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Grundgebühr mit Haftzuschlag und Gebühren bei Rücknahme der Revision?, oder: Zweimal nein.

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„Richtig“ ums Geld geht es dann im OLG Karlsruhe, Beschl. v. 07.08.2017 – 2 Ws 176/17 -, und zwar auf der Grundlage folgenden Sachverhalts: Der Angeklagte, der sich vom 21.07. bis zum 25.07.2016 in Untersuchungshaft befunden hat, ist vom LG am 21.02.2017 vom Vorwurf des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, begangen am 07.06.2016, freigesprochen worden. Die Verfahrenskosten sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten wurden der Staatskasse auferlegt. Gegen dieses Urteil hatte die Staatsanwaltschaft zunächst Revision eingelegt, diese jedoch nach Kenntnisnahme der schriftlichen Urteilsgründe wieder zurückgenommen, so dass das Urteil rechtskräftig ist. Der Verteidiger des ehemaligen Angeklagten hat die Festsetzung der seinem Mandanten für das erstinstanzliche Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen gegenüber der Staatskasse beantragt, wobei er jeweils die Höchstgebühr geltend gemacht hat, für das Revisionsverfahren ist jeweils die Mittelgebühr angesetzt worden. Das LG hat die angemeldeten Gebühren nur zum Teil festgesetzt, es hat die Höchstgebühren teilweise als unbillig hoch angesehen. Die Kostenerstattung für das Revisionsverfahren hat das LG insgesamt mit der Begründung abgelehnt, dass die Verteidigerkosten im Revisionsverfahren für eine Tätigkeit schon vor der Begründung des Rechtsmittels nicht erstattungsfähig seien, wenn die Staatsanwaltschaft das allein von ihr eingelegte Rechtsmittel bereits vor dessen Begründung zurückgenommen habe. Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss hat der Verteidiger sofortige Beschwerde eingelegt. Diese hatte keinen Erfolg.

Ich will hier nur die Ausführungen des OLG zur Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG vorstellen. Da ging es u.a. um den Haftzuschlag, zu dem das OLG anmerkt:

aa) Entgegen der Auffassung des Verteidigers steht ihm für die Grundgebühr kein Haftzuschlag zu, so dass nicht vom Gebührenrahmen nach Nr. 4101 VV RVG (der eine Gebühr von 40,- bis 450,- Euro vorsieht), sondern von demjenigen nach Nr. 4100 VV RVG (der eine Gebühr von 40,- bis 360,- Euro vorsieht) auszugehen ist.

Zwar müssen die Voraussetzungen für den Haftzuschlag nicht schon beim Entstehen der jeweiligen Gebühr, für die der Zuschlag bestimmt ist, vorliegen; vielmehr genügt es, dass der Mandant während des Zeitraums, den die einzelne Gebühr abdeckt, irgendwann nicht auf freiem Fuß ist (Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl. 2017, Vorb 4 VV Rn. 44, Nr. 4100, 4101 Rn. 18 [bzgl. der Grundgebühr]; Rehberg/Schons/Vogt u. a., RVG, 6. Aufl. 2015, Strafsachen I. 1.2.4, S. 866; Burhoff, aaO, Vorbem. 4 VV Rn. 107).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall hinsichtlich der Grundgebühr nicht erfüllt. Bezogen auf deren Abgeltungsbereich war der Beschwerdeführer ununterbrochen auf freiem Fuß.

Die Grundgebühr honoriert den zusätzlichen Aufwand „für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall“. Die Einarbeitungstätigkeit beginnt beim Wahlverteidiger mit der ersten Tätigkeit, die zeitlich in der Regel mit dem Abschluss des Mandatsvertrags zusammenfällt. Dazu gehören insbesondere das erste Gespräch mit dem Mandanten und die Beschaffung der erforderlichen Informationen sowie auch die erste Akteneinsicht nach § 147 StPO (Hartung/Schons/Enders, aaO, Nr. 4100, 4101 VV Rn. 11 und 16; Burhoff, aaO, Nr. 4100 VV Rn. 31 ff.). Darüber hinaus werden (nur) sämtliche übrigen Tätigkeiten, die zusätzlicher Aufwand für die erstmalige Einarbeitung sind und in (unmittelbarem) zeitlichen Zusammenhang mit der Übernahme des Mandats anfallen, von der Grundgebühr erfasst. Ist dieser überschritten, unterfallen die weiteren Tätigkeiten dem Abgeltungsbereich der daneben immer entstehenden Verfahrensgebühr (Burhoff, aaO, Nr. 4100 VV Rn. 34). Als Faustregel gilt danach: Alle die Tätigkeiten des Verteidigers, die auf einer ersten Einarbeitung aufbauen, werden nicht mehr vom Abgeltungsbereich der Grundgebühr erfasst (Burhoff, aaO, Nr. 4100 Rn. 35).

