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OWi I: Verjährungsunterbrechung durch Zustellung?, oder: Rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht?

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Heute am Donnerstag drei OWi-Entscheidungen.

Und ich mache den Opener mit dem „schönen“ OLG Karlsruhe, Beschl. v.29.10.2020 – 2 Rb 35 Ss 618/20, den mir der Kollege Rinklin gestern geschickt hat. Problematik ist der Dauerbrenner: „Zustellung“ des Bußgeldbescheides an den Verteidiger. Und das OLG – offenbar ein RiAG, der als Erprobungsrichter beim OLG ist, macht es schulbuchmäßig.

„Die gemäß § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Das Verfahren ist unter Aufhebung des angefochtenen Urteils wegen eines Verfahrenshindemisses einzustellen (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 206a Abs. 1 StPO). Der Verfolgung der Tat steht deren Verjährung entgegen (§ 31 Abs. 1 S. 1 OWiG).

1. Die dreimonatige Verjährungsfrist aus § 26 Abs. 3 Hs. 1 StVG, die am 12. Januar 2020 —dem Tattag — zu laufen begonnen hatte (§ 33 Abs. 3 OWiG), wurde nur durch die Anordnung der Anhörung des Betroffenen am 17. Februar 2020 gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 OWiG unterbrochen. Damit trat mit Ablauf des 16. Mai 2020 (zur Fristberechnung siehe KK-OWiG/Ellbogen, 5. Aufl. 2018, § 31 Rn. 35 f.) Verjährung ein, so dass der Eingang der Akten beim Amtsgericht am 1. Juli 2020 keine erneute Unterbrechung der Verjährung (§ 33 Abs. 1 Nr. 10 OWiG) bewirken konnte.

2. Die Verjährungsfrist war nicht gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG unterbrochen worden. Eine wirksame Zustellung des Bußgeldbescheids vom 28. April 2020, die zwingende Voraussetzung für eine Unterbrechung der Verjährung nach dieser Vorschrift ist, lässt sich nicht feststellen.

a) Es ist nicht nachweisbar, dass die von der Bußgeldbehörde veranlasste Zustellung des Bußgeldbescheids an den Betroffenen (§ 51 Abs. 1 OWiG, § 3 LVwZG) ordnungsgemäß bewirkt wurde, da die Postzustellungsurkunde nicht in Rücklauf gelangt ist.

b) Der Zustellungsmangel wurde nicht gemäß § 51 Abs. 1 OWiG, § 9 LVwZG geheilt.

aa) Es ist nicht feststellbar, dass dem Betroffenen das zuzustellende Schriftstück tatsächlich zugegangen ist. Aus dem Umstand, dass der Verteidiger des Betroffenen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt hat, lässt sich dies nicht ableiten, da die Bußgeldbehörde — wie von § 51 Abs. 3 S. 3 OWiG vorgeschrieben — zugleich formlos eine Abschrift des Bußgeldbescheids an den Verteidiger übersandt hatte.

Es ist zwar durchaus wahrscheinlich, dass der Betroffene — sollte ihn die Zustellung tatsächlich nicht erreicht haben — von seinem Verteidiger zumindest eine Kopie der an diesen übersandten Abschrift des Bußgeldbescheids erhalten hat. Der sichere Nachweis eines solchen Zugangs, wie er für eine Heilung erforderlich wäre, ist jedoch nicht zu führen, so dass es keiner Entscheidung bedarf, ob auf diese Weisung eine Heilung überhaupt hätte bewirkt werden können (vgl. etwa NK-VwVfG/Thomas Smollich, 2. Aufl., VwZG, § 8 Rn. 6 m.w.N.; siehe auch — mit Überblick zum Meinungsstand — BGH, Beschluss vom 12. März 2020 — I ZB 64/19, BeckRS 2020, 6358 Rn. 21 ff., zu § 189 ZPO, dem die Vorschrift des § 9 LVwZG weitgehend angepasst wurde). Die bloße mündliche Überlieferung oder die schriftliche Mitteilung des Inhalts des Bußgeldbescheids genügen nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut und dem Gesetzeszweck nicht, um eine Heilung zu bewirken (vgl. BGH a.a.O. Rn. 25).

bb) Von einer Heilung des Zustellungsmangels kann auch nicht deshalb ausgegangen werden, weil aufgrund der Einspruchseinlegung jedenfalls feststeht, dass entweder der Betroffene den Bußgeldbescheid oder der Verteidiger eine Abschrift desselben erhalten hat. Mit dieser Erwägung könnte eine Heilung des Zustellungsmangels nur dann angenommen werden, wenn der tatsächliche Zugang der Abschrift des Bußgeldbescheids beim Verteidiger die Heilung der fehlerhaften Zustellung an den Betroffenen gemäß § 51 Abs. 1 OWiG, § 9 LVwZG hätte bewirken können. Dies ist nicht der Fall.

Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob eine Heilung überhaupt dadurch eintreten kann, dass eine Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks einer anderen Person als derjenigen, an die die Zustellung gerichtet war, tatsächlich zugeht (so OLG Hamm, Beschluss vom 8. August 2017 —3 RBs 106/17, juris Rn. 28 f.; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 29. April 2009 — Ss (Z) 205/2009 (37/09), juris Rn. 10; a.A. OLG Celle, Beschluss vom 30. August 2011— 311 SsRs 126/11, juris, Rn. 17 f.; OLG Celle, Beschluss vom 18. August 2015 — 2 Ss (OWi) 240/15, juris, Rn. 12; OLG Stuttgart, Beschluss vom 10. Oktober 2013 — 4a Ss 428/13, juris Rn. 11). Denn auch wenn man dies bejahen würde, käme als andere Person nur eine solche in Betracht, an die die Zustellung nach dem Gesetz hätte gerichtet werden können (OLG Hamm a.a.O. Rn. 28). Eine solche Person war der Verteidiger nicht.

(1) An den gewählten Verteidiger kann gemäß § 53 Abs. 3 S. 1 OWiG — kraft gesetzlich fingierter Zustellungsvollmacht — nur dann wirksam zugestellt werden, wenn sich woran es hier fehlt —eine Urkunde über die Bevollmächtigung als Verteidiger bei den Akten befindet (vgl. BGH, Be-schluss vom 24. Oktober 1995 — 1 StR 474195, juris Rn. 4 ff.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. März 1996 — 3 Ss 11196, juris Rn. 3 f.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 8. Dezember 1987 —
3 Ss 599/87, juris Rn. 5 f.). Daran vermag das Auftreten des Verteidigers gegenüber der Bußgeld-behörde ebenso wenig etwas zu ändern wie der Umstand, dass der Verteidiger mit Schreiben vom 6. März 2020, mit dem er seine Verteidigung angezeigt hat, eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung anwaltlich versichert hat (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 29. April 2009 — Ss (Z) 205/2009 (37/09), juris Rn. 10; OLG Karlsruhe a.a.O. Rn. 3).

(2) Es lässt sich auch nicht feststellen, dass der Verteidiger rechtsgeschäftlich zum Empfang von Zustellungen ermächtigt war.

(a) In der Rechtsprechung ist allgemein anerkannt, dass eine wirksame Zustellung an den Verteidiger nicht nur aufgrund der durch § 53 Abs. 3 S. 1 OWiG begründeten gesetzlichen Zustellungsvollmacht, sondern auch aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Zustellungsvollmacht erfolgen kann (vgl. etwa Senat, Beschluss vom 8. Mai 2015 — 2 (7) Ss Bs 467/15, juris Rn. 12; BGH, Be-schluss vom 18. Februar 1997 —1 StR 772/96, juris BayObLG, Beschluss vom 14. Januar 2004 — 2St RR 188/2003, juris Rn. 5 f. KG Berlin, Beschluss vom 17. Juni 2016 — 3 Ws (B) 217/16, juris Rn. 18 OLG Celle, Beschluss vom 27. März 2019 — 2 Ss (0Wi) 101/19, juris Rn. 8). Die Erteilung der rechtsgeschäftlichen Vollmacht ist an keine Form gebunden (§ 167 Abs. 2 BGB; vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 13. Mai 2013 — 1 Ss (0W1) 83/13, juris Rn. 21). Die Feststellung, ob zum Zeitpunkt der Zustellung an den Verteidiger eine ihm rechtsgeschäftlich erteilte Zustellungsvollmacht vorlag, beurteilt sich im Einzelfall nach den Gesamtumständen und dem Auftreten des Rechtsanwaltes im Verfahren (KG Berlin a.a.O. OLG Celle a.a.O.).

(b) Hier liegen keine Umstände vor, die mit der erforderlichen Sicherheit darauf schließen lassen, dass der Verteidiger zum Zeitpunkt des (etwaigen) Erhalts der Abschrift des Bußgeldbescheids zur Entgegennahme von Zustellungen für den Betroffenen ermächtigt war.

