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Offener Brief an den 4. Strafsenat des BGH, oder: Bitte spannt mich nicht vor „euren Karren“…

entnommen wikimedia.org Urheber Fotografie: Frank C. Müller, Baden-Baden

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Wer dieses Blog regelmäßig liest, weiß, dass ich mit den Pauschgebührenentscheidungen des BGH häufig Probleme habe (vgl. dazu zuletzt zum BGH, Beschl. v. 19.06.2012 –   5 StR 307/10 (alt: 5 StR 263/08)  unser Postiung “Nein, m.E. haben die Strafsenate des BGH an Gebührenfragen keine Lust…”). Nun bin ich auf der HP des BGH auf den BGH, Beschl. v. 11.02.2014 – 4 StR 73/10 – gestoßen, der auch/erneut zum Widerspruch herausfordert. Ich versuche es dieses Mal aber mal anders, nämlich mit einem offenen Brief an den BGH. :-), und zwar wie folgt:

„Sehr geehrte Damen und Herrn des 4. Strafsenats,

zu Ihrem BGH, Beschl. v. 11.02.2014 – 4 StR 73/10 – erlaube ich mir folgende Anmerkungen:

1. Sie haben im Beschluss die beantragte Pauschgebühr abgelehnt. Dazu führen Sie aus, dass die Bewilligung einer Pauschgebühr die Ausnahme darstelle; die anwaltliche Mühewaltung müsse sich von sonstigen – auch überdurchschnittlichen Sachen – in exorbitanter Weise abheben. Dass das nicht zutrifft, habe ich bereits in RVGreport 2013, 472 = StRR 2014, 39 dargelegt, dort aber beanstandet, dass der BGH seine Auffassung nur mit dem Hinweis auf Beck-OK-RVG belegt. Jetzt haben Sie eine andere Fundstelle angeführt, nämlich Burhoff in. Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl., § 51 Rn. 32. Nur: Das, was Sie meinen/ausführen, steht dort so nicht. Dort heißt es nämlich, ich zitiere:

Nach § 51 Abs. 1 S. 1 ist eine Pauschgebühr zu bewilligen, wenn die gesetzliche Gebühren des Pflichtverteidigers aus VV Teile 4 bis 6 wegen des besonderen Umfangs und der besonderen Schwierigkeit „nicht zumutbar sind“. Diese ausdrückliche Betonung des Zumutbarkeitsgesichtspunkts in § 51 Abs. 1 S. 1 ist gegenüber der früheren Regelung in § 99 BRAGO neu. Sie soll den Ausnahmecharakter der Pauschgebühr betonen, die diese wegen der neu geschaffenen Gebührentatbestände haben soll. Der Gesetzgeber hat mit dieser Formulierung die (ausnahmsweise) Gewährung von Pauschgebühren darüber hinaus aber nicht noch weiter einschränken wollen. Demgemäß wird in der Gesetzesbegründung daher auch ausdrücklich auf die frühere Rspr. des BVerfG zum Sonderopfer hingewiesen.“

Das ist – mit Verlaub –  etwas ganz Anderes: Ausnahme ist nicht „exorbitant“. Wie Sie zu Ihrer Auffassung „exorbitant“ kommen, erschließt sich mir nicht. Vielleicht hat es damit zu tun, dass Sie offenbar davon ausgehen, dass für eine Pauschgebühr nach § 51 RVG „ein besonderer Umfang und eine besondere Schwierigkeit der Sache“ erforderlich sei, was man aus einer Formulierung im o.a. Beschluss entnehmen könnte. Das ist aber nach dem Wortlaut der Vorschrift gerade nicht der Fall (vgl. dazu auch Burhoff RVGreport 2013, 472 = StRR 2014, 399).

2. Ihre Ablehnungsentscheidung begründen Sie u.a. auch damit, dass die Dauer des Hauptverhandlungstermins ungeachtet der im Einzelnen streitigen Frage, ob und in welchem Umfang Unterbrechungen bei der Bestimmung der Länge der Hauptverhandlung zu berücksichtigen sind, wegen der Einführung des Längenzuschlags nach Nr. 4134 VV bei der Frage des Umfangs im Sinne von § 51 Abs. 1 RVG nicht mehr berücksichtigt werden könne. Dazu verweisen Sie auf „Burhoff a.a.O, § 51 Rn. 13; ders. a.a.O, VV 4108-4111, Rn. 22, VV 4134, 4135, Rn. 15“. Wenn ich dazu dann – leicht überrascht – an den entsprechenden Stellen nachschaue, finde ich bei den maßgeblichen Ausführungen zu der Frage bei Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 51 Rn. 13 Folgendes:

