Heute stelle ich StGB-Entscheidungen vor, die alle drei mit der Thematik: Filmen von Polizeibeamten, zu tun haben. Die Entscheidungen sind zum Teil in der letzten Zeit auch bereits an anderer Stelle diskutiert/vorgestellt worden. M.E. nehmen Entscheidungen zu diesen Fragen, zu.
Hier zunächst der LG Osnabrück, Beschl. v. 24.09.2021 – 10 Qs 49/21 – mit folgendem Sachverhalt:
Bei einem Polizeieinsatz im Bereich einer für jedermann frei zugänglichen Straßenkreuzung wurde gegen eine renitente Person unmittelbarer Zwang angewendet. Der Einsatz wurde von umstehenden Personen, u.a. auch vom späteren Beschwerdeführer, gestört. Die Beamten sprachen daraufhin Platzverweise aus. Währenddessen hielt der Beschwerdeführer sein Mobiltelefon deutlich sichtbar vor seinen Körper und fertigte offenbar Video- und Tonaufzeichnungen der Situation an. Daraufhin wurde sein Mobiltelefon wegen des Verdachts einer Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB) als potentielles Beweismittel sichergestellt. Das AG bestätigte die Beschlagnahme. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte beim LG Erfolg:
„Die gemäß §§ 304, 305 StPO zulässige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die richterliche Bestätigung der Beschlagnahme seines Smartphones ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Bereits die durch Polizeibeamte angeordnete Beschlagnahme des Mobiltelefons entbehrte einer rechtlichen Grundlage, da – zumindest in dem konkreten vorliegenden Einzelfall – der Anfangsverdacht einer strafbaren Handlung und damit die Voraussetzung einer strafprozessual gemäß §§ 94, 95 StPO zulässigen Beschlagnahme nicht gegeben war.
1. Gemäß § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist erforderlich, dass der Täter das nichtöffentlich gesprochene Wort einer anderen Person auf einem Tonträger aufnimmt.
Nichtöffentlich sind Gespräche oder Diskussionen, wenn der Teilnehmerkreis individuell begrenzt ist, d.h. nicht einem beliebigen Zutritt offensteht. Daher kommt es nicht auf die Zahl der Zuhörer, sondern auf die Abgeschlossenheit des Gesprächskreises an. Bestehen bei Gesprächen Mithörmöglichkeiten für andere unbeteiligte Personen, können sie ihren ansonsten privaten Charakter aufgrund ihrer faktischen Öffentlichkeit einbüßen (MüKoStGB/Graf, 4. Aufl. 2021, StGB § 201 Rn. 15 und 18 m.w.N.). Unter der Prämisse, dass trotz der systematischen Stellung des § 201 StGB im 15. Abschnitt des StGB, der die Strafbarkeit der Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimnisbereichs regelt, auch dem persönlichen Lebensbereich des agierenden Beamten entrückte dienstliche Äußerungen dem Schutzbereich des § 201 unterfallen, ist auch die Aufzeichnung des gesprochenen Worts etwa bei polizeilichen Kontrollen strafbar, es sei denn, es besteht auch hier bereits eine faktische Öffentlichkeit, weil etwa weitere Personen z.B. in einem frequentierten Bahnhofsgebäude mithören können (MüKoStGB/Graf, 4. Aufl. 2021, StGB § 201 Rn. 17, 17a m.w.N.).
Für die Frage des Vorliegens einer faktischen Öffentlichkeit ist nicht maßgeblich, ob lediglich eine Person (was nach Ansicht des LG München I, Urteil vom 11. Februar 2019 – 25 Ns 116 Js 165870/17 –, Rn. 15, juris, für eine faktische Öffentlichkeit nicht ausreichen soll) oder mehrere Personen die polizeiliche Maßnahme tatsächlich beobachtet oder ihr beigewohnt haben, sondern allein die Frage, ob beliebige andere Personen von frei zugänglichen öffentlichen Flächen oder allgemein zugänglichen Gebäuden und Räumen (MüKoStGB/Graf, 4. Aufl. 2021, StGB § 201 Rn. 18) – mithin eine beliebige Öffentlichkeit – die Diensthandlungen hätten beobachten und akustisch wie optisch wahrnehmen können. Um einem unter diesen Bedingungen gesprochenen Wort ein öffentliches Gepräge zu geben, ist nicht entscheidend, ob andere Personen das gesprochene Wort tatsächlich wahrgenommen haben. Denn insoweit ist anerkannt, dass etwa eine Äußerung dadurch den nichtöffentlichen Charakter verliert, wenn sie als Lautsprecherdurchsage (vgl. MükoStGB/Graf a.a.O.) durch einen unbestimmten Personenkreis wahrgenommen werden konnte, ohne dass es (noch) darauf ankommt, ob sie auch tatsächlich von einzelnen Personen wahrgenommen worden ist.
2. Gemessen an diesen Kriterien ist das im Zuge einer im öffentlichen Verkehrsraum vorgenommenen Diensthandlung geäußerte Wort in faktischer Öffentlichkeit gesprochen, wenn dieser Ort – wie hier – frei zugänglich war. Die Besonderheit, dass hier u.a. gegen den Beschuldigten ein Platzverweis ausgesprochen wurde, ändert an dieser Bewertung nichts, weil zum einen der Aktenlage nicht eindeutig zu entnehmen ist, dass die Aufnahme unter Verletzung des Platzverweises erfolgte, und zum anderen der Platzverweis hier nicht zur Herstellung der Vertraulichkeit – etwa zur Ermöglichung einer Lagebesprechung – diente, was dazu hätte führen können, dass das dort gesprochene Wort zu einem nicht öffentlichen geworden wäre, sondern der Platzverweis ausschließlich die Durchführung der aufgenommenen Diensthandlung ermöglichen sollte.
Eine weniger enge, d.h. den Bereich der Strafbarkeit erweiternde Auslegung ist nicht angezeigt. Denn die Vorschrift dient der verfassungsrechtlich garantierten freien Entfaltung der Persönlichkeit durch Gewährleistung der Unbefangenheit der mündlichen Äußerung (MüKoStGB/Graf, 4. Aufl. 2021, StGB § 201 Rn. 2 unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). Eines Schutzes der Unbefangenheit bedarf ein Amtsträger, dessen Handeln rechtlich gebunden ist und als solches der rechtlichen Überprüfung unterliegt, indes nicht.
Die hier vorgenommene enge Auslegung vermeidet zudem Friktionen insbesondere zu § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Denn es ist vor dem Hintergrund dieser nachträglich geschaffenen Regelung und der ihr zugrundeliegenden gesetzgeberischen Wertung kein Grund ersichtlich, warum die Strafbarkeit der akustischen Perpetuierung durch Aufnahme des Wortes (so viel) weitergehen soll als die visuelle Perpetuierung durch Bildaufnahmen im öffentlichen Raum, die abgesehen von den in § 201a Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB genannten Fällen straffrei ist.“