Aus dem Verhalten des Verteidigers kann nicht auf eine entsprechende Bevollmächtigung geschlossen werden. Der Verteidiger hatte in seinem Schriftsatz vom 6. März 2020 lediglich die Verteidigung des Betroffenen angezeigt und eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung anwaltlich versichert. Hieraus ergibt sich indes nicht die Erklärung, dass der Verteidiger rechtsgeschäftlich zur Empfangnahme von Zustellungen bevollmächtigt ist, denn nach außen-erkennbar ist aufgrund der anwaltlichen Versicherung nur die Bevollmächtigung hinsichtlich der vom Verteidiger vorgenommenen Verteidigungshandlungen, während eine Zustellungsvollmacht passiven Charakter hat (vgl. OLG Gelle a.a.O. Rn. 10). Ebenso verhält es sich, soweit der Verteidiger mit Schriftsatz vom 6. Mai 2020 „namens und in Vollmacht des Betroffenen“ Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt hat und er in der Hauptverhandlung — wenn auch ohne nachgewiesene Vertretungsvoll-macht nach § 73 Abs. 3 OWiG — als Vertreter des von der Verpflichtung zum persönlichen Er-scheinen entbundenen Betroffenen aufgetreten ist. Soweit das vom Verteidiger unterzeichnete Empfangsbekenntnis über die Zustellung der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 30. September 2020 den Zusatz: „Ich bin zur Entgegennahme legitimiert und habe heute erhalten° enthielt, reicht diese ausdrückliche Erklärung zwar zum Nachweis einer rechtsgeschäftlichen Zustellungsvollmacht aus (vgl. Senat a.a.O.; BayObLG a.a.O.). Diese Erklärung belegt jedoch nicht, dass die Zustellungsvollmacht bereits zum Zeitpunkt der Zustellung des Bußgeldbescheids bestand. Das Empfangsbekenntnis betreffend die Ladung zur-Hauptverhandlung, das zeitlich näher an der Bußgeldentscheidung liegt und denselben Zusatz enthält, ist von vornherein ohne Bedeutung, weil die Ladung an den Verteidiger als solchen gerichtet war, während er die Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft als Vertreter des Betroffenen entgegengenommen hat (vgl. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, § 349 Abs. 3 S. 1 StPO).

3. Die Verjährungsfrist war durch den Erlass des Bußgeldbescheids am 28. April 2020 auch nicht gemäß § 26 Abs. 3 Hs. 2 StVG auf sechs Monate verlängert worden mit der Folge, dass die Verjährung durch den Eingang der Akten beim Amtsgericht (§ 33 Abs. 1 Nr. 10 OWiG) noch rechtzeitig unterbrochen worden wäre. Denn der Eintritt der Verlängerung der Verjährungsfrist setzt voraus, dass der Bußgeldbescheid nicht nur erlassen, sondern auch zugestellt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 1999 — 4 StR 453/99, juris Rn. 10 f. = BGHSt 45, 261 ff.; OLG Bamberg NJW 2006, 1078; Göhler, OWiG, 17. Aufl., § 33 Rn. 35a m.w.N.).“

Mal wieder eine „schöne“ Antwort auf die Frage, warum man als Verteidiger keine Vollmacht vorlegen soll.

Vollmacht I: Rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht, oder: Wirksame Zustellung?

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In die 33. KW./2020 starte ich dann mit zwei Vollmachtsentscheidungen. Ist ja immer ein beliebtes Thema. Beide Entscheidungen kommen vom KG.

Im KG, Beschl. v.15.06.2020 – (4) 161 Ss 55/20 (59/20) – geht es um eine rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht, und zwar auf der Grundlage folgenden Sachverhalts:

Das AG hat den Angeklagten „wegen Untreue in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Der Antragsteller hat hiergegen durch seinen mit Strafprozessvollmacht vom 27. August 2018 legitimierten Wahlverteidiger Berufung eingelegt. Dieser hat dem Gericht am 25. September 2019 die Niederlegung des Mandats angezeigt, dieses ausweislich schriftlicher Mitteilung vom 2. Oktober 2019 nachfolgend aber „wieder aufgenommen“. In der Berufungs­hauptverhandlung vom 22. November 2019 ist der Verteidiger sodann für den – zum Termin nicht erschienenen – Angeklagten aufgetreten und hat dort eine Kopie der bereits bei den Akten befindlichen, auf den 27. August 2018 datierenden Vollmachtsurkunde vorgelegt, die als Anlage zum Hauptverhandlungsprotokoll genommen wurde. Die Berufung des Antragstellers ist durch das Landgericht Berlin am 22. November 2019 unter anderem mit der Begründung gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO verworfen worden, dass der Angeklagte nicht in zulässiger Weise durch seinen Verteidiger vertreten worden sei.