Darauf muss also die „ältere“ Rechtsprechung, die angewendet werden soll, sorgfältig untersucht werden. Das gilt vor allem, wenn besonderer Zeitaufwand des Pflichtverteidigers zur Gewährung einer Pauschvergütung nach § 99 BRAGO geführt hat, wie z. B. bei langen Hauptverhandlungen und/oder der Teilnahme an Vernehmungen und Haftterminen. Für diese Tätigkeiten sind im RVG besondere Gebühren vorgesehen (vgl. die Längenzuschläge für den Pflichtverteidiger z. B. in VV 4116, 417 oder die Vernehmungsterminsgebühr in VV 4102). Diese Tätigkeiten werden daher nur noch eingeschränkt im Rahmen des § 51 RVG herangezogen werden können. Allerdings bleiben diese Tätigkeiten auch nicht völlig außer Betracht. Entscheidend ist ggf. (auch) das Gesamtgepräge des Verfahrens.

Also auch nicht generell keine Berücksichtigung der Länge des Hauptverhandlungstermins, sondern die Länger des Hauptverhandlungstermin beliebt nicht völlig außer Betracht. Das ist für mich etwas anderes, als der BGH in seiner Entscheidung annimmt. Ich fühle mich ein wenig vor einen Karren gespannt, den ich gar nicht ziehen will.

Abschließend: Nun soll man ja nicht nur meckern, sondern auch die positiven Dinge sehen. Daher: Im Ergebnis ist Ihnen hinsichtlich der Entscheidung, eine Pauschgebühr nicht zu gewähren, zuzustimmen. Das ist m.E. zutreffend. Denn die Hauptverhandlungsdauer hat hier gerade mal – wenn man die „Wartezeit“ berücksichtigt -, etwas mehr als 5 Stunden gedauert. Das ist auch m.E. nun wahrlich kein Fall, in dem man eine Pauschgebühr beantragen sollte. Ihre Antwort im Übrigen dann auch ein weiteres Mal Beweis dafür, dass der Satz „bad cases, makes bad law“ zutrifft.“

Ich weiß nicht, ob es hilft. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

„Nein, m.E. haben die Strafsenate des BGH an Gebührenfragen keine Lust…“

© J.J.Brown - Fotolia.com

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Im vorigen Jahr habe ich im Sommer zum BGH, Beschl. v. 19.06.2012 –   5 StR 307/10 (alt: 5 StR 263/08) zur Feststellung einer Pauschgebühr nach § 42 RVG: gefragt: Haben die BGH-Strafsenate keine Lust an Gebührenfragen? Die Frage greife ich auf und gebe mir die Antwort: Nein, m.E. haben die Strafsenate des BGH an Gebührenfragen keine Lust, zumindest nicht der 3. Strafsenat. Anders kann ich mir nämlich den BGH, Beschl. v. 17.09.2013 – 3 StR 117/12 – nicht erklären.

Da hatte die Vertreterin der Nebenklägerin eine Pauschgebühr nach § 51 RVG für die Teilnahme an der Revisionshauptverhandlung beantragt, weil sie ihrer Ansicht nach an einer so langen Hauptverhandlung teilgenommen hatte, dass diese Teilnahme nicht mehr von den gesetzlichen Gebühren der Nr. 4132 VV RVG gedeckt war. Dazu nur: Sie hätte es besser nicht getan, denn „bad cases, make bad law“ bzw., ob ihr eine Pauschgebühr gewährt werden musste, ist auch in meinen Augen höchst fraglich. Aber das ist nicht das Problem. Sondern: Der BGH lehnt mit folgender Begründung ab:

„Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 und 3 RVG ist Voraussetzung der Bewilligung einer Pauschgebühr, die über die gesetzlichen Gebühren hinausgeht, dass diese wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache bzw. des betroffenen Verfahrensabschnitts nicht zumutbar sind. Die Bewilligung einer Pauschgebühr stellt dabei die Ausnahme dar; die anwaltliche Mühewaltung muss sich von sonstigen – auch überdurchschnittlichen Sachen – in exorbitanter Weise abheben (BeckOK v. Seltmann/Sommer-feldt/Sommerfeldt, RVG, § 51 Rn. 3, 8 [Stand: 1.8.2013]).