Im vorliegenden Fall ist die Grundgebühr mit dem Abschluss des Mandatsvertrags entstanden, was ausweislich der Vollmachtsurkunde am 08.06.2017 – also einen Tag nach dem in Rede stehenden Vorfall – gewesen sein dürfte. Akteneinsicht wurde dem Verteidiger erstmals im Rahmen des Verfahrens zur Entscheidung über die Beschwerde seines Mandanten gegen die mit Beschluss des Amtsgerichts Heidelberg vom 13.06.2016 angeordnete vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis mit Verfügung vom 22.06.2016 gewährt. Die Einarbeitungsphase war spätestens am 27.06.2016 abgeschlossen, denn dem Schriftsatz des Verteidigers von diesem Tage kann entnommen werden, dass er die ihm übersandten Akten bis dahin nicht nur erhalten, sondern auch durchgearbeitet hatte, weshalb er „beim jetzigen Ermittlungsstand“ die Beschwerderücknahme erklärte. Die Festnahme des damaligen Beschuldigten erfolgte indes erst einen knappen Monat später am 21.07.2016 aufgrund des an diesem Tag ergangenen Haftbefehls; jedenfalls zu diesem Zeitpunkt konnte von der Einarbeitungsphase keine Rede mehr sein, so dass die Inhaftierung den Haftzuschlag für die Grundgebühr nicht mehr entstehen lassen konnte.“

Das ist zutreffend

Für das Revisionsverfahren hat das OLG übrigens keine Kosten erstattet. Es hat sich insoweit der nach seiner Auffassung „deutlich überwiegenden Auffassung“ angeschlossen, dass die für das Rechtsmittelverfahren geltend gemachten Gebühren und Auslagen nicht erstattungsfähig sind, wenn die Staatsanwaltschaft das von ihr eingelegte Rechtsmittel vor der Begründung zurücknimmt, da die entsprechenden Auslagen nicht notwendig im Sinne von § 473 Abs. 2 i.V.m. § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO waren (vgl. wegen der Nachw. aus der Rechtsprechung Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 4130 VV Rn 6; a.A. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl. 2017, § 464a Rn. 10; LR-Hilger, StPO, 26. Aufl. 2010, § 464a Rn. 34 ff., 37; Hartung/Schons/Enders, a.a.O.; Nr. 4130-4135 VV Rn. 11; Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O.). Dass diese in meinen Augen rein fiskalische Rechtsprechung der OLG falsch ist, habe ich schon wiederholt dargelegt (vgl. eingehend auch RVGreport 2014, 41). Dem ist nichts hinzu zu fügen, denn, wenn es noch nicht einmal Meyer-Goßner/Schmitt (a.a.O.) und LR-Hilger (a.a.O.) gelingt, die OLG zu überzeugen, dann lohnt sich weiteres Sturmlaufen gegen die Ansicht der OLG nicht mehr.

Billigung von Straftaten, oder: Freispruch für AfD-Funktionär

entnommen wikimedia.org
Fire. Picture by Giovanni Dall’Orto, july 2003.

