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„Rechtfertigt veraltete Hard-/Software einen Grundrechtseingriff?“ – natürlich nicht…

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Mit einer interessanten musste sich vor einiger Zeit das OLG Köln befassen. Da hatte das Zollkriminalamt Köln in der Zeit vom 23. 3. bis 31. 5. 2011 eine Maßnahme zur präventiven Telekommunikationsüberwachung nach §§ 23a ff. ZFdG (Gesetz über das Zollkriminalamt und die Zollfahndungsämter (Zollfahndungsdienstgesetz – ZFdG – v. 16.08.2002) gegen verschiedene Beteiligte durchgeführt. Grund der Maßnahme war der Verdacht, dass eine Auswuchtmaschine, ein Impuls Magnetizer und Vakuumpumpen für das Atomprogramm eines ausländischen Staates beschafft werden sollten. Gleichzeitig wurde auch ein Strafverfahren gegen einen Beteiligten eingeleitet. Dieser beauftragte den beschwerdeführenden Rechtsanwalt mit seiner Verteidigung. Im Zeitraum vom 5. 5. bis zum 17. 5. 2011 war auch die Kommunikation mit dem beschwerdeführenden Rechtsanwalt von der Überwachungsmaßnahme betroffen, und zwar sowohl Telefonate als auch sog. IP-basierte Kommunikation, zu der jedenfalls E-Mails gehörten.

Die Gesprächsdaten wurden am 15. 7. 2011 gelöscht. Die Löschung der Internetkommunikation war zunächst nicht erfolgreich. Vielmehr wurden diese Daten erst im Juli 2012 gelöscht. Der Verteidiger hat, nachdem er von der Maßnahme benachrichtigt worden war, unter dem 13. 12. 2011 die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Maßnahme beantragt und dabei u.a. geltend gemacht, dass alle die Verteidigerkommunikation betreffenden Daten gelöscht werden müssten. Das LG hat die Rechtmäßigkeit der Anordnung der Überwachungsmaßnahme sowie der Art und Weise ihres Vollzugs festgestellt. Nachdem das Zollkriminalamt unter dem 11. 7. 2012 mitgeteilt hat, dass die der Beschwerde zugrundeliegende Kommunikation inzwischen gelöscht worden sei, hat der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde noch beantragt, festzustellen, dass schon die Erhebung seiner Daten in dem Zeitraum 5. 5. 2011 bis 17. 5. 2011 rechtswidrig war. Das Rechtsmittel hatte beim OLG teilweise Erfolg.

Das OLG Köln befasst sich in dem dazu ergangenen OLG Köln, Beschl. v. 22.03.2013 – 16 Wx 16/12 – befasst sich zunächst mit der Anordnung der Maßnahme und der Erhebung der Daten. Insoweit erfolgt keine Beanstandung der der auf § 23a ZFdG gestützten Maßnahme. Auf diese wendet das OLG wegen der Parallelen zu § 160a StPO und § 100a StPO („Telefonüberwachung“ im Strafverfahren) die Rechtsprechung des BVerfG zu diesen Vorschriften, insbesondere zur sog. Echtzeitkontrolle und zum Kernbereich an (vgl. zu § 160a StPO Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 6. Aufl., 2013, Rn. 722 ff., und zu den §§ 100a ff. StPO Burhoff, EV, Rn. 2679; zum Kernbereich Rn. 2767 ff.; vgl. dazu BVerfG NJW 2012, 833 = StRR 2012, 57 m. Anm. Lorenz; zur Kritik an dieser Rechtsprechung (vgl. Burhoff, EV, Rn. 2768).

Beim Vollzug der Maßnahme findet das OLG aber ein Haar in der Suppe. Nach Auffassung des OLG war der Vollzug der Maßnahme nämlich insoweit rechtswidrig, als das Zollkriminalamt unter Verstoß gegen § 23a Abs. 5 ZfDG die geschützte Kommunikation des Betroffenen mit dem Beschwerdeführer nicht unverzüglich gelöscht habe, sondern die Löschung der internetbasierten Kommunikation erst mehr als ein Jahr nach Erhebung der Daten erfolgt sei.

„Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern. Dabei kann grundsätzlich in engen Grenzen auch Berücksichtigung finden, inwieweit die kurzfristige Löschung der geschützten Kommunikation technisch überhaupt möglich ist. Die vom Zollkriminalamt geltend gemachten technischen Schwierigkeiten, gezielt nur die geschützte Kommunikation zu löschen ohne auch andere, nicht dem Schutz des § 23a Abs. 5 ZfDG unterliegende Daten mit zu löschen, rechtfertigen das Aufschieben des Löschens indes nicht.

Es handelt sich um behebbare Schwierigkeiten, wie der Umstand zeigt, dass nach Angaben des Zollkriminalamts die Daten inzwischen gelöscht worden sind. Auch das vom Zollkriminalamt vorgelegte Schreiben des Softwareherstellers E. vom 22.7.2011 zeigt, dass es technisch möglich wäre, die geschützte Kommunikation zu löschen und das Problem in der Hardware- und Software-Ausstattung des Zollkriminalamts liegt. Nach diesem Schreiben setzen – Stand Juli 2011 – die „fachlichen Anforderungen des Zollfahndungsdienstgesetzes zur Kernbereichsbehandlung die Version 1.90 der TKÜ-Auswertsoftware voraus.“ Diese Software könne (nur) deshalb nicht installiert werden, weil die vom Zollkriminalamt eingesetzten „betagten“ Server und das dort installierte Betriebssystem von der Software nicht unterstützt würden.

Soweit für die Löschung eine andere technische Ausstattung (Hardware, Betriebssystem, aber auch Software) als beim Zollkriminalamt vorhanden erforderlich ist, rechtfertigt dies nicht die Speicherung der geschützten Daten. Vielmehr muss das Zollkriminalamt, um den Anforderungen des Gesetzes und der Verfassung nachzukommen, notfalls auf andere Hard- oder Software zurückgreifen. Insoweit ergibt die Abwägung den Vorrang der Interessen des Beschwerdeführers am Schutz der Verteidigerkommunikation vor rein fiskalischen Erwägungen. Die technische Ausstattung muss den (verfassungs)rechtlichen Vorgaben entsprechen. Verwaltungsinterne Probleme bei der Beschaffung der erforderlichen Hard- und Software rechtfertigen keinen Grundrechtseingriff.

Dem kann man m.E. nur beipflichten. Veraltete technische Ausstattung rechtfertigt eben keinen Grundrechtseingriff. Da muss eben die entsprechende Hard- und Software beschafft werden.

Anmerkung:

  • Die Entscheidung ist zu § 23a ZFdG ergangen, hat aber wegen des „Gleichklangs“ Auswirkungen auch auf die Telefonüberwachung und den „großen Lauschangriff“.
  • Und persönlich: Für mich einen auf den ersten Blick überraschende Entscheidung. Nicht wegen des Ergebnisses, sondern wegen der rechtlichen Grundlage und Vorschriften, die vom OLG Köln angewendet worden sind. Denn ich habe mich nach dem ersten Blick auf den den Verfahrensgegenstand – eine Maßnahme der Telefonüberwachung – gefragt: Wieso ein Rechtsmittel nach dem FamFG und nicht nach der StPO? Nun dann ein Blick in das „Gesetz über das Zollkriminalamt und die Zollfahndungsämter (Zollfahndungsdienstgesetz – ZFdG)„ vom 16. 8. 2002 (BGBl. I S. 3202), das zuletzt im Jahr 2012 geändert worden ist (vgl. BGBl. I S. 1566) und man ist  schlauer. Denn danach richtet sich das Verfahren nach dem ZFdG nach dem FamFG, so dass sich also die eingelegte sofortige Beschwerde nach den §§ 1, 58 FamFG richtete. Ich räume ein, dass mir das bisher entgangen war.

