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Prüfung der Haftfähigkeit des Verurteilten, oder: Der Verurteilte muss die Kosten tragen

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Es ist „Gebührenfreitag“, also geht es heute ums Geld 🙂 . Und da stelle ich als erstes den (kostenrechtlichen) OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.10.2019 – 1 Ws 178/19 – vor, der die Frage beantwortet: Wer zahlt die Kosten der Prüfung der Haftfähigkeit eines Verurteilten?

Im vom OLG Karlsruhe entschiedenen Fall war der Verurteilte im Dezember 2017 rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt worden, die auch seit Dezember 2017 vollstreckt wird. Ihm wurden im Urteil die Kosten des Verfahrens auferlegt. Am 12.9.2018 beantragte der Verteidiger des Verurteilten die Unterbrechung des Vollzugs der Freiheitsstrafe, weil der Verurteilte gesundheitsbedingt haftunfähig sei. Daraufhin beauftragte die Staatsanwaltschaft das Gesundheitsamt mit der Begutachtung des Verurteilten, die im Ergebnis zur Bejahung der Haftfähigkeit und zur Ablehnung der Haftverschonung führte. Mit Kostenmitteilung vom 23.11.2018 rechnete das Gesundheitsamt dann ein Sachverständigenhonorar von rund 500 EUR ab, das die Staatsanwaltschaft dem Verurteilten in Rechnung stellte. Dagegen hat der Verurteilte Erinnerung eingelegt, die das LG als unbegründet verworfen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Verurteilten hatte beim OLG keinen Erfolg. Das OLG sagt: Der Verurteilte haftet:

1. Die durch das von der Staatsanwaltschaft Mosbach in Auftrag gegebene Gutachten zur Prüfung der Haftfähigkeit des Verurteilten entstandenen Kosten sind Verfahrenskosten im Sinne des § 464a Abs. 1 StPO, die gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 GKG von der Staatsanwaltschaft anzusetzen und beim Verurteilten, der die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, zu erheben sind.

a) Das OLG Koblenz vertritt zwar in einem Beschluss vom 08.01.1997 (NStZ 1997, 256) die – offenbar in einem späteren, unveröffentlichten Beschluss desselben Senats vom 16.07.2001 (2 Ws 576/01, wiedergegeben im Beschluss dieses Senats vom 04. Mai 2005 – 2 Ws 274/05 –, Rpfleger 2005, 627) bestätigte – auch in der Literatur verbreitete Ansicht (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl. 2019, § 464a Rn. 3; KK-StPO/Gieg, 8. Aufl. 2019, StPO § 464a Rn. 5; BeckOK StPO/Niesler, 34. Ed. 1.7.2019, StPO § 464a Rn. 15; Temming/Schmidt in: Gercke/Julius/Temming/Zöller, Strafprozessordnung, 6. Aufl. 2019, § 464a Rn. 6; SK-StPO/Degener, 4. Aufl. 2013, § 464a Rn. 9; zwar nicht ausdrücklich, aber wohl im Ergebnis, Hilger in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, § 464a Rn. 18; differenzierend danach, ob das Gutachten von der Staatsanwaltschaft oder von einem Gericht in Auftrag gegeben wurde, Peglau, NJW 2003, 870), dass es sich bei der Einholung eines Gutachtens durch die Staatsanwaltschaft zur Überprüfung der Vollzugstauglichkeit um eine Amtshandlung der Justizverwaltung im Sinne des – die Kostenfreiheit anordnenden – § 9 Nr. 1 JVKostO handele, die durch den Antrag des zum Haftantritt geladenen Verurteilten, seine Vollzugstauglichkeit begutachten zu lassen, veranlasst worden sei, weshalb die dadurch verursachten Kosten keine Verfahrenskosten im Sinne des § 464 Abs. 1 StPO seien und dem Verurteilten nicht auferlegt werden könnten.

b) Dem vermag sich der Senat sich jedoch nicht anzuschließen.