Heute dann zunächst zwei Postings zu StGB-Vorschriften, mit denen man nicht täglich zu tun hat. Ich eröffne mit dem OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.05.2017 – 2 Rv 9 Ss 177/17. Das OLG hat darin den Sprecher des Kreisverbandes Pforzheim-Enzkreis der Partei Alternative für Deutschland (AfD) vom Vorwurf der Billigung von Straftaten (§ 140 StGB) freigesprochen. Der hatte im Sommer 2015 für kurze Zeit auf der öffentlich zugänglichen Facebook-Seite des AfD-Kreisverbandes Pforzheim-Enzkreis einen von FOCUS Online zurückgewiesenen Beitrag im Zusammenhang mit Brandanschlägen auf Flüchtlingsheime eingestellt, der folgende Passage enthielt:

„Es einfach zu billig überall einen rechten Hintergrund zu vermuten, denn dann wäre die NPD längst in allen Parlamenten vertreten. Ist es nicht so, dass den Anwohner oder Bewohnern einer Kommune alternativlos – wie immer – eine Einrichtung vor die Nase gesetzt wird, die sie einfach nicht haben wollen und deshalb in Form von zivilen Ungehorsam die geplanten Flüchtlingsunterkünfte einfach abfackeln? Dass dies im Osten häufiger passiert als im Westen ist auch klar: Die Ossis lassen sich nicht einfach mehr so hirnwasche wie die Wessis und sie akzeptieren diese Bevormundung durch Obrigkeiten nach der erfolgreichen Beseitigung des Unrechtsstaates DDR einfach nicht mehr tatenlos. Es verhält sich im Prinzip genauso wie mit den Atommüllendlagern im Westen – waren die Gegner auch Rechts?“

AG und LG hatten den Angeklagten deshalb zu einer Geldstrafe verurteilt. Nach Auffassung des LG hatte der Angeklagte mit seinem bewusst gewählten Vergleich zwischen dem „Abfackeln“ von Flüchtlingsunterkünften im Osten und dem Widerstand der damaligen Atommüllendlagegegner im Westen, dem Begriff des zivilen Ungehorsams sowie mit seinem Unverständnis über die Ablehnung seines Beitrags durch FOCUS Online willentlich den Eindruck erweckt, dass es zu den in Form zivilen Ungehorsams verübten Brandanschlägen keine Alternative gebe und er diese Taten gutheiße.

Das OLG hat dann frei gesprochen und ist dieser Interpretation nicht gefolgt. Es verweist auf die Rechtsprechung des BVerfG und des BGH, wonach § 140 StGB als Meinungsäußerungsdelikt wegen der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit (Art. 5 Grundgesetz – GG) restriktiv auszulegen ist. Ein Billigen setzt danach eine aus sich heraus verständliche unzweifelhafte Kundgabe der Zustimmung in der Weise voraus, dass der Äußernde sich moralisch hinter die Straftat stellt. Das sei hier nicht der Fall (gewesen), Dazu führt das OLG u.a. aus:

(2) Diesen Anforderungen wird die angegriffene Entscheidung nicht vollständig gerecht; denn innerhalb des vorliegend gegebenen Auslegungskorridors ist eine Deutung der Äußerung des Angeklagten mit straflosem Inhalt nicht ausgeschlossen.

(a) Zwar trifft es zu, dass der vom Angeklagten verfasste Text eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der – von ihm als dessen wesentlicher Hintergrund und Anlass bezeichneten und angeblich regelhaften – medialen Vermutung einer rechtsextremen Gesinnung als Tatmotiv für Brandanschläge auf (geplante) Flüchtlingsheime vermissen lässt. In diesem Zusammenhang wäre nämlich eine Erörterung zu erwarten gewesen, worin – jenseits einer fremdenfeindlichen Einstellung – das Motiv einer gerade in Form von Brandanschlägen, also der Begehung allgemeingefährlicher Verbrechen, ausgedrückten Ablehnung der Einrichtung von Flüchtlingsheimen im sozialen Nahbereich überhaupt denktheoretisch bestehen könnte.

