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Veranlassung zur Klage gegeben? oder: Verzug des Haftpflichtversicherers?

Im zweiten Posting des Tages geht es dann um den OLG Dresden, Beschl. v. 26.10.2020 – 4 W 640/20. Er nimmt Stellung zur Kostentragungspflicht hinsichtlich von Prozesskosten im Rahmen der Unfallschadenregulierung, und zwar auf der Grundlage folgenden Verfahrensablaufs:

Die Klägerin hat ursprünglich von den Beklagten Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalles vom 23.11.2019 verlangt. Mit Schreiben vom 02.12.2019 bat sie um Bestätigung der Einstandspflicht und bezifferte den von ihr „derzeit“ geltend gemachten Schaden auf 7.181,51 €. Am 04.12.2019 teilte die Beklagte zu 2) – die Haftpflichtversicherung – mit, sie habe noch Akteneinsicht in die polizeiliche Ermittlungsakte erbeten. Mit Schreiben vom 06.01.2019 bot der anwaltliche Vertreter der Klägerin an, die ihm bereits vorliegende Ermittlungsakte der Beklagten zu 2.) zu übermitteln und erklärte zugleich, er habe die Ansprüche seiner Mandantschaft ausdrücklich anzumahnen. Am 10.01.2020 erweiterte die Klägerin ihre Schadensersatzforderung um Zulassungs- und Mietwagenkosten auf nunmehr 9.953,14 €. Die mit der seit dem 23.1.2020 anhängigen Klage geltend gemachten Ansprüche hat die Beklagte zu 2) mit Zahlungseingang am 27.01.2020 beglichen. Am 20.02.2020 erklärte die Klägerin Klagerücknahme unter Verwahrung gegen die Kostenlast. Das Landgericht hat die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde vertritt die Klägerin die Auffassung, die in der Rechtsprechung den Versicherern allein zugebilligte Prüffrist von 4 bis 6 Wochen habe die Beklagte verstreichen lassen, da von der ersten Schadensgeltendmachung bis zur Klageeinreichung siebeneinhalb Wochen vergangen seien. Trotz der Bereitschaft zur Übersendung der Ermittlungsakte im Schreiben vom 06.01.2020 habe die Beklagte zu 2.) nicht auf ein weiteres Zuwarten durch die Klägerin vertrauen dürfen. Denn in demselben Schreiben sei ein ernsthaftes Zahlungsverlangen zum Ausdruck gebracht worden.

Das OLG folgt dem LG, und zwar mit folgenden Leitsätzen der Entscheidudng:

  1. Veranlassung zur Klage nach einem Verkehrsunfall gibt der Haftpflichtversicherer erst dann, wenn er sich im Zeitpunkt der Klageerhebung in Verzug befindet; hierfür bedarf es nicht nur einer Schadensaufstellung, sondern auch einer sich anschließenden Mahnung.

  2. Unabhängig hiervon ist dem Versicherer mit Zugang der Schadensmeldung eine angemessene Prüffrist zuzubilligen, die regelmäßig vier bis sechs Wochen beträgt, abhängig von den Umständen des Einzelfalls aber auch länger laufen kann.

  3. Bietet der Geschädigte dem Versicherer an, ihm Einsicht in eine bei ihm vorliegende Ermittlungsakte zu verschaffen, ist der Lauf der Prüffrist solange gehemmt, bis diese Akte dem Versicherer vorliegt.

Ach ja: RVG-Kommentar und OWi-Handbuch, jeweils 6. Auflage, sind da (vgl. dazu Endlich sind sie da, oder: Geschafft – RVG-Kommentar und OWi-Handbuch, jeweils 6. Auflage, da sind sie).