 

Vogelhaltung in der U-Haft zulässig?

Der Angeklagte befindet sich nach einer noch nicht rechtskräftigen Verurteilung wegen Betruges in U-Haft. Er beantragt die Erlaubnis zum Halten eines Wellensittichs mit Vogelbauer. Das wird von der Strafkammer abgelehnt, weil das Halten eines Wellensittichs die anstaltsinternen Abläufe in der Untersuchungshaft störe. Dagegen dann der Antrag auf gerichtliche Entscheidung über den das OLG Köln mit OLG Köln, Beschl. v. 20.12.2012 – 2 Ws 886/12 – entschieden hat. Es hat der Strafkammer Recht gegeben:

Die Strafkammer hat mit der angefochtenen Entscheidung zu Recht die von dem Beschwerdeführer beantragte Vogelhaltung aus Gründen der Anstaltsordnung abgelehnt.

Die sowohl vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerdebegründung als auch von der Strafkammer in ihrem Nichtabhilfebeschluss in Bezug genommene Rundverfügung des Justizministeriums vom 21.12.1976 (4565 – IVA4) regelt zwar grundsätzlich nur den Besitz von Gegenständen für die Freizeitbeschäftigung im Strafvollzug. Die Regelungen zur Kleintierhaltung können indes zur Auslegung der an die Anstaltsordnung anzulegenden Maßstäbe herangezogenen werden.

Nach Nr. 1.2.1 der Rundverfügung wird die Erlaubnis zur Vogelhaltung frühestens zwei Jahre nach Beginn des Strafvollzuges erteilt, vorausgesetzt, dass zu diesem Zeitpunkt noch mindestens ein Jahr Strafe zu verbüßen ist. Von dieser Frist kann gemäß Nr. 1.3 der Rundverfügung abgewichen werden, wenn therapeutische Gesichtspunkte oder andere wichtige Vollzugsgründe dies erfordern. Gemäß Nr. 1.5.1 müssen Wellensittiche aus einem veterinärärztlich kontrollierten psittakose- und ornithosefreien Bestand erworben werden. Weiter ist gemäß Nr. 1.5.2 der örtlich zuständige Veterinärarzt zu bitten, die Vogelhaltung in der Vollzugsanstalt in regelmäßigen Abständen auf ihre hygienische Unbedenklichkeit zu überprüfen; seinen Vorschlägen ist Folge zu leisten.

Die Regelungen der Nummern 1.5.1 und 1.5.2. sollen gewährleisten, dass die Vogelhaltung keine Beeinträchtigung der hygienischen Verhältnisse nach sich zieht und keine Krankheitserreger eingeschleust werden. Diese Gesichtspunkte sind im Untersuchungshaftvollzug gleichermaßen zu beachten und ihnen ist daher im gleichen Maße Rechnung zu tragen. Der mit der veterinärärztlichen Überprüfung der hygienischen Unbedenklichkeit sowie dem Nachweis eines Erwerbs aus einem veterinärärztlich kontrollierten psittakose- und ornithosefreien Bestand verbundene organisatorische Aufwand ist nur gerechtfertigt, wenn noch bestimmte Fortdauer des Vollzugs zu erwarten ist (arg. ex Nr. 1.2.1 der Rundverfügung). Zutreffend hat die Strafkammer in ihrem Nichtabhilfebeschluss daher darauf abgestellt, dass der mit der Vogelhaltung verbundene organisatorische Aufwand angesichts der Ungewissheit der Länge des Untersuchungshaftvollzugs unverhältnismäßig und mit der Anstaltsordnung nicht vereinbar ist.

