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StPO I: Zwei Wege zur Bestellung eines Dolmetschers, oder: (K)Ein gemeinschaftlicher Nebenklägerbeistand

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Ich beginne dann die 36. KW. mit StPO-Entscheidungen.

Hier kommen zunächst zwei Entscheidungen des BGH, die beide in einem Sicherungsverfahren ergangen sind.

In dem BGH, Beschl. v. 08.07.2024 – 5 StR 236/24 – hat der BGH, dem Beschuldigten für ein Mandantengespräch mit seinem Verteidiger einen Dolmetscher beigeordnet:

„Dem über seinen Verteidiger gestellten Antrag des Beschuldigten vom 5. Juli 2024 ist zu entsprechen.

Gemäß § 187 Abs. 1 Satz 1 GVG zieht das Gericht für einen Beschuldigten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, einen Dolmetscher oder Übersetzer heran, soweit dies zur Ausübung seiner strafprozessualen Rechte erforderlich ist. Die Norm gilt – wie hier – auch für interne Besprechungen mit dem Verteidiger, etwa zur Vorbereitung von Anträgen und Prozesserklärungen im Rechtsmittelverfahren (Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl., § 187 Rn. 6).

Da der Verteidiger ausdrücklich die „unentgeltliche Beiordnung“ beantragt hat, ist der Dolmetscher unmittelbar zu bestellen (Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl., § 187 Rn. 9; BeckOK GVG/Allgayer, 23. Ed., § 187 GVG Rn. 5; OLG Celle, Beschluss vom 9. März 2011 – 1 Ws 102/11; vgl. zur alternativ möglichen Feststellung der Erforderlichkeit einer Eigenbeauftragung des Dolmetschers durch den Pflichtverteidiger gemäß § 46 Abs. 2 RVG mit späterer Geltendmachung der Auslagen im Vergütungsfestsetzungsverfahren auch Kissel/Mayer, GVG, 10. Aufl., § 187 Rn. 23, 24).“

Also, weil die Fragen immer wieder kommen: Es gibt zwei Wege, die der BGH aufzeigt.

In dem Verfahren ist dann auch der BGH, Beschl. v. 30.07.2024 – 5 StR 236/24 – ergangen, in dem der BGH zur Bestellung eines gemeinschaftlichen Beistands für die Eltern eines Getöteten kurz Stellung genommen hat, und zwar wie folgt:

„Die Anschlussberechtigung des U. Z. als Vater der getöteten N. Ze. folgt aus § 395 Abs. 1 iVm Abs. 2 Nr. 1 StPO; sein Anspruch auf Beistandsbestellung ergibt sich aus § 397a Abs. 1 Nr. 2 StPO.

Von der Bestellung eines gemeinschaftlichen Beistands für beide Elternteile gemäß § 397b Abs. 1 StPO hat der Senat angesichts des zwischen diesen bestehenden Konflikts keinen Gebrauch gemacht.“

 

 

Nebenklage II: Bewilligung von PKH für die Nebenklage, oder: Psychische Betroffenheit und Waffengleichheit

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Die zweite Entscheidung zur Nebenklage, der LG Stade, Beschl. v. 20.02.2023 – 102 Qs 55/22 – nimmt Stellung zur Gewährung von Prozesskostenhilfe für den Nebenkläger zur Hinzuziehung eines Rechtsanwalts.

Die Staatsanwaltschaft führt gegen den Angeklagten ein Ermittlungsverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung. Dem Beschuldigten wird dabei zur Last gelegt, am 20.01.2022 gegen 23:45 Uhr in Stade auf offener Straße gewalttätig gegenüber seiner damaligen Lebensgefährtin, der Nebenklägerin, gewesen zu sein. Nach Abschluss der Ermittlungen hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den Beschuldigten erhoben. Das AG Stade das Hauptverfahren vor dem Strafrichter eröffnet.

Mit Schreiben vom 21.07.2022 teilt der Kollege Breu, der mir den Beschluss geschickt hat, mit, dass er die Nebenklägern vertrete und erklärt den Anschluss der Nebenklage. Zudem beantragt er, als Beistand bestellt zu werden. Das AG hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter der Beiordnung des Kollegen dann aber zurückgewiesen. Dagegen das Rechtsmittel der Nebenklägerin, das beim LG Erfolg hatte:

„Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen vor.