Strafzumessung III: Anfängerfehler, oder: Zum Nachteil veränderter Schuldumfang geht nicht

Smiley

Und als letztes heute dann noch ein OLG-Beschluss, der bei mir auch Kopfschütteln hinterlässt. Es geht um ein Verfahren, das nun auch bereits zum zweiten Mal beim OLG Dresden anhängig war. Gegenstand des Verfahrens ist eine fahrlässige Tötung im Straßenverkehr. Das hatte das OLG Dresden bereits mit dem OLG Dresden, Beschl. v. 07.04.2020 – 1 OLG 23 Ss 218/20 – eine Entscheidung des LG Dresden aufgehoben (dazu Strafzumessung III: Fahrlässige Tötung infolge Trunkenheitsfahrt, oder: Generalprävention?) und zurückverwiesen.

Dasselbe dann jetzt noch einmal mit dem OLG Dresden, Beschl. v. 18.02.2021 – 1 OLG 13 Ss 681/20. Und m.E. wegen eines Fehlers, der für eine Berufungskammer ein Anfängerfehler ist. Nämlich: Bei einer auf das Strafmaß beschränkten Berufung wird bei der Strafzumessung ein Sachverhalt zugrunde gelegt, der zu einer Änderung des vom AG festgestellten Schuldumfangs führt, und strafschärfend gewürdigt:

„2. Das Urteil kann jedoch deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht, was ihm wegen der Bindung an die den Schuldspruch tragenden Feststellungen verwehrt war, zusätzliche Feststellungen, die zu einer Änderung des Schuldumfangs geführt haben, zuungunsten des Angeklagten gewertet hat.

a) Durch die rechtswirksame Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch erwächst der Schuldspruch des Ersturteils in Rechtskraft. Damit werden neben den Feststellungen des Erstgerichts, in denen die Merkmale des angewandten Strafgesetzes zu finden sind, auch die weitergehenden Feststellungen zum Tatgeschehen im Sinne eines geschichtlichen Vorgangs für das weitere Verfahren bindend festgestellt. Wegen der Notwendigkeit des Zusammenhangs und der Einheitlichkeit des Urteils unterliegen dieser Bindungswirkung auch die doppelrelevanten Tatsachen, die für den Schuld- wie auch für den Strafausspruch von Bedeutung sind (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juni 2017 – 1 StR 458/16BGHSt 62, 202). Beweiserhebungen, die darauf abzielen, aufrechterhaltene und damit bindende Feststellungen in Zweifel zu ziehen, sind unzulässig. Beweisergebnisse, die in Widerspruch zu bindenden Feststellungen stehen, haben außer Betracht zu bleiben. Dem Widerspruchsverbot unterliegt nicht nur das Mindestmaß an Tatsachen, ohne dass der Schuldspruch überhaupt keinen Bestand hätte. Unzulässig sind auch Abweichungen, durch die nur der Schuldumfang betroffen, die rechtliche Beurteilung aber nicht in Frage gestellt wird (BGHSt 30, 340; BayObLGSt NJW 1994, 1358). Dazu gehört auch die Art und Weise, wie ein Tatentschluss entstanden ist und wie er sich bis zur Umsetzung der Handlung entwickelt hat. Feststellungen des ersten Tatrichters zu ihrem Vorliegen oder Nichtvorliegen nehmen an der Bindungswirkung teil (OLG Stuttgart, Justiz 1996, 26ff.).

Demzufolge darf das Landgericht die Feststellungen des Amtsgerichts zwar durch eigene den bisherigen nicht widersprechende – ergänzen, es ist ihm aber verwehrt, bei der Strafzumessung einen Sachverhalt, der zu einer Änderung des vom Amtsgericht festgestellten Schuldumfangs führt (BayObLG a.a.O.), zugrunde zu legen und strafschärfend zu würdigen. Dies ist vorliegend aber der Fall.

a) Das Amtsgericht hat – soweit hier von Bedeutung – zum Verschulden des Angeklagten fest-gestellt, dass dieser am Tattag gegen 21.30 Uhr ein Fahrzeug geführt hat, „obwohl er infolge vorangegangenen Alkoholgenusses fahruntüchtig war.“ Seine Blutalkoholkonzentration zur Unfallzeit habe 1,21 %o betragen. Der Angeklagte habe seine Fahruntüchtigkeit „vor allem auf-grund der genossenen Menge alkoholischer Getränke und seiner Lebenserfahrung bei kritischer Selbstprüfung erkennen können und müssen.“