Hinsichtlich dieser (nur) seinem Verteidiger am 5. Dezember 2019 zugestellten Entscheidung hat der Antragsteller am 29. November 2019 gemäß § 329 Abs. 7 StPO die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und Revision eingelegt, ohne letztere im Folgenden jedoch zu begründen. Nach rechtskräftiger Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat das Landgericht Berlin die Revision des Antragstellers mit Beschluss vom 13. März 2020, (nur) dem Verteidiger des Angeklagten zugestellt am 18. März 2020, gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen und dies damit begründet, dass innerhalb der gesetzlichen Frist keine Revisionsbegründung eingegangen sei. Mit der hier verfahrensgegenständlichen undatierten, bei dem Landgericht Berlin am 1. April 2020 eingegangenen Erklärung „widerspricht“ der Antragsteller dem Beschluss vom 13. März 2020. Er habe einen Rechtsanwalt gehabt, der aus seiner (des Antragstellers) Sicht seine Vertretung übernommen habe; er habe nicht wissen können, ob sein Verteidiger zugelassen sei oder nicht. Leider erreiche er diesen derzeit nicht, und es sei „in dieser besonderen Situation“ auch schwierig, einen Rechtsbeistand zu finden, der dem Gericht antworten könne. Er bitte daher um „Fristverlängerung“.“

Das KG hat keine Wiedereinsetzung gewährt:

„Der so ausgelegte Antrag, zu dessen Bescheidung der Senat gemäß § 46 Abs. 1 StPO berufen ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt aaO, § 346 Rn. 16), ist jedoch unzulässig. Für die Zulässigkeit eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bedarf es einer Fristversäumnis des Antragstellers sowie – unter anderem – seines genauen, in sich schlüssigen Vortrags von Umständen, die ein eigenes Verschulden an der Fristversäumnis ausschließen (vgl. Senat, Beschluss vom 16. September 2011 – 4 Ws 84/11 –).

a) Zwar hat der Antragsteller eine Frist versäumt, denn er hat seine Revision innerhalb der insoweit vorgesehenen gesetzlichen Frist nicht begründet.

Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind gemäß § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels anzubringen. Die Einlegung des Rechtsmittels wiederum muss bei einem ? wie hier – in Abwesenheit des Angeklagten verkündeten Urteil nach § 329 Abs. 1 StPO gemäß § 341 Abs. 2 StPO binnen einer Woche nach der (wirksamen) Zustellung des Urteils erfolgen, wobei der Ablauf dieser Frist für den Beginn der Revisionsbegründungsfrist auch dann maßgeblich ist, wenn die Revision – wie vorliegend – bereits vor der Zustellung des Urteils eingelegt worden ist (vgl. Franke in Löwe-Rosenberg aaO, § 345 Rn. 4).

aa) Die Frist zur Einlegung der Revision begann demnach am 5. Dezember 2019 mit der Urteilszustellung an den Verteidiger des Antragstellers. Diese war wirksam, der Verteidiger insbesondere im Zeitpunkt der Zustellung zu deren Entgegennahme bevollmächtigt.

(1) Allerdings ergab sich die insoweit erforderliche Zustellungsvollmacht nicht bereits aus § 145a Abs. 1 StPO. Nach dieser Vorschrift gilt neben dem bestellten auch der gewählte Verteidiger als ermächtigt, Zustellungen in Empfang zu nehmen, sofern sich seine Vollmacht bei den Akten befindet, sei es in Gestalt einer Vollmachtsurkunde oder eines Sitzungsprotokolls, in dem eine in der Haupt­verhandlung durch den Angeklagten mündlich erklärte allgemeine Strafprozessvollmacht beurkundet ist (vgl. BGHSt 41, 303, 304; Meyer-Goßner/Schmitt aaO, § 145a Rn. 9). Ein nur konkludentes Verhalten, etwa das bei gleichzeitiger Anwesenheit des Angeklagten erfolgende Auftreten des Verteidigers in der Hauptverhandlung, erfüllt die Voraussetzungen des § 145a Abs. 1 StPO dagegen nicht (vgl. BGH NStZ-RR 2009, 144; BGHSt 41, 303, 304; OLG Karlsruhe NStZ-RR 1996, 237; KG NStZ-RR 2016, 289 [zur Parallelvorschrift § 51 Abs. 3 Satz 1 OWiG]; Thomas/Kämpfer in Münchener Kommentar, StPO 1. Aufl., § 145a StPO Rn. 3; Beulke in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO 4. Aufl., § 145a Rn. 5; Wohlers in Systematischer Kommentar, StPO 5. Aufl., § 145a Rn. 8; Meyer-Goßner/Schmitt aaO; a. A.: Lüderssen in Löwe-Rosenberg aaO, § 145a StPO Rn. 4). Gegen die Einbeziehung auch konkludenter Bevollmächtigungen in den Anwendungsbereich des § 145a Abs. 1 StPO streitet zum einen dessen Wortlaut, der eine bei den Akten befindliche Vollmacht verlangt (vgl. BGHSt 41, 303, 304; OLG Karlsruhe aaO; Beulke aaO Rn. 5; Wohlers aaO Rn. 8), zum anderen dessen Sinn und Zweck, der darin besteht, Rechtsklarheit herzustellen, und durch die Frage, ob tatsächlich (konkludent) mandatiert wurde, konterkariert würde (vgl. BGH aaO; Beulke aaO).

