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Mal eine Pauschgebühr im Auslieferungsverfahren, oder: Glück gehabt :-)

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Und als zweite Entscheidung dann ein Beschluss zur Pauschgebühr nach § 51 RVG, und zwar im Auslieferungsverfahren.

Die Kollegin Schmidt aus Hamburg, die mir den Beschluss geschickt hat, hat einen lettischen Verfolgten vertreten, gegen den ein Europäischer Haftbefehl der lettischen Behörden zur Strafverfolgung bestanden hat. Nachdem der Verfolgte am 13.11.2020 vorläufig festgenommen wurde und ihm die Kollegin als Rechtsbeistand bestellt wurde, hat das OLG mit Beschluss vom 17.11.2020 die förmliche Auslieferungshaft angeordnet. Der Verfolgte war mit einer vereinfachten Auslieferung nicht einverstanden. Die Kollegin beantragte am 8.12.2020 die Auslieferung an die Republik Lettland zur Strafverfolgung wegen drohender menschenrechtswidriger Unterbringung im lettischen Strafvollzug für unzulässig zu erklären. Zur Begründung zitierte sie umfangreich aus der internationalen Rechtsprechung und aus Kommissionsberichten. Vor dem Hintergrund des Vortrags der Kollegin veranlasste das OLG die Generalstaatsanwaltschaft, sich um eine Zusicherung der lettischen Behörden wegen bestimmter Haftbedingungen zu bemühen. Nach Erhalt einer Auskunft der lettischen Behörden erklärte das OLG mit Beschluss vom 8.1.2021 die. Auslieferung erstmals für zulässig. Mit Schriftsatz vom 14.1.2021 erhob die Kollegin gegen diese Entscheidung eine Anhörungsrüge und trug unter Hinweis auf entsprechende Nachweise vor, dass die Auskunft der lettischen Behörden unzureichend sei. Mit Beschluss vom 20.1.2021 hat das OLG die Anhörungsrüge zurückgewiesen.

Mit Beschluss des BVerfG vom 2.2.2021 wurde auf Antrag der Kollegin einstweilen die Auslieferung des Verfolgten untersagt, weil die Auskunft der lettischen Behörden als unzureichend erachtet wurde. Dies veranlasste das OLG sich am 12.5.2021 um eine ausdrückliche Zusicherung der Einhaltung bestimmter Haftbedingungen bei den lettischen Behörden zu bemühen. Mit Beschluss vom 22.6.2021 erklärte das OLG nach Erhalt einer ergänzenden Auskunft die Auslieferung nach Lettland erneut für zulässig. Hiergegen erhob die Kollegin mit Schriftsatz vom 25.6.2021 erneut eine ausführlich begründete Anhörungsrüge. Dies veranlasste das OLG durch Beschluss vom 5.7.2021 dem Verfolgten wegen Verletzung rechtlichen Gehörs Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und die Auslieferung bis zu einer erneuten Entscheidung des OLG aufzuschieben. Mit. Beschluss vom 12.7.2021 erklärte das OLG dann die Auslieferung erneut für zulässig, die am 19.7.2021 umgesetzt wurde.

Die Kollegin hat die Pflichtverteidigergebühren für unangemessen gehalten und beantragt für ihre Tätigkeit das Dreifache der Pflichtverteidigergebühren im ersten Verfahren – bis zur Entscheidung des BVerfG – das Vierfache der Pflichtverteidigergebühren im zweiten Verfahren – nach der Entscheidung des BVerfG, insgesamt 2.340,-. EUR als Pauschgebühr. Der Vorsitzende des für das Auslieferungsverfahren zuständigen Strafsenats des OLG hat in seiner Stellungnahme zu diesem Antrag ausgeführt, dass die mehrfach unzureichenden Auskünfte und Zusicherungen der lettischen Behörden zu einem „erforderlichen Mehraufwand“ geführt hätten. Das OLG Hamburg hat im OLG Hamburg, Beschl. v. 09.08.2022 – 5 s AR 13/22– eine Pauschgebühr in Höhe der Wahlanwaltshöchstgebühren, also insgesamt 1.449,00 EUR, bewilligt:

„Der Antrag hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.

Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG ist dem gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt in Strafsachen auf Antrag eine Pauschgebühr für das gesamte Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte zu bewilligen, wenn die gesetzlichen Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit nicht zumutbar sind. Damit soll der Ausnahmecharakter bei der Bewilligung einer Pauschgebühr zum Ausdruck gebracht werden. Die Vorschrift soll verhindern, dass der Verteidiger im Verhältnis zu seiner Vergütung unzumutbar belastet wird. Die sonst maßgebliche Gebühr muss unzumutbar sein, also augenfällig unzureichend und unbillig_ Diese Situation tritt keineswegs schon bei jeder Strafsache ein, deren Umfang oder Schwierigkeit das Nor-male übersteigt. Das gilt seit der Einführung des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG mit seiner Fülle von Spezialgebühren bei einem größeren Aufwand des Anwalts an Zeit und Mühe erst recht. Die Pauschgebühr soll dem Verteidiger auch keinen zusätzlichen Gewinn bringen, sondern — nur — eine unzumutbare Benachteiligung verhindern.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NStZ-RR 2007, 359 f.), der der Senat folgt, ist die Bestellung zum Pflichtverteidiger eine besondere Form der Indienstnahme Privater zu öffentlichen Zwecken. Sinn der Pflichtverteidigung ist es nicht, dem Anwalt zu seinem eigenen Nutzen und Vorteil eine zusätzliche Gelegenheit beruflicher Betätigung zu verschaffen. Ihr Zweck besteht vielmehr ausschließlich darin, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass der Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird. Angesichts der umfassenden Inanspruchnahme des Pflichtverteidigers für die Wahrnehmung dieser im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe hat der Gesetzgeber die Pflichtverteidigung nicht als eine vergütungsfrei zu erbringende Ehrenpflicht angesehen, sondern den Pflichtverteidiger honoriert. Dass sein Vergütungsanspruch unter den als angemessen geltenden Rahmengebühren des Wahlverteidigers liegt, ist durch einen vorn Gesetzgeber im Sinne des Gemeinwohls vorgenommenen Interessenausgleich, der auch das Interesse an einer Einschränkung des Kostenrisikos berücksichtigt, gerechtfertigt, sofern die Grenze der Zumutbarkeit für den Pflichtverteidiger gewahrt ist. In Strafsachen, die die Arbeitskraft des Pflichtverteidigers für längere Zeit ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch nehmen, gewinnt die Höhe des Entgelts für den Pflichtverteidiger allerdings existenzielle Bedeutung. Für solche besonderen Fallkonstellationen gebietet das Grundrecht des Pflichtverteidigers auf freie Berufsausübung eine Regelung, die sicherstellt, dass ihm die Verteidigung kein unzumutbares Opfer abverlangt.

Gemessen an diesen Grundsätzen ist die durch § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG in den Blick genommene besondere Fallkonstellation dem Grunde nach verwirklicht. Die Sache war besonders schwierig. Die Antragstellerin hat das Verfahren nicht lediglich begleitet, sondern durch eigene aufwändige Recherchen den Fortgang des Verfahrens in einer Weise gefördert, die durch die Pflichtverteidigergebühren nur unzureichend abgebildet wird. Bereits der Vorsitzende des 1. Strafsenats hat darauf hingewiesen, dass die Schwierigkeit des Verfahrens durch die unzureichenden Auskünfte der lettischen Behörden geprägt war. Angesichts der aufgeführten Umstände hält der Senat jeweils die Gewährung einer Pauschvergütung in Höhe der Höchstwahlverteidigergebühr für angemessen.

Eine weitergehende Erhöhung der Pflichtverteidigervergütung hält der Senat dagegen für nicht geboten. Insofern hat bereits die Kostenprüfungsbeamtin zutreffend darauf hingewiesen, dass die besondere Konstellation dieses Verfahrens den Gebührentatbestand zweimal ausgelöst hat. Dabei kommt es für die Angemessenheit der Vergütung nicht darauf an, wer die zweifache Befassung mit diesem Verfahren zu verantworten hatte. Entscheidend ist insofern, dass die Antragstellerin bei der zweiten Befassung mit dieser Materie auf Erkenntnisse zurückgreifen und nutzbar machen konnte, die sie bereits bei der ersten Befassung mit diesem konkreten Einzelfall erlangt hatte. Dieser Synergieeffekt liegt auf der Hand und kann auch nicht durch den Hinweis auf den Seitenumfang von Erwiderungen relativiert werden.“

Viele Worte, aber: Die Entscheidung bringt nichts wesentlich Neues. Sie ist aber ein Beleg dafür, dass die Pauschgebühr nach § 51 RVG dann doch noch nicht vollständig tot ist, auch wenn die Vorstellungen darüber, was als Vergütung angemessen ist, zwischen OLG und Verteidiger/Rechtsanwalt meist erheblich voneinander abweichen werden. So auch hier, wobei die Kollegin m.E. insofern „Glück gehabt“ hat, dass man offenbar wegen der ersten Zulässigkeitsentscheidung des OLG, die vom BVerfG gerügt worden ist, für das weitere Verfahren dann von einem zweiten Auslieferungsverfahren ausgegangen ist, in dem die Verfahrensgebühr Nr. 6101 VV RVG noch einmal entstanden ist. Zwingend ist das m.E. nicht unbedingt.