Das Landgericht hat – über den Sachverhalt des amtsgerichtlichen Urteils hinaus – ergänzend festgestellt, dass der Angeklagte, der in der Gaststätte seiner Eltern arbeitete, an dem Tattag frühzeitig Feierabend machen wollte, um den Abend mit seinem Sohn zu verbringen. Diese Hoffnung zerschlug sich jedoch, weil er an dem Abend noch Gäste bewirten musste. „Aus Frust hierüber begann der Angeklagte … entgegen seiner sonstigen Übung nunmehr vermehrt zu Alkohol zu greifen; er trank über den Abend hinweg kurz hintereinander mindestens 5 Bier zu jeweils 0,5 Liter. Nachdem die letzten Gäste die Gaststätte gegen 20.30 Uhr verlassen hatten, sperrte der Angeklagte diese schnell zu, um so möglichst rasch nach Hause zu fahren und um seinen Sohn noch vor Ort antreffen zu können.“

Dies zugrunde gelegt hat das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung ausgeführt, dem „Umstand, dass der Angeklagte hier zumindest damit rechnen musste, dass er noch am Abend ein Kraftfahrzeug führen werde und – wie er zugab – gleichwohl Alkohol trank“, komme „eigenständig strafschärfende Bedeutung“ zu, da der Angeklagte „gleichsam in Fahrbereitschaft“ getrunken habe. Das Landgericht hat dadurch, dass es dem Angeklagten aufgrund seiner ergänzenden Feststellungen ein höheres Maß an Pflichtwidrigkeit – als dies im Urteil des Amtsgerichts rechtskräftig festgestellt war – angelastet hat, den Schuldumfang zu Ungunsten des Angeklagten verändert. Dies war ihm jedoch aufgrund der durch die Berufungs-beschränkung eingetretenen Bindungswirkung verwehrt (vgl. BayObLGSt 1988, 173 ff.; OLG Stuttgart a.a.O.). Gleiches gilt auch, soweit das Landgericht zu Lasten des Angeklagten davon ausging, dass er „grob fahrlässig bzw. leichtfertig“ gehandelt habe. Auch hierdurch vergrößerte es den Schuldumfang, den das Amtsgericht in seinem Urteil dahingehend gekennzeichnet hatte, dass der Angeklagte seine Fahruntüchtigkeit „bei kritischer Selbstprüfung“ hätte erkennen können und müssen.“ Weitere Feststellungen zum Schuldumfang, insbesondere in Richtung „grober Fahrlässigkeit oder Leichtfertigkeit“, hat das Amtsgericht dagegen nicht getroffen. Infolgedessen durften insoweit durch das Landgericht ergänzend getroffene Feststellungen auch nicht zu Lasten des Angeklagten gewertet werden.

Der Senat kann nicht gänzlich ausschließen, dass das Landgericht ohne die vorgenannten Er-wägungen zum Schuldumfang eine mildere Strafe verhängt hätte. Da auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich der Tatrichter bei der Dauer der angeordneten Sperrfrist nach § 69a StGB von einem zu großen Schuldumfang hat leiten lassen, hebt der Senat den Maßregelausspruch insgesamt mit auf, um dem neuen Tatrichter – auch angesichts des Zeit-ablaufs – Gelegenheit zu geben, eine in sich stimmige Rechtsfolge zu finden.“

Unfallschadenregulierung I: Mietwagenkosten, oder: Wie werden sie berechnet?

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Heute ist Samstag und damit „Kessel-Buntes-Tag“.  Und den eröffne ich mit dem OLG Dresden, Urt. v. 04.11.2020 – 1 U 995/20.

Mit ihm hat das OLG eine Frage entschieden, die im Rahmen von Unfallschadensregulierung immer wieder eine Rolle spielt. Nämlich der Ersatz von Mietwagenkosten.