Vorliegend hatte der Angeklagte seinem Wahlverteidiger zwar am 27. August 2018 eine Strafprozessvollmacht erteilt und der Verteidiger diese zu den Akten gereicht. Die Vollmacht war jedoch am 25. September 2019 entsprechend § 168 BGB wieder erloschen, als der Verteidiger dem Gericht mitteilte, dass er den Antragsteller nicht mehr vertrete (vgl. BGH NStZ 1991, 94, 95; OLG Stuttgart NStZ-RR 2002, 369; Meyer-Goßner/Schmitt aaO Rn. 11). Allein dadurch, dass der Verteidiger dem Gericht die Wiederaufnahme des Mandats angezeigt hat, für den Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung aufgetreten ist und dort die (bereits erloschene) Vollmachtsurkunde vorgelegt hat, konnte die Rechtsfolge des § 145a StPO nicht (erneut) ausgelöst werden. Nach dem Erlöschen einer Vollmacht müssen – auch insoweit im Interesse der Rechtsklarheit – die gleichen Formerfordernisse gelten wie vor deren erstmaliger Vorlage beziehungsweise gerichtlich protokollierter Erteilung (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 2009, 144, 145; OLG Stuttgart aaO; Beulke aaO Rn. 7; Meyer-Goßner/Schmitt aaO Rn. 11); es bedarf mithin einer aktenkundigen, eine erneute Mandatierung ausweisenden Vollmachtsurkunde beziehungsweise (nochmals) einer mündlich erklärten und im Sitzungsprotokoll beurkundeten Bevollmächtigung des Verteidigers durch den Angeklagten (vgl. OLG Hamm aaO; OLG Stuttgart aaO). An beidem fehlt es hier.

(2) Der Verteidiger des Angeklagten verfügte im Zeitpunkt der Zustellung des Urteils jedoch über eine rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine wirksame Zustellung nicht nur über die Fiktion aus § 145a Abs. 1 StPO, sondern auch auf der Grundlage einer rechtsgeschäftlichen Zustellungsvollmacht erfolgen kann (vgl. BGH StraFo 2010, 339; KG aaO mwN), die im Gesetz weitestgehend nicht geregelt und deren Erteilung an keine besondere Form gebunden ist (vgl. OLG Rostock NStZ-RR 2003, 336; OLG Brandenburg VRS 117, 305, 307).

Liegt eine ausdrückliche Bevollmächtigung zur Entgegennahme von Zustellungen nicht vor, so ist die Frage, ob der Angeklagte und sein Verteidiger dahingehend übereingekommen sind, anhand der Gesamtheit der erkennbaren Umstände sowie des Auftretens des Rechtsanwalts im Verfahren zu entscheiden (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 20. April 2016 – 1 Ws 40/16 –, juris Rn. 12; KG aaO); auf das Vorliegen einer rechtsgeschäftlichen Zustellungsvollmacht kann mithin ? anders als im Rahmen des § 145a Abs. 1 StPO bezüglich der allgemeinen Strafprozessvollmacht – auch aus konkludentem Verhalten geschlossen werden.

Vorliegend war der Verteidiger des Angeklagten durch die ihm am 27. August 2018 erteilte Vollmacht unter anderem ausdrücklich ermächtigt, „Zustellungen zu bewirken und entgegenzunehmen“. Zwar war mit der Niederlegung des Mandats auch diese Zustellungsvollmacht zunächst erloschen. Sie ist jedoch noch vor der am 5. Dezember 2019 erfolgten Zustellung des Urteils wiederaufgelebt, denn das Mandats­verhältnis zwischen dem Antragsteller und seinem Verteidiger ist vor der Berufungshauptverhandlung in seinem bisherigen Umfang wiederaufgenommen worden. Dies liegt bereits angesichts der auf das bisherige Verteidigungsverhältnis rekurrierenden Anzeige der „Wiederaufnahme“ des Mandats nahe und wird bestätigt durch die Vorlage der Vollmachtsurkunde vom 27. August 2018 in der Berufungs­hauptverhandlung, der die konkludente anwaltliche Versicherung zu entnehmen ist, (erneut) nach Maßgabe dieser Vollmacht legitimiert zu sein.

