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Gesponserte Weihnachtsfeier beim Amt – daraus wird dann eine Vorteilsannahme

© by-studio – Fotolia.com

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Passt nicht ganz zum heutigen Ostermontag, aber bis Weihnachten wollte ich nicht mit dem Hinweis auf den OLG Brandenburg, Beschl. v. 09.04.2014 – (1) 53 Ss 39/14 (21/14) – warten. Thematisch geht es nämlich um eine gesponserte Weihnachtsfeier eines Amtes in Brandenburg. Die hat der Amtsdirektorin dann eine Verurteilung wegen Vorteilsannahme gebracht, die jetzt rechtskräftig geworden ist. 

Der Amtsdirektorin Gudrun L. war vorgeworfen worden, sich als Amtsträgerin der Vorteilsannahme nach § 331 Abs. 1 StGB schuldig gemacht zu haben, indem sie eine Weihnachtsfeier ihres Amtes von einem Unternehmer finanzieren ließ, der an der Vergabe weiterer Aufträge zur Sanierung von Mülldeponien interessiert war. Das AG Brandenburg an der Havel hatte die Angeklagte deshalb mit Urt. v. 07. 09. 2010 zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 100,00 € verurteilt, die hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht Potsdam zurückgewiesen. Jetzt hat der 1. Strafsenat des Brandenburgischen OLG dann auch noch die Revision der Angeklagten als unbegründet verworfen. In der PM heißt es: Danach steht fest, dass die Angeklagte für sich und weitere Mitarbeiter des Amtes einen Vorteil im Zusammenhang mit einer Dienstausübung angenommen hat, da der Unternehmer die Finanzierung der Weihnachtsfeier nur deshalb anboten hatte, um bei der Vergabe noch ausstehender Aufträge berücksichtigt zu werden. Die Kosten in Höhe von 750,00 EUR für die Feier in einer Gaststätte mit kabarettistischem Rahmenprogramm waren absprachegemäß von dem Unternehmer beglichen worden.“

Quelle: PM des OLG Brandenburg vom 14.04.2014 – Volltext interessiert mich. Mal sehen, wann der kommt.

Rechtliches Gehör – kein Anspruch auf die „richtige Entscheidung“/den „guten Richter“

© Martin Fally - Fotolia.com

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Was immer wieder übersehen wird: Der Angeklagte/Betroffene hat Anspruch auf rechtliches Gehör. Die Gewährung rechtlichen Gehörs bedeutet aber nicht, dass man auch einen Anspruch auf die richtige Entscheidung hat. Wird der Sachvortrag des Angeklagten/Betroffenen zur Kenntnis genommen, dann aber falsch beschieden/entschieden, kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs damit nicht begründet werden. Dazu dann der – schon ältere OLG Brandenburg, Beschl. v. 29.08.2012 – (2 Z) 53 Ss-OWi 334/12 (160/12), der im Rahmen eines „Verwerfungsverfahrens“ nach den §§ 73, 74 OWiG ergangen ist:

„Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) soll u.a. sicherstellen, dass Entscheidungen frei von Verfahrensfehlern ergehen, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme bzw. Nichtberücksichtigung des Sachvortrags des Betroffenen haben, bietet indes keinen Schutz vor Entscheidungen, die das Vorbringen eines Betroffenen aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts unberücksichtigt lassen (vgl. BVerfG NJW 1992, 2811 [BVerfG 24.02.1992 – 2 BvR 700/91]).

So liegt der Fall hier. Das Amtsgericht hat den durch den Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Entbindung des Betroffenen vom persönlichen Erscheinen (§ 73 Abs. 2 OWiG) in der Sache nicht beschieden, weil es die vom Verteidiger selbst ausgestellte Vollmacht im Hinblick auf das Schriftformerfordernis (§ 73 Abs. 3 OWiG) nicht als ausreichend erachtet hat. Das Tatgericht hat das für die Frage der Entbindung maßgebliche Vorbringen insoweit nicht „übergangen“, sondern aus Rechtsgründen als unerheblich gewertet. Dies kann lediglich im Falle objektiv willkürlicher Rechtsanwendung einen Verstoß gegen das verfassungsrechtlich verbürgte Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs darstellen (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2006, 383; BVerfG NJW 1992, 2811). Eine solche willkürliche Entscheidung liegt jedoch nicht vor. Das Amtsgericht hat zutreffend angenommen, dass für den in der Hauptverhandlung für den Betroffenen gestellten Antrag gemäß § 73 Abs. 3 OWiG eine schriftliche Vollmacht erforderlich war. Dass es die vom Verteidiger selbst – nach mündlicher Ermächtigung d“urch den Betroffenen – unterzeichnete Vollmachtsurkunde nicht hat ausreichen lassen, entspricht zwar nicht der herrschenden Meinung (BayObLG NJW 1963, 872; NStZ 2002, 277; Meyer-Goßner, StPO 55. Aufl. § 234 Rdnr. 5), ist jedoch gleichwohl vertretbar (vgl. Karlsruher Kommentar/Gmel, StPO 6. Aufl. § 234 Rdnr. 3).“

Also: Kein Anspruch auf die richtige Entscheidung bzw. auf den „guten Richter“.

