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Elektronische Akte im Straf- oder Bußgeldverfahren, oder: Ist das Urteil rechtzeitig „zur Akte gebracht“?

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Und dann im Kessel Buntes heute noch ein Beschluss des OLG Düsseldorf, der ganz gut zum Thema „Digitalisierung“ passt, nämlich der OLG Düsseldorf, Beschl. v. 04.07.2023 – 3 RBs 10/23.

Das OLG äußert sich zu der interessanten Frage, wann ein Urteil bei einer Akte, die elektronisch geführt wird, „zur Akten gebracht ist“. Die Frage ist ja für die Einhaltung der Urteilsabsetzungsfrist (§ 275 StPO) von Bedeutung. Das OLG führt dazu aus:

„Die Rechtsbeschwerde hat schon mit der zulässig erhobenen Rüge, das angefochtene Urteil sei verspätet abgesetzt und nicht rechtzeitig innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO iVm § 46 OWiG zu den Akten gebracht worden, zumindest vorläufig Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer erneuten Senatszuschrift dazu folgendes ausgeführt:

„Zwar hat die Richterin das Urteil im Ordner „Geschäftsgang“ abgelegt, jedoch genügt dies nicht, um ein Dokument in einer elektronischen Akte zu dieser zu bringen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage (2023), § 32b Rn. 4), da es sich bei dem Ordner „Geschäftsgang“ um einen Zwischenspeicher handelt. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 32b Abs. 2 StPO ist ein Dokument zu den Akten gebracht, sobald es in der elektronischen Akte gespeichert ist. Gespeichert wurde das Urteil – wie aus den Dokumenteneigenschaften des Urteils (welche mittels rechter Maustaste abgerufen werden können, Bl. 195 d. A.) ersichtlich – durch die Abteilungsrichterin selbst am 3. November 2022. Unabhängig von der eindeutigen Gesetzeslage ist nicht ersichtlich, wieso die Richterin das Urteil am 3. November eigenhändig in die Akte speichert, wenn sie – wie in der dienstlichen Äußerung angegeben – davon ausgeht, mit der Ablage im Ordner „Geschäftsgang“ bereits alles Erforderliche veranlasst zu haben.“

Dem tritt der Senat bei.“

Vollstreckung I: Erledigung der Unterbringung, oder: Bezug auf unbekannten Vermerk ist keine Begründung

entnommen wikimedia.org
Urhber: Hichhich – Eigenes Werk

Ich hoffe, alle haben das Osterfest gut überstanden, hier oben war es ein sehr regenreiches Fest. Nun ja, muss man durch.

Ich bringe heute dann drei OLG-Entscheidungen aus dem Strafvollstreckungverfahren. Die Thematik ist mal wieder dran.

Den Opener mache ich mit dem OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.02.2024 – III-1 Ws 31/24 -ergangen in einer Maßregelvollzugsache.

Das LG hatte den Verurteilten am 07.02.2022 wegen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Maßregel wird nach Untersuchungs- und Organisationshaft seit dem 9. Juni 2022 ivollzogen.

Nachdem die Klinik, in der der Verurteilte untergebracht ist,  zunächst über einen positiven Behandlungsverlauf berichtet hatte, regte sie vor dem Hintergrund eines Suchtmittelrückfalls des Verurteilten mit Kokain sowie synthetischen Cannabinoiden in einer Stellungnahme vom 06.09.2023 die Erledigung der Maßregel wegen „Aussichtslosigkeit“ an. Auf den der ärztlichen Anregung entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft hat die StVK  den Verurteilten mündlich angehört sowie am 12.12.2023 hierüber einen Vermerk verfasst und durch Beschluss vom gleichen Tage die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt erklärt, insoweit die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung abgelehnt, eine Rückführung des Verurteilten in den Strafvollzug nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses angeordnet  und ferner Begleitanordnungen zu der von Gesetzes wegen eintretenden Führungsaufsicht getroffen. Die Entscheidung zur Erledigung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat die Strafvollstreckungskammer wie folgt gerechtfertigt:

„Die Kammer hat einen Anhörungstermin auf den 07.12.2023 bestimmt. Im Rahmen dieser Anhörung hat sich der Eindruck bestätigt, dass die Unterbringung für erledigt zu erklären sei. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf den Vermerk der Anhörung verwiesen.“

Dagegen die sofortige Beschwerde des Verurteilten, die Erfolg hatte:

„1. Der angefochtene Beschluss ist entgegen § 34 StPO nicht begründet worden, sondern erschöpft sich hinsichtlich der „Begründung“ der Erledigung der Unterbringung des Verurteilten in einer Entziehungsanstalt in einer Bezugnahme auf einen – weder dem Beschwerdeführer noch seiner Verteidigerin bekanntgemachten – Vermerk über die am 7. Dezember 2023 erfolgte Anhörung des Verurteilten. Damit ist die Strafvollstreckungskammer der ihr obliegenden Verpflichtung, eine eigenständige Prognoseentscheidung im Sinne der § 67d Abs. 5 i.A. § 64 Satz 2 StGB n.F. zutreffen, in keiner Weise gerecht geworden. So lässt die „Begründung“ bereits die rechtlichen Erwägungen (zu diesem Erfordernis MüKo-Valerius, StPO, 2. Auflage [2023], § 34 Rdnr. 9) nicht erkennen, auf denen die Entscheidung beruht. Die Entscheidung lässt jegliche Subsumtion des Sachverhalts unter die in Betracht kommenden gesetzlichen Vorschriften vermissen. Ferner sind auch das in Bezug genommene Anhörungsprotokoll sowie das Bemerken der Kammer, „[i]m Rahmen dieser Anhörung hat sich der Eindruck bestätigt, dass die Unterbringung für erledigt zu erklären sei“, letztlich inhaltsleer, denn weder sind insofern eigene prognostische Erwägungen der Kammer erkennbar noch wird der von der Kammer im Rahmen der mündlichen Anhörung gewonnene – offenbar als mitentscheidungserheblich erachtete – persönliche Eindruck von dem Beschwerdeführer in einer für den Senat nachvollziehbaren Weise dargestellt. Zuletzt setzt sich der Beschluss auch nicht ansatzweise mit der in dem Anhörungsprotokoll angedeuteten aktuellen Lebenssituation des Verurteilten sowie der in diesem Zusammenhang geäußerten Argumentation seiner Verteidigerin auseinander. Dies lässt zudem Zweifel daran aufkommen, ob das Recht des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör, dessen Verwirklichung die mündliche Anhörung dienen soll, gewahrt wurde. Die Ausführungen der Kammer verfehlen damit gänzlich die an eine Entscheidung nach § 67d Abs. 5 StGB zu stellenden Begründungserfordernisse. Sie lassen jegliche Auseinandersetzung mit der Frage vermissen, ob bei der gebotenen Gesamtschau des bisherigen Behandlungsverlaufs eine mit therapeutischen Mitteln des Maßregelvollzugs nicht mehr aufbrechbare Behandlungsunwilligkeit oder Behandlungsunfähigkeit des Verurteilten vorliegt (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss 1 Ws 304/19 vom 22. Januar 2020 in: BeckRS 2020, 16399 Rdnr. 19).

2. Der vorbezeichnete Verfahrensfehler zwingt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung über die Erledigung des Maßregelvollzugs mangels Erfolgsaussicht. Hierdurch werden die weiteren Anordnungen im angefochtenen Beschluss gegenstandslos. Dies gilt auch für die Ablehnung der Aussetzung der Vollstreckung der noch offenen Reststrafe zur Bewährung (Nr. 6 des angefochtenen Beschlusses), denn auch insoweit kann erst dann eine Entscheidung getroffen werden, wenn feststeht, dass die nach § 67 Abs. 1 StGB vorab zu vollziehende Maßregel nicht weiter zu vollstrecken ist.