Soweit in der Rechtsprechung im Interesse der Rechtssicherheit und –klarheit überwiegend verlangt wird, dass eine etwaige (ausdrückliche) rechtgeschäftliche Zustellungsvollmacht beziehungsweise die Tatsachen, aus denen auf ihr Vorliegen geschlossen wird, urkundlich nachgewiesen sind (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Oktober 2015 ? 2 [7] SsBs 467/15 –, juris Rn. 12; OLG Brandenburg aaO, 308; BayObLG NJW 2004, 1263, 1264; KG VRS 125, 230, 231; a. A.: OLG Rostock aaO, 337; Schnarr NStZ 1997, 15, 18), steht dies vorliegend der Annahme einer Zustellungsvollmacht nicht entgegen, denn die insoweit maßgeblichen Umstände sind jeweils urkundlich belegt.

bb) Die demnach am 5. Dezember 2019 in Gang gesetzte Frist zur Einlegung der Revision endete am 12. Dezember 2019, die sich anschließende einmonatige Frist zu deren Begründung am 13. Januar 2020 (§ 43 Abs. 1, Abs. 2 StPO); der gleichzeitig mit der Revision gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Hauptverhandlung wirkte sich auf den Lauf jener Fristen nicht aus (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt aaO, § 342 Rn. 1). Der Antragsteller hat mithin – wie durch das Landgericht zutreffend entschieden – die Frist zur Begründung der Revision versäumt.

b) Die hinsichtlich dieser Fristversäumnis begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann indes nicht gewährt werden, denn der Antragsteller hat in seiner am 1. April 2020 eingegangenen Eingabe bereits nicht – wie für die Zulässigkeit eines derartigen Rechtsbehelfs unter anderem erforderlich – Umstände schlüssig vorgetragen, die ein eigenes Verschulden an der in Rede stehenden Fristversäumnis ausschlössen. Dass er seinen Verteidiger „derzeit“ nicht erreiche und es auch schwer sei, einen anderen anwaltlichen Beistand zu finden, besagt nicht, dass den Antragsteller kein Verschulden daran träfe, dass die schon geraume Zeit zuvor, am 13. Januar 2020, abgelaufene Frist zur Begründung der Revision nicht eingehalten wurde……“

 

Zustellung I, oder: Nochmals aufgepasst Herr/Frau Verteidiger.

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Zustellungsfragen spielen in der Praxis eine große Rolle, sei es, dass es um Verjährungsunbrechung geht, sei es dass um den Beginn von (Rechtsmittel)Fristen geht. Und in dem Zusammenhang sind die mit der rechtsgeschäftlichen Zustellungsvollmacht zusammenhängenden Fragen ggf. von Bedeutung. Dazu liegt jetzt der OLG Bamberg, Beschl. v. 02.02.2017 – 2 Ss OWi 23/17. Da hatte der Betroffene gegen das amtsgerichtliche Urteil Rechtsbeschwerde eingelegt. Das mit Gründen versehene Urteil ist dann dem Verteidiger des Betroffenen, für den sich bei den Akten keine Vollmacht befand und auch nicht nachgereicht wurde, auf richterliche Verfügung hin  zugestellt und dem Betroffenen formlos mitgeteilt, Das vom Verteidiger  unterzeichnete und zur Akte gelangte Empfangsbekenntnis enthielt den Passus: „Ich bin zur Entgegennahme legitimiert und habe heute erhalten: Urteil vom 04.08.2016.“ Die Begründung der Rechtsbeschwerde kam dann nicht innerhalb der Monatsfrist. Das AG hat die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen.  Das OLG Bamberg hat den Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts als unbegründet verworfen:

„Die Begründung der Rechtsbeschwerde ist nicht innerhalb der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist des § 345 I StPO i.V.m. § 79 III 1 OWiG angebracht worden. Die Frist des § 345 I StPO begann mit Zustellung des mit Gründen versehenen Urteils an den Verteidiger am 05.09.2016. Zwar befand sich eine schriftliche Vollmacht des Verteidigers gemäß § 145a StPO nicht bei der Akte, weshalb nicht vom Vorliegen einer gesetzlichen Zustellungsvollmacht auszugehen ist. Allerdings wird durch die Regelung zur gesetzlichen Zustellungsvollmacht in § 145a I StPO eine rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht für den Verteidiger als Vertreter für die Entgegennahme von Zustellungen nicht ausgeschlossen (OLG Stuttgart, Beschl. v. 12.12.2002 – 4 Ss 549/02 = Justiz 2003, 300 = OLGSt StPO § 145a Nr. 3). Da für die rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht die besondere Vorschrift des § 145a I StPO i.V.m. § 46 I OWiG nicht gilt, können an ihren Nachweis geringere Anforderungen gestellt werden. So muss die Vollmacht nicht schriftlich niedergelegt und auch zum Zeitpunkt der Zustellung noch nicht in den Akten vorhanden sein. Entscheidend ist allein, dass sie im Augenblick der Entgegennahme der Zustellung besteht und dies – auch nachträglich – eindeutig nachgewiesen ist (OLG Rostock, Beschl. v. 20.04.2004 – 2 Ss [OWi] 102/04 = VRS 107 [2004], 442 = BA 43 [2006], 491; OLG Braunschweig, Beschl. v. 13.05.2013 – 1 Ss [OWi] 83/13 = NJW 2013, 3111 = DAR 2013, 524 = OLGSt OWiG § 51 Nr. 6; vgl. zuletzt auch KG, Beschl. v. 17.6.2016 – 162 Ss 55/16 = NStZ-RR 2016, 289 = VRS 130, [2016] 239 = DAR 2016, 711 = NJW 2016, 3320 [Ls]). Dieser Nachweis ist hier durch das vom Verteidiger unterzeichnete Empfangsbekenntnis vom 05.09.2016, wonach er zur Entgegennahme des Urteils legitimiert war, erbracht (BayObLG, Beschl. v. 14.01.2004 – 2St RR 188/03 = BayObLGSt 2004, 1 = NJW 2004, 1263 = wistra 2004, 198 = VRS 106 [2004], 292 = ZfS 2004, 282 = DAR 2004, 405; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 08.10.2015 – 2 [7] SsBs 467/15 = BeckRS 2015, 17136), zumal der Verteidiger bereits mit dem Einspruchsschriftsatz vom 12.02.2016 eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung sogar anwaltlich versichert hatte. Der Senat geht daher vom Bestehen einer rechtsgeschäftlichen Zustellungsvollmacht aus (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt § 145a Rn. 2a m.w.N.). Die Monatsfrist des § 345 I StPO lief daher bis einschließlich 05.10.2016. Bis zum heutigen Tag liegt allerdings eine Rechtsbeschwerdebegründung nicht vor.“

Ich verstehe die gesetzlichen Regelungen anders……….aber die OLG machen es so.

Rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht, oder: „…. entgegen dem Gesetzeswortlaut „

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Ich habe länger überlegt, ob ich den KG, Beschl. v. 17.06.2016 – 3 Ws (B) 217/16 -162 Ss 55/16 – „bringen“ soll oder nicht, habe mich dann jetzt aber dazu entschlossen. Es geht mal wieder um eine Zustellungsproblematik kombiniert mit der sog. „rechtsgeschäftlichen Zustellungsvollmacht“ und kombiniert mit der Frage der wirksamen Zustellung eines Bußgeldbescheides, die ja für die Unterbrechung der Verjährung von Bedeutung ist (§ 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG). In dem Zusammenhang spielte dann die Frage eine erhebliche Rolle, ob der Verteidiger eine wirksame Zustellungsvollmacht hatte und ob dazu auch eine rechtsgeschäftlich erteilte Zustellungsvollmacht ausreicht. Das hat das KG im KG, Beschl. v. 17.06.2016 – 3 Ws (B) 217/16 -162 Ss 55/16 bejaht. Der Leser mag es – man mag es an sich schon nicht mehr lesen – selbst nachlesen, welche Klimmzüge das KG unternimmt. Nur: Zunächst: M.E. steht der Auffassung des KG der klare Wortlaut des § 51 Abs. 3 Satz 1 OWiG entgegen, in dem es eben heißt: „….Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet“. Das sieht das KG auch wohl, agumentiert aber dennoch mit den Gesamtumständen, aus denen sich die Bevollmächtigung des Rechtsanwalts ergeben soll.