(b) Jedoch lässt sich der Äußerung – gemessen an dem dargestellten Verständnishorizont – die ihr durch die Kammer beigemessene Bedeutung nicht entnehmen, dass die Brandanschläge darin sinngemäß als einzige und vom Angeklagten gutgeheißene Möglichkeit der Durchsetzung einer politischen Partizipation durch – nach der Ansicht des Angeklagten – betroffene Anwohner bezeichnet würden. Soweit die Kammer in diesem Zusammenhang das in der Äußerung des Angeklagten gebrauchte Adverb „alternativlos“ in den Bedeutungskontext von „vermeintlich alternativlosen Brandanschlägen“ zur Durchsetzung einer politischen Teilhabe stellt, ergibt sich dies aus dem Wortlaut der Erklärung auch unter Heranziehung des Gesamtzusammenhangs des Texts gerade nicht. Vielmehr gebraucht der Angeklagte das bezeichnete Adverb lediglich in Bezug auf eine seitens der Täter angeblich vorliegende Bevormundung der Anwohner durch „Obrigkeiten“, indem diese ihnen „alternativlos – wie immer – eine Einrichtung vor die Nase“ setzten. Mithin wurde hierdurch (nur) zum Ausdruck gebracht, dass die staatlichen Entscheidungsträger den betroffenen Bürgern keine Alternativen zu Flüchtlingsunterkünften in deren Wohnumfeld offerierten.“

Genervtes OLG, oder: Die Berichterstatterin ist nicht Mädchen für alles

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Auf ein kleines Schmankerl hat mich gestern Oliver Garcia von dejure bzw. vom de legisbus Blog hingewiesen, nämlich auf den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 14.07.2017 – 2 Ws 182/16. Und in der Tat. Er hatte Recht. Der Beschluss ist ein kleines Schmankerl.

Nicht wegen der eigentlich vom OLG entschiedenen Frage. Da geht es um die Erforderlichkeit eines Sachverständigengutachtens im Verfahren nach § 67d StGB – Fortdauer der Unterbringung. Dazu sagt das OLG: Ist bei einer Entscheidung nach § 67c StGB aufgrund abweichender Diagnosen im Erkenntnisverfahren und im Vollstreckungsverfahren fraglich, ob die Voraussetzungen für eine Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus (noch) vorliegen, erfordert das Gebot bestmöglicher Sachaufklärung die Einholung eines Sachverständigengutachtens auch dann, wenn der Verurteilte eine Mitwirkung ablehnt; gegebenenfalls ist das Gutachten nach Aktenlage zu erstellen.

Nein, die „Schmankerleigenschaft“ des Beschlusses ist m.E. durch andere Ausführungen des OLG begründet. Denen merkt man zudem deutlich an, dass das OLG ein wenig genervt zu sein scheint durch das Vorgehen/Verhalten der recht übereifrigen Berichterstatterin. Denn das OLG schreibt ihr ins Stammbuch:

„Die bisherige Verfahrensgestaltung gibt dem Senat Anlass, für das weitere Verfahren vorsorglich auf Folgendes hinzuweisen:

1. Die Beauftragung des Sachverständigen, welche nach § 463 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 454 Abs. 2 Satz 1 StPO dem „Gericht“ (nicht etwa allein dem Vorsitzenden) obliegt, erfordert – wie auch hier geschehen – eine Beschlussfassung. An diesem Beschluss hat in Fällen, in denen – wie hier – die Große Strafvollstreckungskammer zuständig ist, diese in ihrer nach § 78b Abs. 1 Nr. 1 GVG vorgesehenen Besetzung mit drei Richtern unter Einschluss des Vorsitzenden mitzuwirken. Auch wenn bei Beschlüssen – anders als nach § 275 Abs. 2 StPO bei Urteilen – nicht die Unterschrift aller mitwirkenden Richter erforderlich sein mag (str. – vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, vor § 33 Rn. 6 mwN), so muss jedenfalls erkennbar sein, dass die gerichtliche Entscheidung gleichwohl in der gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung mit drei Richtern getroffen worden ist (BGH NStZ-RR 1997, 205; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, vor § 33 Rn. 6 mwN). Dementsprechend ist diese Mitwirkung in den Akten zu dokumentieren, indem zumindest – wenn auch völlig unüblich und unzweckmäßig – im Rubrum im Anschluß an die Gerichtsbezeichnung die Namen der Richter in derselben Weise wie bei Urteilen aufgeführt werden (so OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.12.1981 – 4 Ss 970/81 – juris) oder ein Vermerk zur Akte gebracht wird, aus dem sich der Zeitpunkt der Beschlussfassung und die daran mitwirkenden Kammermitglieder ergeben, um ggf. dem Rechtsmittelgericht eine Überprüfung des Verfahrensablaufs zu ermöglichen.

