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Wildschweine im Pool/aufgemischt – wer haftet?

entnommen wikimedia.org by Volker.G - Own work. Licensed under CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Mal etwas ganz anderes im samstäglichen Kessel Buntes. Kein Verkehrs- und kein Strafrecht, auch nicht mit ganz geringen Bezügen dorthin. Sondern „Jagdrecht“, nun ja, auch nicht dirket. Aber Schadensersatz-/Haftungsrecht in Zusammenhang mit einem Wildunfall der besonderen Art. Es geht um das AG Saarlouis, Urt. v. 12.09.2016 – 28 C 284/16 (70) -, in dem das AG über die  Schadensersatzklage einer Grundstückseigentümerin gegen einen Jagdaufseher entschieden, nachdem dieser angeblich eine Rotte Wildschweine verscheucht haben soll, die dann im Swimmingpool der Klägerin „baden“ gegangen sind und diesen beschädigt haben. Das Urteil hat mir der Kollege Gratz geschickt, das es nach – so seine Meinung – in seinen rein verkehrsrechtlichen Blog nun gar nicht apsst. Und zugleich hat es auch noch weitere Informationen gegeben, die man hier findet.

Das AG hat die Klage der Grundstückseigentümerin abgewiesen. Es verneint ein Verschulden des Jagdaufsehers an den von den Wildschweinen angerichteten Schäden:

„Auch wenn unterstellt wird, dass der Beklagte bei seinem Eintreffen auf dem Nach­bargrundstück die Tiere noch vorgefunden hat und diese mit einem Gewehr im An­schlag vertrieben haben soll, kann hierin ein pflichtwidriges Verhalten, das zu einer Zurechnung des durch die Tiere nachfolgend verursachten Schadens führt, nicht ge­sehen werden. Angesichts der Gefährlichkeit einer Rotte von Wildschweinen kann dem Beklagten nicht vorgeworfen werden, dass er sich mit einem Gewehr bewaffnet den Tieren genähert haben soll. Das nach § 26 BJG ausdrücklich erlaubte Verscheu­chen umfasst deshalb auch eine entsprechende Vorgehensweise.

Im Hinblick auf die Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens war es hierbei nicht ab­sehbar, dass die Tiere durch das Vertreiben über weiteres befriedetes Besitztum letztendlich auf das Grundstück der Klägerin gelangten und hierdurch einen Schaden am Pool verursachen konnten.

Schön der Satz: Angesichts der Gefährlichkeit einer Rotte von Wildschweinen kann einem Jäger nicht vorgeworfen werden, wenn er sich mit einem Gewehr bewaffnet den Tieren nähert.“

Auf dem „Traumschiff“ mit Sascha Hehn: Sind 1.000 € Reisepreisminderung genug?

entnommen wikimedia.org Urheber Charvosi

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Und dann – heute ist ja noch Feiertag – ein wenig leichte Kost, die m.E. in die Rubrik „Kurioses“ gehört, oder? Die Meldungen zu dem AG Bonn, Urt .v. 15.01.2016 – 101 C 423/15 – sind auch schon etwas älter, einen Volltext habe ich leider auch nicht gefunden.

Es ging in dem Verfahren um eine Reisepreisminderungsklage eines Rentnerpaares aus Berlin. Das Paar hatte mit dem „Traumschiff“ eine Kreuzfahrt gemacht und verlangte nun eine Entschädigung dafür, dass auf der Kreuzfahrt Filmleute an Bord waren, die Drearbeiten zur ZDF-„Traumschiff“-Serie durchführten. Das hatte die Reisenden so genervt, dass sie geklagt hatten.

Das AG Bonn hat der  Klage auf Reisepreisminderung stattgegeben. Das Reiseunternehmen, bei dem das Paar gebucht hatte, muss für die Reisetage, an denen auf ihrem Kreuzfahrtschiff gedreht wurde, 1.022,76 € zurückzahlen. Das ist eine Minderung um 20 Prozent an zwölf Drehtagen.

