Schlagwort-Archive: OLG Köln

Warum braucht die StA 7 Monate, um sich nicht zu erklären? oder: Schon unfassbar….

© J.J.Brown - Fotolia.com

© J.J.Brown – Fotolia.com

Beginnen wir die neue Woche mit Haftrecht. Und dazu macht der OLG Köln, Beschl. v. 29.02.2016 – 2 Ws 60/16, den (unschönen) Auftakt. Es geht um die Verletzungs des Beschleunigungsgrundsatzes im Rechtsmittelverfahren. Und der war hier „so „dicke“ verletzt, dass das OLG den gegen den Angeklagten bestehenden Haftbefehl wegen gemeinschaftlichen versuchten Totschlags aufgehoben hat. Dem lag folgender Verfahrensablauf zugrunde:

  • Urteil des LG Köln 05.12.2014; Freiheitsstrafe  wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung  7 Jahre und 9 Monate.
  • Nach Revisionseinlegung aller Angeklagten, Fertigstellung des Urteils am letzten Tag der Urteilsabsetzungsfrist, dem 06.02.2015, Fertigstellung des Sitzungsprotokolls am 16.03.2015 sowie Zustellungsverfügung der Vorsitzenden vom 17.03.2015, Zustellung des Urteils den Verteidigern, dem letzten am 13.04.2015.
  • Die Verteidiger haben bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gerügt und die allgemeine Sachrüge auch teilweise ausgeführt. Die letzte Revisionsschrift, die die Verletzung formellen Rechts rügt, ist am 13.05.2015 beim LG eingegangen.
  • Mit Verfügung der Vorsitzenden vom 26.05.2015 sind die Akten der StA, Eingang dort am 28.05.2015, zwecks Abgabe der Revisionsgegenerklärung übersandt worden.
  • Der zuständige Staatsanwalt vermerkt unter dem 17.07.2015, dass er aufgrund der unvorhersehbaren Abordnung eines Kollegen zur Erprobung und weiterer, im Einzelnen näher aufgeführter dringlicher Amtsgeschäfte bisher nicht in der Lage gewesen sei, eine Revisionsgegenerklärung abzugeben. Er werde sich nach seiner Urlaubsrückkehr am 10.08.2015 umgehend dem Verfahren zuwenden. Der Behördenleitung sei diese Situation bekannt; sie sehe sich jedoch aufgrund der angespannten Personalsituation nicht in der Lage, die Stelle des zur Erprobung abgeordneten Kollegen neu zu besetzen.
  • Nach insgesamt neun Sachstandsanfragen des Landgerichts im Zeitraum vom 23.07.2015 bis zum 03.12.2015 hat der zuständige Staatsanwalt am 09.12.2015 die Übersendung der Akten an die Generalbundesanwaltschaft verfügt, eine Revisionsgegenerklärung wurde nicht abgegeben. Im Hinblick auf den erneuten Zeitablauf hat er vermerkt, dass die Prüfung des Revisionsvorbringens erst zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen werden konnte. Vorher sei er hierzu aufgrund vordringlicher Amtsgeschäfte, die er wiederum im Einzelnen aufgeführt hat, nicht in der Lage gewesen.
  • Und dann noch: Die Akten sind aufgrund eines justizinternen Versehens von der StA zunächst wieder an das LG und zurück an die StA übersandt worden. Der für die Übersendung zuständige Rechtspfleger hatte am 16.12.2015 festgestellt, dass das Urteil nicht an alle im Revisionsverfahren tätigen Verteidiger förmlich zugestellt worden war. Er übersandt die Akte deshalb zunächst erneut der Strafkammer. Deren Vorsitzende vermerkte am 22.12.2015, dass infolge der förmlichen Zustellung an jeweils einen Verteidiger eine weitere förmliche Zustellung nicht erforderlich sei, gleichwohl verfügte sie die formlose Übersendung des Urteils an die Rechtsanwälte W und Q. Nach Ausführung dieser Verfügung wurden die Akten zunächst an die StA versandt, wo sie mit Verfügung vom 30.12.2015, die am 14.01.2016 ausgeführt wurde, an die Generalbundesanwaltschaft abgesandt wurden. Eine Antragsschrift der Generalbundesanwaltschaft liegt noch nicht vor. Die Akten wurden am 16.01.2016 dem BGH zur Kenntnisnahme vorgelegt.