Das KG steht mit seiner Auffassung im Übrigen nicht allein, andere OLG machen die Geschichte mit der „rechtsgeschäftlichen Zustellungsvollmacht“ auch. M.E. ergebnisorientiert. Ob eine solche rechtsgeschäftliche Vollmacht vorlag, ist – so die OLG-Rechtsprechung – dann im Einzelfall aus der Gesamtheit der erkennbaren Umstände sowie dem Auftreten des Rechtsanwaltes im Verfahren zu schließen. Dabei komme es nur darauf an, ob die Vollmacht tatsächlich zum Zeitpunkt der Zustellung bestand, das heißt, ob sie vom Vollmachtsgeber tatsächlich erteilt worden ist. Und das hat das KG dann auch dem Auftreten des Rechtsanwalts im Verfahren, das dem eines Wahlanwalts entsprochen hätte, geschlossen. Und dabei spielte eine im Verfahren vorgelegte „Blankovollmacht“ eine Rolle. Da fragta man sich: Was soll das? Es wird doch überall darauf hingewiesen, dass der Rechtsanwalt auf keinen Fall eine Vollmachtsurkunde zu den Akten reichen sollte. Und dazu gehört m.E. auch ein Formular, aus dem auf eine rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht geschlossen werden könnte.

Mal wieder: (Zustellungs)Vollmacht, oder: Nicht so zwingend….

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Zustellungs- und Vollmachtsfragen spielen in der Praxis immer wieder eine große Rolle. Vor allem dann, wenn eine Fristversäumung des Verteidigers im Raum steht. Dann geht es häufig um die Frage: Ist dem Verteidiger überhaupt wirksam zugestellt und/oder hatte der Verteidiger eine Zustellungsvollmacht? Die Fragen spielen auch im OLG Saarbrücken, Beschl. v. 20.04.2016 – 1 Ws 40/16 – ein Rolle. In dem Verfahren ist die wirksame Zustellung eines Widerrufsbeschlusses im Streit.  Das OLG ist von einer rechtsgeschäftlichen Zustellungsvollmacht und deren späterem Nachweis durch Vorlage einer StPO-Vollmacht ausgegangen. Die Leitsätze:

  1. An den gewählten Verteidiger kann auch dann wirksam zugestellt werden, wenn sich dessen Vollmacht nicht bei den Akten befindet, ihm aber vor Ausführung der Zustellung eine rechtsgeschäftliche Zustellungsvollmacht erteilt worden war.
  2. Der Nachweis einer solchen rechtsgeschäftlichen Zustellungsvollmacht kann auch dann erbracht sein, wenn der Verurteilte dem Wahlverteidiger in einer anderen Strafsache eine Strafprozessvollmacht erteilt hat, die diesen ausdrücklich auch zur Entgegennahme von Zustellungen ermächtigte, und ihn kurze Zeit später in der in Rede stehenden Sache mündlich mit der Verteidigung beauftragt hat.

Wiedereinsetzung (von Amts wegen) ist übrigens nicht gewährt worden:

„3. Gründe, die es gebieten könnten, wegen der Fristversäumnis von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 45 Abs. 2 Satz 3 StPO), sind nicht erkennbar. Zwar lässt sich der Verfügung des Vorsitzenden der Jugendkammer I vom 3. März 2016 (Bl. 74 Rs des Bewährungshefts) und dem übrigen Inhalt der Akte nicht entnehmen, dass der Verurteilte – neben der formlosen Übersendung einer Abschrift der Entscheidung an ihn – von der an den Wahlverteidiger erfolgten Zustellung des Widerrufsbeschlusses unterrichtet wurde, was – über den Wortlaut des § 145a Abs. 3 Satz 1 StPO hinausgehend – in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift auch dann geboten ist, wenn – wie hier – nicht aufgrund einer gesetzlichen Zustellungsvollmacht nach § 145a Abs. 1 StPO, sondern aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Zustellungsvollmacht wirksam an den Wahlverteidiger zugestellt wird (vgl. Löwe-Rosenberg/Lüderssen/Jahn, StPO, 26. Aufl., § 145a Rn. 13; vgl. auch SK-Wohlers, a. a. O., § 145a Rn. 24); das Unterbleiben der Unterrichtung des Beschuldigten nach § 145a Abs. 3 Satz 1 StPO kann – ebenso wie das Unterlassen der Mitteilung an den Verteidiger nach § 145a Abs. 3 Satz 2 StPO (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2011 – 1 Ws 75/11 – und vom 22. Juni 2011 – 1 Ws 146/11 -) – einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen, wenn die Fristversäumung hierauf beruht (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 211 f. – juris Rn. 7 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 44 Rn. 17). Dass der Verurteilte gerade deshalb, weil er nicht über die an den Verteidiger erfolgte Zustellung des Widerrufsbeschlusses unterrichtet wurde, in Unkenntnis über den Beginn der einwöchigen Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss war, lässt sich jedoch allein anhand des Akteninhalts nicht feststellen.“

Für mich alles nicht so zwingend….