(1) Amtshandlungen im Sinne des § 3 Nr. 1 JVKostG – der den § 9 Nr. 1 JVKostO mit Wirkung zum 01.08.2013 inhaltsgleich (Bundestagsdrucksache 17/11471 vom 14.11.2012, Seite 239) ersetzt hat – sind solche, die nicht von Amts wegen vorgenommen werden können oder müssen, sondern einen Antrag voraussetzen. Dies ist bei der Einholung eines Gutachtens zur Frage der Haftfähigkeit im Rahmen der Haftverschonung nach § 455 StPO nicht der Fall. Die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde hat nämlich nicht nur auf Antrag, sondern auch von Amts wegen zu prüfen, ob die Vollstreckung der Freiheitsstrafe gemäß § 455 StPO aufzuschieben oder zu unterbrechen ist (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl. 2019, § 455 Rn. 15; BeckOK StPO/Coen, 34. Ed. 1.7.2019, StPO § 455 Rn. 11; MüKoStPO/Nestler, 1. Aufl. 2019, StPO § 455 Rn. 4). Eine – formale – Pflicht der Staatsanwaltschaft zur Einholung eines Gutachtens sieht das Gesetz – auch bei einem dahingehenden Antrag des Verurteilten – nicht vor. Die Einholung eines Gutachtens steht im pflichtgemäßen Ermessen der Staatsanwaltschaft. Sie wird sich nur dann sachverständiger Hilfe bedienen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Vollzugsuntauglichkeit bestehen und eine Entscheidung ohne Gutachten nicht möglich erscheint. Wie diese konkreten Anhaltspunkte zur Kenntnis der Staatsanwaltschaft gelangen – etwa durch einen Bericht der Justizvollzugsanstalt oder eben durch einen Antrag des Verurteilten auf Haftverschonung – ist dabei unerheblich. Der Antrag eines Verurteilten auf Aufschub oder Unterbrechung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe nach § 455 StPO hat also nur zur – unmittelbaren – Folge, dass die Staatsanwaltschaft den Antrag prüft und bescheidet. Im Ergebnis kann es deshalb für die Frage, wer die Kosten für das Gutachten zu tragen hat, keine Rolle spielen, ob die Prüfung der Haftfähigkeit durch einen Antrag des Verurteilten initiiert wurde.

(2) Die Kosten für ein Gutachten zur Überprüfung der Haftfähigkeit als Kosten des Verfahrens im Sinne des § 464a Abs. 1 StPO anzusehen, entspricht dem im strafrechtlichen Kostenrecht verankerten Verursacherprinzip, dessen Kern die Ursächlichkeit des verurteilten Angeklagten für die Durchführung des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens und damit auch für die Entstehung der hiermit verbundenen Kosten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2005 – 4 StR 143/05 –, NStZ-RR 2006, 32; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 28. Juni 2006 – 2 BvR 1596/01 –, Rpfleger 2007, 107). Wie § 464a Abs. 1 Satz 2 StPO ausdrücklich anführt, gehören dazu auch die „Kosten der Vollstreckung der Rechtsfolge einer Tat“. Damit hat der Verurteilte im Grundsatz auch für alle Verfahrenskosten einzustehen, die nach Erlass des Urteils entstanden sind, und zwar unabhängig davon, ob er im Einzelfall in einem gerichtlichen Verfahren obsiegt oder unterliegt (Senat, Beschluss vom 17. April 2003 – 1 Ws 229/02 –, NStZ-RR 2003, 350; OLG Koblenz, Beschluss vom 29. April 2017 – 2 Ws 140/17 –, juris). Die Kosten der Überprüfung der Haftfähigkeit des Verurteilten nach § 455 StPO sind in diesem Sinne durch seine Verurteilung verursacht, weil die Haftfähigkeit – unter Berücksichtigung des § 455 Abs. 4 Satz 2 StPO, wonach die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe nicht unterbrochen werden darf, wenn überwiegende Gründe, namentlich der öffentlichen Sicherheit, entgegenstehen – grundsätzlich Voraussetzung für den Vollzug einer Freiheitsstrafe ist. Insoweit ist die Sachlage mit der des § 454 Abs. 2 StPO vergleichbar, wonach ein Gutachten einzuholen ist, wenn die Strafaussetzung einer lebenslangen Freiheitsstrafe oder einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren wegen bestimmter Gewalt- und Sexualdelikten (§ 66 Abs. 3 Satz 1 StGB) bezeichneten Art zu prüfen ist. Die Auslagen für ein solches Gutachten sind Vollstreckungskosten im Sinne des § 464a Abs. 1 Satz 2 StPO (Senat a.a.O.; OLG Koblenz, Beschluss vom 29. April 2017 – 2 Ws 140/17 –, juris; KK-StPO/Appl, 8. Aufl. 2019, StPO § 454 Rn. 13; a.A. OLG Hamm, Beschluss vom 04. September 2000 – 2 Ws 189/00 –, NStZ 2001, 167).