Da kann man nur sagen: Noch Fragen zur Beschleunigung? Ich habe sie nicht. Und das OLG Köln hatte sie auch nicht und meint – zutreffend: Die nach Urteilserlass entstandenen Verfahrensverzögerungen gegen das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Beschleunigungsgebot in Haftsachen. Begründung:

  • Die erste vermeidbare Verfahrensverzögerung liegt bereits darin begründet, dass das Protokoll erst am 16.03.2015, mithin über 5 Wochen nach Ablauf  der Urteilsabsetzungsfrist am 06.02.2015, fertiggestellt worden ist. Diese Verzögerung ist als solche auch von Belang, da nach § 273 Abs. 4 StPO das Urteil zuvor nicht zugestellt werden darf und sie sich daher auf die zügige Durchführung des Revisionsverfahrens auswirkt.
  • War bereits diese vermeidbare Verzögerung des Verfahrens im Hinblick auf das Beschleunigungsgebot bedenklich, ist dies jedenfalls in Zusammenschau mit dem Zeitablauf von über 6 Monaten, den die Staatsanwaltschaft für die Prüfung benötigt hat, dass keine Revisionsgegenerklärung abgegeben wird, und den unter II.3.b.cc. ausgeführten Verzögerungen mit dem Grundrecht des Angeklagten auf die Freiheit seiner Person, Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG, nicht mehr vereinbar.
  • Die Akten sind nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist bei der StA am 28.05.2015 eingegangen. Gemäß § 347 Abs. 1 S. 2 StPO hatte die StA Gelegenheit, binnen einer Woche eine schriftliche Gegenerklärung abzugeben. Tatsächlich hat die StA erst mit Verfügung vom 09.12.2015 die Akten der Generalbundesanwaltschaft übersandt, ohne Revisionsgegenklärung. „….Es kann dahingestellt bleiben, ob die Zeit, die die Staatsanwaltschaft zur Überprüfung des Revisionsvorbringens der Angeklagten benötigen durfte, der in § 347 Abs. 1 S. 2 StPO aufgeführte Wochenfrist entsprochen hat. Jedenfalls genügt eine Sachbehandlung, die einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten für die Überprüfung beinhaltet, nicht mehr dem in Haftsachen zu beachtenden Beschleunigungsgebot….“ und: ….Eine Stellungnahme zu den teilweise auf wenigen Seiten ausgeführten Sachrügen war nach Maßgabe der in Nr. 162 (1) der Richtlinien für das Straf- und das Bußgeldverfahren gegebenen Empfehlung nicht erforderlich…..“ und: „…..Ebenso wie sich aus dem Beschleunigungsgebot die Pflicht des Gerichtspräsidenten ableitet, durch Ergreifen geeigneter organisatorischer Maßnahmen die beschleunigte Bearbeitung von Haftsachen sicher zu stellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Dezember 1973 – 2 BvR 558/73 –, zitiert nach juris, Rz. 27), folgt daraus zugleich die Verpflichtung, solche gerichtsorganisatorische Maßnahmen zu unterlassen, die einer beschleunigten Bearbeitung von Haftsachen zuwiderlaufen (vgl. BVerfGE Beschluss vom 29. Dezember 2005 – 2 BvR 2057/05 –, zitiert nach juris, Rz. 69). Dass diese Verpflichtung in gleicher Weise auch für die Staatsanwaltschaft gilt, bedarf nach Auffassung des Senats keiner näheren Darlegung. Die Abordnung eines Kollegen an eine andere Behörde ist daher generell ungeeignet eine Verletzung des Beschleunigungsgebots zu rechtfertigen (BVerfG, a.a.O., Rz 69).“

Fazit des OLG:

„Vorliegend ist insgesamt eine vermeidbare, auf justizinterne Ursachen zurückzuführende Verfahrensverzögerung von über 8 Monaten zu verzeichnen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich der Angeklagte bereits 2 Jahre und 4 Monate in Untersuchungshaft befindet und die Akten erst 1 Jahr und 1 Monat nach Urteilsverkündung der Generalbundesanwaltschaft übersandt worden sind, die naturgemäß noch keine Antragsschrift gefertigt hat, so dass eine Revisionsentscheidung nach den Erfahrungen des Senats frühestens nach mehreren weiteren Monaten zu erwarten sein dürfte, zwingen die aufgezeigten vermeidbaren Verfahrensverzögerungen zur Aufhebung des Haftbefehls und des Haftfortdauerbeschlusses. Auch die – noch nicht rechtskräftige – Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren und 9 Monaten rechtfertigt aufgrund der massiven Verfahrensverzögerungen keine Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05. Dezember 2005 – 2 BvR 1964/05 –, zitiert nach juris, Rz. 106).

