Wer dieses Blog regelmäßig liest, weiß, dass ich mit den Pauschgebührenentscheidungen des BGH häufig Probleme habe (vgl. dazu zuletzt zum BGH, Beschl. v. 19.06.2012 – 5 StR 307/10 (alt: 5 StR 263/08) unser Postiung “Nein, m.E. haben die Strafsenate des BGH an Gebührenfragen keine Lust…”). Nun bin ich auf der HP des BGH auf den BGH, Beschl. v. 11.02.2014 – 4 StR 73/10 – gestoßen, der auch/erneut zum Widerspruch herausfordert. Ich versuche es dieses Mal aber mal anders, nämlich mit einem offenen Brief an den BGH. :-), und zwar wie folgt:
„Sehr geehrte Damen und Herrn des 4. Strafsenats,
zu Ihrem BGH, Beschl. v. 11.02.2014 – 4 StR 73/10 – erlaube ich mir folgende Anmerkungen:
1. Sie haben im Beschluss die beantragte Pauschgebühr abgelehnt. Dazu führen Sie aus, dass die Bewilligung einer Pauschgebühr die Ausnahme darstelle; die anwaltliche Mühewaltung müsse sich von sonstigen – auch überdurchschnittlichen Sachen – in exorbitanter Weise abheben. Dass das nicht zutrifft, habe ich bereits in RVGreport 2013, 472 = StRR 2014, 39 dargelegt, dort aber beanstandet, dass der BGH seine Auffassung nur mit dem Hinweis auf Beck-OK-RVG belegt. Jetzt haben Sie eine andere Fundstelle angeführt, nämlich Burhoff in. Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl., § 51 Rn. 32. Nur: Das, was Sie meinen/ausführen, steht dort so nicht. Dort heißt es nämlich, ich zitiere:
„Nach § 51 Abs. 1 S. 1 ist eine Pauschgebühr zu bewilligen, wenn die gesetzliche Gebühren des Pflichtverteidigers aus VV Teile 4 bis 6 wegen des besonderen Umfangs und der besonderen Schwierigkeit „nicht zumutbar sind“. Diese ausdrückliche Betonung des Zumutbarkeitsgesichtspunkts in § 51 Abs. 1 S. 1 ist gegenüber der früheren Regelung in § 99 BRAGO neu. Sie soll den Ausnahmecharakter der Pauschgebühr betonen, die diese wegen der neu geschaffenen Gebührentatbestände haben soll. Der Gesetzgeber hat mit dieser Formulierung die (ausnahmsweise) Gewährung von Pauschgebühren darüber hinaus aber nicht noch weiter einschränken wollen. Demgemäß wird in der Gesetzesbegründung daher auch ausdrücklich auf die frühere Rspr. des BVerfG zum Sonderopfer hingewiesen.“
Das ist – mit Verlaub – etwas ganz Anderes: Ausnahme ist nicht „exorbitant“. Wie Sie zu Ihrer Auffassung „exorbitant“ kommen, erschließt sich mir nicht. Vielleicht hat es damit zu tun, dass Sie offenbar davon ausgehen, dass für eine Pauschgebühr nach § 51 RVG „ein besonderer Umfang und eine besondere Schwierigkeit der Sache“ erforderlich sei, was man aus einer Formulierung im o.a. Beschluss entnehmen könnte. Das ist aber nach dem Wortlaut der Vorschrift gerade nicht der Fall (vgl. dazu auch Burhoff RVGreport 2013, 472 = StRR 2014, 399).
2. Ihre Ablehnungsentscheidung begründen Sie u.a. auch damit, dass die Dauer des Hauptverhandlungstermins ungeachtet der im Einzelnen streitigen Frage, ob und in welchem Umfang Unterbrechungen bei der Bestimmung der Länge der Hauptverhandlung zu berücksichtigen sind, wegen der Einführung des Längenzuschlags nach Nr. 4134 VV bei der Frage des Umfangs im Sinne von § 51 Abs. 1 RVG nicht mehr berücksichtigt werden könne. Dazu verweisen Sie auf „Burhoff a.a.O, § 51 Rn. 13; ders. a.a.O, VV 4108-4111, Rn. 22, VV 4134, 4135, Rn. 15“. Wenn ich dazu dann – leicht überrascht – an den entsprechenden Stellen nachschaue, finde ich bei den maßgeblichen Ausführungen zu der Frage bei Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 51 Rn. 13 Folgendes:
„Darauf muss also die „ältere“ Rechtsprechung, die angewendet werden soll, sorgfältig untersucht werden. Das gilt vor allem, wenn besonderer Zeitaufwand des Pflichtverteidigers zur Gewährung einer Pauschvergütung nach § 99 BRAGO geführt hat, wie z. B. bei langen Hauptverhandlungen und/oder der Teilnahme an Vernehmungen und Haftterminen. Für diese Tätigkeiten sind im RVG besondere Gebühren vorgesehen (vgl. die Längenzuschläge für den Pflichtverteidiger z. B. in VV 4116, 417 oder die Vernehmungsterminsgebühr in VV 4102). Diese Tätigkeiten werden daher nur noch eingeschränkt im Rahmen des § 51 RVG herangezogen werden können. Allerdings bleiben diese Tätigkeiten auch nicht völlig außer Betracht. Entscheidend ist ggf. (auch) das Gesamtgepräge des Verfahrens.“
Also auch nicht generell keine Berücksichtigung der Länge des Hauptverhandlungstermins, sondern die Länger des Hauptverhandlungstermin beliebt nicht völlig außer Betracht. Das ist für mich etwas anderes, als der BGH in seiner Entscheidung annimmt. Ich fühle mich ein wenig vor einen Karren gespannt, den ich gar nicht ziehen will.
Abschließend: Nun soll man ja nicht nur meckern, sondern auch die positiven Dinge sehen. Daher: Im Ergebnis ist Ihnen hinsichtlich der Entscheidung, eine Pauschgebühr nicht zu gewähren, zuzustimmen. Das ist m.E. zutreffend. Denn die Hauptverhandlungsdauer hat hier gerade mal – wenn man die „Wartezeit“ berücksichtigt -, etwas mehr als 5 Stunden gedauert. Das ist auch m.E. nun wahrlich kein Fall, in dem man eine Pauschgebühr beantragen sollte. Ihre Antwort im Übrigen dann auch ein weiteres Mal Beweis dafür, dass der Satz „bad case
s,makes bad law“ zutrifft.“
Ich weiß nicht, ob es hilft. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.