Nach dieser Maßgabe erscheinen dem Senat die gesetzlichen Gebühren der Nr. 4132 VV insbesondere mit Blick auf das geschilderte Auftreten der Rechtsanwältin im Verhandlungstermin durchaus angemessen und ausreichend. Vor- und Nachbesprechungen mit dem Mandanten werden durch die gesetzlichen Gebühren abgegolten; welcher Mehrbedarf aufgrund der psychischen Belastung der Nebenklägerin entstanden sein soll, wird nicht dargelegt. Die Dauer des Hauptverhandlungstermins kann wegen der Einführung des Längenzuschlags nach Nr. 4134 VV bei der Frage des Umfangs im Sinne von § 51 Abs. 1 RVG nicht mehr berücksichtigt werden (BeckOK v. Seltmann/Sommerfeldt/Sommerfeldt, aaO § 51 Rn 10).“

Und die zeigt m.E., dass man an den sich auftuenden Gebührenfragen keine Lust hatte. Denn es stellen sich u.a. folgende Fragen, die der BGH nicht beantwortet:

  1. Zunächst: Der BGH verweist zur Stützung seiner Ausführungen auf einen einzigen (Online)Kommentar. Alles andere, wie z.B. der AnwKomm-RVG, der Gerold/Schmidt, Hartung/Schons/Enders, Burhoff (Hrsg.), RVG, bleiben außen vor. Da sollte man von einem Bundesgericht mehr erwarten dürfen.
  2. Dann: Warum ist das Verfahren nicht „besonders schwierig“ bzw. warum setzt sich der BGH damit nicht auseinander? Anlass dazu hätte m.E. genug bestanden, denn beim Verfahren 3 StR 117/12 handelte es sich um das Vergewaltigungsverfahren, in dem es um die Frage der Verwertbarkeit von Daten aus einem Massengentest ging, die rechtswidrig gewonnen worden waren (vgl. dazu Massengentest – was darf man mit den Ergebnissen anstellen? Dazu jetzt der BGH). Die Entscheidung hat inzwischen ihren Weg in BGHSt gefunden (vgl. BGHSt 58, 84).
  3. Die nächste Frage, die sich stellt und die der Beschluss nicht beantwortet: Warum ist die Wartezeit der Nebenklägervertreterin nicht ggf. doch zu berücksichtigen? Zur Frage der Berücksichtigung von Pausen bei der Berechnung der Hauptverhandlungsdauer ist im Zusammenhang mit den Längenzuschlägen der Pflichtverteidiger in den letzten Jahren eine Menge geschrieben worden. Damit setzt sich der BGH nicht auseinander. Allerdings – das konzediere ich – ist der Sachverhalt „ein wenig ungewöhnlich“.
  4. Offen ist auch die These/Frage, ob die Einführung des Längenzuschlags für den Pflichtverteidiger, der über Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG auch dem Nebenklägerbeistand zusteht, tatsächlich dazu geführt hat, dass die Dauer des Hauptverhandlungstermins bei der Frage des Umfangs i.S. von § 51 Abs. 1 RVG nicht mehr berücksichtigt werden kann. Gerade an der Stelle krankt der BGH-Beschluss m.E. daran, dass er sich dazu nicht mit den dazu vorliegenden Literaturstimmen auseinandersetzt, die das sehr viel differenzierter sehen als die vom BGH angeführte einzige Belegstelle bei „BeckOK v. Seltmann/Sommerfeldt/Sommerfeldt, a.a.O., § 51 Rn 10“.
  5. Als letzte Frage stellt sich, ob für die Bewilligung einer Pauschgebühr die anwaltliche Mühewaltung sich tatsächlich „von sonstigen – auch überdurchschnittlichen Sachen – in exorbitanter Weise abheben muss (so BeckOK v. Seltmann/Sommerfeldt/Sommerfeldt, RVG, § 51 Rn. 3, 8 [Stand: 1.8.2013“]). Das steht zwar so bei Sommerfeldt, aber ist es auch richtig? Die Frage wird in der übrigen Literatur so nicht gesehen. Zutreffend ist es zwar, wenn man davon ausgeht,, dass nach dem RVG die Pauschgebühr die Ausnahme sein soll (dazu BT-Drucks. 15/1971, S. 201 f.). An deren Bewilligungsvoraussetzungen hat sich aber nichts geändert. Hinzugekommen ist lediglich die Frage der „Unzumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren“, die abschließend immer noch nicht geklärt ist und zu der der BGH in seinen Pauschgebührentscheidungen auch „vornehm“ schweigt.