Wenn man es liest, denkt man Freiheitsberaubung im Amt durch Unterlassen…. ich weiß, ich weiß, ich brauche dazu keine Kommentare. Aber man ist fassunglos. Vor allem darüber, dass die Akten – es handelt sich um eine Haftssache (!!!!!!!!) – erst mal zwei Monate beim zuständigen StA liegen, der dann mitteilt, dass er jetzt erst mal für mehr als drei Wochen in Uralub fährt und sich dann der Sache widmen wird. Und dann dauert es immer noch bis Weihnachten…..

Strafzumessung III: Die Berücksichtigung ausländischer Verurteilung?, oder: Ja, aber…

entnommen wikidmedi.org CC BY-SA 3.0

entnommen wikidmedi.org
CC BY-SA 3.0

Und dann noch Strafzumessung, die Dritte (vgl. vorher Strafzumessung I: Die vergessenen anwaltlichen Sanktionen…. und Strafzumessung II: Kleiner Grundkurs, oder: Strafschärfung für „einstigen Polizeischüler, der sich über Strafen informiert?). Zur Abwechselung aber mal keinen BGH, Beschluss, sondern den OLG Köln, Beschl. v. 13.11.2015 – 1 RVs 205/15. Es geht um die Berücksichtigung ausländischer Verurteilungen bei einem Angeklagten, der wegen Diebstahls verurteilt worden ist. Dazu hatte das LG ausgeführt:

„Zu Lasten des Angeklagten ist festzuhalten, dass er gleich drei Taten begangen hat, dass die Begehungsweise – das serielle Aufbohren von Terrassentüren mit dafür geeignetem Werkzeug, wobei gleich mehrere Tatobjekte in engem örtlichen Zusammenhang und kurzer zeitlicher Folge angegangen wurden – auf ein überdurchschnittliches Maß an Professionalität schließen lässt und dass der Angeklagte, wenn auch nicht in der Bundesrepublik, bereits erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, unter anderem einschlägig in Belgien, wo er wegen eines im Jahr 2012 begangenen Diebstahls (wenn auch nach der Begehung der hier abzuurteilenden Tat, nämlich im Jahr 2014) immerhin zu einer kurzen Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt wurde, darüber hinaus wurde im Jahr 2005 in seinem Heimatland Lettland (scil.: wegen „Illegal Activities with Financial Instruments and Means of Payment“) eine hohe mehrjährige Haftstrafe (scil.: fünf Jahre und 1 Monat, die bis zum 19. Juni 2009 größtenteils vollstreckt wurden) gegen ihn verhängt. Der Kammer war es nicht möglich, die den Verurteilungen zu Grunde liegenden Sachverhalte genauer zu eruieren. Zu Gunsten des Angeklagten ist deshalb davon ausgegangen worden, dass die Tat(en), die der Verurteilung in Lettland zu Grunde lagen, in Deutschland wesentlich milder bestraft würden. (…)“

Und dazu dann das OLG:

Diese Erwägungen begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, soweit zum Nachteil des Angeklagte ausländische Verurteilungen verwertet worden sind.