Daran fehlt es hier. Der Akteninhalt vermittelt zunächst den Eindruck, dass die Berichterstatterin das Verfahren jedenfalls anfangs wie eine Einzelrichterin in der Kleinen Strafvollstreckungskammer (§ 78b Abs. 1 Nr. 2 GVG) geführt und die Entscheidung, ob und welchen Sachverständigen sie beauftragt, ohne Beratung und Mitwirkung der übrigen Kammermitglieder getroffen hat. Die beiden Beschlüsse vom 20.07.2016 und 20.01.2017, mit denen die Sachverständigen Dr. P und Dr. W nacheinander beauftragt wurden, hat ausschließlich die Berichterstatterin unterzeichnet. Ob bzw. inwieweit es sich bei den im Rahmen des Ablehnungsverfahrens gegen die Berichterstatterin von dieser und den übrigen Kammermitgliedern erwähnten „regelmäßigen Absprachen“ jeweils um eine vorherige Beratung und Beschlussfassung gehandelt hat oder lediglich um nachträgliche Kenntnisgabe und Billigung, bleibt unklar. Abgesehen davon belegt das vorliegende Verfahren eindrucksvoll, dass die fehlende Unterzeichnung von Beschlüssen durch alle daran mitwirkenden Richter zu unnötigen Weiterungen mit Ablehnungsverfahren und dienstlichen Stellungnahmen führen kann.

2. Es mutet auch seltsam an, dass die Berichterstatterin selbst – ohne dass ein Fall der Vertretung des Vorsitzenden ersichtlich wäre – sämtliche verfahrensleitenden Verfügungen und sogar die nach § 142 Abs. 1 Satz 2 StPO ausdrücklich dem Vorsitzenden obliegende Entscheidung über die Pflichtverteidigerbestellung sowie die spätere Entscheidung über den Entpflichtungsantrag des Verurteilten getroffen hat; Letzteres auch ungeachtet des Umstands, dass der Verurteilte sie bereits als befangen abgelehnt hatte, ohne dass darüber eine Entscheidung ergangen war oder ersichtlich wäre, dass es sich insoweit um eine unaufschiebbare Amtshandlung nach § 29 Abs. 1 StPO gehandelt hätte.

3. Im Hinblick auf die Verfügung vom 12.06.2017, mit der – ausweislich der Unterschrift – die Berichterstatterin die Zustellung der angefochtenen Entscheidung an die Beteiligten angeordnet hat, ist darauf hinzuweisen, dass sämtliche Zustellungen von Entscheidungen nach der gesetzlichen Regelung in § 36 Abs. 1 Satz 1 StPO zwingend einer Anordnung durch den Vorsitzenden bedürfen, wobei die Anordnung wegen ihrer Bedeutung für die Zustellung im Zeitpunkt der Zustellung aktenkundig sein muss (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, aaO, § 36 Rn. 3).“

„Ich habe gedolmetscht“, oder: Keine Pauschgebühr, denn der Verteidiger ist kein Dolmetscher

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Als zweite Entscheidung des heutigen Tages dann eine Problematik zur Pauschgebühr nach § 51 RVG. Der Pflichtverteidiger hatte sie nach Abschluss des Verfahrens beantragt. Zur Begründung hat er – ausschließlich – darauf verwiesen, dass er sich mit dem der deutschen Sprache nicht mächtigen Mandanten in englischer Sprache unterhalten und daher der Staatskasse entsprechende Auslagen erspart habe. Das OLG Karlsruhe hat den Antrag im OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.06.2017 – P 302 AR 17/17 – zurückgewiesen.