Ich stelle hier heute aber nur die Leitsätze der OLG-Entscheidung ein. Die ist nämlich recht umfangreich begründet und eigent sich daher m.E. eher zum Selbststudium. Aus den Leitsätzen kann man aber recht ableiten, worum es in dem Urteil geht. Die Leitsätze lauten:

1. Die Höhe der erforderlichen Mitwagenkosten ist nach dem arithmetischen Mittel der Fraunhofer-Liste und des Schwacke-Mietpreisspiegels zu schätzen, § 287 ZPO.

2. Die Frage, ob es sich bei dem vom Geschädigten angemieteten Pkw um ein Selbstfahrervermietfahrzeug handelt, ist bei Anmietung von einem Gewerbetreibenden im Verhältnis zum Schädiger grundsätzlich unbeachtlich.

Und dies war übrigens ein besonderes Posting. Es war nämlich das 11.111 🙂 .

OWi II: „… ein Verwandter ist gefahren…“, oder: Urteilsgründe

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Und die Ehre des 11.001 Postings hat dann das OLG Dresden mit dem OLG Dresden, Beschl. v. 28.09.2020 – OLG 22 Ss 539/20 (B). Ein kleiner/kurzer, aber feiner Beschluss zu den Urteilsgründen bei der Täteridentifizierung:

„Das Urteil war bereits auf die Sachrüge hin aufzuheben, da die Beweiswürdigung im Hinblick auf die Identifizierung des Betroffenen als Täter lückenhaft ist.

Zwar ist das Tatfoto auf Blatt 12 RS der Akten, auf das im Urteil wirksam verwiesen wird, für eine Identifizierung gut geeignet. Die Ausführungen des Tatrichters in den Urteilsgründen zum Ausschluss des vom Betroffenen als Fahrer genannten Zeugen erweisen sich jedoch als lückenhaft und für den Senat nicht nachvollziehbar. Es werden keinerlei unterschiedliche Merkmale zwischen dem Zeugen und dem Tatfoto mitgeteilt. Dies wäre vorliegend aber erforderlich gewesen, da schon die Identität des Nachnamens des Zeugen und des Betroffenen auf ein (mögliches) Verwandschaftsverhältnis hindeutet, wodurch eine mögliche verwechslungsfähige Ähnlichkeit nicht ausgeschlossen erscheint. Hierzu verhält sich das Urteil aber nicht.“

Haushaltsführungsschaden, oder: Nicht Tabellenwerk, sondern „individuelle Lebensumstände“ als Grundlage

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Die zweite Entscheidung kommt vom OLG Dresden. Das hat im OLG Dresden, Urt. v. 22.05.2020 – 22 U 699/19 – zur Bemessung und zum Prozessvortrag für die Bemessung eines Haushaltsführungsschadens Stellung genommen:

2. Im Ergebnis des Verfahrens sind genügten Anknüpfungstatsachen für eine gerichtliche Schadensschätzung (§ 287 ZPO) festgestellt.

a) Darlegung- und beweisbelastet für Grund und Höhe des Anspruchs ist die Klägerin. An deren Vortrag sind jedoch keine überspannten Anforderungen zu stellen (BGH, Urteil vom 19. September 2017 – VI ZR 530/16 –, NJW 2018, 864 Rn. 20; Seiler, in: Thomas/Putzo, 40. Aufl. 2019, § 287 Rn. 5, 9). Werden keine konkreten Umstände vorgetragen, muss sich die Klägerin als Anspruchsteller allerdings mit einer Mindestschätzung zufriedengeben (Pardey, Haushaltsführungsschaden, 9. Aufl. 2018, S. 52; Schah Sedi, Praxishandbuch Haushaltsführungsschaden, 2017, Rn. 16; Abschlag von 10 % auf die Tabellenwerte OLG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2018 – 12 U 223/17 –, juris Rn. 4).