a) Zwar dürfen bei der Strafzumessung auch rechtskräftige ausländische Vorstrafen berücksichtigt werden, selbst wenn sie nicht in das Bundeszentralregister eingetragen worden sind (vgl. 54 BZRG). Sie sind zur Bewertung des Vorlebens des Täters i. S. d. § 46 Abs. 2 StGB relevant (BGH NStZ-RR 2012, 305 = StV 2012, 149; BGH NStZ-RR 2007, 368 = StV 2007, 632 = StraFo 2007, 422; Schönke/Schröder-Stree/Kinzig, StGB, 29. Auflage 2014, § 46 Rz. 32; LK-StGB-Theune, 12. Auflage 2006, § 46 Rz. 174). In einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union ergangene Verurteilungen müssen grundsätzlich sogar „mit gleichwertigen tatsächlichen bzw. verfahrens- und materiellrechtlichen Wirkungen versehen werden … wie denjenigen, die das innerstaatliche Recht den im Inland ergangenen Verurteilungen zuerkennt“ (vgl. Art. 3 I i.V.m.Nr. 5 der Erwägungsgründe des Rahmenbeschlusses 2008/675/JI des Rates der Europäischen Union vom 24. 7. 2008 zur Berücksichtigung der in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ergangenen Verurteilungen in einem neuen Strafverfahren und hierzu BGH NStZ 2012, 305; Fischer, StGB, 62. Auflage 2015, § 46 Rz. 38a). Voraussetzung der Verwertung ist allerdings, dass die Tat nach deutschem Recht strafbar und, würde es sich um eine Verurteilung nach deutschem Recht handeln, nicht tilgungsreif wäre. Die bloße Tatbezeichnung der lettischen Verurteilung in englischer Sprache mit „Illegal Activities with Financial Instruments and Means of Payment“ erlaubt mangels näherer Feststellungen zum abgeurteilten Tatgeschehen nicht die sichere Beurteilung, dass die Tat auch nach deutschem Strafrecht strafbar wäre.

Es tritt hinzu, dass das Tatgericht auch die der lettischen Verurteilung zugrunde liegende Tat als „erheblich“ bewertet. Das mag zwar mit Blick auf die empfindliche Bestrafung nicht ganz fernliegen, wenn auch nicht selten ausländische Verurteilungen deutlich härter ausfallen, als dies für vergleichbare Taten in Deutschland der Fall wäre. Die Bewertung der Berufungsstrafkammer entzieht sich aber einer Überprüfung durch den Senat, weil der der Verurteilung zugrunde liegende Sachverhalt nicht mitgeteilt wird. Soweit im Rahmen einer ordnungsgemäßen Strafzumessung Vorbelastungen eines Angeklagten mitberücksichtigt werden sollen, setzt dies aber voraus, dass der Tatrichter diese im Urteil so genau mitteilt, dass dem Revisionsgericht die Nachprüfung ermöglicht wird, ob sie im Hinblick auf ihre Bedeutung und Schwere für die Strafzumessung richtig bewertet worden sind. Neben dem Zeitpunkt der Verurteilung und der Art und der Höhe der Strafen sind daher in der Regel die den als belastend eingestuften Vorverurteilungen zugrundeliegenden Sachverhalte zwar knapp, aber doch in einer aussagekräftigen Form zu umreißen (st. Senatsrechtsprechung,SenE v. 25.02.2011 – III-1 RVs 30/11 -; SenE v. 07.08.2012 – III-1 RVs 136/12 -; SenE v. 02.04.2013 – III-1 RVs 57/13; SenE v. 03.06.2015 – III-1 RVs 81/15 -; SenE v. 25.09.2015 – III-1 RVs 192/15 -). Für eine ausländische Verurteilung kann nichts anderes gelten.

b) Die Einschlägigkeit der belgischen Verurteilung wird von der Berufungsstrafkammer mangels Darstellung des zugrunde liegenden Sachverhalts gleichfalls nicht belegt. Hinzu kommt, dass eine nach den verfahrensgegenständlichen Taten ergangene Verurteilung grundsätzlich nur dann strafschärfend berücksichtigt werden darf, wenn die dieser Verurteilung zugrunde liegende Straftat nach ihrer Art und nach der Persönlichkeit des Täters auf Rechtsfeindschaft, Gefährlichkeit und die Gefahr künftiger Rechtsbrüche schließen lässt (BGH NStZ 2007, 150). Auch hierzu fehlen Feststellungen im Urteil…..“

Eine Fußballkarte für 30.000 €?, oder: Ein teurer Böllerwurf

entnommen wikimedia.org Urheber Amarhgil

entnommen wikimedia.org
Urheber Amarhgil

Passend zu den samstäglichen Fußballbundesliga-Spielen dann das OLG Köln, Urt. v. 17.12.2015 – 7 U 54/15. Das ist die Sache mit dem „Böllerwurf“, der für einen Zuschauer des Spiels 1 FC. Köln/SC Paderborn im Februar 2014 – ja da waren die Paderborner noch in der 1. Fußballbundesliga – einen Böller auf die Nordtribüne des Kälner Fußballstadions geworfen hatte. Der DFB hatte dann später gegen de. 1. FC Köln u.a. auch wegen dieses Wurfs eine Verbandsstrafe über insgesamt 50.000 € festgesetzt. 30.000 € wollte der 1. FC Köln von dem „Fan“/Zuschauer wieder haben und hat den auf Zahlung verklagt. Das LG hatte der Klage statt gegeben, das OLG hat sie dann abgewiesen:

„Es fehlt jedoch an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang. Denn die Verhängung der Verbandsstrafe unterfällt nicht mehr dem Schutzzweck der vom Beklagten verletzten Pflichten.

Nach der Lehre vom Schutzzweck besteht eine Schadensersatzpflicht nur dann, wenn der geltend gemachte Schaden nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzen Norm fällt (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 74. Aufl., 2015, vor § 249 Rn. 29 m.w.N.). Es muss sich um Nachteile handeln, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen oder die verletzte vertragliche oder vorvertragliche Pflicht übernommen worden ist. Der Nachteil muss zu der vom Schädiger geschaffenen Gefahrenlage in einem inneren Zusammenhang stehen; eine bloß zufällige äußere Verbindung genügt nicht. Der Schaden muss auch gerade durch die Pflichtwidrigkeit der Handlung verursacht worden sein.

An diesen Voraussetzungen fehlt es vorliegend.

Maßgeblich für das Verbot des Zündens von Knallkörpern im Stadion und hierdurch verursachter Spielstörungen ist die besondere Gefährlichkeit von Knallkörpern für die menschliche Gesundheit. Zuschauer, Organisationspersonal und Spieler sind durch die mit dem Feuer und der Explosion verbundenen Gefahren gleichermaßen bedroht (vgl. OLG Frankfurt, 3 U 140/10, Urteil vom 24.02.2011). Diese vom Beklagten geschaffene Gefahrenlage hat sich hinsichtlich des geltend gemachten Schadens jedoch nicht realisiert. Realisiert hat sich hierin vielmehr das durch die Unterwerfung der Klägerin unter die Regeln des DFB geschaffene Risiko, dass der Verein für sportliche Vergehen seiner Anhänger die Verantwortung zu übernehmen hat und dementsprechend im Rahmen des Verbandes mit Strafen belegt werden kann (§ 44 der Satzung des DFB, §§ 1 Abs. 4, 9a der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB). Diese Gefahr hat jedoch die Klägerin selbst durch ihre Mitgliedschaft im DFB begründet. Es ist für den Senat nicht zu erkennen, dass der Beklagte als Zuschauer seine Rücksichtnahmepflichten, hier in Gestalt des Verbots des Zündens von Knallkörpern, übernommen hätte, um den Verein (auch) vor Verbandsstrafen zu schützen. Zwar dürfte auch dem Beklagten nicht entgangen sein, dass der DFB dem Verein bei entsprechenden Vorfällen eine Verbandsstrafe auferlegen kann. Insoweit jedoch eine bewusste Übernahme dieses Risikos durch den Beklagten als Zuschauer anzunehmen, erscheint dem Senat zu weitgehend. Die komplexe Rechtslage nach der Satzung des DFB und der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB sowie die möglichen finanziellen Folgen dürften sich dem durchschnittlichen Zuschauer kaum erschließen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Klägerin im Rahmen der Ausgestaltung des Zuschauervertrages das Risiko einer Verbandsstrafe auf den Zuschauer hätte überwälzen wollen. Nach Auffassung des Senats liefert die in den Zuschauervertrag einbezogene Stadionordnung vielmehr einen Hinweis darauf, dass auch die Klägerin bei der von ihr vorgegebenen Vertragsgestaltung nicht unbedingt von einem entsprechenden Schutzzweck bereits der Verhaltenspflichten aus dem Zuschauervertrag ausgegangen sein dürfte. Denn in § 7 Abs. 2 der Stadionordnung findet sich eine ausdrückliche Regelung über eine Vertragsstrafe für den Fall des Abbrennens pyrotechnischer Gegenstände. Danach fällt bei Verstoß gegen § 6 Abs. 3 lit. h (u.a. Abbrennen von Feuerwerkskörpern) eine Vertragsstrafe von bis zu 1.000,00 € an. Zwar findet sich der Hinweis in § 7 Abs. 2 der Stadionordnung, dass weitere Schadensersatzansprüche, Unterlassungsansprüche oder sonstige vertragliche Ansprüche hiervon unberührt bleiben. Doch spricht der Grundsatz der effektiven Vertragsauslegung zunächst dafür, dass der Vereinbarung einer Vertragsstrafe gerade auch für den Fall des Abbrennens von Feuerwerkskörpern eine eigenständige Bedeutung zukommt.

