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OWi III: Geschwindigkeitsmessung mit Dashcam und GPS, oder: Die bessere Erinnerung des OLG-Senats

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Und als letzte Entscheidung stelle ich dann den OLG Köln, Beschl. v. 29.08.2018 – III-1 RBs 212/18 – vor. In ihm nimmt das OLG Stellung zu einer neuen Messmethode, die die Polizei „kreiert“ und die das AG abgesegnet hatte, nämlich die Geschwindigkeitsmessung mittels Dashcam und GPS. Die Polizeibeamten hatten für die Messung eine in ihrem Fahrzeug vorhandene Dashcam benutzt. Bei der Messung hatten die Polizeibeamten sich auf das GPS-Signal der Kamera gestützt. Das AG hatte die Grundsätze des sog. Nachfahrens angewendet und sich zur Frage der Zuverlässigkeit bzw. der Verwertung von mittels GPS errechneten Geschwindigkeitswerten auf eine Fortbildungsveranstaltung gestützt, auf der ein Mitarbeiter der PtB dazu Stellung genommen hatte. Der hatte die Werte als verwertbar angesehen. Die OLG-Richter, die auch an der Veranstaltung teilgenommen hatten, haben das aber anders gesehen. Sie haben die Rechtsbeschwerde des Betroffenen zugelassen und das AG-Urteil aufgehoben:

„Die von dem Betroffenen in sachlich-rechtlicher Hinsicht beanstandete Beweiswürdigung des Tatgerichts hält einer materiell-rechtlichen Prüfung nicht stand.

Die im angefochtenen Urteil dokumentierten Erkenntnisse aus der Hauptverhandlung bilden keine ausreichende Grundlage für die festgestellte Geschwindigkeit und die Annahme des Amtsgerichts, dass die mittels GPS ermittelte Geschwindigkeit „richtig und verwertbar“ sei.

Zwar ist die Beweiswürdigung grundsätzlich Sache des Tatrichters. Der Beurteilung durch das Rechtsbeschwerdegericht unterliegt insoweit nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist nur dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH NStz-RR 2009, 210 m.w.N.; Oberlandesgericht Bamberg, Beschluss vom 22.10.2015, Az. 2 Ss OWi 641/15, zitiert nach juris, insbesondere Rn. 12). Insbesondere sind die Beweise auch erschöpfend zu würdigen (vgl. BGHSt 29, 18, 19 ff). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Betroffenen zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat.

Soweit das Amtsgericht seine Überzeugung von der Richtigkeit der mittels GPS ermittelten Geschwindigkeit auf Ausführungen des „Sachverständigen Dr. X in einer Fortbildung“ gründet, entbehrt seine Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Priv.-Doz. Dr. X, Leitung Fachbereich Geschwindigkeit, von der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt in Braunschweig hat im Rahmen einer durch den Senat organisierten Fortbildungsveranstaltung für die Bußgeldrichter des hiesigen Bezirks mit dem Titel „Geschwindigkeitsmesstechnik und aktuelle Entwicklungen im Bußgeldrecht“ am 12. März 2018 unter anderem auch – ohne Bezug auf ein konkret anhängiges Bußgeldverfahren – zu Fragen aus dem Teilnehmerkreis nach der Zuverlässigkeit satellitenbasierter Geschwindigkeitsmessgeräte mündlich Stellung genommen. Soweit das Amtsgericht ihn im angefochtenen Urteil in diesem Zusammenhang dahingehend zitiert, der Sachverständige habe „keinerlei Bedenken, die Geschwindigkeitsangaben und die Berechnung der Geschwindigkeit den GPS-Angaben zu entnehmen“, und habe „seinerzeit ausgeführt, dass aus seiner fachlichen Sicht und auch aufgrund seiner langjährigen Erfahrung keinerlei Bedenken, dass diese Angaben selbst und die darauffolgende Berechnung der Geschwindigkeit genauer seien als die Messungen, die von herkömmlichen Geschwindigkeitsmessungen durchgeführt würden“, entspricht eine solche Aussage – jedenfalls in dieser Pauschalität – nicht der Erinnerung der damals anwesenden Senatsmitglieder. Der Senat hat daher Veranlassung gesehen, Herrn Dr. X zu den Ausführungen des Amtsgerichts in den Gründen des angefochtenen Urteils anzuhören, woraufhin er mit E-Mail vom 30. Juli 2018 wie folgt Stellung genommen hat:

„Zunächst zum letzten Absatz auf Seite 64 der Akte, also dort, wo es um die Zuverlässigkeit der GPS-Angaben geht. Hier bin ich tatsächlich missverstanden worden.Es stimmt zwar, dass ich keine Bedenken habe gegen die Zuverlässigkeit von GPS-basierten Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen, jedoch nur, wenn diese gewisse Zusatzvoraussetzungen erfüllen. Insbesondere fordert das Dokument „PTB-Anforderungen PTB-A 18.16 Satellitenbasierte Geschwindigkeitsüberwachungsgeräte“, dass die Angaben aus den GPS-Daten durch ein weiteres System zumindest plausibilisiert werden. In der Veranstaltung bei Ihnen am OLG Köln hatte ich als Beispiel ein Sensorsystem erwähnt, welches das GPS-Signal mit Signalen aus Dreh- und Beschleunigungssensoren koppelt, um so Signalausfälle oder -verfälschungen kompensieren oder wenigstens erkennen zu können. Ich denke, dass es technisch möglich sein könnte, basierend auf solch einem kombinierten Sensorsystem ein komplettes Geschwindigkeitsüberwachungsgerät zu konstruieren, welches die Fehlergrenzen und die weiteren Anforderungen einhält. Das war meine inhaltliche Aussage.“

Davon ausgehend entbehrt die Annahme des Amtsgerichts, die verfahrensgegenständliche Geschwindigkeitsmessung sei zuverlässig und zu Lasten des Betroffenen ohne weitere Sachverhaltsaufklärung verwertbar, einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Der Zeuge PK Q wird im Einklang mit dem Zeugen POK L in den Urteilsgründen dahingehend wiedergegeben, er könne keine Angaben zum Objektiv, zum technischen Gerät insgesamt oder zu Gerätenummer bzw. Benennung des GPS-Senders machen, diese Angaben könnten allerdings sicherlich herausgefunden werden. Das Amtsgericht hat auf dieser Grundlage ohne Kenntnis des Geräteaufbaus und ohne sachverständige Begutachtung der im konkreten Einzelfall gegenständlichen Messung entschieden und eine allgemeine, nicht auf eine konkrete Messung bezogene mündliche Aussage des Herrn Dr. X, die dieser gegenüber dem Senat schriftlich relativiert hat, gleichsam als „Sachverständigenbeweis“ angesehen und zur Grundlage seiner Überzeugungsbildung gemacht. Dies genügt – angesichts der Komplexität der Fragestellung und ihrer Schwierigkeit in technischer Hinsicht nicht den Anforderungen an eine ausreichende Sachverhaltsaufklärung und ordnungsgemäße Überzeugungsbildung, die Grundlage einer Verurteilung sein könnte.“

OWi II: Keine Schuldform im Bußgeldbescheid, oder: Wirksamkeit der Einspruchsbeschränkung

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Und als zweite Entscheidung dann eine zum Bußgeldverfahren. Es handelt sich um den OLG Köln, Beschl. v. 17.07.2018 – 1 RBs 197/18. Im Verfahren ist gegen den Betroffenen ein Bußgeldbescheid wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung um 67 km/h außerorts ergangen. Rechtsfolgen: Geldbuße von 880 € und ein zweimonatiges Fahrverbot. Der Betroffenen legt Einspruch ein. Das AG verurteilt ihn dann wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 600 € und einem Fahrverbot von zwei Monaten.

Verfahrensmäßig interessant: Der Betroffene hatte in der Hauptverhandlung seinen Einspruch auf die Rechtsfolgen beschränkt. Um die Wirksamkeit dieser Beschränkung wird gestritten. Das OLG hat die Beschränkung als wirksam angesehen:

„1. Die Annahme des Tatgerichts, der Betroffene habe die ihm zur Last gelegte Geschwindigkeitsübertretung vorsätzlich begangen, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Ihr steht die erklärte Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen entgegen.

a)  Gemäß § 67 Abs. 2 OWiG kann ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden. Damit ist auch eine Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen möglich (KG VRS 102, 296 = NZV 2002, 466; OLG Rostock VRS 101, 380 [382 f.] = NZV 2002, 137 [138]; KG VRS 130, 244). Eine solche ist vorliegend erklärt.