Was an der Entscheidung erstaunt und bemerkenswert ist: Das OLG verliert kein Wort zur Zumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren und kein Wort zur Höhe der Pauschgebühr in Höhe der Wahlanwaltsgebühren. Offenbar muss die Tätigkeit der Kollegin so umfangreich gewesen sein, dass die Pauschgebühr an sich und auch deren Höhe nicht zweifelhaft war. Das gilt zumindest für den entscheidenden Einzelrichter, die Staatskasse hatte das anders gesehen und Ablehnung der Pauschgebührenantrags beantragt.

(Hohe [?]) Pauschgebühr im Staatsschutzverfahren, oder: Alles ist relativ, vor allem in Corona-Zeiten

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Den Gebührenfreitag beginne ich mit einem Beschluss des OLG Stuttgart zur Pauschvergütung nach § 51 RVG.

Ergangen ist der Beschluss in einem umfangreichen Verfahren beim Staatsschutzsenat des OLG. Der (auswärtige) Kollege hat sich mit Schriftsatz vom 16.06.2020 gegenüber dem Generalbundesanwalt legitimiert und ist mit Verfügung des Vorsitzenden vom 04.02.2021 zum Pflichtverteidiger bestellt worden. Inzwischen liegen 253 Band Stehordner Ermittlungsakten, 23 Band Gerichtsakten sowie Beiakten vor. Seit dem 13.04.2021 wurde an bislang 85 Tagen (haupt)verhandelt.

Die gesetzlichen Gebühren des Kollegen betragen 67.760,00 EUR. Er hat einen Vorschuss auf eine Pauschgebühr (§ 51 Abs. 1 Satz 5 RVG) in Höhe von 216.750,00 EUR beantragt. Den hat er u.a. mit dem Umfang, dem erforderlichen Einarbeitungsaufwand, der Dauer der laufenden Hauptverhandlung, der Terminierungsdichte mit zwei Verhandlungstagen pro Woche mit Unterbrechung von einem Tag, der wegen der weiten Entfernung eine Rückreise an den Kanzleiort nicht zulasse, der Dauer und Schwierigkeit der Hauptverhandlungstermine mit zwölf Angeklagten mit jeweils zwei Verteidigern und dem erhöhten Abstimmungsbedarf und Besprechungsaufwand unter den Verteidigern. Zudem habe er wegen des Umfangs und der Schwierigkeit ab Mandatierung im Hinblick auf den zu erwartenden Aufwand so gut wie keine anderen Neumandate habe annehmen können. Durch „diverse coronabedingte Ausfälle“ sei „auch diese Einnahmequelle teilweise über Wochen eingebrochen“. Aus all diesen Gründen müsse auch die im Regelfall als Obergrenzen anzusehende Wahlverteidigerhöchstgebühr überschritten werden, nachdem in einem derartigen Ausnahmefall die Höhe des Entgeltes für den Pflichtverteidiger existentielle Bedeutung gewinne, in besonderem Maße für einen in Einzelkanzlei tätigen Verteidiger.

Das OLG hat im OLG Stuttgart, Beschl. v. 09.08.2022 – 5-2 StE 7/20 – einen Vorschuss in Höhe von 146.142 EUR bewilligt und den weitergehenden Antrag zurückgewiesen. Es ist davon ausgegangen, dass in Anbetracht der von dem Pflichtverteidiger entfalteten Tätigkeit die bislang entstandenen gesetzlichen Gebühren nicht ansatzweise zumutbar sind.

Das OLG hat seine Entscheidung umfangreich begründet. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den Volltext, wegen des Umfangs der Entscheidung kann man die hier nur schlecht einstellen. Der Umfang der Begründung hat sicherlich auch damit zu tun, dass es sich bei der Entscheidung wohl um die erste betreffend die Pauschvergütung eines Pflichtverteidigers in dem Verfahren handelt und das OLG für weitere zu erwartende Anträge Richtlinien erlassen muss, um dann möglichst alle Pflichtverteidiger grundsätzlich gleich zu behandeln.

Hinweisen will ich hier aber auf die Passagen im Beschluss, die sich mit den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf das Verfahren und damit auch auf die Pauschgebühr befassen. Dazu führt das OLG aus:

„5. Die durch COVID-19 bzw. den Erreger SARS-CoV-2 bestehenden Einschränkungen machen weitere Modifikationen notwendig.

Das bisherige Verfahren war maßgeblich durch COVID-19 beeinflusst. Die terminierten Sitzungstage vom 20. und 21. April 2021, vom 4., 5. und 19. Mai 2021, vom 12. Oktober 2021, vom 21. Dezember 2021, vom 18. Januar 2022, vom 8., 10., 15., 17., 22. und 24. März 2022, vom 26. und 28. April 2022 sowie vom 3., 5., 10. und 12. Mai 2022 konnten ausschließlich wegen der Pandemie nicht stattfinden. Neben diesen 20 durch COVID-19 bedingten Aufhebungen wurden- –  ein Tag, nachdem ein auf zwei Tage geladener Zeuge vernommen war,
–  ein Tag aus dienstlichen Gründen,
– drei Tage wegen Erkrankung eines Angeklagten und
– ein Tag wegen Erkrankung eines Senatsmitglieds aufgehoben.

