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„Eindringen in den Körper“ – beim sexuellen Missbrauch – Doppelverwertung

Ich habe gerade das Manuskript für die Verfahrenstipps III/2011 in der ZAP erstellt und dort dann mal wieder eine Zusammenstellung der Rechtsprechung zur Strafzumessung aus der letzten Zeit aufgenommen. Dabei ist mir aufgefallen, wie oft der BGH in seinen Beschlüssen dann doch einen Verstoß gegen das sog. Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs.3 StGB) beanstandet. Und dazu passt dann wieder ganz gut der aktuell auf der Homepage des BGH eingestellte BGH, Beschl. v. 07.09.2011 -2 StR 274/11, in dem es um die Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs ging. Auch da hat der BGH diesen Verstoß beanstandet:

„b) Weiter hat die Kammer rechtsfehlerhaft in den Fällen II.1 bis 145 zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass „diese Taten jeweils auch dadurch gekennzeichnet (waren), dass sie mit einem Eindringen in den Körper des Kindes verbunden waren, was regelmäßig eine das Kind besonders belastende Behandlung darstellt“ (UA S. 28). Die Strafkammer hat damit unter Verstoß ge-gen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB einen Tatumstand strafschärfend herangezogen, der den Qualifikationstatbestand des § 176a  Abs. 2 Nr.1 StGB in der aktuellen Fassung vom 27. Dezember 2003 (bzw. des § 176a Abs. 1 Nr. 1 StGB in der früheren Fassung vom 13. November 1998) und den insoweit zugrunde zu legenden Strafrahmen begründet.“

Ist Zungenkuss Beischlaf?

Die Frage: Ist Zungenkuss Beischlaf? spielt eine Rolle, wenn es um die Frage geht, ob eine beischlafähnliche Handlung im Sinne von § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB ist und damit ein schwerer sexueller Missbrauch eines Kindes mit der erhöhten Strafandrohung des § 176a StGB vorliegt.

Die Antwort auf diese Frage gibt der BGH, Beschl. v. 14.04.2011 – 2 StR 65/11, der zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt ist. Der BGH hat die Frage grds. verneint:

Anders liegt es im Fall II.1. der Urteilsgründe, bei dem die Tat sich in einem „Zungenkuss“ erschöpft hat. Dieser kann zwar als sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit im Sinne von §§ 176 Abs. 1, 184g Nr. 1 StGB (differenzierend OLG Brandenburg NStZ-RR 2010, 45 f.), die auch mit einem Eindringen in den Körper verbunden ist, jedoch nicht als eine zugleich „dem Beischlaf ähnliche“ Handlung angesehen werden. Dagegen spricht schon das äußere Erscheinungsbild der Handlung, an der – anders als bei dem beischlafähnlichen Anal- oder Oralverkehr (vgl. dazu BGH Beschluss vom 14. September 1999 – 4 StR 381/99, BGHR StGB, § 176a Abs. 1 Nr. 1 Sexuelle Handlung 1) – kein primäres Geschlechtsorgan beteiligt ist. Soweit § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB auch deskripitive Elemente enthält, liegt die Gleichsetzung des Zungenkusses mit dem Beischlaf schon begrifflich fern. Die Ähnlichkeit der sexuellen Handlung mit dem Beischlaf ist aber vor allem auch an der Gewichtung der Rechtsgutsverletzung zu messen. Geschütztes Rechtsgut ist in den Fällen des § 176a StGB die ungestörte sexuelle Entwicklung des Kindes (Senat, Urteil vom 16. Juni 1999 – 2 StR 28/99, BGHSt 45, 131, 132; Beschluss vom 19. Dezember 2008 – 2 StR 383/08, BGHSt 53, 118, 119). Der Zungenkuss wirkt hierauf regelmäßig nicht so intensiv ein wie ein Vaginal-, Oral- oder Analverkehr. Schließlich ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien nicht, dass der Gesetzgeber den Fall des Zungenkusses der Norm unterwerfen wollte (vgl. BT-Drucks. 13/8587 S. 31 f.; zuvor BT-Drucks. 13/2463 S. 7 und 13/7324 S. 6, jeweils zu § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB). Der Senat nimmt daher im Einklang mit der in der Literatur vorherrschenden Ansicht (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl. § 176a Rn. 8; LK/Hörnle, StGB, 12. Aufl. § 176a Rn. 27; Perron/Eisele in Schönke/ Schröder, StGB, 27. Aufl. § 176a Rn. 8; Renzikowski NStZ 2000, 367 f.; SK/Wolters aaO § 176a  Rn. 16; Ziegler in v. Heintschel-Heinegg, BeckOK-StGB 2011 § 176a Rn. 12; weitergehend Folkers JR 2007, 11 ff.; aA NK/Frommel, StGB, 2009 § 176a Rn. 11; Laubenthal, Sexualstraftaten; Die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, 2000, Rn. 382) an, dass der „Zungenkuss“ in der Regel keine dem Beischlaf ähnliche Handlung im Sinne des § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB ist. Ob unter besonderen Umständen in extremen Ausnahmefällen etwas anderes gelten kann, kann hier offen bleiben.