Soweit die Vogelhaltung im Strafvollzug aus therapeutischen Gesichtspunkten auch abweichend von den Fristenregelungen der Nr. 1.2.1 gewährt werden kann, rechtfertigen die therapeutischen Gesichtspunkte indes kein Abweichen von den veterinärärztlichen Kontrollen. Da aber gerade der damit verbundene organisatorische Aufwand einer Vogelhaltung im Untersuchungshaftvollzug entgegensteht, vermag der Beschwerdeführer mit seiner hierauf gestützten Beschwerde nicht durchzudringen.“

„Wie gewonnen, so zerronnen?“ – die Anrechnung der Pflichtverteidigergebühren nach Freispruch

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Und dann schieben wir gleich noch eine weitere gebührenrechtliche Entscheidung hinterher, nämlich den OLG Köln, Beschl. v. 04.02.2012 – 2 Ws 837/12. Der setzt sich mit der Frage des Umfangs der Anrechnung der Pflichtverteidigergebühren auf die Wahlanwaltsvergütung nach teilweisem Freispruch auseinander. Das OLG Köln ist der Auffassung, dass der Anspruch des gerichtlich bestellten Verteidigers gegen den Beschuldigten auf Zahlung der Wahlverteidigergebühren nach teilweisem Freispruch oder sonstigem teilweisen Obsiegens des Beschuldigten nicht nur in Höhe des darauf entfallenden Anteils entfällt, sondern in Höhe der gesamten gezahlten Pflichtverteidigergebühren. Die Frage ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Das OLG hat sich der wohl h.M. angeschlossen, die übrigens auch von Volpert in Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl. 2012, vertreten wird, und hat damit seine frühere Rechtsprechung aufgegeben:

„Zur Frage des Umfangs der Anrechnung der Pflichtverteidigergebühren werden zwei unterschiedliche Auffassungen vertreten.

Die eine Auffassung hält die vollständige Anrechnung für geboten und begründet dies mit dem Wortlaut des § 52 Abs. 1 S.2 RVG, der – ebenso wenig wie die Vorgängerregelung in § 100 BRAGO – nicht danach unterscheidet, ob die Landeskasse Pflichtverteidigergebühren gezahlt hat, die auf den Verfahrensteil entfallen, für den dem Beschuldigten ein Erstattungsanspruch zusteht. Auch sonst knüpften die Gebührentatbestände an das Verfahren im jeweiligen Rechtszug insgesamt an und nicht an einzelne Tatvorwürfe oder an abstrakte Kostenquoten.

Es werde lediglich das ansonsten durch Aufrechnung der Staatskasse mit Verfahrenskosten erzielbare Ergebnis vorweggenommen. (so : OLGe Düsseldorf, Beschluss vom 24.02.2010 – III-1 Ws 700/09-; Hamburg, Beschluss vom 03.09.2007 – 2 Ws 194/07 -, zitiert bei juris; Frankfurt in NStZ-RR 2008,264; zum Recht der BRAGO: OLGe Hamburg, Rpfleger 1999,413; Saarbrücken Rpfleger 2000, 564; weitere Nachweise bei Burhoff-Volpert, Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., § 52 RVG Randn. 58).

Die gegenteilige Auffassung hält die vollständige Anrechnung der Pflichtverteidigergebühren für ungerechtfertigt, weil so der Erstattungsanspruch eines teilweise freigesprochenen Angeklagten häufig ins Leere gehe, was mit dem sich aus § 465 Abs. 2 StPO ergebenden Grundgedanken unvereinbar sei, dass der Angeklagte kostenmäßig so zu stellen sei, wie er gestanden hätte, wenn allein die zur Verurteilung führende Tat Gegenstand des Verfahrens gewesen wäre ( vgl. OLGe Celle NJW 2004,2396; Oldenburg StraFo 2007,127; Düsseldorf – 3. Strafsenat – NStZ-RR 1999,64 ).