(3) Schließlich ist zu sehen, dass die Entscheidung der Staatsanwaltschaft über den Strafaufschub der gerichtlichen Überprüfung nach § 458 Abs. 2 StPO unterliegt. Eine Kostenentscheidung des Gerichts ist dabei aber nicht veranlasst, weil auch hier die Kostengrundentscheidung des verurteilenden Urteils fortwirkt; die im gerichtlichen Verfahren nach § 458 Abs. 2 StPO entstandenen Kosten sind Verfahrenskosten im Sinne des § 464a Abs. 1 StPO (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 15. Oktober 2014 – 1 Ws 267/14 –, juris; BeckOK StPO/Coen, 34. Ed. 1.7.2019, StPO § 458 Rn. 8). Die Kosten eines vom Gericht eingeholten Gutachtens sind damit ohne Weiteres von einem Verurteilten zu tragen, dem gemäß § 465 StPO die Kosten des Verfahrens auferlegt wurden (so auch Peglau a.a.O.). Davon ausgehend kann es aber nicht darauf ankommen, ob bereits die Staatsanwaltschaft für ihre Entscheidung nach § 455 StPO ein Gutachten in Auftrag gibt oder erst – aufgrund der Einwendung des Verurteilten gegen die staatsanwaltschaftliche Entschließung – das Gericht.

c) Aufgrund der fortwirkenden Kostengrundentscheidung des Urteils des Landgerichts Mosbach vom 11.12.2017 bedurfte es im Übrigen auch keiner weiteren – gerichtlichen – Entscheidung, dass der Verurteilte die Kosten eines zur Vorbereitung der Entscheidung der Staatsanwaltschaft nach § 455 StPO eingeholten Gutachtens zu tragen hat (vgl. Senat a.a.O.), so dass die Staatsanwaltschaft diese Kosten gemäß § 19 GKG in Verbindung mit der Kostengrundentscheidung des Urteils des Landgerichts Mosbach vom 11.12.2017 zulasten des Verurteilten festsetzen konnte.

2. Es besteht kein Anlass, wegen unrichtiger Sachbehandlung gemäß § 21 GKG von der Erhebung der Kosten abzusehen.

a) Eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne des § 21 GKG kann nur dann angenommen werden, wenn der Handlungs-, Bewertungs- und Entscheidungsspielraum der Staatsanwaltschaft bei der Erteilung des Gutachtenauftrags eindeutig überschritten wurde, die Einholung des Gutachtens gleichsam ein grober Fehler war (vgl. BGH, Beschluss vom 11. September 2018 – 5 StR 249/18 –, juris; BDZ/Zimmermann, 4. Aufl. 2019, GKG § 21 Rn. 5 mwN; BeckOK KostR/Dörndorfer, 26. Ed. 1.6.2019, GKG § 21 Rn. 3 mwN). Dies ist hier nicht der Fall.

b) Der Verteidiger des Verurteilten hat zur Begründung des Antrags auf Haftverschonung vom 12.09.2018 konkrete und durch ärztliche Atteste untermauerte Ausführungen zum Gesundheitszustand des Verurteilten gemacht. Dass die Staatsanwaltschaft daraufhin zur Vorbereitung ihrer Entscheidung das amtsärztliche Gutachten in Auftrag gab, ist nicht zu beanstanden. Die Staatsanwaltschaft ist nicht verpflichtet, den vom Verurteilten selbst zur Begründung seiner Haftunfähigkeit vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen oder Gutachten ohne Weiteres zu folgen. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass – wie der Verurteilte mit der Begründung seiner Beschwerde vorträgt – das Landgericht Mosbach es im Erkenntnisverfahren abgelehnt hatte, ein Gutachten zur Haftfähigkeit einzuholen. Zum einen ist es nicht Sache des verurteilenden Gerichts, die Haftfähigkeit zu prüfen. Zum anderen lag dem Tätigwerden der Staatsanwaltschaft als Verfolgungsbehörde der Antrag des Verteidigers auf Haftverschonung zugrunde.“