Damit stehen 85 stattgefundenen Hauptverhandlungstagen sechs Aufhebungen gegenüber, wie sie in jedem Verfahren möglich sind, aber 20, die ausschließlich auf COVID-19 zurückzuführen sind. Zwölf der 20 ausgefallenen Sitzungstage liegen zwischen dem 8. März 2022 Und dem 12. Mai 2022, mithin gab es in diesem Verfahren ein Zeitsegment, in dem COVID-19 bedingt kaum Hauptverhandlungen stattfanden. Der Senat sieht hier das Bedürfnis, über die Gewährung weiterer Verfahrensgebühren (im Detail: s.u.) einen Ausgleich zu schaffen. Ein „Sonderopfer“, gerade in diesem bzw. in einem vergleichbaren Verfahren bestellt zu sein, ist ohne Ausgleich nicht abzuverlangen.

Dabei sind die Unterschiede zu Verteidigern*innen, die während der pandemischen Lage in mehreren (und damit weniger umfangreichen) Verfahren bestellt sind, evident. Es gibt infolge geringerer Dauer und einer geringeren Anzahl von Beteiligten weniger Ausfälle und ein Ausfall kann in gewissem Umfang durch andere kompensiert werden. Ganz entscheidend ist für den Senat jedoch, dass vorliegend in enger Absprache mit dem Gesundheitsamt der Landeshauptstadt Stuttgart ein äußerst klar definiertes und umgesetztes „Coronaregime“ installiert und durchgehalten wurde. Es wäre widersprüchlich, würde Verteidigern*innen, die in einem solchen Verfahren tätig sind, das dadurch zwangsläufig entstehende höhere Risiko von Sitzungsausfällen überbürdet werden.“

Ich denke, dass derjenige, der den Beschluss gelesen hat, mir beipflichten wird, dass es angesichts der Verfahrenstatsachen auf der Hand liegt, dass die vom OLG getroffene Entscheidung zutreffend ist, und zwar sowohl hinsichtlich der grundsätzlichen Frage, ob das Verfahren (schon) „besonders umfangreich“ im Sinn des § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG als auch im Hinblick darauf, dass dem Pflichtverteidiger ein Vorschuss zu gewähren war. Die vom OLG mitgeteilten Daten sprechen für sich. Sowohl der Aktenumfang als auch die (bisherige) Dauer der Hauptverhandlung sind bemerkenswert. Anzumerken ist allerdings, dass § 51 RVG für die Gewährung einer Pauschgebühr kein „exorbitantes Verfahren“ voraussetzt. Es ist inzwischen aber müßig, darauf noch näher einzugehen. Die OLG beten diese falsche Formulierung des BGH nach, ohne sie einmal näher auf ihre Richtigkeit abzuklopfen.

Gegen die vom OLG gewählte Berechnungsmethode, die vornehmlich auf den Aktenumfang abstellt, ist – im Ergebnis – nichts einzuwenden. Der Aktenumfang ist in der Tat ein objektives Merkmal, mit dem man recht gut die Pauschgebühr be-/errechnen kann. Ob es das – wie es beim OLG erscheint – das wichtigste Merkmal ist und/oder ob daneben nicht auch auf die Dauer der Hauptverhandlung abzustellen ist, kann hier dahinstehen, da das OLG ja auch insoweit eine Erhöhung vorgenommen hat. Interessant und für die Rechtsprechung der nächsten Jahre sicherlich von Bedeutung/Interesse ist die Berücksichtigung der Einschränkungen, die sich im Verfahren durch die Covid-19-Pandemie ergeben haben. Dazu wird sicherlich Rechtsprechung anderer OLG folgen (müssen).

Schließlich: Dem ein oder anderen wird der gewährte Betrag von rund 142.000 EUR hoch, vielleicht zu hoch, erscheinen. Aber das gilt nur für den sog. „ersten Blick“. Denn man muss berücksichtigen, dass der Verteidiger in diesem Verfahren mindesten schon seit Juni 2020, also etwa 26 Monate, tätig ist, und zwar weitgehend ausschließlich. Das entspricht einer monatlichen Bruttoeinnahme (durch dieses Verfahren) von rund 5.500 EUR. Berücksichtigt man den Zeitaufwand für die Einarbeitung in und die Bearbeitung von 253 Band Stehordner Ermittlungsakten, 23 Band Gerichtsakten sowie Beiakten vor sowie die Teilnahme an bislang 85 Hauptverhandlungstagen relativiert sich nicht nur sehr schnell der „hohe Betrag“ sondern m.E. auch die Annahme des OLG, dass durch die gewährte Pauschgebühr/der Vorschuss dem Pflichtverteidiger „ein hinreichender Ausgleich ermöglicht wird“. Jedenfalls ist die gewährte Pauschgebühr auf keinen Fall „übersetzt“. Es ist eben alles realtiv, vor allem in „Corona-Zeiten“.