b) Ihr kann auch die Wirksamkeit nicht versagt werden. Eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch setzt tatsächliche Feststellungen voraus, die geeignet sind, eine hinreichend sichere Grundlage für die Bemessung der Rechtsfolgen darzustellen. Sind hingegen die Feststellungen so knapp, unvollständig oder widersprüchlich, dass sie diese Funktion nicht zu erfüllen vermögen, ist die erklärte Beschränkung unwirksam (vgl. allgemein BGH NJW 2017, 2482 [2483]). So kann es sich namentlich verhalten, wenn bei Delikten, die bei vorsätzlicher ebenso wie bei fahrlässiger Begehung sanktioniert sind, Unklarheit über die zugrunde gelegte Schuldform herrscht (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflage 2018, § 318 Rz. 17 m. N.). Diese Grundsätze gelten auch für das Bußgeldverfahren (vgl. KK-OWiG-Ellbogen, 5. Auflage 2017, § 67 Rz. 57).

aa) Hiervon ausgehend ist für den Streitfall zunächst zu konstatieren, dass der Bußgeldbescheid vom 12. April 2017 ausdrückliche Feststellungen zur Schuldform nicht enthält.

bb) In Rechtsprechung und Literatur anerkannt ist, dass es einer ausdrücklichen Angabe der Schuldform nicht bedarf, vielmehr von fahrlässigem Handeln auszugehen ist, wenn die Bußgeldbehörde ihrer Sanktionsbemessung einen Regelsatz der BKatV zugrunde legt, da die Regelsätze von fahrlässigem Handeln ausgehen (Brandenburgisches OLG B. v. 20.02.2017 – (1) 53 Ss-OWi 56/17 (34/17) – bei Juris; OLG Oldenburg VRS 130, 65 = DAR 2016, 472; KG VRS 114, 47; OLG Naumburg NStZ-RR 2005, 243; KG VRS 102, 296 = NZV 2002, 466; OLG Rostock VRS 101, 380 = NZV 2002, 137; Göhler-Seitz/Bauer, OWiG, 17. Auflage 2017, § 67 Rz. 34e; KK-Ellbogen a.a.O.). So verhält es sich hier indessen nicht; vielmehr hat die Bußgeldbehörde den Regelsatz von 440,- EUR und 880,- EUR verdoppelt.

cc) Auch dies hindert allerdings nicht unter allen Umständen die Annahme, aus dem Bußgeldbescheid selbst ergebe sich die Zugrundelegung nur fahrlässigen Verhaltens durch die Behörde. Vielmehr erscheint es möglich, im Einzelfall trotz Erhöhung des Regelsatzes verlässlich auf die angenommene Schuldform zurückzuschließen und diese so dem Bußgeldbescheid selbst zu entnehmen. Dies haben das OLG Hamm (B. v. 19.08.2008 – 5 Ss OWi 439/08 – bei Juris Tz. 27) und das OLG Jena (VRS 112, 359 – bei Juris Tz. 11) erwogen, es im konkreten Fall aber mangels ausreichender diesbezüglicher Anhaltspunkte abgelehnt. In beiden Fällen blieb nämlich offen, ob die Erhöhung des Bußgeldes wegen Vorsatzes oder wegen der Vorbelastungen erfolgt war. Hier ergibt sich indessen aus dem Bußgeldbescheid, dass die Bußgeldbehörde die Regelsanktion (ausschließlich) mit Blick auf die einschlägige verkehrsrechtliche Vorbelastung des Betroffenen verdoppelt und dessen mögliches vorsätzliches Verhalten nicht in den Blick genommen hat.

Lässt demnach der Bußgeldbescheid die Annahme fahrlässigen Verhaltens hinreichend erkennen, erweist sich die erklärte Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen als wirksam; das Tatgericht – das sich zutreffend an die Feststellungen im Bußgeldbescheid gebunden gesehen hat – durfte hiervon nicht abweichen.“

Folgen: Keine, denn das OLG hat nur die Schuldform geändert, es im Übrigen aber bei der amtsgerichtlichen Entscheidung belassen. Ergebnis: Viel Lärm um fast Nichts.

Unterschriften (des Richters/Rechtsanwalts), oder: Schriftzug reicht, Paraphe reicht nicht

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Heute mal „quer durch den Garten“, also mal ein „Kessel Buntes“ in der Woche.