Zum Hintergrund: Die Eheleute hatten die 26-tägige Kreuzfahrt von Vietnam nach Neuseeland auf der „MS Amadea“ für 11.080 € gebucht. Was sie nicht wussten: Das relativ kleine Schiff mit 600 Passagieren ist seit Anfang 2015 Drehkulisse fürs „Traumschiff“. Der Anwalt des Reiseveranstalters gab laut einem Zeitungsbericht zu, dass man die Kunden nicht vor der Abfahrt informiert habe – und verwies darauf, dass die Medien darüber berichtet hätten. Während der Kreuzfahrt waren immer Teile des Luxusliners, vor allem das Promenadendeck, für Aufnahmen mit Sascha Hehn als Kapitän und Heide Keller als Chefstewardess gesperrt. Das Ehepaar fühlte sich auch gestört durch lautes Hämmern und Sägen und Megafon-Anweisungen. Als Passagier sei man stets auf der Flucht vor dem Filmteam gewesen.

Das AG Bonn sagt: Es gehöre zum Vertrag einer ordnungsgemäßen Reise, dass Passagiere jederzeit alle Freizeitmöglichkeiten nutzen könnten. Einschränkungen beispielsweise durch die Absperrungen des Promenadendecks für die Dreharbeiten seien ein Reisemangel und müssten nicht hingenommen werden.

P.S. und nur zur Klarstellung und zur Ergänzung:

  1. Das Paar waren nicht meine Frau und ich 🙂
  2. Bei Spon ist in den Kommentaren die Frage diskutiert worden, ob 1.000 € Schmerzensgeld für eine Kreuzfahrt mit Sascha Hehn genug sind:

Dafür, das das Rentnerehepaar Sasha Hehn hat ertragen müssen, sind 1000 Euro Schmerzengeld doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Diese Fernsehmumie aus einer Zeit als die Erde noch flüssig war sollte doch endlich ihr baldiges Serienende finden, damit Harald Schmidt übernehmen kann. Von der Mumie zum Zombie quasi.“

oder auch:

wir sollten uns zunächst über – wenn auch späte – Rechtssprechung erstmal einfach freuen. für die Therapie des Sascha-Hehn-Posttraumas können wir uns immer noch in die Schwarzwaldklinkik einweisen lassen…“

Eine Fußballkarte für 30.000 €?, oder: Ein teurer Böllerwurf

entnommen wikimedia.org Urheber Amarhgil

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Passend zu den samstäglichen Fußballbundesliga-Spielen dann das OLG Köln, Urt. v. 17.12.2015 – 7 U 54/15. Das ist die Sache mit dem „Böllerwurf“, der für einen Zuschauer des Spiels 1 FC. Köln/SC Paderborn im Februar 2014 – ja da waren die Paderborner noch in der 1. Fußballbundesliga – einen Böller auf die Nordtribüne des Kälner Fußballstadions geworfen hatte. Der DFB hatte dann später gegen de. 1. FC Köln u.a. auch wegen dieses Wurfs eine Verbandsstrafe über insgesamt 50.000 € festgesetzt. 30.000 € wollte der 1. FC Köln von dem „Fan“/Zuschauer wieder haben und hat den auf Zahlung verklagt. Das LG hatte der Klage statt gegeben, das OLG hat sie dann abgewiesen:

„Es fehlt jedoch an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang. Denn die Verhängung der Verbandsstrafe unterfällt nicht mehr dem Schutzzweck der vom Beklagten verletzten Pflichten.

Nach der Lehre vom Schutzzweck besteht eine Schadensersatzpflicht nur dann, wenn der geltend gemachte Schaden nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzen Norm fällt (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 74. Aufl., 2015, vor § 249 Rn. 29 m.w.N.). Es muss sich um Nachteile handeln, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte vertragliche oder vorvertragliche Pflicht übernommen worden ist. Der Nachteil muss zu der vom Schädiger geschaffenen Gefahrenlage in einem inneren Zusammenhang stehen; eine bloß zufällige äußere Verbindung genügt nicht. Der Schaden muss auch gerade durch die Pflichtwidrigkeit der Handlung verursacht worden sein.