aa) Der Haushaltsführungsschaden kann nicht anhand von Tabellenwerken in entindividualisierter Weise berechnet werden. Er muss vielmehr stets bei der konkreten Lage der individuell betroffenen Person und deren individuellen Lebensumständen ansetzen. Eine Berechnung allein anhand statistischer Durchschnitte zu den Arbeitszeiten und ohne Reflexion zu den einzelnen Arbeitsbereichen und mit abstrakten Behinderungsgraden ist nicht möglich. Eine Berechnung allein anhand der Tabelle würde den hier relevanten Vermögensschaden unzulässigerweise dem immateriellen Schaden nach § 253 BGB annähern (Pardey, a.a.O, S. 53 f.; zur Relevanz einer rein tabellengestützten Schadensberechnung in der außergerichtlichen Regulierungspraxis Schah Sedi, a.a.O., Rn. 13). Über diese rechtsdogmatische Erwägung hinaus ist dies auch Folge fehlender systematischer und nachvollziehbarer Tabellenwerke, die jenseits eines konkreten Sachverhalts zuverlässige Anhaltspunkte für eine tatrichterliches Schätzung (§ 287 ZPO) oder Berechnung des Haushaltsführungsschadens bieten würden.

Der Bundesgerichtshof hat es zwar in der Vergangenheit unbeanstandet gelassen, wenn sich das Berufungsgericht im Rahmen seiner tatrichterlichen Schätzung mangels konkreter Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung auf ein anerkanntes Tabellenwerk und die dort angegebenen Erfahrungswerte, namentlich auf das Werk von Pardey, stützt (BGH, Urteile vom 29. März 1988 – VI ZR 87/87 –, juris Rn. 13; und vom 3. Februar 2009 – VI ZR 183/08 –, juris Rn. 5). Diese Rechtsprechung erlaubt aber nicht, auf die Geltendmachung einzelfallbezogener Tatsachen ganz zu verzichten (OLG Hamm, Urteil vom 26. April 2019 – I-9 U 102/18 –, juris Rn. 36).

Inzwischen sind die verfügbaren Tabellenwerke überdies intensiver Kritik ausgesetzt. Sie bieten aus sich heraus keine hinreichende Grundlage für eine Schadensschätzung (§ 287 ZPO). Sie mögen Erfahrungssätze bilden, die ein Tatgericht nicht unberücksichtigt lassen kann. Die etwa im Werk von Pardey (Haushaltsführungsschaden) angegebenen Arbeitszeiten sind aber oft willkürlich gewählt, nicht empirisch abgesichert und werden der heutigen Lebenswirklichkeit oft nicht gerecht (zur Kritik an den verfügbaren Tabellenwerken OLG Celle, Urteil vom 26. Juni 2019 – 14 U 154/18 –, juris Rn. 162-170, zu den Tabellen von Pardey Rn. 163-168, zu den Tabellen von Schah Sedi Rn. 170; OLG Frankfurt, Urteil vom 18. Oktober 2018 – 22 U 97/16 –, juris Rn. 41-44). Die Tabellenwerke können daher nicht zur Begründung des Ersatzanspruchs der Höhe nach herangezogen werden, sondern lediglich zur Prüfung der Plausibilität der Angaben der Geschädigten (OLG Düsseldorf, Urteil vom 2. Januar 2019 – 1 U 158/16 –, juris Rn. 49; OLG Frankfurt, Urteil vom 18. Oktober 2018 – 22 U 97/16 –, juris Rn. 40, 45; OLG Hamm, Urteil vom 26. April 2019 – I-9 U 102/18 –, juris Rn. 36; OLG Naumburg, Beschluss vom 26. Juni 2017 – 1 W 23/17 (PKH) –, juris Rn. 22; vgl. auch OLG Dresden, Beschluss vom 3. Januar 2018 – 4 W 1152/17 –, juris Rn. 2; HansOLG Hamburg, Urteil vom 8. November 2019 – 1 U 155/18 –, juris Rn. 85) und sind vom Tatgericht in jedem Einzelfall kritisch zu hinterfragen.