Rechtsprechung anderer Strafsenate des Bundesgerichtshofs steht nicht entgegen. …“

StORMG – was ist das?

Die Antwort auf die Frage lautet: Das ist der Entwurf der Bundesregierung BR-Drucksache 213/11 eines „Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs“, welches mehr Rechte für Opfer sexuellen Missbrauchs bringen soll. Wir hatten darüber ja schon mal berichtet.

Zu dem Gesetzesentwurf hat der Bundesrat jetzt Stellung genommen. In der PM Nr. 80/2011 vom 27.05.2011 heißt es:

Die Länder haben in ihrer Sitzung am 27.05.2011 zu einem Gesetzentwurf  Stellung genommen, mit dem die Bundesregierung den Opferschutz imStrafverfahren – insbesondere für minderjährige Opfer sexuellen Missbrauchs -weiter verbessern will.

Der Entwurf soll unter anderem dazu beitragen, Mehrfachvernehmungen Betroffener möglichst zu vermeiden. Zudem erleichtert er für volljährig gewordene Missbrauchsopfer die Bestellung eines Opferanwalts, ergänzt die Regelungen über den Ausschluss der Öffentlichkeit bei Hauptverhandlungen mit Minderjährigen und erweitert die Informationsrechte der Betroffenen. Die Verjährungsfrist für zivilrechtliche Schadenersatzansprüche wegen sexuellen Missbrauchs verlängert der Entwurf auf 30 Jahre.

Der Bundesrat möchte im weiteren Verfahren prüfen lassen, ob das Gesetz seiner Zustimmung bedarf, weil unter anderem die neuen Opferrechte im Strafverfahren Mehrausgaben für die Länder bewirken. Zudem hält er es für erforderlich, die Verjährung der in Rede stehenden Straftaten zukünftig bis zum 21. Lebensjahr der Opfer ruhen zu lassen (gegenwärtig gilt das 18. Lebensjahr). Hierdurch würde den Betroffenen die Chance zuteil, ein Trauma vor Verjährungseintritt soweit zu überwinden, dass eine freie Entscheidung über eine Anzeige noch rechtzeitig möglich ist. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Anforderungen an Ausbildung und Qualifikation von Jugendrichtern und Jugendstaatsanwälten empfindet der Bundesrat als zu weitreichend und lehnt sie daher ab.
Zudem bitten die Länder um nochmalige kritische Prüfung der Verjährungsfristen für zivilrechtliche Schadenersatzansprüche. Aus ihrer Sicht rechtfertigt nicht jede vorsätzliche Verletzung, die unabhängig von einer sonstigen Zwangslage erfolgt, eine dreißigjährige Verjährungsfrist.

Folgende Dokumente finden Sie im Internetangebot des Bundesrates:

Man sieht: Es geht auch mal wieder ums Geld.

BVerfG: Keine sofortige Freilassung aus der Sicherungsverwahrung

Das BVerfG teilt in einer PM vom heutigen Tage zu seinem Beschl. v. 30. Juni 2010 – 2 BvR 571/10 gerade mit, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung und damit die sofortige Freilassung des Untergebrachten abgelehnt worden ist.

In der Sache ging es um die Umsetzung der inzwischen rechtskräftigen Entscheidung des EGMR v. 17.12.2009. Der Untergebrachte hatte gegen den Beschl. des BGH in seiner Sache 1 StR 585/09 Verfassungsbeschwerde eingelegt.  Das BVerfG nimmt eine Folgenabwägung vor, die dazu führt, dass eine sofortige Freilassung des Beschwerdeführers nicht geboten ist. Wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber später Erfolg hätte, entstünde dem Beschwerdeführer zwar in der Zwischenzeit durch den Vollzug der Sicherungsverwahrung ein schwerer, nicht wieder gutzumachender Verlust an persönlicher Freiheit. Das Landgericht habe jedoch hat auf der Grundlage zweier psychiatrischer Sachverständigengutachten nachvollziehbar dargelegt, dass der Beschwerdeführer einen Hang zu schweren Sexualstraftaten (sexueller Missbrauch von Kindern, Vergewaltigung) habe und deshalb im Falle seiner
Freilassung mit hoher Wahrscheinlichkeit entsprechende Delikte verüben werde, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schweren Schaden nehmen würden. Angesichts der besonderen Schwere der drohenden Straftaten überwiegt das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit das Interesse des Beschwerdeführers an der Wiedererlangung seiner persönlichen Freiheit.

Also: Entscheidung im Haupsacheverfahren

Auch du mein Sohn Brutus? – Ermittlungen gegen Erzbischof Zollitsch wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch

Nun wird wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch von Kindern gegen den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Zollitsch ermittelt. Er soll von einem Missbrauchsfall gewusst, aber nichts unternommen haben. Meldung ist hier nachzulesen. Damit dürfte es wieder unruhig(er) werden, nachdem nach dem Rücktritt von Bischof Mixa ein wenig Ruhe eingekehrt war.