3. Der Senat sieht abweichend von § 309 Abs. 2 StPO von einer eigenen Entscheidung ab und verweist die Sache an die Strafvollstreckungskammer zurück. Außerhalb der Hauptverhandlung ergangene Entscheidungen, die nicht nur mangelhaft, sondern — wie hier — überhaupt nicht begründet worden sind, unterliegen der Zurückweisung an das erstinstanzlich zuständige Gericht (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss 1 Ws 92/15 vom 6. Juli 2015 in: BeckRS 2015, 12793 Rdnr. 19; OLG Oldenburg NJW 1971, 1098, 1099; KK-Schneider-Glockzin, StPO, 9. Auflage [2023], § 34 Rdnr. 11). Die Inhaltsleere der „Beschlussbegründung“ gibt dem Senat nämlich Anlass zu der Besorgnis, dass die Kammer der ihr obliegenden Pflicht zur Anstellung einer eigenen Prognoseentscheidung nicht nachgekommen, sondern ohne eigene Sachprüfung der ärztlichen Anregung sowie dem Erledigungsantrag der Staatsanwaltschaft gefolgt ist. Bei dieser Sachlage ist der Senat an einer eigenen Sachentscheidung gehindert, denn diese würde im Ergebnis eine Kompetenzverlagerung darstellen und der Senat würde praktisch in erster Instanz tätig werden. Es versteht sich indes von selbst, dass eine derartige Kompetenzverlagerung nicht in Betracht kommen kann (vgl. hierzu OLG Gelle, Beschluss 2 Ws 18/20 vom 27. Januar 2020 Rdnr. 9 <juris>; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2011, 325, 326).“

beA II: Berufungseinlegung nur mit „Word-Dokument“, oder: Wenn der Hinweis des Gerichts verspätet ist

https://www.burhoff.de/asp_weitere_beschluesse/inhalte/8239.htm

Und dann habe ich als zweite Entscheidung hier noch ein Urteil des OLG Düsseldorf. Ergangen ist das Urteil in einer Patentstreitigkeit. Die Einzelheiten des Verfahrens tun hier für die „beA-Frage“ nichts zur Sache; die muss man auch nicht verstehen, man kann/muss ja nicht alles verstehen.

Nur kurz: Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin eines u.a. Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents. Wegen Verletzung dieses Schutzrechts hat sie die Beklagten auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie auf Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz und zur Leistung einer angemessenen Entschädigung in Anspruch genommen. Diese Klage hat das LG abgewiesen.

Gegen das am 25.08.2022 zugestellte Urteil des LG hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 08.09.2022, beim OLG am selben Tag eingegangen, Berufung eingelegt, wobei sie diese über das beA im Dateiformat .docx (Word-Datei) übermittelt hat. Auf einen Hinweisbeschluss des OLG-Senats vom 20.03.2023 hat sie mit Schriftsatz vom selben Tag die Berufungsschrift vom 08.09.2022 nochmals im Dateiformat PDF eingereicht, wobei ihr Prozessbevollmächtigter versichert hat, dass die Berufungsschrift vom 08.09.2022 im Dateiformat .docx mit derjenigen im Dateiformat PDF inhaltlich übereinstimmt.

Das OLG hatte zunächst wohl in einem Hinweisbeschluss darauf hingewiesen, dass die Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung bestehen. Daran hat es dann aber im OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.11.2023 – 15 U 99/22 – nicht festgehalten:

1. Die Berufung der Klägerin ist zulässig.

Dabei kann dahinstehen, ob die am 08.09.2022 eingegangene Berufung aus den Gründen des Hinweisbeschlusses des Senats vom 20.03.2023 (Bl. 127-130 eA), auf die Bezug genommen wird, zunächst nach § 130a ZPO i. V. m. § 2 ERRV wegen Nichteinhaltung der Form unzulässig gewesen ist, weil die ursprüngliche Übermittlung der Berufung nicht in dem zugelassenen Dateiformat PDF, sondern als Word-Datei erfolgt ist (vgl. hierzu auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 24.08.2023 – I-6 U 184/22; Siegmund, NJW 2023, 1681 Rn. 35; Bader, NZA 2023, 403). Denn die Klägerin hat einen (etwaigen) Mangel jedenfalls i. S. v. § 130a Abs. 6 ZPO geheilt.

