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Die zeitweilige Verhinderung des Verteidigers- sie steht der Pflichtverteidigerbestellung nicht unbedingt entgegen

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In der Praxis wird immer wieder auch um die Frage gestritten, ob ggf. eine zeitweilige Verhinderung des Verteidigers seiner Beiordnung als Pflichtverteidiger entgegensteht und deshalb ggf. ein anderer Rechtsanwalt zu bestellen ist. Mit der Frage befasst sich der u.a. der OLG Braunschweig, Beschl. v. 11.01.2013, der folgende Leitsätze hat:

1. Eine Pflichtverteidigerbestellung ist für den Angeschuldigten mangels Beschwer grundsätzlich nicht anfechtbar. Dies gilt aber nicht, wenn das Gericht bei der Pflichtverteidigerbeiordnung das Anhörungsrecht sowie das sich aus § 142 Abs. S. 2 StPO grundsätzliche Bestimmungsrecht des Angeschuldigten, das Ausfluss des Rechts auf ein faires Verfahren ist, nicht beachtet hat.

2. Ist die Anhörung (§ 142 Abs. 1 S. 1 StPO) des Angeschuldigten vor der Beiordnung eines Pflichtverteidigers unzulässig unterblieben,  muss die Beiordnung nach § 143 StPO zurückgenommen werden, wenn sich für den Angeschuldigten ein Wahlverteidiger meldet, und zwar auch dann, wenn er seinerseits die Beiordnung beantragt.

3. Durch Verhinderung des Verteidigers bedingte Verfahrensverzögerungen sind wegen des Anspruchs des Angeschuldigten auf beschleunigte Aburteilung nicht unbegrenzt hinnehmbar. Die Fürsorgepflicht des Gerichts gebietet es jedoch auch, dem Wunsch eines Angeschuldigten auf Beiordnung eines Verteidigers seines Vertrauens innerhalb eines begrenzten Zeitraums nach Möglichkeit Rechnung zu tragen; und zwar insbesondere dann, wenn sich das Verfahren nur gegen den Angeschuldigten richtet und auf die Interessen anderer Angeschuldigter keine Rücksicht genommen werden muss.

Leitsatz 1 und 2 entsprechen der h.M. Leitsatz 3 ist nicht unbedingt h.M., allerdings m.E. zutreffend und eröffnet die Möglichkeit für den Angeklagten, zumindest teilweise auf die Einhaltung des Beschleunigungsgrundsatzes verzichten zu können. Das OLG schreibt dazu.

 „Dem tritt der Senat bei. Ergänzend ist lediglich Folgendes auszuführen: Es steht der Beiordnung von Rechtsanwalt Alexander Funck nicht entgegen, dass er die für den Fall der Eröffnung beabsichtigten Hauptverhandlungstermine vom 14.02., 18.02. und 14.03.2013 nicht wahrnehmen kann. Zwar kann dann, sofern die in der Beschwerdeschrift vorn 23. Dezember 2012 angekündigten Bemühungen von Rechtsanwalt Alexander Funck um Verlegung des Termins vom 14.02.2013 fehlschlagen sollten, die Hauptverhandlung erst 11 Tage später beginnen. Dadurch ist der Beschleunigungsgrundsatz jedoch noch nicht beeinträchtigt, weil der spätere Beginn der Hauptverhandlung auf einem Umstand beruht, der als anderer wichtiger Grund Im Sinne von § 121 Abs.1 StPO anerkannt ist, nämlich dem Wunsch des Angeschuldigten, den Verteidiger seines Vertrauens beigeordnet zu bekommen. Zwar sind durch Verhinderung des Verteidigers bedingte Verfahrensverzögerungen wegen des Anspruchs des Angeschuldigten auf beschleunigte Aburteilung nicht unbegrenzt hinnehmbar (OLG Hamm NStZ-RR 2002, 124). Die Fürsorgepflicht des Gerichts gebietet es jedoch auch, dem Wunsch eines Angeschuldigten auf Beiordnung eines Verteidigers seines Vertrauens innerhalb eines begrenzten Zeitraums nach Möglichkeit Rechnung zu tragen; und zwar insbesondere dann, wenn sich das Verfahren – wie hier – nur gegen den Angeschuldigten richtet und auf die Interessen anderer Angeschuldigter keine Rücksicht genommen werden muss (vgl. OLG Düsseldorf MDR 1994, 608; Senat: HEs 2/08). Bei einer Verzögerung von 11 Tagen wird dieser Zeitrahmen jedenfalls nicht überschritten.“

Der fliegende Rechtsanwalt

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Wenn die Anreise mit Auto oder Bahn zu einem auswärtigen Termin zu erheblichen Zeitverlusten wegen der jeweils erforderlichen auswärtigen Übernachtungen geführt hätte, dann darf der Rechtsanwalt als Beförderungsmittel auf einer Geschäftsreise auch das Flugzeug wählen. So der OLG Koblenz, Beschl. v. 09.11.2012 – 14 W 616/12 – zur Erstattungsfähigkeit anwaltlicher Flugreisekosten (im Zivilverfahren, in dem es heißt:

„b) Die Beklagte kann auch nicht auf eine Erstattungsforderung lediglich in Höhe der Kosten verwiesen werden, die für Fahrten mit dem Auto oder mit der Bahn angefallen wären. Eine entsprechende Anreise hätte nämlich zu erheblichen Zeitverlusten geführt, weil jeweils eine auswärtige Übernachtung notwendig geworden wäre. Berücksichtigt man deren Zusatzkosten und außerdem den Umstand, dass der Gebührentatbestand der Nr. 7005 RVG-VV jedes Mal nicht nur an einem, sondern an zwei Tagen verwirklicht worden wäre (OLG Düsseldorf JurBüro 1993, 674), war der Mehraufwand für die Flüge nicht unverhältnismäßig. Genauso wenig war er im Hinblick auf den – hohen – Streitwert unangemessen. Von daher ist seine Berücksichtigung im Rahmen der Kostenfestsetzung gerechtfertigt (BGH NJW-RR 2008, 654; OLG Hamburg MDR 2008, 1428; OLG Hamburg AGS 2011, 463). Dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten Flüge in der Business Class gebucht und sich nicht mit der Economy Class beschieden hätte (vgl. dazu die beiden vorgenannten, insoweit konträren Entscheidungen des OLG Hamburg), ist nicht ersichtlich.“

Ich warte immer noch auf die Entscheidung, in der es heißt: Flugreise auch deshalb zulässig, weil die Anreise mit der Bahn pünktliches Ankommen nicht sicher stellt :-).

 

 

Muss ich meine Berufsbezeichnung überdenken, oder gar ändern?

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Jeder hat es schon erlebt: Man liest eine Entscheidung oder zunächst auch nur eine PM zu einer Entscheidung und denkt sich dann: Hm, was will mir dieses Urteil sagen?“, bzw.: Welche Auswirkungen hat dieses Urteil für mich. So ist es mir ergangen bei der PM des OLG Karlsruhe zum OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.08.2012 – 4 U 90/12, das sich mit der Frage befasst hat, ob ein Steuerberater neben seiner Berufsbezeichnung auch den Zusatz „Vorsitzender Richter a.D.“ führen darf. Das OLG hat das unter Hinweis auf § 43 Abs. 2 StBerG verneint.

Etwas unruhig hat mich das Urteil dann schon gemacht, weil sich für mich natürlich die Frage stellt(e), ob ich die Berufsbezeichnung „RiOLG a.D.“ führen darf oder nicht. Aber, wie häufig: Ein (nochmaliger) Blick ins Gesetz, und zwar die BRAO, hat mich dann beruhigt. Eine dem § 43 Abs. 2 StBerG vergleichbare Vorschrift gibt es in der BRAO nicht. Entsprechend wird man die ausdrückliche Regelung wohl kaum anwenden können.

Allerdings: Dann stellt sich natürlich immer auch noch die Frage der Werbung (§ 43b BRAO); die Vorschrift will ich mal lieber gleich erwähnen, da der ein oder andere mehr oder wenige wohl gesonnene Kommentator sicherlich darauf verweisen wird. Aber ich kann ihn „beruhigen“: Nach Prütting in Henssler/Prütting, BRAO, 3. Aufl. 2010, § 43b Rn. 18, darf der Rechtsanwalt frühere Berufe, die in Verbindung mit seiner Berufsausübung stehen, bekannt geben. Ausdrücklich erwähnt wird der richterliche Beruf 🙂 und Bezug genommen auf BGH und OLG Hamm.

Fazit: Ich muss nichts ändern. 😀

 

Verteidiger, kommst du nach Münster, dann pass auf! Verhaftung droht, aber warum jetzt und warum hier?

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Beherrschendes Thema der vergangenen Woche war – zumindest für die StrafBlogs – sicherlich die Verhaftung des Pflichtverteidigers im Gerichtssaal während einer Hauptverhandlung beim LG Münster. Ich hatte darauf ja auch gestern schon im Wochenspiegel hingewiesen (vgl.zur Verhaftung des (Pflicht)Verteidigers im Gerichtssaal, auch hier, hier und hier, hier und hier).