Der Senat, der die Streitfrage bisher nicht zu entscheiden hatte, schließt sich der zuerst genannten Auffassung an. Soweit er in einer älteren Entscheidung zum Recht der BRAGO eine andere Ansicht vertreten hat (SenE vom 10.05.1994 – 2 Ws 84/94 ), hält er hieran nicht fest. Dem Einwand der Gegenmeinung, die volle Anrechnung der Pflichtverteidigergebühren würde in Teilfreispruchfällen den Erstattungsanspruch des Angeklagten gegen die Staatskasse unterlaufen, ist zum einen entgegenzuhalten, dass die gesetzliche Verrechnungsbestimmung des § 52 Abs. 1 S.2 RVG lediglich ein Ergebnis vorwegnimmt, das andernfalls durch Aufrechnung eintreten würde. Das Argument, der Erstattungsanspruch laufe bei voller Anrechnung der Pflichtverteidigergebühren ins Leere, greift zu kurz, da der Verurteilte infolge der Anrechnung von den Pflichtverteidigergebühren entlastet wird, die er der Staatskasse gem. Nr. 9007 KV – Anl. 1 zu § 3 Abs. 2 zum GKG – als Kosten des für das Verfahren gerichtlich bestellten Verteidigers schuldet. Dass der rechtsunkundige Laie die Rechtslage nicht nachvollziehen kann (so OLG Oldenburg StraFo 2007,127), ist kein tragfähiges Gegenargument.

Zum anderen kann die Anwendung der Differenztheorie bei Teilfreisprüchen auch in anderen Fällen zum vollständigen Entfallen des Kostenerstattungsanspruchs führen, so etwa wenn ausscheidbare Mehrkosten für den Freispruchfall nicht feststellbar sind (zu einem solchen Fall s. Senat, Beschluss vom 04.01.2013 – 2 Ws 859/12).“

Sechs Nächte sind sieben Tage, oder?

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Dieses Posting passt ganz gut zu meiner „Reise“ :-).

M.E. an sich klar: Sechs Nächte sind sieben Tage, oder? Zumindest bei einer Reise, weil da An- und Abreisetag meist mitgerechnet werden und man eben nicht sieben Tage lang 24 Stunden am Reiseort ist. Das hatte aber die Antragstellerin in einem wettbewerbsrechtlichen Streit, der jetzt durch den OLG Köln, Beschl. 22.01.2013 – v. 6 W 17/13 sein Ende gefunden hat, anders gesehen. Sie hatte argumentiert, dass bei dem Angebot einer siebentägigen Reise diese tatsächlich sieben Tage (entsprechend 7 x 24 Stunden) dauern müsse und wenn nicht, sei das irreführende Werbung.

Anders das OLG Köln in seinem Beschluss:

„Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher bei dem Angebot einer siebentägigen Reise nicht erwartet, dass diese tatsächlich sieben Tage (entsprechend 7 x 24 Stunden) dauert. Vielmehr ist es bei Reisen üblich, dass sowohl der Anreise- als auch der Abreisetag als Reisetage mitgezählt werden, so dass von einer siebentägigen Reise bereits dann gesprochen werden kann, wenn diese sechs Übernachtungen umfasst. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Reiseangebot – wie bei dem der Antragsgegnerin – optional auch An- und Abreise umfasst. Die Überlegungen der Antragstellerin zu einer möglichen Anreise per Flugzeug, wie sie die Antragsgegnerin bei der angebotenen Reise als weitere Option neben der Anreise mit der Bahn anbietet, führen zu keinem anderen Ergebnis. Auch in diesem Fall wird die Anreise – mit Reise zum Startflughafen, Check-In, reiner Flugzeit, Transfer vom Zielflughafen zum Schiff – einen erheblichen Teil des Anreisetages in Anspruch nehmen; für die Abreise gilt nichts anderes.