Zeugenbeistand im Staatsschutzverfahren beim OLG, oder: Immerhin 420 EUR Pauschgebühr

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Und dann als zweite Entscheidung zur Problematik: Abrechnung des Zeugenbeistands, hier dann der OLG Stuttgart, Beschl. v. 124.03.2022 – 5-2 StE 7/20. Ergangen ist der Beschluss in einem Staatsschutzverfahren, in dem der Kollege als Zeugenbeistand tätig war. Und man staunt: Das OLG gewährt eine Pauschgebühr. Zwar nicht viel, aber immerhin 420 EUR.

Tätig war der Kollege in einem beim OLG anhängigen Staatsschutzverfahren. Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 10.09.2021 war die Ladung einer Zeugin für die Hauptverhandlungstermine vom 16. und 18.11.2021, 9.00 Uhr veranlasst worden, woraufhin die Zeugin zu einem nicht bekannten Zeitpunkt den Kollegen mandatiert hat. Der wandte sich erstmals mit Schriftsatz vom 15.11.2021 – per Fax um 09.47 Uhr übermittelt – an den OLG-Senat, um die Erklärung des Vorsitzenden zu erlangen, dass die Zeugin in Ansehung eines umfassenden Auskunftsverweigerungsrechts nicht erscheinen müsse. Nach einer sich anschließenden Kommunikation teilte der Kollege dann am selben Tag mit Fax von 12.27 Uhr mit, dass die Zeugin am 16.11.2021 in seiner Begleitung erscheinen werde; zugleich beantragte er seine „Beiordnung als Zeugenbeistand“.

Zu Beginn der Hauptverhandlung vom 16.11.2021 war der Kollege anwesend. Er wurde der Zeugin gemäß § 68b Abs. 2 Satz 1 StPO für die Dauer ihrer Vernehmung als Beistand bestellt. Die Zeugin machte nach Belehrung Angaben zur Person, erklärte sodann aber auf die Belehrung durch den Vorsitzenden, sie werde keine Angaben machen und wurde um 09.40 Uhr unvereidigt entlassen.

Der Kollege hat die Bewilligung einer Pauschgebühr für seine Tätigkeit beantragt und hat zur Begründung seines Antrags ausgeführt, dass er insbesondere in Ansehung eines möglichen Rechtes aus § 55 StPO „eine eigenständige und eigenverantwortliche Prüfpflicht und die Verantwortung für das richtige Vorgehen“ gehabt habe.

Und er hat Glück 🙂 :

„Auf den Antrag des Rechtsanwalts setzt der Senat nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG für die Tätigkeit des Antragstellers als Zeugenbeistand der Zeugin Pp. eine Pauschgebühr von 420 € fest, die sich aus den gesetzlichen Gebühren in Höhe von 220 € und einem Erhöhungsbetrag von 200 € Euro zusammensetzt.

1. Die gesetzlichen Gebühren belaufen sich auf 220 €. Der Senat folgt der mittlerweile bei den Oberlandesgerichten herrschenden Auffassung, dass einem Rechtsanwalt, der als Zeugenbeistand gemäß § 68b StPO für die Dauer der Vernehmung beigeordnet wurde, grundsätzlich nur eine Gebühr wegen einer Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Ziffer 4 VV RVG zusteht (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 15. August 2011; 6 – 2 StE 2/10).

2. Die gesetzlichen Gebühren hat der Senat zur Festsetzung der Pauschgebühr um den Betrag von 200 € erhöht.

a) Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG ist Voraussetzung der Bewilligung einer Pauschgebühr, die über die gesetzlichen Gebühren hinausgeht, dass diese wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache nicht zumutbar sind. Die Bewilligung einer Pauschgebühr stellt dabei die Ausnahme dar: die anwaltliche Mühewaltung muss sich von sonstigen auch überdurchschnittlichen Sachen – in exorbitanter Weise abheben (BGH, Beschluss vom 1. Juni 2015 – 4 StR 267/11). Dem Rechtsanwalt muss wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit seiner Tätigkeit durch die gesetzlichen Gebühren eine unzumutbare Benachteiligung entstehen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 10. Februar 2016 – 2 ARs 56/15).

b) Hieran gemessen erachtet es der Senat für erforderlich, aber auch ausreichend, die gesetzlichen Gebühren um 200 € zu erhöhen, um die unzumutbare Benachteiligung des Antragstellers auszugleichen.