Das OLG Hamm hat das mal anders gemacht und den Grundsatz angewendet: Wer die Musik bestellt, muss sie auch bezahlen. Aber das ist – wie man sieht – vereinzelt geblieben

OWi II: Elektronische Einreichung der Rechtsbeschwerdebegründung, oder: Nicht unterzeichnet

Als zweite Entscheidung des Jahres dann der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.08.2019 – 2 Rb 8 Ss 386/19. Ergangen ist er noch zu § 41a StPO, der zum 01.01.2018 bzw. 01.01.2019 bzw. ggf. sogar erst zum 01.01.2020 – je nach Rechtsverordnung des jeweiligen Bundeslandes – durch § 32a StPo ersetzt worden ist.- Es geht um die Auswirkungen der Nichteinhaltung der Formvorschriften bei elektronischer Einreichung einer Rechtsmittelschrift, eine Problematik, die uns in Zunft sicher noch häufiger beschäftigen wird.

Hier war Rechtsbeschwerde eingelegt worden. Begründet worden ist die mit nicht unterzeichnetem Verteidigerschriftsatz, der elektronisch über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wurde. Das AG hat die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen. Das OLG hat Wiedereinsetzung gewährt:

„Dem Betroffenen ist von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren.

1. Es liegt ein Fall der Säumnis vor, da die frist- und formgerechte Begründung der Rechtsbeschwerde nicht nachgewiesen ist. Denn dazu bedarf es des vollen Nachweises, wobei der Zweifelsgrundsatz nicht gilt (vgl. BGH NStZ 2009, 174). Dieser Beweis ist wegen des Widerspruchs zwischen dem vom Verteidiger vorgelegten Prüfprotokoll und dem gerichtlichen Empfangsprotokoll hinsichtlich einer qualifizierten Signatur vorliegend nicht geführt.

Damit fehlt es an einer innerhalb der Frist der § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 345 Abs. 1 StPO erfolgten den gesetzlichen Formvorschriften entsprechenden Rechtsbeschwerdebegründung. Dazu hat die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe auf der Grundlage des gerichtlichen Empfangsprotokolls in ihrer Antragsschrift vom 23.5.2019 zutreffend ausgeführt:

„Der Schriftsatz vom 18.12.2018, der die Begründung der Rechtsbeschwerde enthält, ist nicht – wie §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 345 Abs. 2 StPO grundsätzlich vorsieht – in einer durch den Verteidiger unterzeichneten Schrift angebracht. § 41a Abs. 1 StPO a.F. sieht zwar grundsätzlich vor, dass eine schriftlich abzufassende und zu unterzeichnende Begründung auch als elektronisches Dokument eingereicht werden kann. Gemäß der Übergangsregelung zum Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs (EAEGÜR) i.V.m. § 15 EGStPO fand § 41a StPO noch bis zum 31.12.2018 Anwendung und ist daher vorliegend maßgeblich.

Die Voraussetzungen von § 41a Abs. 1 StPO sind jedoch nicht erfüllt. Der elektronisch übermittelte Schriftsatz vom 18.12.2018 war – wie sich aus dem gerichtlichen Eingangsprotokoll ergibt (AS 137) – nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen, wie es § 41a Abs. 1 S. 1 StPO grundsätzlich vorschreibt. Diese Vorschrift sieht in Abs. 1 S. 2 zwar vor, dass neben der qualifizierten elektronischen Signatur auch ein anderes sicheres Verfahren durch Rechtsverordnung zugelassen werden kann. Die insoweit bis 31.12.2018 maßgebliche LERVVO sah in § 7 alternativ zur Übermittlung eines elektronischen Dokuments mit qualifizierter elektronischer Signatur vor, dass ein Dokument von der verantwortenden Person signiert und auf einem näher definierten sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden kann. Diese Voraussetzungen sind vorliegend jedoch ebenfalls nicht erfüllt. Entgegen den Angaben des Verteidigers wurde der Schriftsatz nicht vom – in § 7 Abs. 2 Nr. 2 LERVVO genannten – besonderen elektronischen Anwaltspostfach aus übermittelt. Vielmehr erfolgte die Übermittlung ausweislich des gerichtlichen Eingangsprotokolls über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP). […] Im Übrigen setzt auch die Übermittlung vom besonderen elektronischen Anwaltspostfach voraus, dass das elektronisch übermittelte Dokument durch die verantwortende Person (handschriftlich) signiert wird, § 7 Abs. 1 LERVVO. Eine solche Signatur weist der Schriftsatz vom 18.12.2018 aber nicht auf.“

2. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 46 Abs. 1 OWiG, 44 StPO) liegen vor. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob den Verteidiger an der nicht ordnungsgemäßen Übermittlung des Begründungsschriftsatzes ein Verschulden trifft, da dieses jedenfalls dem Betroffenen nicht zuzurechnen ist (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 44 Rn. 18 m.w.N.). Das Vertrauen des Betroffenen auf eine fristwahrende Übermittlung des Begründungschriftsatzes am 18.12.2018 ist erst durch die Möglichkeit der Kenntnisnahme des mit Verfügung des Senats vom 28.6.2019 mitgeteilten gerichtlichen Empfangsprotokolls beseitigt worden. Da inzwischen die Rechtsbeschwerdebegründung formgerecht nachgeholt worden war, kann danach gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 45 Abs. 2 Satz 3 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen erfolgen.“

Die über den Radweg gespannte Slackline, oder: Voller Ersatz für den stürzenden Radfahrer

Auch schon etwas älter ist das OLG Karlsruhe, Urt. v. 16.07.2019 – 14 U 60/16. Entschieden hat das OLG über die Haftung nach einem (Verkehrs)Unfall mit folgendem Sachverhalt:

Die Klägerin war mit ihrem Fahrrad auf einem ca. 3,4 m breiten Rad- und Fußweg neben ihrem Ehemann im Sportgelände eines Freiburger Stadtteils unterwegs. Dort hatten die drei volljährigen Beklagten eine ca. 15 m lange und ca. 3 – 5 cm breite farbige Slackline über den Weggespannt. Diese befand sich zwischen den jeweils deutlich neben dem Weg befindlichen Pfosten eines Basketballkorbs und eines Pavillons in einer Höhe von ca. 15 bis 25 cm über dem Boden. Die Slackline war nicht zusätzlich optisch gesichert. Die Klägerin hat die Slackline übersehen und fuhr dagegen. Infolge des abrupten Halts stürzte sie über ihren Fahrradlenker und fiel mit Kopf und Schultern auf den Asphaltboden. Die Klägerin erlitte schwere Verletzungen. Sie war etwas mehr als fünf Monate arbeitsunfähig.

Das LG hatte die Beklagten dem Grunde zu 100% verurteilt, jedoch nur 10.000,00 € Schmerzensgeld und nur einen Teil des eingeklagten materiellen Schadens zugesprochen. Dagegen hatten beiden Parteien Berufung eingelegt. Das OLG ist ebenfalls von einer 100-igen Haftung ausgegangen, das Schmerzensgeld hat es auf 25.000 € erhöht:

„Wie vom Landgericht bereits ausgeführt, haften die Beklagten gemäß § 823 Abs. 1 BGB sowie gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 32 StVO, § 315 b StGB zu 100% für die Folgen des Unfalls vom 24.10.2009.

1. Die Beklagten installierten eine Slackline quer über den Geh- und Radweg. Sie schufen dadurch ein verbotenes Verkehrshindernis im Sinne des § 32 StVO und bereiteten gleichzeitig gemäß § 315 b StGB ein Hindernis, durch das sie die Sicherheit im Straßenverkehr beeinträchtigten und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen gefährdeten.

a) Bei dem Geh- und Radweg, auf dem sich der Unfall ereignete, handelte es sich um eine Straße im Sinne des § 32 StVO und des § 315 b StGB.