An diesen Voraussetzungen fehlt es vorliegend.

Maßgeblich für das Verbot des Zündens von Knallkörpern im Stadion und hierdurch verursachter Spielstörungen ist die besondere Gefährlichkeit von Knallkörpern für die menschliche Gesundheit. Zuschauer, Organisationspersonal und Spieler sind durch die mit dem Feuer und der Explosion verbundenen Gefahren gleichermaßen bedroht (vgl. OLG Frankfurt, 3 U 140/10, Urteil vom 24.02.2011). Diese vom Beklagten geschaffene Gefahrenlage hat sich hinsichtlich des geltend gemachten Schadens jedoch nicht realisiert. Realisiert hat sich hierin vielmehr das durch die Unterwerfung der Klägerin unter die Regeln des DFB geschaffene Risiko, dass der Verein für sportliche Vergehen seiner Anhänger die Verantwortung zu übernehmen hat und dementsprechend im Rahmen des Verbandes mit Strafen belegt werden kann (§ 44 der Satzung des DFB, §§ 1 Abs. 4, 9a der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB). Diese Gefahr hat jedoch die Klägerin selbst durch ihre Mitgliedschaft im DFB begründet. Es ist für den Senat nicht zu erkennen, dass der Beklagte als Zuschauer seine Rücksichtnahmepflichten, hier in Gestalt des Verbots des Zündens von Knallkörpern, übernommen hätte, um den Verein (auch) vor Verbandsstrafen zu schützen. Zwar dürfte auch dem Beklagten nicht entgangen sein, dass der DFB dem Verein bei entsprechenden Vorfällen eine Verbandsstrafe auferlegen kann. Insoweit jedoch eine bewusste Übernahme dieses Risikos durch den Beklagten als Zuschauer anzunehmen, erscheint dem Senat zu weitgehend. Die komplexe Rechtslage nach der Satzung des DFB und der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB sowie die möglichen finanziellen Folgen dürften sich dem durchschnittlichen Zuschauer kaum erschließen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Klägerin im Rahmen der Ausgestaltung des Zuschauervertrages das Risiko einer Verbandsstrafe auf den Zuschauer hätte überwälzen wollen. Nach Auffassung des Senats liefert die in den Zuschauervertrag einbezogene Stadionordnung vielmehr einen Hinweis darauf, dass auch die Klägerin bei der von ihr vorgegebenen Vertragsgestaltung nicht unbedingt von einem entsprechenden Schutzzweck bereits der Verhaltenspflichten aus dem Zuschauervertrag ausgegangen sein dürfte. Denn in § 7 Abs. 2 der Stadionordnung findet sich eine ausdrückliche Regelung über eine Vertragsstrafe für den Fall des Abbrennens pyrotechnischer Gegenstände. Danach fällt bei Verstoß gegen § 6 Abs. 3 lit. h (u.a. Abbrennen von Feuerwerkskörpern) eine Vertragsstrafe von bis zu 1.000,00 € an. Zwar findet sich der Hinweis in § 7 Abs. 2 der Stadionordnung, dass weitere Schadensersatzansprüche, Unterlassungsansprüche oder sonstige vertragliche Ansprüche hiervon unberührt bleiben. Doch spricht der Grundsatz der effektiven Vertragsauslegung zunächst dafür, dass der Vereinbarung einer Vertragsstrafe gerade auch für den Fall des Abbrennens von Feuerwerkskörpern eine eigenständige Bedeutung zukommt.