Und da mache ich den Auftakt mit dem OLG Köln, Beschl. v. 11.04.2018 – 1 RVs 76/17. Die Entscheidung ist insofern interessant, weil das OLG zu den Anforderungen an eine wirksame Unterschrift Stellung nimmt, und zwar einmal betreffend den Verteidiger – bei ihm geht es um die Wirksamkeit der Unterzeichnung der Revision und der Begründung – und dann betreffend den Richter – bei ihm geht es um die Unterzeichnung des Urteils.

Zum Verteidiger führt das OLG aus:

1. Das Rechtsmittel ist als Sprungrevision gem. § 335 StPO zulässig. Es ist insbesondere gem. § 341 Abs. 1 StPO frist- und formgerecht eingelegt sowie nach § 345 Abs. 2 StPO frist- und formgerecht begründet worden.

a) Zur Schriftform i.S.d. § 341 Abs. 1 StPO gehört, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, schon im Zeitpunkt des Eingangs der Erklärung bei Gericht hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Auch muss feststehen, dass es sich nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern das Schriftstück mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., Einl. Rn 128 m.w.N.), wobei eine handschriftliche Unterzeichnung nicht unbedingt erforderlich ist (BVerfGE 15, 288, 291). Diesen Anforderungen an die Schriftform genügt die Rechtsmitteleinlegungsschrift, welche schon aufgrund des Briefkopfes und des gedruckten Namenszuges unter dem Dokument die Zuordnung zum Ersteller einwandfrei ermöglicht. Dass es sich nicht lediglich um einen Entwurf handelt, kann im Übrigen dem händisch beigefügten Zusatz unter dem Schriftsatz hinreichend entnommen werden.

b) Auch ist die Revision mit Verteidigerschriftsatz vom 11.1.2018 ordnungsgemäß nach § 345 Abs. 2 StPO begründet worden. Die Vorschrift verlangt die Unterzeichnung durch einen Verteidiger oder Rechtsanwalt. Dabei muss die Unterschrift in der Regel aus der Wiedergabe des vollen Namens bestehen, der indes nicht lesbar sein muss. Ausreichend ist vielmehr ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender individueller Schriftzug, der einmalig ist, entsprechende charakteristische Merkmale aufweist und sich als Unterschrift eines Namens darstellt. Dabei muss ein Mindestmaß an Ähnlichkeit in dem Sinne bestehen, dass ein Dritter, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, ihn aus dem Schriftbild noch herauslesen kann. Der unter dem Schreiben händisch angebrachte – in seiner Länge dem vollen (Nach-)Namen des Verteidigers entsprechende und deutlich individuelle Züge aufweisende – Zusatz genügt – noch – den Anforderungen an eine Unterzeichnung im Sinne der Vorschrift. Dies gilt auch im Lichte des seitens des BGH formulierten Erfordernisses einer Herauslesbarkeit jedenfalls einzelner Buchstaben (vgl. dazu BGH NJW 1974, 1090; 1982, 1467). Diese Anforderung steht im Kontext der Frage nach einer einwandfreien Einordnung des einzelnen Gebildes als Schrift und zwar in Abgrenzung zu sonstigen Zeichen oder geometrischen Formen. Der hier angebrachte händische Zusatz lässt, wenngleich die konkrete Zuordnung zu den einzelnen Buchstaben des Namens des Verteidigers nicht möglich ist, sich in seiner Gesamtheit doch mit ausreichender Sicherheit als Schrift erkennen. Während der mittlere Teil zwar im Wesentlichen aus Gebilden besteht, die Schwungübungen bei Erlernen der Schreibschrift ähneln, kann dem Beginn und Ende doch die Qualität flüssig zu Papier gebrachter Buchstaben zugeschrieben werden.

