Schlagwort-Archive: Rechtsanwalt

BGH verneint (allgemeines) Akteneinsichtsrecht des Zeugenbeistands

Der BGH hat Stellung genommen zu einem verfahrensrechtlichen Dauerbrenner, nämlich der Frage des allgemeinen Akteneinsichtsrecht des anwaltlichen Zeugenbeistands. Während es in der Literatur zum Teil bejaht, ja gefordert wird (vgl. die Nachweise bei Burhoff, EV, Rn. 2067), hat der BGH es nun abgelehnt und mit der wohl überwiegenden Auffassung auf § 475 verwiesen und dort ein „berechtigtes Interesse“ verneint. Begründung:

„Dem anwaltlichen Zeugenbeistand steht im Gegensatz zu dem Verteidiger (vgl. § 147 Abs. 1 StPO) ein eigenes Recht auf Akteneinsicht nicht zu. Seine Rechtsstellung leitet sich aus der des Zeugen ab. Er hat keine eigenen Rechte als Verfahrensbeteiligter und keine weitergehenden Befugnisse als der Zeuge selbst. Dieser hat, sofern er nicht Verletzter ist, ein Akteneinsichtsrecht nur als „Privatperson“ im Sinne von § 475 StPO (HansOLG Hamburg NJW 2002, 1590; KG, Beschl. vom 7. Februar 2008 (1) 2 BJs 58/06-2 (2/08) – juris m. w. N.; Ignor/Bertheau in Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl. § 68 b Rdn. 24). – 5 –

Ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis der Ermittlungsakten im Sinne von § 475 Abs. 1 Satz 1 StPO hat der Beschwerdeführer nicht. Dies gilt insbesondere, soweit es um die Kenntnis des Zeugen von der Aussage anderer Zeugen geht, was schon aus § 58 Abs. 1, § 243 Abs. 2 Satz 1 StPO folgt: Danach ist ein Zeuge in Abwesenheit der später zu hörenden Zeugen zu vernehmen; während der Einlassung des Angeklagten (sofern diese vor der Zeugenvernehmung abgegeben wird) hat er den Sitzungssaal zu verlassen. Der Zeuge soll auf diese Weise unbeeinflusst von der Kenntnis der Angaben Dritter aussagen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 58 Rdn. 2). Insoweit stehen zugleich Zwecke des Strafverfahrens der Akteneinsicht entgegen (§ 477 Abs. 2 Satz 1 StPO). Der Beweiswert der Aussage des Beschwerdeführers wäre gemindert, wenn er vor ihr im Einzelnen wüsste, was andere Zeugen zu dem Beweisthema bekundet haben.“

Nachzulesen im Beschl. v. 04.03.2010 – StB 46/09.

Offen bleibt die Frage, wie der Zeugenbeistand seinen Mandanten z.B. über ein Auskunftsverweigerungsrecht angemessen und vor allem richtig beraten soll.

Fahren ohne Fahrerlaubnis: Verbotsirrtum nach Rat/Auskunft durch den Rechtsanwalt

Die Geltendmachung eines Verbotsirrtums ist ja nicht immer einfach und führt meist auch nicht zum Erfolg. Hier ist aber mal ein schönes Beispiel, in dem es doch „geklappt“ hat. Das AG Hamburg hat einem Beschuldigten, der auf Auskünfte seines Rechtsanwalts vertraut hatte, den Verbotsirrtum zugebilligt. Sicherlich nicht zu verallgemeinern, aber ……

Übergebührliche Ungebühr einer angeklagten Rechtsanwältin, oder: Muss der Rechtsanwalt sich besonders gebührlich benehmen?

Die Ungebühr vor Gericht. Ein Thema, dass die Rechtsprechung immer wieder beschäftigt. So auch das OLG Köln in seinem Beschluss v. 3. 2. 2010 – 2 Ws 62/10, über den auch der Kollege Ferner berichtet. Wäre da nicht der Vorwurf  bzw. die Frage der angeklagten Rechtsanwältin gewesen, ob das Urteil schon geschrieben sei, dann könnte man m.E. über das Vorliegen von Ungebühr, an deren Vorliegen die Rechtsprechung an sich hohe Anforderungen stellt, streiten. M.E. kann man aber nicht darüber streiten, dass der Hinweis des OLG darauf, dass die Angeklagte als „Rechtsanwältin“ „Organ der Rechtspflege“ sei, in der Sache nicht zieht. Denn: Die Angeklagte wird als Angeklagte wegen ungebührlichen Verhaltens in Anspruch genommen. Da muss m.E. das „Organ der Rechtspflege“  außen vor bleiben. Anderenfalls würde man nämlich von einem angeklagten Rechtsanwalts ein besonders gebührliches Verhalten vor Gericht verlangen. Und da habe ich Probleme mit Art. 3 GG.