Der Senat verkennt nicht, dass in der weiteren Rechtsprechung überwiegend eine Haftung des störenden Zuschauers für dem betroffenen Verein vom DFB auferlegte Strafen bejaht (vgl. OLG Rostock, 3 U 106/05, Urteil vom 28.04.2006; LG Düsseldorf, 11 O 339/10, Urteil vom 25.08.2011; LG Karlsruhe, 8 O 78/12, Urteil vom 29.05.2012; AG Brakel, 7 C 680/87, Urteil vom 15.06.1988; AG Lichtenberg, 3 C 156/09, Urteil vom 08.02.2010; AG Lingen, 4 C 1222/09, Urteil vom 17.02.2010) und nur ausnahmsweise eine solche abgelehnt wird (vgl. LG Hannover, 2 O 289/14, Urteil vom 26.05.2015). Diese Entscheidungen setzen sich nur zum Teil mit Fragen des Zurechnungszusammenhangs auseinander.“

Damit darf/kann sich dann jetzt in der Revision der BGH befassen. Und der „Fan“/Zuschauer wird dann von dort erfahren, ob es ein ganz teures Spiel für ihn wird.

Zwei Monate rechtswidrig in der „Psychiatrie“ – zumindest 25.000 € Schmerzensgeld

© chris52 - Fotolia.com

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Eine m.E. in der Praxis eher seltenere Fallgestaltung hat das OLG Karlsruhe mit dem OLG Karlsruhe, Urt. v. 12.11.2015 – 9 U 78/11 – entschieden. Es hat nämlich dem Kläger, der für rund zwei Monate (rechtswidrig) in einer psychiatrischen Klinik untergebracht war, u.a. 25.000 € Schmerzensgeld zugesprochen. Der Kläger war am 15.06.2007 von Polizeibeamten in eine von der Beklagten betriebene psychiatrische Klinik gebracht worden. Ärzte dieser Klinik beantragten beim zuständigen AG die Anordnung der Unterbringung des Klägers wegen einer „Psychose mit Verfolgungswahn“.  Es sei von „Fremd- und Eigengefährdung“ auszugehen. Das AG ordnete in mehreren Beschlüssen die Unterbringung des Klägers in der psychiatrischen Klinik an. Aufgrund dieser Entscheidungen blieb der Kläger bis zum 11.08.2007 gegen seinen Willen in der Klinik und wurde in dieser Zeit zwangsweise medikamentös behandelt. Nach Entlassung des Klägers wurde auf dessen Antrag im Beschwerdeverfahren dann festgestellt, dass die Unterbringung rechtswidrig gewesen sei. Die Voraussetzungen einer Unterbringung hätten nach den Vorschriften des Unterbringungsgesetzes nicht vorgelegen. Der Kläger verlangte dann Schmerzensgeld und Schadensersatz im Wege der Amtshaftung für die durch die Unterbringung erlittenen Beeinträchtigungen. Zu der rechtswidrigen Unterbringung sei es nur auf Grund fehlerhafter ärztlicher Zeugnisse der verantwortlichen  Ärzte gekommen. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen, weil eine Amtspflichtverletzung der Ärzte nicht erkennbar sei. Das Urteil hat das OLG Karlsruhe nunmehr aufgehoben und dem Kläger für die knapp zweimonatige Unterbringung und zwangsweise medikamentöse Behandlung ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 € zugesprochen.

Zur Begründung dazu – zusammengefasst aus der PM des OLG – Rest bitte selbst lesen:

„Eine Amtspflichtverletzung der Ärzte liege vor. Bei der Ausstellung der für die Unterbringung notwendigen ärztlichen Zeugnisse seien von den Ärzten grundlegende fachliche Standards missachtet worden. Für eine Gefährdungsprognose im Sinne einer Eigen- und Fremdgefährdung habe es keine Grundlage gegeben. Unter diesen Umständen komme es nicht darauf an, ob bei dem Kläger zum Zeitpunkt der Unterbringung eine psychische Erkrankung vorgelegen habe, da eine psychische Erkrankung für sich allein – ohne Eigen- oder Fremdgefährdung – keine zwangsweise Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik rechtfertigen könne.  Schadensersatz für materielle Schäden wurde dem Kläger nur insoweit zugesprochen, als eine Verursachung der behaupteten finanziellen Einbußen durch die rechtswidrige Unterbringung nachzuweisen war.“