Die Verhaltensvorschriften der StVO beziehen sich grundsätzlich nur auf Vorgänge im öffentlichen Verkehrsraum. „Öffentlich“ im Sinne des Straßenverkehrsrechts ist eine Verkehrsfläche immer dann, wenn auf ihr der Verkehr eines Personenkreises, der durch keinerlei persönliche Beziehungen miteinander verbunden ist, zugelassen wird (Heß in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Auflage 2018, StVO, § 1 Rn. 6). Die Öffentlichkeit wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass die Benutzung nach sachlichen Merkmalen beschränkt ist (für Fuß- oder Radweg: OLG Zweibrücken, Urteil vom 22.09.1989 – 1 U 211/88, NZV 1990, 476; Heß, a.a.O. Rn. 7). Hier handelte es sich um ein öffentliches Sportgelände, das Befahren des Weges mit dem Fahrrad und die Benutzung als Fußgänger waren jedermann gestattet.

Der Begriff der Straße in § 315 b StGB erfasst auch Fahrrad- und Gehwege. Entscheidend ist auch hier lediglich die Widmung für den öffentlichen Verkehr, also die ausdrückliche Zulassung oder wenigstens das stillschweigende Dulden der Nutzung durch jedermann seitens des Verfügungsberechtigten (Pegel, in: Münchner Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2019, § 315c Rn. 6). Bei dem Geh- und Radweg handelte es sich somit auch um eine Straße im Sinne des § 315 b StGB.

b) Die über die Straße gespannte Slackline stellte ein Hindernis im Sinne der § 32 StVO, § 315 b StGB dar. Nach herrschender Meinung erfasst der räumliche Schutzbereich des § 32 StVO auch den Luftraum über dem Straßenkörper, da auch in den Luftraum hineinragende Gegenstände – insbesondere durch die Gefahr von Kollisionen mit Verkehrsteilnehmern – die Verkehrssicherheit als Schutzgut des § 32 StVO gefährden können (Sauthoff, in: Münchner Kommentar zum StVR, 1. Auflage 2016, StVO, § 32 Rn. 13; Hühnermann, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Auflage 2018, StVO, § 32 Rn. 5; Rogler, in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Auflage 2016, StVO, § 32 Rn. 28; OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 26.05.2017 – 13 U 21/14, BeckRS 2017, 138275).

c) Dieses Hindernis gefährdete die Sicherheit des Verkehrs. Insbesondere war zu befürchten, dass sich nähernde Radfahrer die Slackline zu spät als solche wahrnehmen, in diese hineinfahren und stürzen könnten. Diese abstrakte Gefährdung des Verkehrs führte auch zu einer konkreten Gefährdungssituation im Sinne des § 315 b StGB, wobei sich die konkrete Gefährdung der Klägerin durch den Unfall realisierte.

d) Die Beklagten verursachen die Verkehrsgefährdung und die konkrete Gefährdung der Klägerin auch zumindest grob fahrlässig.

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden ist, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt wurden und dasjenige nicht beachtet wurde, was im gegebenen Fall jedermann hätte einleuchten müssen (Rolfs/Binz, in: Münchner Kommentar zum StVR, 1. Auflage 2017, BGB § 276 Rn. 12; BGH, Urteil vom 16.02.1979 – I ZR 97/77, NJW 1979, 2474).

Hier war den Beklagten bekannt, dass der Weg von Radfahrern befahren wurde. Die Beklagten haben eingeräumt, dass vor dem Sturz der Klägerin bereits drei Personen, darunter zwei Radfahrer, gezwungen waren, das Hindernis zu umfahren. Es lag auf der Hand, dass Radfahrer mit einem solchen Hindernis nicht rechnen und ihre Aufmerksamkeit nicht auf den Bereich 15 bis 25 cm über dem Boden vor ihnen richten würden. Es war daher schon deshalb naheliegend, dass die Gefahr bestand, dass ein Radfahrer die Slackline übersehen und infolgedessen stürzen würde. Spätestens aber als die Beklagten sich zudem noch von der Stelle entfernten, ohne die Slackline vorher zu beseitigen oder zu kennzeichnen, und so auch nicht mehr durch ihre Übungen auf der Slackline auf die Gefahrensituation aufmerksam machten, ließen sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße außer Acht.

e) Sowohl § 32 StVO (Gunnar Geiger, in: Münchner Kommentar zum StVR, 1. Auflage 2017, BGB, § 823 Rn. 174; OLG Frankfurt, Urteil vom 10.09.1991 – 14 U 244/89, NJW 1992, 318) als auch § 315 b StGB (Gunnar Geiger, a.a.O.; BGH, Urteil vom 23.11.1955 – VI ZR 193/54, NJW 1956, 217) sind Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Diese Schutzgesetze wurden von den Beklagten schuldhaft verletzt. Daneben haften die Beklagten aufgrund ihrer grob fahrlässigen Sorgfaltspflichtverletzung gemäß § 823 Abs. 1 BGB für die Schäden der Klägerin.