Nach § 130a Abs. 6 ZPO hat das Gericht, wenn sich ein elektronisches Dokument nicht zur Bearbeitung eignet, dies dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs und der geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich mitzuteilen (S. 1). Das Dokument gilt als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt (S. 2). Diese Voraussetzungen hat die Klägerin hier erfüllt, als sie auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 20.03.2023 ihre Berufung noch am selben Tag im Dateiformat PDF hat einreichen lassen und ihr Prozessbevollmächtigter versichert hat, dass die nunmehr eingereichte Berufungsschrift im Dateiformat PDF mit der zuerst eingereichten Berufungsschrift vom 08.09.2022 im Dateiformat .docx inhaltlich übereinstimmt. Unschädlich ist, dass der gerichtliche Hinweis möglicherweise selbst nicht unverzüglich i. S. d. § 130a Abs. 6 Satz 1 ZPO erfolgt ist. Denn dies kann der nachreichenden Partei nicht zum Nachteil gereichen, indem durch den verspäteten Hinweis die Heilungsmöglichkeiten entfielen. Die betreffende Partei ist durch die (möglicherweise) verzögerte Handlung des Gerichts zwar nicht von ihrer Obliegenheit entbunden, nach dem erteilten Hinweis ihrerseits unverzüglich die im Gesetz vorgesehenen Maßnahmen zur Heilung eines Formverstoßes zu ergreifen, was die Klägerin hier getan hat. Die Unverzüglichkeit des gerichtlichen Hinweises ist aber keine Voraussetzung für die Notwendigkeit der Fristwahrung der Partei nach § 130a Abs. 6 Satz 2 ZPO. Der Hinweis dient ausschließlich dazu, ein Handeln der Partei innerhalb der noch nicht abgelaufenen Frist oder aber nach § 130a Abs. 6 Satz 2 ZPO zu ermöglichen. Die Position der Gegenpartei ist insoweit nicht schutzbedürftig. Sie kann daher im Fall eines nicht mehr unverzüglichen Hinweises des Gerichts nicht darauf vertrauen, der Formfehler wirke sich zu ihren Gunsten aus (vgl. BAG NJW 2022, 1832 Rn. 28 zu § 130a Abs. 6 ZPO aF; BAG, NJW 2023, 623 Rn. 50 zu § 46c Abs. 6 ArbGG; BeckOK ZPO/von Selle, 49. Ed. Stand: 01.07.2023 ZPO § 130a Rn. 26.1).“

Die Berufung hatte dann aber in der Sache keinen Erfolg. Das wird die Klägerin und ihren Prozessbevollmächtigten sicherlich nicht freuen. Der Prozessbevollmächtigte wird sich aber sicherlich – bei einem Gegenstandswert von 10.000.0000 EUR – darüber freuen, dass die Berufung nicht unzulässig war. Und seine Haftpflichtversicherung wahrscheinlich auch 🙂

Nochmals: Wenn die Kerzen am Adventskranz brennen, oder: Ablenkung verboten, egal wodurch

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Und dann die zweite Entscheidung. Das ist aber nichts Neues zu/von Weihanchten. Denn das  OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.09.1999 – 4 U 182/98  – habe ich schon ein paar Mal berichtet, zwar nicht alle Jahre wieder, aber schon in 2011, 2015 und auch in 2017. Jetzt ist es, da ich aktuelle Entscheidungen mit weihnachtlichem Bezug nicht gefunden habe, mal wieder dran.