Nun  ja, 25.000 € ist ja schon mal was, aber „Bäume kann man damit nicht ausreißen“. Und: Wenn man liest, was der Kläger alles nicht im Wege des Schadensersatzes ersetzt bekommt ……

P.S. Dies hier eingestellte Entscheidung war dann übrigens die Nr. 3333.

Fernwirkung, oder: Nicht belehrt, dann Beweisverwertungsverbot auch im Zivilverfahren

© AK-DigiArt - Fotolia.com

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„Strafrecht meets Zivilrecht“ war mein erster Gedanke, als ich zwei mir vor einigen Tagen überlassene (Zivil)Urteile aus dem Rheinland gelesen hatte. Oder man kann auch sagen: Manchmal ist es auch für den Zivilisten ganz gut, mal in der Strafrechtskiste nachzuschauen. Bei den beiden Entscheidungen handelt es ich um das AG Brühl, Urt. v. 28.05.2015 – 21 C 140/14 – und das dazu ergangene Berufungsurteil des LG Köln, das LG Köln, Urt. v. 13.01.2016 – 13 S 129/15.

In dem Zivilverfahren ist von den Parteien um den Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall gestritten worden, an dem der Kläger mit seinem BMW und der damals 15 Jahre alte Beklagte als Fußgänger beteiligt waren. Der Beklagte überquerte die Straße. Es kam zum Zusammenstoß mit dem Fahrzeug des Klägers. An dem Fahrzeug des Klägers wurde der Außenspiegel beschädigt und die Beifahrertür verkratzt; Aufwendungen rund 1.300 EUR. Der Kläger hat behauptet, der Beklagte sei ohne auf eine rot zeigende Fußgängerampel und den fließenden Verkehr zu achten auf die Straße und gegen die Seite seines Fahrzeugs gelaufen. Er habe – bei der Unfallaufnahme gegenüber den unfallaufnehmenden Polizeibeamten – angegeben, dass er ohne auf den Verkehr zu achten auf die Straße gelaufen sei, um den auf der anderen Straßenseite haltenden Bus noch zu erreichen und nicht länger auf den nächsten warten zu müssen. Der Beklagte hat das bestritten. Er hält im Übrigen die Angaben gegenüber den Polizeibeamten als unverwertbar, da er von denen nicht umfassend auf sein sich aus §§ 136 StPO, 46 OWiG ergebendes Schweigerecht hingewiesen worden sei. Das AG hat der Klage stattgegeben, das LG hat sie auf die Berufung des Beklagten hin abgewiesen.

Das LG geht von einem Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der vom Beklagten gemachten Angaben aus und das war es dann für die Klage:

Zum Zeitpunkt der Unfallaufnahme waren die Polizeibeamten verpflichtet, den Beklagten zu belehren, weil sie ihn als Unfallversursacher und damit auch als Beschuldigten einer Ordnungswidrigkeit vernommen haben, §§ 46 OWIG, 136 StPO. Dabei war bei dem minderjährigen Beklagten zusätzlich eine Belehrung erforderlich, dass er berechtigt ist, vor einer Aussage zur Sache seine Eltern zu kontaktieren, § 67 JGG. Diese gesetzliche Regelung beruht auf der kriminologisch gesicherten Erkenntnis, dass jugendliche Beschuldigte gegenüber Erwachsenen eine deutlich höhere „Geständnisfreudigkeit“ aufweisen, also in geringerem Umfang in der Lage sind, auch bei ansonsten korrekter Belehrung über das Schweigerecht von ihrer Aussagefreiheit dahingehend Gebrauch zu machen, auf Angaben zur Sache möglicherweise zu verzichten. Das Recht auf Konsultation der Erziehungsberechtigten bzw. gesetzlichen Vertreter, welches in § 67 I und II JGG seinen Niederschlag findet, trägt zumindest auch und insbesondere diesem Umstand Rechnung und steht deshalb in unmittelbarem Zusammenhang mit der Entschließungsfreiheit des jugendlichen Beschuldigten in Bezug auf seine Rechte gern. §§ 136, 163 a StPO (LG Saarbrücken, Urteil vom 31. Juli 2009 — 3 Ns 20 Js 26/08 (32/09), 3 Ns 32/09 —, Rn. 22, juris)