Durch diesen Umstand unterscheidet sich die hier zu beurteilende Werbung auch von der, der der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung des OLG Hamm (Urteil vom 5. 8. 1986 – 4 U 176/86NJW-RR 1987, 423; ähnlich LG Köln, Urteil vom 28. 6. 1988 – 31 O 117/88GRUR 1989, 130) zugrundelag. Diese Entscheidungen betrafen Busreisen, bei denen – jedenfalls regelmäßig – eine zeitaufwendige Anreise zum Start- und Endpunkt der Reise nicht erforderlich war. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Entscheidung, ob sich, wie die Antragsgegnerin vorprozessual vortragen ließ, die Verkehrsauffassung seit Erlass dieser Entscheidungen geändert hat.“

Schön, dass das OLG das auch so sieht. Dann bin ich also ein „durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher

 

Berufung der StA – (doch) kein Pflichtverteidiger?

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In der Praxis wird i.d.R. dann, wenn die StA gegen ein freisprechendes Urteil mit dem Ziel der Verurteilung Berufung einlegt, dem Angeklagten ein Pflichtverteidiger nach § 140 Abs. 2 StPO beigeordnet. Man geht davon aus, dass die Sache dann i.d.R. „schwierig“ ist.

Anders sieht es jetzt das OLG Köln, Beschl. v. 02.02.2012 – 2 Ws 91/12:

Der vorliegende Fall ist jedoch so gelagert, dass eine Ausnahme vom Regelfall anzunehmen ist, weil der Angeklagte wegen der einfachen Sachlage keines juristischen Beistands bedarf. Die Staatsanwaltschaft hat das Rechtsmittel nicht eingelegt, weil sie die erhobenen Beweise anders würdigt als die erste Instanz, sondern weil sie die Auffassung vertritt, das Amtsgericht habe es versäumt, die Zeugen PK’in Ka. und K. zu vernehmen. Die Strafkammer hat zu der auf den 22.02.2012 anberaumten Hauptverhandlung neben dem erstinstanzlich vernommenen Zeugen PK M. auch die Zeugen PK’in Ka. und K. geladen. Damit wird nunmehr die alle Beweismittel erschöpfende Beweisaufnahme durchgeführt, die eigentlich bereits in erster Instanz sachgerecht und geboten gewesen wäre. Im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens war aber eine Beiordnung nach Maßgabe des § 140 Abs. 2 StPO ersichtlich nicht erforderlich – und ist im Übrigen von dem Angeklagten auch nicht beantragt worden. Eine abweichende Aussage des in erster Instanz vernommenen Zeugen PK M., der den Angeklagten als Verkäufer der Betäubungsmittel nicht identifizieren konnte, ist nicht zu erwarten, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt die Beweiswürdigung keine besondere Schwierigkeit aufweist. Schließlich ist auch nicht deshalb eine notwendige Verteidigung zu bejahen, weil die Berufungsbegründung auf das gegen den Zeugen K. geführte Strafverfahren verweist. Das Hauptverhandlungsprotokoll vom 24.05.2011 in der Strafsache gegen den Zeugen K. kann in der Berufungshauptverhandlung genauso wie das gegen den Zeugen K. ergangene Urteil verlesen werden. Ausweislich des Protokolls hat der Zeuge die ihm zur Last gelegte Straftat umfassend eingeräumt, ohne Angaben zur Person des Verkäufers der Betäubungsmittel zu machen; auch insoweit ist eine abweichende Aussage ausgeschlossen. Demnach ist auch der den Zeugen K. betreffende Sachverhalt so einfach gelagert, dass in der Hauptverhandlung Fragen dazu gestellt werden können, ohne dass eine sachgerechte Verteidigung vorherige Gewährung von Akteneinsicht erfordern würde. Der vorliegende Fall rechtfertigt somit eine andere Beurteilung als der der o.a. Senatsentscheidung vom 20.05.2003 zugrunde liegende Sachverhalt.“

Na ja, kann man auch anders sehen.