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Waffengleichheit

Die Waffengleichheit im Strafverfahren. Gibt es das bzw. gibt es sie? Zumindest wird manchmal versucht, Sie herzustellen. So im Beschl. des OLG Köln v. 03.12.2010 – III-1 RVs 213/10, in dem es um die Bestellung eines Pflichtverteidigers ging, die im Erkenntnisverfahren nicht erfolgt war.

Das OLG sagt: Es liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung im Sinne der Generalklausel einer Beiordnung vor, wenn dem Angeklagten ein qualifiziertes Körperverletzungsdelikt zur Last gelegt wird, sich das Tatopfer dem Verfahren als Nebenkläger anschließt und sich auf eigene Kosten eines anwaltlichen Beistandes bedient, wenn dadurch ein prozessuales Ungleichgewicht geschaffen wird. Ein solches Ungleichgewicht ist anzunehmen, wenn eine gesetzliche Mindeststrafe für den Tatvorwurf bei gleichzeitiger Möglichkeit der Annahme eines minder schweren Falles gegeben ist, da damit Verteidigungsmöglichkeiten eröffnet sind, die der Rechtskunde bedürfen und denen der gegnerische Anwalt entgegentreten kann, ohne dass dem Angeklagten dies bewusst werden kann.

Der Igel und die Waffengleichheit im Strafverfahren

Der Kollege Siebers berichtet unter der Überschrift „Igelplage“ mal wieder über einen „Igel“ 🙂 = eine nicht erfolgte Pflichtverteidigerbestellung, obwohl beim Vorwurf der gefährlichen, weil gemeinschaftlichen, Körperverletzung mehrere der mitangeklagten Heranwachsenden verteidigt sind.

Wenn man das liest, fragt man sich, wenn nicht jetzt, wann dann? Das ist doch wohl inzwischen einer der klassischen Fällen, in denen beizuordnen ist. Verwiesen sei dazu auf:  LG Kassel, Beschl. v. 11. 2. 2010 – 3 Qs 27/10; LG Kiel StV 2009, 236 und LG StV 2001, 107; Beck-OK-Wessing § 140 StPO, Rdn. 17). Von Bedeutung sind in dem Zusammenhang aber auch noch OLG Celle StV 2006, 686; OLG Hamm StRR 2008, 346 = StV 2009, 85; LG Freiburg vom 12.03.2008 – 6 Qs 12/08 E. Hw.; LG Köln, Beschl. v. 24.06.2009, 111 Qs 312/09) Abgestellt wird in diesen Entscheidungen i.d.R. auf das Prinzip der Waffengleichheit. Ein Teil diser Entscheidungen ist auch gerade im JGG-Verfahren ergangen (so z.B. OLG Hamm, a.a.O.). Man fragt sich: Wird das alles nicht gelesen?.

Und einer der Kommentatoren bei dem Kollegen meint:

Der Igel gehört da auch hin. Großzügigkeit nach dem Motto „Ist doch nicht mein Geld“ ist jedenfalls fehl am Platze.“

Die Frage der Beiordnung hat doch nichts mit Großzügigkeit zu tun, sondern damit, ob der Pflichtverteidiger notwendig ist. Im Übrigen. Hier kehrt sich die „Sparsamkeit“ um. Denn das nun anstehende Beschwerdeverfahren kostet Geld, das man sich gut und gerne sparen könnte.

Ach so: Wahrscheinlich kommen jetzt wieder Kommentare, dass Amtsrichter das nicht alles lesen können. Die kann man sich sparen. Ich meine, sie müssen ( (ich verweise ja gar nicht auf mein Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 5. Aufl., 2010, Rn. 1248 m.w.N.). 🙂

Leider etwas vorschnell entpflichtet… leider aber auch „sitzen geblieben“

Leider etwas vorschnell entpflichtet hatte die Berufungskammer den nach § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO vom AG bestellten Pflichtverteidiger in dem dem Beschl. des OLG Celle v. 29.07.2010 – 1 Ws 392/10 zugrunde liegenden Verfahren.

Das LG hatte sich auf § 140 Abs. 3 Satz 1 StPO bezogen und in (!!) der Hauptverhandlung entpflichtet. Das OLG hat auf die Beschwerde hin aufgehoben und darauf hingewiesen, dass bei der Ermessensentscheidung, ob die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach § 140 Abs. 3 Satz 1 StPO aufgehoben wird, weil der Beschuldigte mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung aus der Anstalt entlassen worden ist, stets sorgfältig zu prüfen sei, ob die frühere, auf der Inhaftierung beruhende Behinderung der Verteidigungsmöglichkeiten es weiter notwendig macht, dass der Angeklagte trotz Aufhebung der Inhaftierung durch einen Pflichtverteidiger unterstützt wird, was in der Regel der Fall sein werde. Wolle das Gericht von dieser Regel abweichen, müsse es insoweit nachvollziehbare Erwägungen anstellen und diese zur Grundlage seiner Entscheidung machen. Auf Grund seiner Fürsorgepflicht sei das Gericht zudem gehalten, dem Angeklagten bei Aufhebung der Bestellung seines Verteidigers genügend Zeit zu lassen, sich ggf. um einen Wahlverteidiger zu bemühen.

So weit, so gut – die Entscheidung entspricht der h.M. in der Rechtsprechung -, nur: Für die Revision bringt sie dem Verteidiger nichts. Denn den Verstoß des AG gegen § 140 StPO kann in der Revision vorliegend nicht geltend gemacht werden. § 338 Nr. 5 StPO setzt nämlich voraus, dass die Hauptverhandlung in Abwesenheit einer Person stattfindet, deren Anwesenheit das Gesetz als notwendig ansieht. Das ist im Fall der notwendigen Verteidigung der Verteidiger. Der war hier aber anwesend (geblieben). Wenn der Verteidiger aus der Entpflichtung für die Revision hätte Gewinn ziehen wollen, hätte er den Mandanten in der Hauptverhandlung verteidigungslos stellen müssen.