Die Geschichte hatte ich schon während des Urlaubs über den JuraBlogs-Newsletter verfolgt. Als ich es gelesene habe, war mein erster Gedanke: So eine „spannende“ Geschichte, und du kannst nicht bloggen. Der zweite Gedanke war dann: Das geht doch gar nicht. Denn ich erinnerte mich an eine Entscheidung des 2. Strafsenats, und zwar den OLG Hamm, Beschl. v. 06.06.2003 – 2 Ws 122/03. Grundlage dieses Beschlusses war auch die Verhaftung eines Verteidigers im Gerichtssaal. Die hatte allerdings beim OLG, das noch am gleichen Tag den Haftbefehl außer Vollzug gesetzt hatte, keinen Bestand. Allerdings – und das habe ich dann jetzt hier aus den Beiträgen und auch aus der örtlichen Presse entnommen – lag der Entscheidung ein anderer Sachverhalt zugrunde. Da war der Verteidiger nämlich wegen Ungebühr mit Ordnungshaft belegt und sogleich festgenommen worden.Da liegt also zunächst mal der entscheidende Unterschied in den Sachverhalten. „Verhaftung“ auf der Grundlage der §§ 177, 178 GVG geht gar nicht. Damit hatten wir es in Münster in der vergangenen Woche aber auch nicht zu tun. Da war es ein Haftbefehl auf der Grundlage des § 112 StPO wegen versuchter Anstiftung zur Falschaussage.

Eine ganz andere Frage ist das Procedere. Wenn ich nachträglich den Bericht in der Welt lese, dann frage ich mich: Warum muss die Verhaftung in der Hauptverhandlung durchgeführt werden – lassen wir mal die ggf. noch darüber hinausgehende Frage der „zufälligen“ Anwesenheit eine Kamerateams außen vor? Wobei – um Kommentaren vorzubeugen: Dass die Hauptverhandlung unterbrochen wurde, spielt für mich keine Rolle, das ergibt sich automatisch aus ihrem normalen Ablauf, § 243 StPO sieht eben keinen „Programmpunkt“ „Verhaftung des Verteidigers“ vor. Da ist m.E. jedes Gefühl für Verhältnismäßigkeit, man könnte auch sagen Fingerspitzengefühl, verloren gegangen.Auch eine Staatsanwaltschaft sollte, nein muss sich überlegen, wo und wie ich einen Beschuldigten, für den ja immer noch die Unschuldsvermutung streitet, (vorläufig) festnehme. Da ist man m.E. hier gehörig über das Ziel hinausgeschossen. „Rambo“ bzw. amerikanische Gerichtsfilme lässt/lassen grüßen.

Mir erschließen sich Zeitpunkt und Ort der Festnahme jedenfalls nicht. Dafür hätte man ja schon gerne eine Erklärung der Staatsanwaltschaft gelesen/gehört. Ich finde derzeit keine, wenn ich in den alten Ausgaben der örtlichen Presse aus der vergangenen Woche nichts überlesen habe. Jedenfalls steht bei den aktuellen Pressemitteilungen der StA Münster auf deren Homepage nichts, was weiter führen würde. Also: Warum zu dem Zeitpunkt und warum an dem Ort?

Allerdings: LTO und der Kollege Vetter können berichten, dass der verhaftete Kollege wieder frei ist. Wenigstens etwas.

 

Bahn oder Pkw? – Der Umweltschutz ist im Gebührenrecht angekommen.

Und dann mal wieder etwas Gebührenrechtliches, zwar nicht aus dem Straf- bzw. OWi-Bereich, sondern eine Entscheidung aus dem Arbeitsrecht, allerdings mit Auswirkungen auch auf die Vergütung der anwaltlichen Tätigkeit in anderen Rechtsgebieten. Es geht nämlich um die Reisekosten beim beigeordneten Rechtsanwalt oder kurz ausgedrückt um die Frage: Bahn oder Pkw?

Dazu sagt der LAG Niedersachsen, Beschl. v. 17.06.2011 – 17 Ta 520/10:

Die Höhe der zu erstattenden Reisekosten richtet sich nach VV 7003 bis 7006. Nach VV 7003 sind bei Benutzung eines eigenen KfZ für jeden gefahrenen km 0,30 Euro zu erstatten. Die Fahrtkosten eines anderen Verkehrsmittels werden – soweit sie angemessen sind – in voller Höhe erstattet. Zu ersetzen sind dem Rechtsanwalt bei Benutzung anderer Verkehrsmittel gemäß VV 7004 daher die tatsächlichen Aufwendungen, soweit sie angemessen sind. Dabei darf der Anwalt frei wählen, ob er mit der Bahn oder mit seinem eigenen KfZ fährt. Was gem. § 5 Abs.1 JVEG für die Reisekosten einer Partei gilt, muss auch für den Rechtsanwalt gelten. Es ist keine Vergleichsberechnung hinsichtlich der Kosten mit dem eigenen KfZ und der Bahn durchzuführen. Es sind nicht nur die Kosten des billigeren Verkehrsmittels zu erstatten (Gerold/Schmidt, aaO., Rn 21 zu VV 7003, 7004).“

Und zum Umweltschutz:

„Gerade in Zeiten des Klimaschutzes wird man den Bahn fahrenden Anwalt nicht auf die PKW-Benutzung verweisen können.“