Alles in allem: Der BGH-Beschluss gibt in meinen Augen keine Antworten, sondern hinterlässt nur Fragen. Es wäre besser gewesen, der BGH hätte einen Formularbeschluss gemacht – das sollte doch unter Berücksichtigung seiner „OU-Praxis“ (§ 349 Abs. 2 StPO) kein Problem gewesen sein.

Wer zu früh kommt/beantragt, den bestraft das OLG…

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Als ich den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 22.01.2013 – 2 AR 51/12 – gelesen habe, habe ich gedacht: Den M. Gorbatschow zugeschriebenen Satz: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“, kann man auch abwandeln in: „Wer zu früh kommt (beantragt), den bestraft das Leben/das OLG aber ggf. auch“.

Worum geht/ging es? Der Rechtsanwalt war Pflichtverteidiger des Angeklagter, der vom Vorwurf des Betruges vom LG frei gesprochen worden ist. Nach Bewilligung mehrerer Vorschusszahlungen wurden zuletzt am 6. 6. 2011 die Pflichtverteidigergebühren und Auslagen des Verteidigers festgesetzt. Mit Antrag vom 15. 3. 2012 begehrte der Antragsteller darüber hinaus die Festsetzung und Auszahlung der Differenz zwischen den Mittelgebühren eines Wahlanwalts und den ihm bereits ausbezahlten gesetzlichen Gebühren. Diesem Antrag wurde mit einemKostenfestsetzungsbeschluss vom 28. 3. 2012 in vollem Umfang entsprochen und die Differenz-Gebühren festgesetzt. Mit Schriftsatz vom 5. 4. 2012 beantragte der Verteidiger schließlich die Festsetzung einer die gesetzlichen Gebühren übersteigenden Pauschgebühr. Der Vertreter der Staatskasse ist diesem Antrag, dem nicht zu entnehmen ist, ob er die Bestimmung des § 42 oder diejenige des § 51 RVG zur Grundlage hat, entgegengetreten. Das OLG hat den Antrag zurückgewiesen.

Begründung:

„Mit dieser dreifachen Wahlmöglichkeit ist der Pflichtverteidiger eines freigesprochenen Angeklagten – lässt man die Möglichkeit einer Honorarvereinbarung außer Betracht – besser gestellt als ein Wahlverteidiger. Hat er indessen seine Wahl getroffen und auf einem der aufgezeigten Wege eine gerichtliche Entscheidung erlangt, sind die anderen Möglichkeiten ausgeschlossen. Es liegt auf der Hand, dass einem Verteidiger, dem eine Pauschgebühr gemäß § 51 RVG bewilligt worden ist, nicht auch noch eine Pauschgebühr gemäß § 42 RVG zugesprochen werden kann. Gleiches gilt für den umgekehrten Fall. Ferner ist ein Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr gemäß § 42 RVG unzulässig, wenn über einen Antrag auf Festsetzung der Wahlverteidigergebühren abschließend entschieden ist (Thüringer OLG Rpfleger 2008, 98 und 2011, 177f.; OLG Celle StraFo 2008, 398; OLG Bamberg DAR 2011, 237). Schließlich besteht nach Ansicht des Senats keine Möglichkeit der Bewilligung einer Pauschgebühr gemäß § 51 RVG, wenn dem Antrag die Bestimmung und antragsgemäße Festsetzung der Wahlverteidigergebühren gemäß §§ 52, 14 RVG vorangegangen ist. Denn wenn der Verteidiger gemäß § 14 RVG nach eigenem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände, zu denen auch die für die Bewilligung einer Pauschgebühr gemäß § 51 RVG maßgeblichen Kriterien, Umfang und Schwierigkeit der Tätigkeit des Rechtsanwalts, an erster Stelle gehören, die für angemessen erachteten Gebühren verbindlich bestimmt hat, ist kein Raum mehr für die Annahme, diese Gebühren seien für ihn unzumutbar.“

Ich bin mir noch nicht sicher, ob das OLG damit richtig liegt und ob nicht die Unterschiede zwischen dem Anspruch des Angeklagten und dem eigenen Anspruch des Verteidigers auf die gesetzlichen Gebühren, wozu ja auch die Pauschgebühr gehört, verwischt werden. Für § 42 RVG folge ich dem OLG, bei § 51 RVG kann man es m.E. auch anders sehen. Jedenfalls: Was lernt man daraus als Verteidiger? Man muss sich schon genau überlegen, welchen Antrag man wann stellt. Ist das Bestimmungsrecht aus § 14 RVG erst einmal ausgeübt, dann war es das.

