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Billigung von Straftaten, oder: Freispruch für AfD-Funktionär

entnommen wikimedia.org
Fire. Picture by Giovanni Dall’Orto, july 2003.

Heute dann zunächst zwei Postings zu StGB-Vorschriften, mit denen man nicht täglich zu tun hat. Ich eröffne mit dem OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.05.2017 – 2 Rv 9 Ss 177/17. Das OLG hat darin den Sprecher des Kreisverbandes Pforzheim-Enzkreis der Partei Alternative für Deutschland (AfD) vom Vorwurf der Billigung von Straftaten (§ 140 StGB) freigesprochen. Der hatte im Sommer 2015 für kurze Zeit auf der öffentlich zugänglichen Facebook-Seite des AfD-Kreisverbandes Pforzheim-Enzkreis einen von FOCUS Online zurückgewiesenen Beitrag im Zusammenhang mit Brandanschlägen auf Flüchtlingsheime eingestellt, der folgende Passage enthielt:

„Es einfach zu billig überall einen rechten Hintergrund zu vermuten, denn dann wäre die NPD längst in allen Parlamenten vertreten. Ist es nicht so, dass den Anwohner oder Bewohnern einer Kommune alternativlos – wie immer – eine Einrichtung vor die Nase gesetzt wird, die sie einfach nicht haben wollen und deshalb in Form von zivilen Ungehorsam die geplanten Flüchtlingsunterkünfte einfach abfackeln? Dass dies im Osten häufiger passiert als im Westen ist auch klar: Die Ossis lassen sich nicht einfach mehr so hirnwasche wie die Wessis und sie akzeptieren diese Bevormundung durch Obrigkeiten nach der erfolgreichen Beseitigung des Unrechtsstaates DDR einfach nicht mehr tatenlos. Es verhält sich im Prinzip genauso wie mit den Atommüllendlagern im Westen – waren die Gegner auch Rechts?“

AG und LG hatten den Angeklagten deshalb zu einer Geldstrafe verurteilt. Nach Auffassung des LG hatte der Angeklagte mit seinem bewusst gewählten Vergleich zwischen dem „Abfackeln“ von Flüchtlingsunterkünften im Osten und dem Widerstand der damaligen Atommüllendlagegegner im Westen, dem Begriff des zivilen Ungehorsams sowie mit seinem Unverständnis über die Ablehnung seines Beitrags durch FOCUS Online willentlich den Eindruck erweckt, dass es zu den in Form zivilen Ungehorsams verübten Brandanschlägen keine Alternative gebe und er diese Taten gutheiße.

Das OLG hat dann frei gesprochen und ist dieser Interpretation nicht gefolgt. Es verweist auf die Rechtsprechung des BVerfG und des BGH, wonach § 140 StGB als Meinungsäußerungsdelikt wegen der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit (Art. 5 Grundgesetz – GG) restriktiv auszulegen ist. Ein Billigen setzt danach eine aus sich heraus verständliche unzweifelhafte Kundgabe der Zustimmung in der Weise voraus, dass der Äußernde sich moralisch hinter die Straftat stellt. Das sei hier nicht der Fall (gewesen), Dazu führt das OLG u.a. aus:

(2) Diesen Anforderungen wird die angegriffene Entscheidung nicht vollständig gerecht; denn innerhalb des vorliegend gegebenen Auslegungskorridors ist eine Deutung der Äußerung des Angeklagten mit straflosem Inhalt nicht ausgeschlossen.

(a) Zwar trifft es zu, dass der vom Angeklagten verfasste Text eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der – von ihm als dessen wesentlicher Hintergrund und Anlass bezeichneten und angeblich regelhaften – medialen Vermutung einer rechtsextremen Gesinnung als Tatmotiv für Brandanschläge auf (geplante) Flüchtlingsheime vermissen lässt. In diesem Zusammenhang wäre nämlich eine Erörterung zu erwarten gewesen, worin – jenseits einer fremdenfeindlichen Einstellung – das Motiv einer gerade in Form von Brandanschlägen, also der Begehung allgemeingefährlicher Verbrechen, ausgedrückten Ablehnung der Einrichtung von Flüchtlingsheimen im sozialen Nahbereich überhaupt denktheoretisch bestehen könnte.

(b) Jedoch lässt sich der Äußerung – gemessen an dem dargestellten Verständnishorizont – die ihr durch die Kammer beigemessene Bedeutung nicht entnehmen, dass die Brandanschläge darin sinngemäß als einzige und vom Angeklagten gutgeheißene Möglichkeit der Durchsetzung einer politischen Partizipation durch – nach der Ansicht des Angeklagten – betroffene Anwohner bezeichnet würden. Soweit die Kammer in diesem Zusammenhang das in der Äußerung des Angeklagten gebrauchte Adverb „alternativlos“ in den Bedeutungskontext von „vermeintlich alternativlosen Brandanschlägen“ zur Durchsetzung einer politischen Teilhabe stellt, ergibt sich dies aus dem Wortlaut der Erklärung auch unter Heranziehung des Gesamtzusammenhangs des Texts gerade nicht. Vielmehr gebraucht der Angeklagte das bezeichnete Adverb lediglich in Bezug auf eine seitens der Täter angeblich vorliegende Bevormundung der Anwohner durch „Obrigkeiten“, indem diese ihnen „alternativlos – wie immer – eine Einrichtung vor die Nase“ setzten. Mithin wurde hierdurch (nur) zum Ausdruck gebracht, dass die staatlichen Entscheidungsträger den betroffenen Bürgern keine Alternativen zu Flüchtlingsunterkünften in deren Wohnumfeld offerierten.“