Aus den Angaben der Polizeibeamten im Rahmen ihrer Vernehmung vor dem Amtsgericht ergibt sich jedoch, dass diese den Beklagten tatsächlich nicht über sein Konsultationsrecht belehrt haben.

Im hier zu entscheidenden Fall führt das bestehende Beweiserhebungsverbot (keine Vernehmung zur Sache ohne ordnungsgemäße Belehrung) auch zu einem Beweisverwertungsverbot im Zivilprozess mit der Folge, dass das Amtsgericht die Vernehmung der Polizeibeamten als Zeugen für seine Überzeugungsbildung nicht hätte verwerten dürfen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist die strafprozessuale Belehrung des Beschuldigten (wegen § 46 OWiG auch jene nach dem Recht der Ordnungswidrigkeiten) zwar nicht darauf gerichtet, diesen auch vor einer zivilrechtlichen Verfolgung zu schützen. Vielmehr soll sie den Beschuldigten allein davor bewahren, aktiv zu seiner strafrechtlichen Verfolgung beitragen zu müssen.

Daher kann das Beweisverwertungsverbot des Strafprozesses jedenfalls nicht ohne weiteres auf den Zivilprozess übertragen werden. Entscheidend ist aber eine Interessen- und Güterabwägung im Einzelfall (BGH Urteil vom 10.12.2002 — VI ZR 378/01), wobei hier nach Auffassung der Kammer den Interessen des Beklagten ausnahmsweise der Vorrang einzuräumen ist. Die Kammer verkennt dabei nicht das überaus beachtliche Interesse des Klägers an der Wahrheitsfindung durch das erkennende Gericht, welchem nach den oben aufgezeigten Maßstäben des Bundesgerichtshofes im Zivilprozess jedenfalls grundsätzlich auch der Vorrang gebührt. Die Kammer hat auch berücksichtigt, dass dem Kläger an dem Umstand, dass hier ein Beweisverwertungsverbot im Raume steht, kein Verschulden trifft. So kann im Gegenteil das Verhalten des Klägers im Rahmen der Unfallaufnahme unter keinem Gesichtspunkt beanstandet werden. Dennoch sprechen hier die folgenden Erwägungen aus Sicht der Kammer allein für ein Beweisverwertungsverbot:

Maßgeblich ist insoweit, dass der Beklagte zum Zeitpunkt seiner Vernehmung minderjährig war. So betraf insbesondere auch die die Kammer leitende Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH aaO) gerade keine Konstellation, in der ein Minderjähriger beteiligt gewesen wäre. Dieser Umstand verdient aber nach Auffassung der Kammer — in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Berufung ¬im Rahmen der hier erforderlichen Abwägung eine besondere Beachtung. Wegweisend für den Zivilprozess ist § 455 ZPO, wonach eine parteiverantwortliche Vernehmung von Minderjährigen bis zum vollendeten 16. Lebensjahr zu unterbleiben hat, und an ihrer Stelle ausschließlich die gesetzlichen Vertreter zu vernehmen sind. Das spricht dafür, dass auch im Zivilprozess eine „verantwortliche“ Aussage Minderjähriger überhaupt erst ab dem 16. Lebensjahr in Betracht kommen soll. Der Beklagte war zum Zeitpunkt des Unfalls und der Vernehmung erst 15 Jahre alt…..“