Und das kann ärgerlich sein. Vor allem, wenn man dann im OLG, Beschluss auch noch liest: „Im vorliegenden Fall hat der Verteidiger die Mittelgebühren, die einem Wahlverteidiger zustehen würden, bestimmt; von der hier nicht fern liegenden Möglichkeit, höhere Gebühren zu bestimmen, hat er keinen Gebrauch gemacht…“ :-(. Der letzte Satz musste nicht sein ….

Haben die BGH-Strafsenate keine Lust an Gebührenfragen?

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Es ist sicherlich hilfreich für Verteidiger, Gerichte und Staatsanwälte, dass der BGH seine Rechtsprechung auf seiner Homepage online stellt. Nur manchmal frage ich mich: Lieber BGH, was soll mir dieser Beschluss sagen? Das ist immer dann der Fall, wenn sich aus den „Begründung“ nicht entnehmen lässt, was nun eigentlich entschieden worden ist und warum. Beispiel dafür sind die „OU-Beschlüsse“ des BGH, also Verwerfungen nach § 349 Abs. 2 StPO, in denen i.d.R. keine weitere Begründung enthalten ist oder nur auf die zutreffende Stellungnahme des GBA verwiesen wird.

In die Kategorie gehören – leider – häufig auch die Beschlüsse des BGH, in den nach den §§ 42, 51 RVG eine Pauschgebühr festgestellt/festgesetzt wird. Auch die sind – wenn überhaupt – meist äußerst knapp begründet. Das finde ich als Gebührenrechtler natürlich nicht gut. Denn ich wäre über das ein oder andere Wort des BGH zu Streitfragen bei diesen Vorschriften froh.

Ein Beispiel ist der BGH, Beschl. v. 19.06.2012 –   5 StR 307/10 (alt: 5 StR 263/08) zur Feststellung einer Pauschgebühr nach § 42 RVG:

Dem Wahlverteidiger der Verurteilten L. steht für dessen Tätigkeit im Revisionsverfahren eine Pauschgebühr in Höhe von 2.200 € zu.
G r ü n d e
Der Wahlverteidiger hat die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23. November 2007 begründet sowie am 24. Juni und 9. Juli 2009 an der Revisionshauptverhandlung teilgenommen.
Gemäß § 42 Abs. 1 RVG war eine Pauschgebühr für die Tätigkeit im Revisionsverfahren festzustellen, welche aufgrund der Schwierigkeit des Verfahrens in Höhe von 2.200 € festzusetzen war.“

Man sieht der BGH hüllt sich in Schweigen. Dabei hätte ich u.a. folgende Fragen:

  1. Warum war das Verfahren schwierig? OK, 5 StR 263/08 war zumindest nicht einfach.
  2. Welche Kriterien haben ggf. sonst noch eine Rolle gespielt?
  3. War  das Verfahren aber so schwierig, dass die gesetzlichen Gebühren unzumutbar waren? Warum?
  4. Wie komm der BGH auf die Feststellung der 2.000 €? Die Pauschgebühr nach § 42 ist nach dessen Abs. 1 Satz 4 RVG doch auf das Doppelte der Wahlanwaltshöchstgebühr begrenzt. Die dürfte hier, da der BGH ja nur eine Pauschgebühr für die Teilnahme an der Revisionshauptverhandlung festsetzt/-stellt (Nr. 4132, 4133 VV RVG) und auch nur festsetzen/-stellen kann – alles andere bleibt beim zuständigen OLG – 470 € bzw. 587,50 € betragen haben. Also Pauschgebühr nach § 42 Abs. 1 Satz 4 RVG maximal: 940 € oder 1175 €. Wieso dann aber 2.000 €. Gilt das § 42 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht für den BGH? M.E. ist der Beschluss an dieser Stelle schlicht falsch.