Der ein oder andere wird sich vielleicht erinnern: In der Entscheidung geht es um die Folgen eines Adventskranzbrandes am 1. Weihnachtsfeiertag. Das ist nun sicherlich ein Ereignis, das man nun gar nicht braucht. Aber es kommt, wie es kommt, so auch in dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall. Da heißt es:

…..Am 1. Weihnachtsfeiertag 1997 entzündete der Kläger nach dem Aufstehen zunächst im Wohnzimmer die Kerzen des aus echtem Tannengrün gebundenen Adventskranzes, der auf einer Glasplatte auf dem mit einer Kunststofftischdecke gedeckten Wohnzimmertisch stand. Anschließend bereitete er in der Küche den Frühstückskaffee zu und begab sich nach einem Blick auf den Adventskranz wieder in das Schlafzimmer, um seine Lebensgefährtin zu wecken, von der er danach aufgehalten wurde. Er verließ das Schlafzimmer erst einige Zeit später. Dabei bemerkte er Brandgeruch und Rauchschwaden im ganzen Haus, die durch den Adventskranz im Wohnzimmer verursacht wurden, der sich zwischenzeitlich entzündet hatte. Die alarmierte Feuerwehr mußte nicht mehr eingreifen, da es dem Kläger bis zu ihrem Eintreffen gelang, den Brand selbst zu löschen.

In seiner „Brandschaden-Anzeige“ vom 2. Januar 1998 und in der „Verhandlungs-Schrift“ vom 6. Januar 1998 gab der Kläger an, um 10. 00 Uhr aufgestanden zu sein. In seinem Anspruchsschreiben vom 30. Januar 1998 berichtigte er diese Angabe auf 8. 00 Uhr. Den Zeitpunkt des Schadenseintritts und der Alarmierung der Feuerwehr gab er – damit übereinstimmend – im Prozeß zunächst mit ca. 9. 00 Uhr an. In seinem Schriftsatz vom 21. Juli 1998 trug er hiervon abweichend vor, die Nachfrage bei der Feuerwehr habe ergeben, daß die ursprünglichen Angaben zum Schadenszeitpunkt mit ca. 10. 00 Uhr zutreffend gewesen seien. Es verbleibe dabei, daß der ganze Vorgang vom Anzünden der Kerzen bis zum Anruf bei der Feuerwehr ca. 1 Stunde gedauert habe…..“

Ich habe ja schon früher geschrieben:

„Schön vorsichtig formuliert hat das OLG: „“… und begab sich nach einem Blick auf den Adventskranz wieder in das Schlafzimmer, um seine Lebensgefährtin zu wecken, von der er danach aufgehalten wurde“. Das lässt, manche Deutungen zu 🙂 🙂 🙂 . „

Dabei bleibt es.

Noch einen schönen 2. Weihnachtsfeiertag. Morgen geht es „normal“ weiter. Wer rastet, rostet.

Faustschlag beim Fußballspiel mit schweren Folgen, oder: Keine Notwehr und 22.000 EUR Schmerzensgeld

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Und dann haben wir noch den samstäglichen Kessel Buntes, den ich heute mit dem OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.10.2023 – 19 U 14/23. Das OLG nimmt in dem Beschluss im Rahmen der Entscheidung eines Antrags auf Bewilligung von PKH für das Berufungsverfahren zum Umfang der deliktischen Ansprüche nach einem Faustschlag während eines Fußballspiels und zur Höhe des Schmerzensgeldes Stellung.

Zum Sachverhalt teilt der Beschluss mit: Am 09.12.2018 spielte die Fußballmannschaft, in der der Kläger spielte, gegen die Fußballmannschaft, in der der Beklagte spielte. Während einer kurzzeitigen Unterbrechung des Spiels schlug der Beklagte dem Kläger mit der Faust ins Gesicht. Hier-durch erlitt der Kläger einen zweifachen Kieferbruch in Form einer dislozierten offenen Kieferwinkelfraktur rechts und einer Paramedianfraktur links, der am 10.12.2018 operativ behandelt wurde. Bis zum 31.12.2018 war der Kläger hierdurch arbeitsunfähig.

Das LG hat den Beklagten verurteilt, an den Kläger aus § 823 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 2 i.V.m. § 223 StGB ein Schmerzensgeld in Höhe von 22.000,00 EUR. Darüber hinaus stellte das LG fest, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und immateriellen künftigen Schäden zu ersetzen, die aus dem Schlag des Beklagten in das Gesicht des Klägers am 09.12.2018 resultieren, und es stellte fest, dass die Ansprüche des Klägers auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Beklagten beruhen.

