Eine Fußballkarte für 30.000 €?, oder: Ein teurer Böllerwurf

entnommen wikimedia.org Urheber Amarhgil

entnommen wikimedia.org
Urheber Amarhgil

Passend zu den samstäglichen Fußballbundesliga-Spielen dann das OLG Köln, Urt. v. 17.12.2015 – 7 U 54/15. Das ist die Sache mit dem „Böllerwurf“, der für einen Zuschauer des Spiels 1 FC. Köln/SC Paderborn im Februar 2014 – ja da waren die Paderborner noch in der 1. Fußballbundesliga – einen Böller auf die Nordtribüne des Kälner Fußballstadions geworfen hatte. Der DFB hatte dann später gegen de. 1. FC Köln u.a. auch wegen dieses Wurfs eine Verbandsstrafe über insgesamt 50.000 € festgesetzt. 30.000 € wollte der 1. FC Köln von dem „Fan“/Zuschauer wieder haben und hat den auf Zahlung verklagt. Das LG hatte der Klage statt gegeben, das OLG hat sie dann abgewiesen:

„Es fehlt jedoch an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang. Denn die Verhängung der Verbandsstrafe unterfällt nicht mehr dem Schutzzweck der vom Beklagten verletzten Pflichten.

Nach der Lehre vom Schutzzweck besteht eine Schadensersatzpflicht nur dann, wenn der geltend gemachte Schaden nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzen Norm fällt (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 74. Aufl., 2015, vor § 249 Rn. 29 m.w.N.). Es muss sich um Nachteile handeln, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte vertragliche oder vorvertragliche Pflicht übernommen worden ist. Der Nachteil muss zu der vom Schädiger geschaffenen Gefahrenlage in einem inneren Zusammenhang stehen; eine bloß zufällige äußere Verbindung genügt nicht. Der Schaden muss auch gerade durch die Pflichtwidrigkeit der Handlung verursacht worden sein.

An diesen Voraussetzungen fehlt es vorliegend.

Maßgeblich für das Verbot des Zündens von Knallkörpern im Stadion und hierdurch verursachter Spielstörungen ist die besondere Gefährlichkeit von Knallkörpern für die menschliche Gesundheit. Zuschauer, Organisationspersonal und Spieler sind durch die mit dem Feuer und der Explosion verbundenen Gefahren gleichermaßen bedroht (vgl. OLG Frankfurt, 3 U 140/10, Urteil vom 24.02.2011). Diese vom Beklagten geschaffene Gefahrenlage hat sich hinsichtlich des geltend gemachten Schadens jedoch nicht realisiert. Realisiert hat sich hierin vielmehr das durch die Unterwerfung der Klägerin unter die Regeln des DFB geschaffene Risiko, dass der Verein für sportliche Vergehen seiner Anhänger die Verantwortung zu übernehmen hat und dementsprechend im Rahmen des Verbandes mit Strafen belegt werden kann (§ 44 der Satzung des DFB, §§ 1 Abs. 4, 9a der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB). Diese Gefahr hat jedoch die Klägerin selbst durch ihre Mitgliedschaft im DFB begründet. Es ist für den Senat nicht zu erkennen, dass der Beklagte als Zuschauer seine Rücksichtnahmepflichten, hier in Gestalt des Verbots des Zündens von Knallkörpern, übernommen hätte, um den Verein (auch) vor Verbandsstrafen zu schützen. Zwar dürfte auch dem Beklagten nicht entgangen sein, dass der DFB dem Verein bei entsprechenden Vorfällen eine Verbandsstrafe auferlegen kann. Insoweit jedoch eine bewusste Übernahme dieses Risikos durch den Beklagten als Zuschauer anzunehmen, erscheint dem Senat zu weitgehend. Die komplexe Rechtslage nach der Satzung des DFB und der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB sowie die möglichen finanziellen Folgen dürften sich dem durchschnittlichen Zuschauer kaum erschließen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Klägerin im Rahmen der Ausgestaltung des Zuschauervertrages das Risiko einer Verbandsstrafe auf den Zuschauer hätte überwälzen wollen. Nach Auffassung des Senats liefert die in den Zuschauervertrag einbezogene Stadionordnung vielmehr einen Hinweis darauf, dass auch die Klägerin bei der von ihr vorgegebenen Vertragsgestaltung nicht unbedingt von einem entsprechenden Schutzzweck bereits der Verhaltenspflichten aus dem Zuschauervertrag ausgegangen sein dürfte. Denn in § 7 Abs. 2 der Stadionordnung findet sich eine ausdrückliche Regelung über eine Vertragsstrafe für den Fall des Abbrennens pyrotechnischer Gegenstände. Danach fällt bei Verstoß gegen § 6 Abs. 3 lit. h (u.a. Abbrennen von Feuerwerkskörpern) eine Vertragsstrafe von bis zu 1.000,00 € an. Zwar findet sich der Hinweis in § 7 Abs. 2 der Stadionordnung, dass weitere Schadensersatzansprüche, Unterlassungsansprüche oder sonstige vertragliche Ansprüche hiervon unberührt bleiben. Doch spricht der Grundsatz der effektiven Vertragsauslegung zunächst dafür, dass der Vereinbarung einer Vertragsstrafe gerade auch für den Fall des Abbrennens von Feuerwerkskörpern eine eigenständige Bedeutung zukommt.

Der Senat verkennt nicht, dass in der weiteren Rechtsprechung überwiegend eine Haftung des störenden Zuschauers für dem betroffenen Verein vom DFB auferlegte Strafen bejaht (vgl. OLG Rostock, 3 U 106/05, Urteil vom 28.04.2006; LG Düsseldorf, 11 O 339/10, Urteil vom 25.08.2011; LG Karlsruhe, 8 O 78/12, Urteil vom 29.05.2012; AG Brakel, 7 C 680/87, Urteil vom 15.06.1988; AG Lichtenberg, 3 C 156/09, Urteil vom 08.02.2010; AG Lingen, 4 C 1222/09, Urteil vom 17.02.2010) und nur ausnahmsweise eine solche abgelehnt wird (vgl. LG Hannover, 2 O 289/14, Urteil vom 26.05.2015). Diese Entscheidungen setzen sich nur zum Teil mit Fragen des Zurechnungszusammenhangs auseinander.“

Damit darf/kann sich dann jetzt in der Revision der BGH befassen. Und der „Fan“/Zuschauer wird dann von dort erfahren, ob es ein ganz teures Spiel für ihn wird.

4 Gedanken zu „Eine Fußballkarte für 30.000 €?, oder: Ein teurer Böllerwurf

  1. Pingback: Burhoff online Blog

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert