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BGH: Säge mir doch nicht den Ast ab, auf dem ich sitze, oder: Verständigung schließt Rechtsmittel nicht aus

Etwas versteckt am Ende einer Entscheidung, die eine andere, zwar auch interessante Problematik zu § 231c StPO behandelt, findet sich in dem BGH-Beschl. v. 06.08.2009, 3 StR 547/08 ein Hinweis, der für das Verhätnis der neuen Regelungen zur Absprache/Verständigung (§ 257c StPO) zum allgemeinen Rechtsmittelrecht von Bedeutung ist. Der BGH führt aus:

„Die Rüge scheitert zuletzt auch nicht daran, dass der Angeklagte am 42. Hauptverhandlungstag im Anschluss  an eine Höchststrafenzusage der Strafkammer den Tatvorwurf eingeräumt hat. Die Befugnis zur Einlegung eines Rechtsmittels und zur Erhebung von Verfahrensrügen bleibt dem Angeklagten uneingeschränkt erhalten, auch wenn dem Urteil eine Verständigung vorausgegangen ist. Dies folgt aus dem Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren vom 29. Juli 2009 (BGBl I 2353), das – entgegen früheren Überlegungen im Gesetzgebungsverfahren  (vgl. § 337 Abs. 3 StPO-Diskussionsentwurf BMJ, Stand: 22. März 2006; ebenso Gesetzesantrag Niedersachsen BR Drucks. 235/06) – nach einer solchen Verfahrensbeendigung keine Einschränkungen hinsichtlich der Rechtsmittelbefugnis vorsieht .“

Also: Unzulässig ist nach § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO (nur) der Rechtsmittelverzicht in einer Absprache. Darüber hinaus können aber auch gegen ein auf einer Verständigung beruhendes Urteil die allgemeinen Rechtsmittel (Revision oder Berufung) eingelegt werden. Nur: Wer wird das tun? 🙂

Zur Absprache siehe auch den Überblick bei Burhoff, Auch im Verkehrsrecht Gesetzliche Neuregelungen durch Abspracheregelung und 2. OpferRRG haben Auswirkungen und das E-Book Burhoff/Stephan: Gesetzliche Neuregelungen der StPO 2009.

II. Zivilsenat des BGH haut in der Anrechnungsfrage (§ 15a RVG) auf den Tisch

Nachdem sich schon kurz nach dem Inkrafttreten des neuen § 15a RVG ein „fröhliches Hauen und Stechen“ zwischen den OLG abgezeichnet/entwickelt hat (vgl. z.B. OLG Stuttgart VRR 2009, 359; LAG Hessen VRR 2009, 360), in der Frage, ob die Neuregelung auch auf Altfälle anwendbar ist, hat sich jetzt eine gewichtige Stimme aus Karlsruhe eingeschaltet.

Der 2. Zivilsenat des BGH hat in einem Beschl. v. 02.09.2009 – II ZB 35/07, die Auffassung vertreten, dass es sich nur um eine Klarstellung handelt mit der Folge, dass die Neuregelung auch auf die Altfälle anwendbar ist. In der Entscheidung markige Worte gegen die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats – wann schreibt ein Zivilsenat schon mal:

„Den erkennenden Senat überzeugt die Ansicht des VIII. Zivilsenats nicht. Ohne die gegen diese Lösung des Anrechnungsproblems anzuführenden systematischen, teleologischen und sprachlichen Argumente im Einzelnen darzustellen, vermag der Senat ihr nicht zuletzt im Hinblick auf die teilweise zu Recht als katastrophal bezeichneten Folgen aber auch, weil er sie aus den gesetzlichen Bestimmungen nicht abzuleiten vermag, nicht zu folgen.“

Ob das alles reicht, um den Streit um die Anwendbarkeit zu entscheiden oder ob die Frage ggf. sogar vom Großen Senta (muss natürlich „Senat“ heißen :-)) für Zivilsachen entschieden werden muss, man wird es sehen. Jedenfalls hilft dieser Beschluss sicherlich erst mal bei der Argumentation im Kostenfestsetzungsverfahren.

Hier ein bißchen Werbung: Mein erstes E-Book am Markt.

Zum Abschluss des Tages dann noch ein Hinweis (ist Werbung, aber warum nicht, machen andere auch). Heute habe ich zusammen mit RA Stephan, Dresden, mein  erstes E-Book auf den Weg gebracht. Das hatte ich noch nie. Ich habe zwar schon einiges veröffentlichen können/dürfen, aber nur im Internet/digital, das hatte selbst ich noch nicht. Und wir haben doch tatsächlich auch schon ganz begeisterte Zuschriften bekommen, in dem Sinn: Endlich Bewegung im Markt. Mal sehen, wie  es läuft. Wer Interesse hat, sich zu informieren: Hier geht es. Burhoff/Stephan, Gesetzliche Neuregelungen der StPO, 2009.

EGMR zur Akteneinsicht beim inhaftierten Beschuldigten

Der EGMR hat mal wieder zur Akteneinsicht beim inhaftierten Beschuldigten entschieden (vgl. Beschl. v. 02.06.2009, 29705/05). Danach verstößt es gegen das völkerrechtlich verbürgte Recht auf Freiheit und Sicherheit, wenn einem anwaltlichen Verteidiger in einem nationalen Haftprüfungsverfahren die von ihm beantragte Akteneinsicht versagt wird. In einem solchen Fall kommt ein inhaftierter Beschwerdeführer nicht in den Genuss eines kontradiktorischen Verfahrens, in dem die Waffengleichheit zwischen den Prozessparteien sichergestellt ist. Das ist eine Fortsetzung der bisherigen Rechtsprechung des EGMR. Die Problematik wird sich aber hoffentlich nach Inkrafttreten des neuen § 147 Abs. 1 Satz 2 StPO am 01.01.2010 entschärfen. Danach ist in den Fällen „in der Regel“ Akteneinsicht zu gewähren.

Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren tritt am 04.08.2009 in Kraft

Heute ist im BGBl., S. 2353 das Gesetz zur Regelung der Verständigung im Strafverfahren in Kraft getreten. Damit sind ab morgen (vgl. Art. 3 des Gesetzes) die neuen Vorschriften der §§ 160a, 202a, 212 und vor allem die der §§ 257b und 257c in Kraft. Es wird interessant werden zusehen, wie die Praxis mit der Neuregelung umgeht.