2. Der Umfang der Haftung der Beklagten ist auch nicht wegen eines Mitverschuldens der Klägerin beschränkt.

a) Ein Mitverschulden der Klägerin ist nicht erwiesen. Die Beweislast für das Vorliegen eines Mitverschuldens des Geschädigten trägt der Schädiger. Das gilt sowohl für den Grund des Mitverschuldens als auch für dessen Gewicht. Kann die Mitverursachung durch den Geschädigten nicht bewiesen werden, geht dies zu Lasten des Schädigers (Oetker, in: Münchner Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2019, § 254 Rn. 145; Lorenz, in: Beck’scher Online Kommentar zum BGB, 50. Edition, Stand 01.05.2019, § 254 Rn. 69; ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH, Urteil vom 20.02.2013 – VIII ZR 339/11, NJW 2013, 2018)…..“

OWi II: Abstandsunterschreitung, oder: Und nochmals, Vorsatz?

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Und dann noch eine Entscheidung zur Abstandsunterschreitung. Das OLG Karlsruhe nimmt im OLG Karlsruhe, Beschl. v. 12.09.2019 – 1 Rb 10 Ss 618/19 – ebenfalls dazu Stellung, wann bei einem Abstandsverstoß von einer vorsätzlichen Begehungsweise ausgegangen werden kann:

„2. Gegen die Annahme des Amtsgerichts, der Betroffene habe die Zuwiderhandlung vorsätzlich begann, ist nichts zu erinnern.

Zwar kann die Annahme des (bedingten) Tatvorsatzes nicht allein auf das Ausmaß der Abstandsunterschreitung gestützt werden, sondern bedarf grundsätzlich einer gebührenden Auseinandersetzung mit den alle Vorsatzformen charakterisierenden immanenten kognitiven und voluntativen Vorsatzelementen, um mit der notwendigen Überzeugung ausschließen zu können, dass sich der Fahrer lediglich verschätzt hat (OLG Bamberg, Beschluss vom 19. Juli 2017 – 3 Ss OWi 836/17 –, OLGSt StPO § 267 Nr 35). Dabei liegt aber (bedingt) vorsätzliches Verhalten näher, je kürzer der Abstand ist (vgl. OLG Bamberg a.a.O., Beschluss vom 20. Oktober 2010 – 3 Ss OWi 1704/10 –, DAR 2010, 708).

Ausgehend von der jedem Führer eines fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugs bekannten Faustregel, wonach der erforderliche Sicherheitsabstand die Hälfte des Tachowertes beträgt, muss jedenfalls – ohne Vorliegen konkreter dagegensprechender Anhaltspunkte – regelmäßig davon ausgegangen werden, dass einem Fahrzeugführer das Unterschreitung des Sicherheitsabstandes bewusst gewesen ist und er dies zumindest billigend in Kauf genommen hat, wenn er über einen Zeitraum, in dem er den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug bei gehöriger Aufmerksamkeit wahrnehmen, mittels der in der Fahrschülerausbildung üblicherweise gelehrten Methoden (2-Sekunden-Test für Außerortsverkehr, Anzahl der Fahrzeuglängen oder Anzahl der zwischen den Fahrzeugen befindlichen Leitpfosten) überprüfen und korrigieren konnte, bei nicht abnehmender Geschwindigkeit des vorausfahrenden Fahrzeugs lediglich einen Abstand von weniger als ein Viertel des Tachowertes einhält, so dass ein Schätzfehler fernliegt und die Begründung von Fahrlässigkeit gleichsam rechtsfehlerfrei nicht mehr möglich wäre (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschlüsse vom 26. März 1991 – 2 ObOWi 430/90NZV 1991, 320, und vom 21. November 2001 – 2 ObOWi 501/01 – DAR 2002, 133).