bb) Für die gerichtliche Geltendmachung eines Haushaltsführungsschadens ist daher es erforderlich, die Größe des Haushalts und die Dauer der betroffenen Tätigkeiten anzuführen, die der Geschädigte durch seine Verletzung nicht mehr ausführen konnte oder worin er beeinträchtigt war (OLG Dresden, Beschluss vom 3. Januar 2018 – 4 W 1152/17 –, juris Rn. 2; OLG Brandenburg, Urteil vom 22. November 2018 – 12 U 223/17 –, juris Rn. 4; OLG Düsseldorf, Urteil vom 02. Januar 2019 – 1 U 158/16 –, juris Rn. 49; OLG Frankfurt, Urteil vom 18. Oktober 2018 – 22 U 97/16 –, juris Rn. 37). Vorzutragen sind die konkrete Arbeitsleistung des Geschädigten vor dem Schadensereignis einschließlich der verwendeten Zeit, welche konkreten Tätigkeiten nach dem Schadensereignis nicht mehr oder nicht mehr vollständig ausgeführt werden können, die zeitliche Differenz für die Tätigkeit nach dem Schadensereignis, die Umverteilung der Arbeit in der Familie und Angaben zu Größe und Ausstattung des Haushalts sowie zum Familieneinkommen (Schah Sedi, a.a.O.; Pardey, a.a.O., S. 52).

Dieser Umfang der notwendigen Darlegungen folgt aus den gerichtlichen Bemessungsmethoden für den Haushaltsführungsschaden. Hierfür stehen grundsätzlich gleichwertig die Differenz- und die Quotenmethode zur Verfügung (zu diesen beiden Berechnungsmethoden Pardey, Haushaltsführungsschaden, 9. Aufl., S. 98 ff.; Schah Sedi, a.a.O., § 2 Rn. 9). Nach der Differenzmethode ergibt sich der Haushaltsführungsschaden aus der Differenz zwischen der vor dem Schadensereignis für die Haushaltsführung aufgewandten Zeit und entweder dem nach dem Schadensereignis für das gleiche Ergebnis erforderlichen Zeitaufwand (Mehrbedarf) oder der nach dem Schadensereignis noch zumutbaren Zeit für die Haushaltsführung. Nach der Quotenmethode ergibt er sich ausgehend von der vor dem Schadensereignis für die Haushaltsführung aufgewandten Zeit aus dem Verhältnis, in dem die Fähigkeit zur Haushaltsführung durch das Schadensereignis gemindert ist.

Grundlage der Schadensermittlung ist damit unabhängig von der Berechnungsmethode die vom Geschädigten vor dem Schadensereignis für die Haushaltsführung aufgewandte Zeit. Diese wird von den individuellen Verhältnissen geprägt. Namentlich kommt es auf die Größe des Haushalts nach Anzahl, Alter und Anwesenheit der zum Haushalt gehörenden Personen und der Wohn- und ggfs. der zugehörigen Gartenfläche, auf das Haushaltseinkommen, auf die Verteilung der Hausarbeit zwischen den zum Haushalt gehörenden Personen, auf die technische Ausstattung des Haushalts einschließlich des Maßes, in dem vorhandene technische Geräte (z.B. Kaffeemaschine, Mikrowelle, Thermomix, Brotbackautomat, Geschirrspüler, Waschmaschine, Trockner, Bügelautomat, Nähmaschine, Staubsauger, Saugroboter) tatsächlich genutzt werden, auf die Ernährungsgewohnheiten nach Anzahl und Ausführung der Mahlzeiten einschließlich der Zahl der teilnehmenden Haushaltsangehörigen und den Umfang der unentgeltlichen Hilfe zugunsten Dritter an. Die Substantiierung dieser Angaben erfordert zudem Ausführungen dazu, wie sich die Zeiten der Hausarbeit unter Berücksichtigung weiterer Aktivitäten (Schlaf, Erwerbsarbeit, Pausen, Hobbys, Sport, Entspannung, soziale Kontakte, Ehrenämter) in den Tagesablauf des Geschädigten einfügen.

b) Diesen Anforderungen genügte die Klägerin zunächst nicht vollauf. Im Ergebnis der Vernehmung der Geschädigten und ihres Ehemannes durch das Landgericht kann die Höhe des Haushaltführungsschadens allerdings geschätzt werden…..“