„Aus dem wilden Osten“, oder: „Was schert mich mein Entbindungsbeschluß von gestern?“

© J.J.Brown - Fotolia.com

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Der Kollege Handschuhmacher aus Berlin hat mir gestern einen zu einem Verwerfungsurteil des AG Brandenburg an der Havel ergangenen Beschluss des OLG Brandenburg übersandt, mit dem „Anschreiben“: „Der ist zwar juristisch nicht weiter interessant, aber vielleicht was für die Rubrik „Aus dem wilden Osten“. Was schert mich mein Entbindungsbeschluß von gestern…“ Unter der Überschrift stelle ich den Beschluss doch gern ein, er spricht m.E. für sich.

Die Überschrift bezieht sich allerdings nicht auf den OLG-Beschluss, sondern auf die zugrunde liegende amtsgerichtliche Entscheidung des AG Brandenburg an der Havel. M.E. merkt man dem OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.02.2014 – (1 B) 53 Ss-OWi 36/14 (29/14) in der „knochentrockenen“ Begründung an, dass der Senat „not amused“ war. Weniger ist eben manchmal mehr.

Zu entscheiden war Folgendes: Die Zentrale Bußgeldstelle des Landes Brandenburg hatte gegen den Betroffenen einen Bußgeldbescheid erlassen.  Nachdem der Betroffene gegen den Bußgeldbescheid form- und fristgerecht Einspruch eingelegt hatte, hat das AG die Hauptverhandlung auf den 24.10.2013 anberaumt und den Betroffenen auf seinen Antrag mit Beschluss vom 09.09.2013 gemäß § 73 Abs. 2 OWiG von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden. Zur Hauptverhandlung erschienen weder der Betroffene noch sein Verteidiger.  Das AG hat dann ohne Verhandlung zur Sache den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid gem. § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, da er ohne Entschuldigung ausgeblieben sei, obwohl er von der Verpflichtung zum Erscheinen nicht entbunden gewesen sei und Anhaltspunkte für das Vorliegen genügender Entschuldigungsgründe nicht vorlägen.

Dazu – wie gesagt – kurz und trocken das OLG im OLG Brandenburg, Beschl. v. 17.02.2014 – (1 B) 53 Ss-OWi 36/14 (29/14) :

„Die Verfahrensrüge ist in der den §§ 79 Abs. 3 OWiG, 344 Abs. 2 StPO entsprechenden Form erhoben worden und hat in der Sache Erfolg. Das Amtsgericht hat ohne Verhandlung zur Sache rechtsfehlerhaft den Einspruch des Betroffenen durch Urteil verworfen, obwohl der Betroffene von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen durch Beschluss vom 9. September 2013 entbunden war. Das Urteil beruht auf diesem Verfahrensfehler, denn das Amtsgericht setzt sich entgegen § 74 Abs. 1 Satz 1 OWiG nicht im Rahmen der Beweisaufnahme mit dem gegen den Betroffenen erhobenen Vorwurf auseinander und verhandelt nicht, wie es geboten gewesen wäre, in Abwesenheit des Betroffenen zur Sache.“

Da fragt man sich dann, was schreibt man dazu? Ist man fassungslos und fordert damit Kommentare heraus. Oder belässt  man es dabei und lässt die Sache einfach (ein)wirken. Eins ist m.E. aber jedenfalls sicher: In die Akten scheint man beim AG Brandenburg an der Havel nicht zu schauen, jedenfalls nicht in der Sache. Sonst wäre das nicht passiert.

Wenn es der Wahrheitsfindung dient: Das Aufstehen bei der Urteilsverkündung?

© m.schuckart - Fotolia.com

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Wer kennt ihn nicht, den Satz von Fritz Teufel aus dem Jahr 1967 zum Vorsitzende in seinem Verfahren, der ihn aufgefordert hatte, aufzustehen, nämlich: „Wenn es der Wahrheitsfindung dient“. Und es das (inzwischen) geflügelte Wort gilt auch heute noch. Ob nun das Nichtaufstehen in der Hauptverhandlung eine Ungebühr i.S. von § 178 Abs. 1 GVG darstellt oder nicht, damit hat sich vor einiger Zeit der OLG Brandenburg, Beschl. v. 11.06.2013 – 2 Ws 12/13 – befasst (vgl. auch schon aus dem Jahr 2012 der OLG Celle, Beschl. v. 17.01.2012 – 1 Ws 504/11  und dazu Nichtaufstehen in der Hauptverhandlung – 5 Tage Ordnungshaft?). Auch das OLG Brandenburg bleibt allerdings – wie übrigens auch das OLG Celle – eine Begründung für seine Auffassung, nämlich, dass es sich um Ungebühr handelt, schuldig.