Der Antrag ist als unbegründet abzulehnen, da die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr nicht vorliegen. Das Verfahren als solches weist die entsprechende Erforderlichkeit nach zutreffender allseitiger Auffassung nicht auf. Der Senat hält an seiner in ständiger Rechtsprechung vertretenen Ansicht fest, dass allein die Sprachkenntnisse eines Verteidigers, welche die Hinzuziehung eines Dolmetschers entbehrlich gemacht haben, wodurch der Staatskasse entsprechende Kosten erspart worden sind, kein taugliches Kriterium für die Bewilligung einer Pauschvergütung ist. Sinn und Zweck der Pauschgebühr ist es zu verhindern, dass der beigeordnete Verteidiger im Verhältnis zu seiner Vergütung unzumutbar belastet wird, weil die maßgeblichen Gebühren augenfällig unzureichend oder unbillig sind. Entscheidend ist daher allein, ob durch die Verwendung der nichtdeutschen Sprache für den Verteidiger ein erheblicher Zeit- und/oder Arbeitsaufwand angefallen ist, nicht aber der Staatskasse ersparte Aufwendungen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 03.09.2015 – 2 AR 29/15; KG Berlin JurBüro 2013, 362; OLG Düsseldorf JurBüro 2009, 532; OLG Celle NStZ 2007, 342; OLG Hamm NStZ-RR 1997, 188; Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 4. Aufl. 2014, § 51 Rn. 32 mwN; aA OLG Köln StraFo 2006, 258). Da der Antragsteller die verwendete Sprache offensichtlich gut beherrscht, lag eine zusätzliche Schwierigkeit in der Kommunikation mit dem Mandanten gerade nicht vor; diese dürfte im Gegenteil sogar erleichtert worden sein. Es wäre letztlich allein Sache des Gesetzgebers, durch eine entsprechende Regelung im RVG oder JVEG in diesen Fällen eine Vergütung zu gewährleisten.

Im vorliegenden Fall wird weder geltend gemacht noch ist ansonsten ersichtlich, dass die Verwendung der englischen Sprache beim Antragsteller zu einem zeitlichen oder arbeitsmäßigen Mehraufwand geführt hätte.“

Obwohl das „Ersparnisargument“ nicht von der Hand zu weisen ist, ist die Entscheidung ist m.E. zutreffend; sie entspricht im Übrigen der der h.M. Das OLG weist im Übrigen ebenfalls zutreffend daraufhin, dass es letztlich allein Sache des Gesetzgebers wäre, durch eine entsprechende Regelung im RVG oder JVEG in diesen Fällen eine Vergütung zu gewährleisten. Quasi eine „Dolmetschergebühr“ für den Verteidiger/Rechtsanwalt.

PoliscanSpeed, oder: „ein bisschen schwanger“ bzw. Trauerspiel/Worthülse „standardisiertes Messverfahren“

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Ich habe bislang gedacht, dass es „ein bisschen schwanger“ nicht gibt. Nach der Lektüre des OLG Karlsruhe, Beschl. v. 26.05.2017 – 2 Rb 8 Ss 246/17 – muss ich das aber wohl anders sehen. „Ein bisschen schwanger“ geht doch, jedenfalls bei PoliscanSpeed. Leider.

Es geht also mal wieder um PoliscanSpeed, die „heilige Kuh“ der OLG. Der Betroffene ist wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt worden. Zugrunde gelegt worden ist eine Messung mit PoliscanSpeed. Bei der hatte die Auswertung des digitalen Falldatensatzes ergeben, dass der Pkw des Betroffenen in einem Abstand von 49,82 bis 19,95 m vom Messgerät gemessen worden ist. Die Bauartzulassung sieht hingegen einen Messbereich zwischen 50 und 20 m vor. Das OLG sagt: Macht nix. Es handelt sich (dennoch) um ein standardisiertes Messverfahren. Zwar sind die Vorgaben der Bauartzulassung nicht eingehalten worden. Die Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Einsatzbedingungen führt aber – so das OLG – nicht ohne Weiteres zur Unverwertbarkeit des Messergebnisses; vielmehr muss der Tatrichter die Auswirkungen auf die Gültigkeit der Mess­wertbildung überprüfen. Zudem würden bei der geringfügigen Überschreitung des zugelassenen Messbe­reichs bei Messungen PoliScan Speed Besonderheiten gelten. Die PTB habe in einer Stellungnahme vom 16.12.2016 zum einen darauf hin­gewiesen, dass sich der Messbereich allein auf die Position des softwareseitigen Modellob­jekts bezieht, welches das angemessene Fahrzeug repräsentiert. Je nach konkret vorliegen­der Fahrzeugkontur und Verkehrssituation könne es vorkommen, dass einzelne Rohmessda­ten für die Bildung des geeichten Messwertes berücksichtigt werden, deren Ortskoordinate (meist nur knapp) außerhalb des Messbereichs liegt. Solange sich dabei das Modellobjekt im Messbereich befindet, sei dies zulässig. Unabhängig davon betone die PTB, dass ein Rohmess­wert, dessen Ortskoordinate außerhalb des Messbereichs liegt, in sich genau so zuverläs­sig sei wie solche, deren Koordinaten innerhalb des Messbereichs liegen. Und: Die Geschwindigkeit sei hier so erheblich überschritten, dass Messfehler keine nachteiligen Auswirkungen für den Betroffenen haben können.

