1 Ss 52/14 bei Juris Tz. 21; zust. König/Seitz DAR 2012, 362). Ein innerer Zusammenhang zwischen dem Führen eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung berauschender Mittel bei gleichzeitigem Mitsichführen von Betäubungsmitteln wird indessen angenommen, wenn die Fahrt den Zweck verfolgt, den Drogenbesitz aufrechtzuerhalten bzw. abzusichern, also dazu dient, die Betäubungsmittel zu transportieren, zu finanzieren, an einen sicheren Ort zu bringen, sie zu verstecken oder dem staatlichen Zugriff zu entziehen. Maßgeblich ist demnach eine Finalbeziehung von Fahrt und Drogenbesitz (vgl. BGH NStZ 2012, 709; BGH DAR 2012, 390; BGH NStZ 2009, 705; BGH NStZ 2004, 694 = StV 2005, 256; SenE v. 28.06.2016 – III-1 RBs 181/16; SenE v. 09.05.2014 – III-1 RVs 49/14 -; s. zum Verhältnis von BtM-Delikt und Fahren ohne Fahrerlaubnis SenE v. 14.02.2017 – III-1 RVs 294/16 m. w. N.).

Eine diesbezügliche Erörterung drängte sich hier jedenfalls deswegen auf, weil die Zeugin M. ausweislich der Urteilsgründe angegeben hatte, bei der Kontrolle des Betroffenen sei in dessen Auto ein mit Amphetamin gefülltes Überraschungsei aufgefunden; insoweit sei – wie dies im Übrigen gängiger Praxis entspricht – eine gesonderte Strafanzeige gefertigt worden.“

Es ist dann, nachdem das OLG die Strafakten beigezogen hat, in diesen aber nichts abschließend festsllen konnte, zurückverwiesen worden, denn:

„cc) Weitergehende Erkenntnismöglichkeiten bestehen im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht; deren Ausschöpfung muss vielmehr einer erneuten tatrichterlichen Hauptverhandlung vorbehalten bleiben. Das entspricht der in Rechtsprechung und Literatur verbreiteten Annahme, dass es in Fällen wie dem vorliegenden, in welchen es für die Frage des Bestehens eines Verfahrenshindernisses auf den genauen Tathergang ankommt, die entsprechenden Feststellungen den Regeln des Strengbeweises unterliegen (BGHSt 46, 349 – bei Juris Tz. 10; SenE v. 18.08.1987 – Ss 293/87; Löwe/Rosenberg-StPO-Stuckenberg, 26. Auflage 2008, § 206a Rz. 64 aE; s. a. SK-StPO-Velten, 5. Auflage 2016, § 267 Rz. 64 f.). Dabei wird zu beachten sein, dass das Tatgericht schon grundsätzlich nicht gehalten ist, zu Gunsten eines Angeklagten Sachverhaltsvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (BGH NJW 2003, 2179 w. Nachw.; BGH NStZ 2009, 285). Dieser Grundsatz gilt auch im Zusammenhang mit der Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen eines Verfahrenshindernisses. Insofern reichen bloß theoretische, nur denkgesetzlich mögliche Zweifel nicht aus; sie müssen sich vielmehr auf konkrete tatsächliche Umstände gründen und – nach Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten – unüberwindbar sein (BGHSt 46, 349 – bei Juris Tz. 9; BGH NStZ 2010, 160).“

Also: Auf ein Neues. Oder: Schöne Überraschung