Hierbei waren insbesondere Zeitaufwand und Komplexität des Verfahrensstoffes zu berücksichtigen. Allerdings lag das (zum Vollrecht erstarkte) Auskunftsverweigerungsrecht der Zeugin auch unzweifelhaft vor. Die verbleibende unzumutbare Benachteiligung wird nach der Bewertung des Senats durch eine Erhöhung der gesetzlichen Gebühren um 200 € ausgeglichen.“

Zeitpunkt für die Pauschgebühr des Wahlanwalts, oder: Erst Pauschgebühr, dann Kostenfestsetzung

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Und zur Mittagszeit dann der BGH, und zwar der BGH, Beschl. v. 03.11.2021- 3 StR 86/21 – zu einem Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr für das Revisionsverfahren nach § 42 RVG, also Pauschgebühr des Wahlanwalts.

Der BGH nimmt zur Frage der Besetzung des Senats für die Entscheidung und zum Zeitpunkt der Antragstellung Stellung:

„Der Antrag ist bereits unzulässig.

1. Über den Antrag entscheidet der Senat in einer Spruchgruppe mit fünf Bundesrichtern. Eine Zuständigkeit des Einzelrichters, wie sie § 42 Abs. 3 RVG für die Oberlandesgerichte ermöglicht, kommt nach geltendem Recht nicht in Betracht. § 122 Abs. 1 GVG sieht für das Oberlandesgericht vor, dass in bestimmten Fällen der Einzelrichter entscheiden kann. Eine entsprechende Regelung für den Bundesgerichtshof enthält das GVG hingegen nicht (vgl. § 139 GVG; s. BGH, Beschluss vom 8. Juni 2005 – 2 StR 468/04, NStZ 2006, 239). Dem steht nicht entgegen, dass nach der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen dem § 139 GVG die Vorschrift des § 1 Abs. 3 RVG vorgeht und daher ein Einzelrichter am Bundesgerichtshof über einen Antrag nach § 33 RVG zuständig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 9. August 2021, GSZ 1/20, NJW 2021, 3191). Denn während sich der insoweit maßgebliche § 33 Abs. 8 RVG auf „das Gericht“ bezieht und damit auch den Bundesgerichtshof erfasst, gilt § 42 Abs. 3 RVG nach seinem unmissverständlichen Wortlaut allein für das „Oberlandesgericht“. Dies gegebenenfalls zu ändern, obläge allein dem Gesetzgeber.

2. Der Antrag ist unzulässig, weil die Kosten für das Revisionsverfahren bereits rechtskräftig festgesetzt worden sind.

Der Wahlverteidiger hat am 14. Januar 2019 Kostenfestsetzung bezüglich des Revisionsverfahrens und am 4. Februar 2019 die Bewilligung einer Pauschgebühr beantragt. Am 26. April 2019 hat das Landgericht einen Kostenfestsetzungsbeschluss auch hinsichtlich der Kosten des Revisionsverfahrens erlassen. Gegen diesen Beschluss hat der Verteidiger kein Rechtsmittel eingelegt.

Die Unzulässigkeit des Antrags nach § 42 RVG in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die gesetzlichen Gebühren bereits festgesetzt worden sind, folgt aus der in § 42 Abs. 4 RVG statuierten Bindungswirkung, die der Feststellung der Pauschgebühr für das Kostenfestsetzungsverfahren zukommt. In dem zweistufigen Verfahren zu einem vollstreckbaren Gebührentitel kann die festgestellte Pauschvergütung nur Bindungswirkung entfalten, können divergierende Entscheidungen allein dann vermieden und die angestrebte Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung nur erreicht werden, wenn die Pauschgebühr zu einem Zeitpunkt beantragt wird, in dem die getroffene Feststellung im Kostenfestsetzungsverfahren noch Berücksichtigung finden kann. Der Verteidiger muss daher dem rechtskräftigen Abschluss des Kostenfestsetzungsverfahrens entgegenwirken, um zunächst das vorrangige Verfahren nach § 42 RVG durchführen zu lassen (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 17. Januar 2011 – 2 AR 24/10, juris Rn. 7 ff.; Thüringer OLG, Beschlüsse vom 9. August 2010 – 1 AR (S) 25/10, juris Rn. 18 ff.; vom 30. Oktober 2007 – 1 AR (S) 72/07, juris Rn. 10 ff.; Burhoff/Volpert, RVG, 6. Aufl., § 42 Rn. 18 f.; Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl., § 42 Rn. 17). Daran fehlt es hier. Der Zulässigkeit des Antrags steht der rechtskräftig gewordene Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26. April 2019 entgegen.“

Die Auffassung des BGH entspricht der h.M. Also: Zunächst Antrag nach § 42 RVG und dann Kostenfestsetzung…..

Pauschgebühr von rund 1,9 Mio EUR beantragt, oder: Welche Tätigkeiten sind zu berücksichtigen?