Der Senat verkennt nicht, dass in der weiteren Rechtsprechung überwiegend eine Haftung des störenden Zuschauers für dem betroffenen Verein vom DFB auferlegte Strafen bejaht (vgl. OLG Rostock, 3 U 106/05, Urteil vom 28.04.2006; LG Düsseldorf, 11 O 339/10, Urteil vom 25.08.2011; LG Karlsruhe, 8 O 78/12, Urteil vom 29.05.2012; AG Brakel, 7 C 680/87, Urteil vom 15.06.1988; AG Lichtenberg, 3 C 156/09, Urteil vom 08.02.2010; AG Lingen, 4 C 1222/09, Urteil vom 17.02.2010) und nur ausnahmsweise eine solche abgelehnt wird (vgl. LG Hannover, 2 O 289/14, Urteil vom 26.05.2015). Diese Entscheidungen setzen sich nur zum Teil mit Fragen des Zurechnungszusammenhangs auseinander.“

Damit darf/kann sich dann jetzt in der Revision der BGH befassen. Und der „Fan“/Zuschauer wird dann von dort erfahren, ob es ein ganz teures Spiel für ihn wird.

Geisterfahrer, oder: Wer gegen das Rechtsfahrgebot verstößt, ist nicht automatisch „Geisterfahrer“

© Thaut Images  Fotolia.com

© Thaut Images Fotolia.com

Die Presseberichterstattung befasst sich m.E. recht häufig mit dem Phänomen des sog. Geisterfahrers und den damit meist zusammenhängenden schweren Folgen für andere Verkehrsteilnehmer. Dann handelt es sich allerdings i.d.R. um Verkehrsvorgänge auf einer BAB. In der Rechtsprechung gibt es zu der Problematik nicht ganz so viel Entscheidungen, wie man glaubt. Daher sind die, die sich mit den Fragen befassen, von Interesse. Und dazu gehört der OLG Köln, Beschl. v. 10.12.2015 – III-1 RVs 225/15. Er behandelt allerdings kein Tatgeschehen auf einer BAB, sondern eins im wohl innerstädtischen Verkehr. Dort hatte der Angeklagte versucht, sich einer Polizeikontrolle zu entziehen und hatte eine Verfolgungsfahrt in Gang gesetzt (nun ja, er war „abgehauen“). Bei dieser Verfolgungsfahrt fuhr er in den zweispurigen Gegenverkehr einer Straße ein, auf der er und die anderen Verkehrsteilnehmer nur mit Mühe Zusammenstöße verhindern konnten. Das ist vom AG als fahrlässige Straßenverkehrsgefährdung nach § 315 Abs. 1 Nr. 2e StGB – Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot – gewertet worden. Anders sieht das das OLG:

„Ausweislich der Ausführungen zur rechtlichen Bewertung des Geschehens lastet das Tatgericht dem Angeklagten einen Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot gemäß § 315c Abs. 1 Ziff. 2 lit e) StGB (mit fahrlässiger Gefahrherbeiführung gemäß § 315c Abs. 3 Ziff. 1 StGB) an. Das begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil das Rechtsfahrgebot seinem Sinn nach denjenigen Verkehrsteilnehmer nicht trifft, der – wie hier – entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung fährt (Hentschel/König/Dauer-König, Straßenverkehrsrecht, 43. Auflage 2015, § 315c Rz. 18 aE; LK-StGB-König, 12. Auflage 2009, § 315c Rz.114). Das erhellt zudem aus § 315c Abs. 1 Ziff. 2 lit. f) StGB, der das Fahren entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung unter Strafe stellt, allerdings beschränkt auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen. Diese Beschränkung würde durch die Subsumtion einer „Geisterfahrt“ auf einer sonstigen Straße mit nur einer Fahrtrichtung unter § 315c Abs. 1 Ziff. 2 lit. e) StGB umgangen.“

Aber – und das führt das OLG dann näher aus: Das Verhalten des Angeklagten kann sich als Verstoß gegen § 315c Abs. 1 Ziff. 2 lit. d) StGB – zu schnelles Fahren an unübersichtlichen Stellen – darstellen. Und davon ist das OLG dann aufgrund der Umstände ausgegangen.