So liegt der Fall hier. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts betrug die Zeit, in der der Betroffenen mit weniger als 2/10 des Tachowertes hinter dem vorausfahrenden Fahrzeug bei einer Geschwindigkeit von 115 km/h herfuhr mindestens 14 Sekunden; der Angriff der Rechtsbeschwerde gegen diese Feststellungen des Amtsgerichts geht – wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausgeführt hat – fehl. Auch wenn sich aus den Urteilsgründen nicht ergibt, ob die Unterschreitung des Sicherheitsabstandes durch sukzessive Annäherung des Betroffenen an das vorausfahrende Fahrzeug durch eine höhere Geschwindigkeit, Geschwindigkeitsverzögerung des vorausfahrenden Fahrzeuges oder einen Fahrstreifenwechsel entstanden ist, hätte diese Zeit ohne Weiteres ausgereicht, um den Abstand wahrzunehmen (höchstens zwei Sekunden), zu überprüfen (höchstens fünf Sekunden) und durch Verringerung der eigenen Geschwindigkeit zu korrigieren (höchstens fünf Sekunden).
Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht ausgehend von den objektiven Feststellungen einen Schätzfehler ausgeschlossen hat, zumal sich der Betroffene zum Vorwurf nicht eingelassen hatte und den Urteilsgründen keine Anhaltspunkte zu entnehmen sind, die gegen diese Schlussfolgerung sprechen würden.“

(Akten)Einsicht II: Nichtüberlassung von Messunterlagen, oder: Beschränkung der Verteidigung

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.09.2019 – 1 Rb 10 Ss 531/19, auf den mich der Kollege Gratz vom VerkehrsrechtsBlog hingewiesen hat. Auf dessen Homepage steht auch der Volltext der Entscheidung als PDF. Das hat mit den weiteren Ausführungen des OLG zur Verwendung eines Formulars durch den Amtsrichter zu tun.

Zur Nichtüberlassung von Messdaten-/unterlagen nimmt das OLG – unter Bezug auf seine frühere Rechtsprechung – dann noch einmal wie folgt Stellung:

Die Nichtüberlassung von Messdaten oder Messunterlagen, die der Betroffene zur Prüfung des Tatvorwurfs benötigt, stellt eine Beschränkung der Verteidigung (§ 338 Nr. 8 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG) dart, wenn insoweit ein Antrag auf Unterbrechung oder Aussetzung der Hauptverhandlung gestellt wurde.

Denn:

„Nach Ansicht des Senats wird die Verteidigung jedenfalls dann unzulässig beschränkt (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 338 Nr. 8 StPO), wenn der Betroffene schon bei der Verwaltungsbehörde und sodann vor dem Amtsgericht gemäß § 62 OWiG Antrag auf Einsicht in die nicht bei den Akten befindlichen weiteren amtlichen Messunterlagen erfolglos gestellt hat und sein erneuter, in der Hauptverhandlung gestellter und darauf gerichteter Einsichts- und Aussetzungsantrag durch Beschluss zurückgewiesen wurde und zudem nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht oder beruhen kann. Gleiches gilt nach Ansicht des Senats dann, wenn der Betroffene – in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Verwaltungsbehörde das Zwischenverfahren vor Eingang des Antrags auf gerichtliche Entscheidung (gem. § 62 OWiG) bereits abgeschlossen und die Akten über die Staatsanwaltschaft an das Amtsgericht übersandt hat (gem. § 69 Abs. 3 Satz 1 OWiG) — wenn der Betroffene nach Eingang der Akten beim Amtsgericht gegenüber dem Amtsgericht beantragt, ihm die nicht bei den Akten befindlichen weiteren amtlichen Messunterlagen zur Verfügung zu stellen oder durch die Verwaltungsbehörde zur Verfügung stellen zu lassen und das Amtsgericht diesen Antrag zunächst vor der Hauptverhandlung zurückweist und dann in der Hauptverhandlung den darauf gerichteter Einsichts- und Aussetzungsantrag durch Beschluss zurückweist und zudem nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht oder beruhen kann.“

Und: In einer beim VerfG Rheinland-Pfalz anhängigen der Verfassungsbeschwerdesache wegen Einsicht in Messunterlagen, gelöschte Rohmessdaten etc. ist Termin bestimmt worden auf den 15.1.2020 beim VerfGH Koblenz.ich bin gespannt.