In meinen Augen ist das „ein bisschen schwanger“, aber auch ein weiterer Stein in der Mauer, die die OLG um das Messverfahren PoliscanSpeed bauen – aus welchen Gründen auch immer. Schon das Mantra „standardisiertes Messverfahren“ und die darauf beruhenden Probleme bei der Einsicht in Messunterlagen sowie die Hochstilisierung der Bauartzulassung zu einem antizipierten Sachverständigengutachten haben an der Mauer gebaut. Und nun noch dieser Beschluss. Ich hoffe nur, dass sich das OLG bewusst ist, was es damit anrichtet. Denn:

M.E. ist dieser Beschluss ein weiterer Schritt zur Abschaffung des standardisierten Messverfahrens, obwohl man an sich schon länger den Eindruck hat, dass die OLG den Begriff und die damit zusammenhängenden Folgen allenfalls dann noch bemühen, wenn es zu Lasten des Betroffenen geht. Man fragt sich welchen Sinn Grenzwerte in der Bauartzulassung für den Messbereich eigentlich noch haben, wenn bei einem Verstoß dagegen die Messung gleichwohl standardisiert bleibt mit den erheblichen Folgen für den Betroffenen? Bislang galt – bzw sollte gelten: Bei einem Verstoß gegen die Vorgaben der Bauartzulassung verliert ein an sich standardisiertes Messverfahren diesen Charakter mit der Folge, dass die Messung vom Tatrichter in der Regel unter Hinzuziehung eines Sachverständigen auf ihre Richtigkeit zu prüfen ist. Diesen Ansatz gibt das OLG Karlsruhe hier auf und sieht das Messverfahren auch bei „nicht nennenswerten“ Abweichungen von den Vorgaben der Bauartzulassung noch als standardisiert an. Das widerspricht dem Sinn der PTB-Bauartzulassung im Rechtsinstitut „standardisiertes Messverfahren“. Da stellen sich außerdem dann die Fragen: Wo ist die Grenze? Wieviel Abweichung ist denn zulässig? Und ab wann ist das Verfahren nicht mehr standardisiert? Und wer legt die zur Beantwortung dieser Fragen erforderlichen Werte fest?

Nun, die Antworten liegen (vielleicht/wahrscheinlich) auf der Hand: Natürlich die PTB, die bei den OLG den Status der Unantastbarkeit erlangt hat. Das, was sie sagt, ist Gesetz bzw. wird so behandelt. Da kann der Betroffene – gestützt auf andere Sachverständigengutachten – vortragen, was er will. Es interessiert nicht. Man fragt sich, warum man eigentlich die „unheilige Allianz“ mit der PTB eingeht und warm man nicht endlich mal, den Gang nach Karlsruhe wagt. Warum hat man Angst vor dem 4. Strafsenat des BGH? So verkommt jedenfalls der vom BGH geprägte Begriff des „standardisierten Messverfahrens“ zu einer Worthülse. Das Ganze ist ein Trauerspiel. Verteidigen lohnt sich nicht mehr. Zumal, wenn man als Verteidiger damit rechnen muss, dass einem vom OLG „unprofessionelle Zeit- und Geldverschwendung“ entgegen gehalten wird, wenn man sich „in Beweisanträgen und/oder Rechtsmitteln auf die Außenseitermeinungen der Amtsgerichte zu stützen/[stütz], die inzwischen von den übergeordneten Oberlandesgerichten darüber belehrt wurden, dass und warum sie völlig daneben lagen (so der OLG Koblenz, Beschl. v. 22.03.2017 – 1 OWi 4 SsRs 21/17 und dazu Fake-News vom „übergeordneten“ OLG Koblenz?, oder: „unprofessionelle Zeit- und Geldverschwendung“).