Na bitte, geht doch: Pflichtverteidiger im Strafvollstreckungsverfahren

© ogressie Fotolia.cm

© ogressie Fotolia.cm

Auch so ein „Dauerkampfplatz“ im Recht der Pflichtverteidigung ist der Pflichtverteidiger im Strafvollstreckungsverfahren. Leider hat der Gesetzgeber bei Einführung des RVG im Jahr 2004, als die Gebühren in der Strafvollstreckung in Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG eingeführt worden sind, um eine bessere Verteidigung in dem Verfahrensabschnitt sicher zu stellen, nicht den Schritt gemacht und hat gleichzeitig auch die Pflichtverteidiger in der Strafvollstreckung gesetzlich vorgesehen. So ist die Neuregelung ein wenig ein Torso geblieben und es wird nach wie um die Bestellung als Pflichtverteidiger auch in dem Verfahrensabschnitt gekämpft.

Erfolgreich war insoweit ein Kollege beim OLG Köln. Denn das hat ihn im OLG Köln, Beschl. v. 29.12.2015 – 2 Ws 834/15 – zum Pflichtverteidiger im Strafvollstreckungsverfahren bestellt:

„So liegen konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Verurteilte seine Rechte im vorliegenden Vollstreckungsverfahren selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann. Ausweislich der Aktenlage leidet der Verurteilte unter einer angeborenen Lernschwäche, welche u.a. mit Sprach- und Konzentrationsprobleme einhergeht. Der Vorsitzende der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Köln, der von dem Verurteilten in der zu Grunde liegenden Hauptverhandlung einen eingehenden persönlichen Eindruck gewonnen hat, hat dies in einem Verfahren nach § 81g StPO vor wenigen Wochen zum Anlass genommen, die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Pflichtverteidigers gemäß § 140 Abs. 2 StPO als erfüllt anzusehen. Auch wenn eine Beiordnung in dem vorgenannten Verfahren nicht zwangsläufig eine Beiordnung im vor-liegenden Verfahren gemäß § 57 StGB bedingt, ergibt sich hieraus, insbesondere aufgrund des vorhandenen persönlichen Eindrucks von den Fähigkeiten des Verurteilten zur eigenständigen Wahrnehmung seiner Rechte, eine nicht unerhebliche Indizwirkung. Auch der Senat, dem das zu Grunde liegende Verfahren aus vorangegangenen Entscheidungen zur Frage der Fortdauer der Untersuchungshaft bekannt ist, teilt diese Einschätzung des Vorsitzenden der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Köln und schließt sich ihr für das vorliegende Vollstreckungsverfahren an.

Ob darüber hinaus auch die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Beiordnung eines Pflichtverteidigers erfordern würde, brauchte der Senat nicht abschließend zu entscheiden. Die Voraussetzungen wären insoweit unzweifelhaft erfüllt, wenn die Strafvollstreckungskammer die Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens für erforderlich erachten würde und der Verurteilte sich hiermit eingehend auseinandersetzen müsste (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. SenE vom 26.07.2002 – 2 Ws 349/02; vom 24.06.2002 – 2 Ws 291/02 und vom 04.11.2008 – 2 Ws 546-549/08). Ob ein solches Sachverständigengutachten vor dem Hintergrund der in der Hautverhandlung letztlich offen gebliebenen Ursachen für die Tatausführung (pädophile Neigung als Haupt- oder Nebenströmung bzw. Homosexualität, vgl. BI. 27 UA) oder aber aufgrund einer Annahme der Voraussetzung des § 454 Abs. 2 Ziff. 2 StPO für erforderlich erachtet wird, wofür u.a. die fehlende strafrechtliche Vorbelastung, die erstmalige Inhaftierung sowie die seit Beginn des Strafverfahrens gegebene Therapiebereitschaft sprechen könnten, wird die Strafvollstreckungskammer in eigener Zuständigkeit zu prüfen und entscheiden haben.“

Na bitte, geht doch….