Zum Richter führt das OLG aus:

„a) Der erkennende Richter hat das von ihm verfasste schriftliche Urteil zu unterschreiben. Hierzu ist ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender individueller Schriftzug erforderlich, der sich nicht nur als Namenskürzel (Paraphe) darstellt, sondern charakteristische Merkmale einer Unterschrift mit vollem Namen aufweist und die Nachahmung durch einen Dritten zumindest erschwert (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. nur SenE v. 13.2.1990 – Ss 38/90; SenE v. 23.2.2001 – Ss 47/01 B; SenE v. 7.12.2004 – 8 Ss 427/04; SenE v. 3.7.2007 – 81 Ss OWi 45/07). Dazu bedarf es nicht der Lesbarkeit des Schriftgebildes; ausreichend ist vielmehr, dass jemand, der den Namen des Unterzeichnenden und dessen Unterschrift kennt, den Namen aus dem Schriftbild herauslesen kann (ständige Senatsrechtsprechung, zuletzt SenE v. 17.11.2017 – 111-1 RVs 276/17; SenE v. 11.1.2013 – 111-1 RVs 1/13; SenE v. 28.10.2014 – 111-1 RVs 199/14; SenE v. 17.10.2017 – 111-1 RVs 237/17; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Einl. Rn 129 m.w.N.). Insoweit gelten obige Ausführungen zur Unterschrift.

Ob ein Schriftzug eine Unterschrift oder lediglich eine Abkürzung darstellt, beurteilt sich dabei nach dem äußeren Erscheinungsbild (SenE v. 23.2.2001 – Ss 47/01 B; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2000, 371 = VRS 99, 438; OLG Düsseldorf JMinBI NW 2002, 54 [55]).

b) Eine diesen Anforderungen genügende Unterschrift weist das angefochtene Urteil nicht auf, wobei es auf die Frage, ob sich der unter dem Urteil händisch angebrachte Zusatz als Schrift erkennen lässt, nicht mehr ankommt. Denn jedenfalls – und insoweit abweichend von den obigen Ausführungen zur Unterschriftsleistung des Verteidigers – vermag der Senat das Gebilde, welches aus einem Strich nach unten, einer Schlaufe und einem Strich nach oben besteht, nicht als Wiedergabe des vollen Namens anzusehen, sondern allenfalls als Namenskürzel (Paraphe).“

Strafzumessung III: Bagatellstraftat, oder: Erörterungsmangel

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Und zum Abschluss der „Strafzumessungsfortbildung“ 🙂 dann noch den OLG Köln, Beschl. v. 23.03.2018 – 1 RVs 54/18. Thematik: Mal wieder die Frage der Strafzumessung bei der Veurteilung wegen einer Bagatellstraftat. Das AG hatte die „seit 2003 vielfach wegen Diebstahls vorbelastete, zuletzt 2015 und 2016 deswegen zu bedingten Freiheitsstrafen verurteilte Angeklagte am 13. Juni 2017 erneut wegen Diebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt und diese Strafe wiederum zur Bewährung ausgesetzt. Zugrunde liegen Ladendiebstähle, bei welchen die Angeklagte Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände im Werte von 15,99 € bzw. 7,– € an sich nahm.“ Das LG hat auf die Strafmaßberufung der StA das AG-Urteil aufgehoben und die Angeklagte zu einer einer nicht mehr zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe von drei Monaten – bei Einzelstrafen von je zwei Monaten – verurteilt. Das OLG hat aufgehoben. Begründung: Erörterungsmangel:

„Anerkannt ist andererseits, dass die Anforderungen an eine umfassende Abwägung und eine erschöpfende Würdigung der für die Bemessung der Strafe maßgeblichen straferschwerenden und strafmildernden Umstände umso höher sind, je mehr sich die Strafe bestimmten Grenzsituationen nähert. Das gilt für die Frage der Aussetzungsfähigkeit (Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Auflage 2017, Rz. 1446), das gilt namentlich aber auch, je mehr sich die im Einzelfall verhängte Strafe dem unteren oder oberen Rand des Strafrahmens nähert (BGH NStZ-RR 2003, 52 [53]; Schäfer/Sander/van Gemmeren a.a.O. Rz. 1445;  Fischer, StGB, 65. Auflage 2018, § 46 Rz. 149 je m. N.). Vom Vorliegen einer solchen Situation ist hier auszugehen:

b) Das Tatgericht führt – wenn auch im Kontext mit der Verhängung kurzer Freiheitsstrafen im Sinne von § 47 Abs. 1 StGB – mit Recht aus, dass gerade bei Bagatelltaten das Übermaßverbot besonderer Beachtung bedürfe und geht zutreffend davon aus, dass dann, wenn schon geringfügige Straftaten ohne erschwerende Besonderheiten den Ausspruch einer Freiheitsstrafe erfordern, es die Anforderung an einen gerechten Schuldausgleich und die Beachtung des Übermaßverbots gebieten können, auf die Mindeststrafe zu erkennen (st. Senatsrechtsprechung vgl. beispielhaft zu Ladendiebstählen SenE v. 03.03.2009 – 81 Ss 8/09 – [Beutewert 9,20 € und 9,99 €]; SenE v. 20.07.2010 – III-1 RVs 125/10 – [9,95 €]; SenE v. 08.02.2011 – III-1 RVs 23/11 – [11,10 €]; SenE v. 28.04.2017 – III-1 RVs 87/17 – [9,75 €]; vgl. weiter OLG Celle NStZ-RR 2004, 142; OLG Oldenburg StRR 2008, 323). Dieser Umstand musste das Tatgericht zu einer besonders gründlichen und umfassenden Abwägung namentlich der strafmildernden Gesichtspunkte drängen; dem genügen die Urteilsgründe nicht zur Gänze:

Das Amtsgericht hat der Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung zugute gebracht, dass die entwendeten Waren „letztlich auch bei den Geschädigte verblieben“ seien. Feststellungen zum Verbleib der Tatbeute sind mit Blick auf den Schuldumfang stets geboten (SenE v. 12.07.2013 – III-1 RVs 135/13 -; SenE v. 29.09.2017 – III-1 RVs 228/17; SenE v. 20.10.2017 – III-1 RVs 258/17 -). Sie nehmen als diesen (mit-)bestimmend und als Umstand, der geeignet ist, die Tat als einen geschichtlichen Vorgang näher zu beschreiben (hierzu vgl. jüngst SenE v. 02.03.2018 – III-1 RVs 14/18 m. zahlr. Nachw.) an der durch die erklärte Beschränkung bewirkten Bindung der Berufungsstrafkammer an die amtsgerichtliche Feststellungen teil (so auch KG StraFo 2016, 83 – bei Juris Tz. 18). Im Rahmen ihrer Ausführungen zur Strafbemessung hat die diesen Umstand an keiner Stelle der Urteilsgründe erwähnende Berufungsstrafkammer aber nicht erkennbar in ihre Überlegungen mit einbezogen, dass sich selbst der potentiell geringe Schaden hier nicht realisiert hat. Das wäre aber nach dem zuvor Dargestellten im Sinne einer umfassenden Abwägung und erschöpfenden Würdigung der strafzumessungsrelevanten Umstände in einem Bereich geboten gewesen, der im Hinblick auf die Höhe zu verhängender Freiheitsstrafe einen Grenzfall darstellt (vgl. auch KG a.a.O. – bei Juris Tz. 16). Der Senat vermag letztlich nicht auszuschließen, dass  die erkannten Einzelstrafen niedriger ausgefallen wären, hätte das Tatgericht sich den Umstand bewusst gemacht, dass die Tat letztlich ohne Realschaden geblieben ist.“

Verstoß gegen das PflVG – Urteilsanforderungen, oder: So einfach ist das nicht

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Heute dann mal ein wenig Verkehrsrecht und was damit so zusammen hängt.

Zunächst zwei Entscheidungen, die sich mit Verurteilungen wegen eines Verstoßes gegen § 6 PflVG befassen und da mit den Anforderungen an das Urteil. Das sind:

„Bei einer Verurteilung wegen eines Vergehens gegen §§ 1, 6 PflVG müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, aufgrund welcher Umstände das Tatgericht von einer zivilrechtlich wirksamen Beendigung des Versicherungsvertrags ausgegangen ist. Es ist entweder darzutun, dass dem Versicherungsnehmer die Kündigung zugegangen ist oder aufgrund welcher tatsächlichen Umstände die Zugangsfiktion des § 13 Abs. 1 VVG zum Tragen gekommen ist.

„Für seine Annahme, ein Versicherungsvertrag habe für das von dem Angeklagten geführte Fahrzeug im Tatzeitpunkt nicht mehr bestanden, muss das tatrichterliche Urteil im Falle Verurteilung, die auf eine Vertragsauflösung des Versicherungsvertrages gestützt wird, die Tatsachen feststellen, aus denen sich die Wirksamkeit der hierzu erforderlichen Willenserklärungen ergibt“.

So einfach ist das mit den Verurteilungen nach § 6 PflVG also nicht…..