Also Fragen über Fragen, auf die der Beschluss Antworten schuldig bleibt. Warum? Manchmal hat man den Eindruck, dass die BGH-Senate an diesen „Gebührengeschichten“ keine Lust haben und sich deshalb so knapp fassen. Aber richtig sollte es schon sein (Mitlesende Verteidiger: Was Recht ist, muss Recht bleiben, auch wenn es der Kasse weh tut).

Pauschgebühr im Bußgeldverfahren über Geldbuße von 18.5 Mio €, ja, aber..

Eine Pauschgebühr im Bußgeldverfahren? Ja, aber nicht nach § 51 RVG, sondern nach § 42 RVG für den Wahlanwalt – sicherlich ebenso ungewöhnlich. Wenn man sich allerdings den Sachverhalt des OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.04.2012 – III 3 RVGs 11/12 – ansieht, dann dürfte die Entscheidung in Ordnung gehen.

Der Rechtsanwalt hatte eine Nebenbetroffene in einem Kartellbußgeldverfahren als Wahlverteidiger vertreten. In dem Verfahren hatte das Bundeskartellamt durch Bußgeldbescheid eine Geldbuße in Höhe von 18,5 Mio € sowie eine weitere in Höhe von 350.000 € gemäß § 30 OWiG festgesetzt. Tatvorwurf war, dass die damals verantwortlichen Vorstandsmitglieder der Nebenbetroffenen ab 1999 bis 2002 an wettbewerbsbeschränkenden Absprachen im Rahmen eines Kartells zur Festsetzung von Maßnahmen zu Prämienerhöhungen in der industriellen Sachversicherung bzw. Transportversicherung beteiligt gewesen seien. Das Bußgeldverfahren gegen die Nebenbetroffene war aus einem Verfahren abgetrennt worden, welches sich gegen 17 Beteiligte richtete. Die Nebenbetroffene ist vom OLG  frei gesprochen worden. Die dagegen von der GStA eingelegt Rechtsbeschwerde hat der BGH als unbegründet verworfen.

Und der Rechtsanwalt beantragt  nun,  „die notwendigen Auslagen der Nebenbetroffenen mit 2.319,43 € festzusetzen und ihm darüber hinaus eine Pauschvergütung in Höhe von zusätzlich 4.426,80 Euro zu bewilligen“. Das OLG  hat dem Rechtsanwalt anstelle der gesetzlichen Gebühren nach § 42 RVG eine Pauschgebühr in Höhe von 2.740 Euro „bewilligt“. Soweit – so gut. Die Begründung des OLG Beschlusses ist zutreffend.

Nur: Der Tenor der Entscheidung des OLG hat mich dann doch erstaunt/irritiert. Das OLG hat dem Verteidiger nämlich  „anstelle der gesetzlichen Gebühren …. eine Pauschgebühr in Höhe von 2.740 Euro bewilligt“. Wieso „bewilligt“? Im Verfahren nach § 42 RVG wird vom OLG keine Pauschgebühr „bewilligt“, sondern durch unanfechtbaren Beschluss „festgestellt“. Der ist dann Grundlage für das (anschließende) Kostenfestsetzungsverfahren und hat dort nach § 42 Abs. 4 RVG bindende Wirkung. Das hatte aber auch der Verteidiger wohl schon nicht richtig gesehen, da er beantragt hatte, „die notwendigen Auslagen der Nebenbetroffenen mit 2.319,43 € festzusetzen und ihm darüber hinaus eine Pauschvergütung in Höhe von zusätzlich 4.426,80 Euro zu bewilligen“. Es wird im Verfahren nach § 42 RVG nämlich nicht „zweispurig gefahren“ sondern: Die Pauschgebühr wird vom OLG „festgestellt“ und muss dann vom Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 42 Abs. 4 RVG festgesetzt werden. Es handelt sich bei der Pauschgebühr nach § 42 RVG nicht um eine dem Verteidiger besonders zustehende Gebühr wie die Pauschgebühr nach § 51 RVG, sondern es sind die dem Betroffenen/Angeklagten aus der Staatskasse zu erstattenden Auslagen in Höhe der vom OLG festgestellten Gebühr festzusetzen.

Na ja, macht das OLG ja auch nicht jeden Tag: Pauschgebühren nach § 42 RVG.

Dazu dann wie meist der Hinweis auf unseren Kommentar zurm RVG. Da kann man das bei § 42 RVG alles nachlesen.