Der Schlag des Beklagten in das Gesicht des Klägers erfolgte zur Überzeugung des LG nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme rechtswidrig und schuldhaft. Die im Termin zur mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen R, H und S hätten die Behauptung des Klägers, dass der Schlag unvermittelt und ohne vorherige Provokation seinerseits erfolgte, glaubhaft bestätigt. Insbesondere habe damit nicht die vom Beklagten als Notwehrlage i.S.d. § 32 StGB verstandene, behauptete Situation vorgelegen, dass sich der Kläger bedrohlich auf den Beklagten zubewegt, hierbei seine Hand gehoben und sich der Beklagte geduckt habe, mit einem Arm abgewehrt und mit dem anderen Arm zugeschlagen habe. Diese Situation, die schon der Beklagte im Rahmen seiner Anhörung nur rudimentär und unter Aussparung wesentlicher Details habe schildern können, habe keiner der Zeugen auch nur in Ansätzen bestätigt. Darauf, ob die Parteien zu einer anderen Zeit vorher aneinandergeraten seien und der Kläger den Kapitän der Mannschaft des Beklagten mit der Schulter berührt habe, komme es nicht an. Die Vernehmung des nicht erschienenen, vom Beklagten allein für die Tatsache eines vorherigen Schubsens des Zeugen durch den Kläger benannte Zeuge pp. sei deshalb nicht mehr erforderlich gewesen. Für die rechtliche Bewertung des Angriffs des Beklagten auf den Kläger sei die vom Beklagten unter dieses Beweisangebot gestellte Behauptung unerheblich.

Hiergegen wendet sich der Beklagte in seinem Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit der angekündigten Berufung. Das allerdings ohne Erfolg.

Das OLG setzt sich mit den Einwänden des Beklagten gegen die Verurteilung dem Grund nach auseinander. Darauf will ich hier aber nur eine Passage zitieren, da man die Ausführungen ohne genauere Kenntnis vom angefochtenen Urteil nicht „prüfen“ kann. Das OLG führt insoweit u.a. aus:

„Denn der Beklagte trägt die Beweislast für eine behauptete Notwehrsituation gemäß § 227 BGB bzw. § 32 StGB. Eine Notwehrlage setzt einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff voraus. Ein Angriff ist gegenwärtig, wenn er unmittelbar bevorsteht oder gerade stattfindet und noch nicht beendet ist. Soweit der Beklagte den Zeugen H . für provokantes Verhalten des Klägers im vorangegangenen Spielverlauf benennt, würde ein solches Vorverhalten, selbst wenn es als wahr unterstellt würde, nicht zu einer Notwehrlage zugunsten des Beklagten führen, weil jedenfalls diese Provokationen nicht mehr gegenwärtig waren.

Entgegen der Ansicht des Beklagten im Schriftsatz vom 30.06.2023 musste das Landgericht den von der Beklagtenseite benannten Zeugen nicht anhören, weil es eben auf das vorangegangene Gesamtverhalten des Klägers im Fußballspiel insgesamt nicht ankam und auch nicht darauf, in welcher Art er gegebenenfalls gegenüber dem Beklagten vorher aggressiv, provokant oder beleidigend (Griff in den Genitalbereich) tätig geworden sei. Denn bei einer Notwehrlage, für die der Beklagte wie oben ausgeführt, beweisbelastet ist, kommt es lediglich auf die Gegenwärtigkeit eines menschlichen Angriffs an und nicht um ein Vorverhalten, das bereits abgeschlossen ist. Der Beklagte verkennt bei seiner Rechtsmeinung, dass sein Faustschlag in einer anderen Spielsituation (Unterbrechung des Spiels) zu einem anderen Zeitpunkt erfolgte.

Aber dann zum Schmerzensgeld:

„….