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Die zweite Entscheidung, die ich vorstelle, ist der OLG Celle, Beschl. v. 10.12.2021 – 5 AR (P) 7/20. Thematik: Bei der Pauschgebühr nach kostenloser Umbeiordnung zu berücksichtigende Tätigkeiten. Pauschgebühranträge haben ja i.d.R. nur noch selten Erfolg. Um so erfreulicher ist es, wenn man dann mal, so wie hier, über einen erfolgreichen Antrag berichten kann, auch wenn der Pflichtverteidiger ganz erhebliche Abstriche gegenüber seinem Antrag hat hinnehmen müssen.

Folgender Sachverhalt: Der Rechtsanwalt war Pflichtverteidiger in einem Staatsschutzverfahren beim OLG wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland u.a. Dem Angeklagten war am 09.11.2016 zunächst ein anderer Rechtsanwalt J zum Pflichtverteidiger bestellt worden. Daneben war seit dem 01.12.2016 auch Rechtsanwalt S. als Verteidiger mandatiert, seine Beiordnung als weiterer Pflichtverteidiger erfolgte am 27.07.2017. Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten der Verteidiger über die weitere Verteidigungsstrategie nach Beginn der Hauptverhandlung erfolgte am 18.04.2018 auf Antrag des Angeklagten die Entpflichtung von Rechtsanwalt S. unter gleichzeitiger Beiordnung des antragstellenden Rechtsanwalt. Dieser hatte zuvor mit Schreiben vom 16.04.2018 erklärt, dass „der Staatskasse (…) durch die Umbeiordnung keine zusätzlichen Kosten entstehen“ werden.

Der Rechtsanwalt hat eine Pauschgebühr in Höhe von 1.950.470,00 EUR beantragt, was in etwa dem Neunfachen der Wahlanwaltsgebühren entsprach. Die Vertreterin der Landeskasse hat eine Pauschgebühr in Höhe 34.000,00 EUR (ca. 50 % der Differenz der Pflichtverteidigergebühren zur Wahlverteidigerhöchstgebühr) vorgeschlagen. Das OLG hat eine Pauschgebühr in Höhe von rund 30.000 EUR bewilligt.

Da es ein sehr umfangreicher Beschluss ist, stelle ich hier nur die Passage vor, in der das OLG zum Umfang der zu berücksichtigen Tätigkeiten Stellung nimmt:

„3. Die Sache hatte auch einen besonderen Umfang.

a) Nicht berücksichtigt werden kann dabei im Fall des Antragstellers allerdings die erstmalige Einarbeitung in die Ermittlungsakten und die allgemeine Vorbereitung auf die Hauptverhandlung.

Die Verfahrensakten hatten zwar einen weit überdurchschnittlichen Umfang. Hinzu kommt, dass der Antragsteller erst nach dem 44. Hauptverhandlungstag zum weiteren Verteidiger bestellt wurde und die ihm zur Verfügung stehende Einarbeitungszeit deshalb vergleichsweise kurz war.

Indes ist zu beachten, dass der Antragsteller mit Schreiben vom 16. April 2018 erklärt hat, dass „der Staatskasse (…) durch die Umbeiordnung keine zusätzlichen Kosten entstehen“ werden. Hierauf hat der Vorsitzende des 4. Strafsenats in seinem Umbeiordnungsbeschluss vom 18. April 2018 auch ausdrücklich abgestellt. Der Antragsteller hat dementsprechend im Rahmen der Kostenfestsetzung auf die Grundgebühr und die Verfahrensgebühren verzichtet.

Der Gebührenverzicht im Rahmen der Umbeiordnung ist zulässig und wirksam (vgl. KG, Beschluss vom 2. September 2016 – 4 Ws 125/16, StraFo 2016, 513; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. Dezember 2015 – 2 Ws 582/15, NStZ 2016, 305; Volpert in: Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse [§§ 44, 45, 50], Rn. 2398; jew. mwN). Er wirkt sich auch auf die Bewilligung der Pauschgebühr aus. Wenn nämlich dem Pflichtverteidiger für einen Verfahrensabschnitt oder eine bestimmte Tätigkeit keine (gesetzlichen) Gebühren zustehen – sei es, dass eine Gebühr gar nicht entstanden ist, oder sei es, dass auf eine entsprechende Gebühr verzichtet worden ist –, kann dieser Verfahrensabschnitt oder diese Tätigkeit auch bei der Bewilligung einer Pauschgebühr nicht berücksichtigt werden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 5. Januar 2012 – III-5 RVGs 81/11, StraFo 2012, 161 m. Anm. Burhoff; Gerold/Schmidt/Burhoff, aaO § 51 Rn. 16; Burhoff in: Burhoff/Volpert, aaO, RVG § 51 Rn. 21; BeckOK RVG/K. Sommerfeld/M. Sommerfeld, § 51 Rn. 9).