„2. Das Amtsgericht hat zu Recht eine Ungebühr in der Sitzung darin gesehen, dass sich der Angeklagte trotz Aufforderung geweigert hat, sich zur Urteilsverkündung zu erheben. Eine Ungebühr im Sinne von § 178 Abs. 1 GVG ist ein erheblicher Angriff auf die Ordnung in der Sitzung und deren justizgemäßen Ablauf. Hierzu gehört auch das Beachten eines Mindestmaßes von äußeren Formen, wobei Ordnungsmittel insbesondere als Antwort auf grobe Verletzungen oder bewusste Provokationen verhängt werden dürfen (Karlsruher Kommentar-Diehmer, StPO 6. Aufl. § 178 GVG Rdnr. 1). Auch wenn das Erheben sämtlicher in der Hauptverhandlung anwesender Personen bei Eintritt des Gerichts zu Beginn der Sitzung und zur Urteilsverkündung gesetzlich nicht vorgeschrieben ist, gehört dies zur äußeren Form in der Hauptverhandlung (vgl. Nr. 124 Abs. 2 Satz 2 RiStBV), deren Nichtbeachtung eine Ungebühr im Sinne von § 178 Abs. 1 GVG darstellt (OLG Celle NStZ NStZ-RR 2012, 119). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Betroffene – wie hier der Angeklagte – zuvor entsprechend ermahnt worden ist (OLG Celle, a. a. O.). Angesichts der Art der Ungebühr ist auch die Bemessung des Ordnungsmittels nicht zu beanstanden, sondern angemessen.“

 

Beschränkte Beschränkung

© Joerg Krumm - Fotolia.com

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Beschränkte Beschränkung? Was ist das? Nun, eine „beschränkte Beschränkung“ hat im OLG Hamm, Beschl. v. 07.03.2001 – 2 Ss OWi 127/01 eine Rolle gespielt. Da ging es um die Frage, ob das an einer Geschwindigkeitsbeschränkung angebrachte Zusatzschild „werktags…“ auch an einem Samstag gilt oder ob der Samstag, weil arbeitfrei“ kein Werktag (mehr) ist. Das OLG Hamm hat damals entschieden, dass auch der Samstag noch ein Werktag ist. An die Problematik hat mich der OLG Brandenburg, Beschl. v. 28.05.2013 – (2 Z) 53 Ss-OWi 103/13 (50/13) – erinnert. Da ging es nämlich um eine ähnliche Frage. Nämlich darum, ob das Zusatzschild an einer Geschwindigkeitsbeschränkung „montags – freitags“ auch an einem Donnerstag gilt, der ein Feiertag (Christe-Himmelfahrt“ ist. Das OLG hat – m.E. zutreffend – „Ja“ gesagt:

2. Das Amtsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die mit dem Verkehrszeichen 274 in Verbindung mit dem Zusatzzeichen „Mo – Fr, 6 – 18.00 h“ angeordnete Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h auch zur Tatzeit galt und zu beachten war.

Tattag war zwar Christi Himmelfahrt und damit ein gesetzlicher Feiertag. Maßgeblich ist indes allein, dass durch das Zusatzschild die Geltung der Geschwindigkeitsbegrenzung ohne Ausnahme auf alle Montage bis Freitage der Woche bestimmt war, wozu auch der auf den Donnerstag fallende Himmelfahrtstag gehört.

Da die für Montag bis Freitag getroffene Anordnung eine Sonderregelung für auf diese Wochentage fallende gesetzliche Feiertage nicht enthält, gilt der Normbefehl umfassend. Entgegen der teilweise in der Literatur vertretenen Auffassung (Janker NZV 2004, 120, 121; Hentschel/König/Dauer, StVG 42. Aufl. § 39 Rdnr. 31a) lassen Erwägungen zum Schutzzweck der Anordnung – jedenfalls bei Geschwindigkeitsbeschränkungen – eine einschränkende, fallbezogene Auslegung nicht zu. Die Gegebenheiten des fließenden Verkehrs und die für die Verkehrsteilnehmer damit verbundenen Sorgfaltsanforderungen ermöglichen bei der Erfassung von Verkehrsregelungen nicht die Berücksichtigung regelungsspezifischer Besonderheiten, die in den durch Verkehrszeichen geregelten Anordnungen nicht unmittelbar und unmissverständlich zum Ausdruck kommen. Insbesondere darf es im Interesse der Verkehrssicherheit nicht dem einzelnen Verkehrsteilnehmer überlassen bleiben, nach einer differenzierten Betrachtung selbst zu beurteilen, ob die Anordnung einer Geschwindigkeitsbegrenzung aufgrund der örtlichen Besonderheiten auch für gesetzliche Feiertage gewollt und geboten ist oder nicht. Da der Straßenverkehr einfache und klare Regeln erfordert, müssen Unbequemlichkeiten, die sich aus einem der Regel entsprechenden Verhalten ergeben und wie hier auch zumutbar sind, im Interesse der Verkehrssicherheit in Kauf genommen werden (vgl. BGH NJW 1970, 2033; BGHSt 22, 137, 140f.). Ob dies für den Bereich des ruhenden Verkehrs anders zu beurteilen ist (vgl. hierzu Janker, aaO.), kann offen bleiben.