Aus den vom Landgericht angeführten schmerzensgeldrelevanten Aspekten hat es vertretbar ein Schmerzensgeld von 22.000 € für angemessen erachtet. Diese Einschätzung findet Anhaltspunkte in der Rechtsprechung. Die vom Kläger zitierte Entscheidung (OLG München, Urt. v. 23.01.2013, 3 U 4056/12, juris, 10.000 € zugesprochen bei beantragten 20.000 €) weist weniger festgestellte Dauerschäden der dort verletzten Person aus, als beim Kläger festgestellt wurden.

Insbesondere rechtfertigen die über die im vom Kläger zitierten Vergleichsfall hinausgehenden Dauerschäden eine signifikante Erhöhung des dort ausgeurteilten Schmerzensgeldes. Der Sachverständige stellte dauerhafte Anästhesien von zwei Nervenästen des N. mandibularis rechts im Unterkiefer fest, die zu Sabbern in der Öffentlichkeit führen können. Darüber hinaus hat der Sachverständige dauerhafte fehlerhafte Okklusionen als Dauerschaden festgestellt. Nach den Feststellungen des Sachverständigen leidet der Kläger unter dauerhaften Schmerzen, insbesondere beim Kauen und Essen. Durch die Fehlverzahnung komme es zu dauerhaften Dysfunktionen, mit Kiefergelenksknacken rechts, einer beginnenden Sklerosierung links sowie einer schmerzhaften Verspannung der Kau- und Nackenmuskulatur. Allenfalls durch eine Aufbissschiene und gegebenenfalls prothetische Veränderung der Bisslage könne das Fortschreiten der Problematik verlangsamt werden. Darüber hinaus stellte der Sachverständige fest, dass sich der Kläger für die bestmögliche Restitution noch in eine aufwändige zahnärztlich-prothetische und/oder kieferorthopädisch-kieferchirurgische Folgebehandlung begeben müsse. Die Dysfunktionen bedürften regelmäßiger künftiger Behandlungen.

Schließlich könnten bei der nachzuvollziehenden Ermittlung der Schmerzensgeldhöhe durch den Senat die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes, gegebenenfalls eine Verzögerung der Schadensregulierung durch den Schädiger im Falle eines – jedenfalls nach der durchgeführten Beweisaufnahme – erkennbar begründeten und im Kern eingeräumten Anspruchs im Rahmen einer unerlaubten Handlung berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urt. v. 02.12.1966 – VI ZR 88/66, VersR 1967, 256; OLG Saarbrücken, Urt. v. 03.12.2015 – 4 U 157/14, VersR 2017, 698, OLG Hamm, Beschl. v. 22.01.2021 – I-7 U 18/20, RuS 2021, 356; OLG Bremen, Urt. v. 11.07.2011 – 3 U 69/10, NJW-RR 2012, 92; Grunewald, in: Grunewald, BGB, 82. Aufl. 2023, § 253 Rn. 17). Denn bei der Bemessung des Schmerzensgeldanspruches kommt vorliegend der Genugtuungsfunktion – anders als bei einer lediglich fahrlässigen Schadenszufügung – ein besonderer Stellenwert zu (vgl. allg. zu diesem Umstand Grüne-berg, in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 253 Rn. 4). Hiervon ausgehend ist zu-nächst festzustellen, dass der Faustschlag des Beklagten den Kläger jedenfalls so heftig im Gesicht getroffen hat, dass er unstreitig zu Boden gegangen ist. Überdies hat der Kläger durch den Faustschlag einen doppelten Kieferbruch erlitten, der nicht mit konservativen Methoden, sondern nur durch einen operativen Eingriff zu behandeln war. Bei diesem Eingriff sind dem Kläger Platten aus Metall eingesetzt worden, deren Entfernung nicht ohne einen weiteren Eingriff möglich sein wird. Aufgrund der operativen Versorgung des Klägers musste dieser sich in der Vorweihnachtszeit des Jahres 2018 insgesamt eine Woche lang einer stationären Krankenhausbehandlung unterziehen. Hieran schloss sich sodann eine Arbeitsunfähigkeit an, die wiederum zwei Wochen lang dauerte.“