Zwar wurde in der Rechtsprechung vereinzelt die Ansicht vertreten, dass ein Verzicht auf höhere gesetzliche Gebühren es nicht ausschließe, dass diese dem Verteidiger „dem Grunde nach zustehenden, aber aufgrund des Verzichts nicht zu beanspruchenden Gebühren“ bei der Bemessung einer Pauschgebühr und deren Berechtigung gleichwohl Berücksichtigung finden können (OLG Hamm Beschluss vom 18. August 2009 – 5 (s) Sbd. X – 65/09, BeckRS 2012, 7235). Diese Auffassung ist indes auf Kritik gestoßen (vgl. Burhoff aaO), und das Oberlandesgericht Hamm hat angedeutet, sie künftig nicht mehr zu vertreten (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 5. Januar 2012 – III-5 RVGs 81/11, StraFo 2012, 161 m. Anm. Burhoff). Ob ihr im Hinblick auf eine mögliche Kompensation durch nicht entstandene Gebühren zu folgen wäre, kann hier indes dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls ist daraus nicht abzuleiten, dass der allgemein anerkannte Grundsatz der Vermeidung von Mehrkosten für die Staatskasse bei einem einvernehmlichen Pflichtverteidigerwechsel (vgl. nur Meyer-Goßner/Schmitt StPO 64. Aufl. § 143a Rn. 31 mwN) sich nur auf die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis, nicht aber auf etwaige Mehrkosten durch eine Pauschgebühr bezieht. Zwar reichen im Falle einer kostenneutralen Umbeiordnung die durch den Mehrkostenbegriff geschützten Fiskalinteressen nicht weiter, als wenn der Beschuldigte den jetzt gewählten Verteidiger von vornherein bezeichnet hätte und dieser hätte beigeordnet werden können (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 6. Februar 2019 – 2 Ws 37/19, StraFo 2019, 263; OLG Oldenburg, Beschluss vom 21. März 2017 – 1 Ws 122/17, juris). Von dem Mehrkostenbegriff sind aber unzweifelhaft diejenigen Gebührenpositionen erfasst, die durch die Bestellung des neuen Pflichtverteidigers doppelt entstehen würden (OLG Celle aaO; Volpert in: Burhoff/Volpert, aaO, Umfang des Vergütungsanspruchs [§ 48 Abs. 1 S. 1], Rn. 2250 mwN). Das erfasst bei einem Verteidigerwechsel während der Instanz – wie hier – zunächst die Grundgebühr und die Verfahrensgebühren (vgl. Volpert aaO, Rn. 2249 mwN). In diesem Sinn „doppelt entstehen“ würde aber auch eine Pauschgebühr, deren Bewilligung an Verfahrensabschnitte oder Tätigkeiten anknüpft, die mit den – vom Verzicht eindeutig erfassten – Grund- und Verfahrensgebühren abgegolten werden. Es wäre zudem systemwidrig, die Bewilligung einer Pauschgebühr auf die Unzumutbarkeit von gesetzlichen Gebühren zu stützen, auf deren Auszahlung der Verteidiger verzichtet hat.“

Für den Rest müssen dann die Leitsätze reichen – Leitsatz 4 ist der des OLG, der Rest stammt von mir

    1. Die Bewilligung einer Pauschgebühr stellt die Ausnahme dar; die anwaltliche Mühewaltung muss sich bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls von sonstigen – auch überdurchschnittlichen Sachen – in exorbitanter Weise abheben.
    2. Ein Pauschgebührenantrag kann nur noch bedingt auf vor dem 1.7.2004 ergangene Rechtsprechung gestützt werden.
    3. Zur besonderen Schwierigkeit in Staatschutzverfahren.
    4. Ein zur Vermeidung von Mehrkosten für die Staatskasse bei Umbeiordnung erklärter Gebührenverzicht des Verteidigers wirkt sich auch auf die Bewilligung der Pauschgebühr aus. Da dem Pflichtverteidiger für die von dem Verzicht erfassten Verfahrensabschnitte oder Tätigkeiten keine gesetzlichen Gebühren zustehen, können diese Verfahrensabschnitte oder Tätigkeiten auch bei der Bewilligung der Pauschgebühr nicht berücksichtigt werden.
    5. Nur in Ausnahmefällen ist im Rahmen der Bemessung der Pauschgebühr eine Anhebung der dem Pflichtverteidiger gesetzlich zustehenden Terminsgebühr möglich. Dies kommt in Betracht, wenn an sich in die Hauptverhandlung fallende Vorgänge – etwa das Verlesen von Urkunden durch Anordnung des Selbstleseverfahrens – nach außen verlagert werden oder im Rahmen der Hauptverhandlung neue Unterlagen bekannt werden, die eine intensive Vor- oder Nachbereitung erfordern.
    6. Die Bejahung einer fast ausschließlichen Inanspruchnahme durch die Hauptverhandlung kommt unter Zugrundelegung einer fünftägigen Arbeitswoche grundsätzlich nicht schon bei Prozesswochen mit zwei ganztägigen Verhandlungen, sondern erst bei solchen mit jedenfalls drei ganztägigen Verhandlungen in Betracht.