Gemäß § 397a Abs. 2 StPO ist dem Nebenkläger auf Antrag Prozesskostenhilfe für die Bestellung eines anwaltlichen Beistands zu bewilligen, wenn er mittellos ist und seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann oder ihm dies nicht zuzumuten ist. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe richtet sich dabei grundsätzlich nach den Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, also nach den §§114 ff. ZPO.

Die Nebenklägerin ist im Sinne der §§ 114, 115 ZPO nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten eines Rechtsanwaltes aufzubringen. Die Nebenklägerin ist Studentin und erhält Unterhaltszahlungen in Höhe von 429,00 Euro von ihrem Vater sowie Kindergeld in Höhe von 219,00 Euro. Darüber hinaus verdient sie im Rahmen eines Nebenjobs 205,00 Euro. Die monatlichen Wohnkosten der Nebenklägerin belaufen sich auf 130,00 Euro und 32,00 Euro fallen für das Semesterticket an. Auch verfügt die Nebenklägerin nicht über ein Vermögen, das die Grenze des § 90 Abs. 2 Nr. 1 SGB XII übersteigen würde, sodass Mittellosigkeit im Sinne der Vorschriften vorliegt.

Ferner muss die Nebenklägerin entweder unfähig sein, ihre Interessen ausreichend wahrzunehmen oder es muss ihr unzumutbar sein. Die Unfähigkeit der Nebenklägerin ihre Interessen selber ausreichend wahrzunehmen, etwa aufgrund eingeschränkter geistiger Kräfte, ist auch aus Sicht der Kammer nicht ersichtlich. Die eigene Wahrnehmung ihrer Interessen ist ihr jedoch nicht zuzumuten.

Die Unzumutbarkeit der eigenen Interessenswahrnehmung stellt im Wesentlichen auf die psychische Betroffenheit der Nebenklägerin durch die Tat ab, diese sie also unvertretbar belasten würde (Valerius in: MüKo StPO, 1. Aufl. 2019, § 397a Rn. 27; Wenske in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2014, § 397a Rn. 14). Dies kann insbesondere bei Opfern von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sowie von schwerwiegenden Nachstellungen eine Rolle spielen. Vorliegend ist die Nebenklägerin mutmaßlich Opfer einer gefährlichen Körperverletzung geworden, sodass grundsätzlich kein Fall vorliegt, in dem die Unzumutbarkeit im Sinne von § 397a Abs. 2 StPO regelmäßig vorliegen dürfte. Die Nebenklägerin führte mit dem Angeklagten zum Tatzeitpunkt jedoch eine Liebesbeziehung, die erst im Anschluss an den angeklagten Vorfall endete. Die in der Anklage beschriebenen Gewalteinwirkungen durch den Angeklagten auf die Nebenklägerin sind von erheblichem Ausmaß und weisen zudem eine hohe Brutalität auf. Aus Sicht der Kammer dürfte bereits die Tat als solche, gerade auch weil sie innerhalb der Beziehung geschehen sein soll, eine erhebliche psychische Betroffenheit der Nebenklägerin nahelegen. Im Übrigen zeigt sich das Vorliegen einer hohen psychischen Betroffenheit aber auch dadurch, dass unmittelbar im Anschluss an den Vorfall im Elbeklinikum ein psychiatrisches Gespräch mit der Nebenklägerin geführt wurde, ein solches durch den behandelnden Arzt aufgrund des Gesamteindrucks von der Nebenklägerin also offensichtlich für notwendig erachtet wurde. Zudem nimmt die Nebenklägerin Unterstützung durch die Opferhilfe in Anspruch.

Hinzu kommt der Umstand, dass der Angeklagte einen Pflichtverteidiger hat. Zwar ist § 121 Abs. 2 StPO nicht anwendbar, sodass allein der Umstand, dass der Angeklagte einen Pflichtverteidiger hat, kein zwingender Grund für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist. Die Hauptverhandlung und insbesondere die Zeugenaussage dürfte für die Nebenklägerin aber ohnehin eine hohe Belastung darstellen, die sich durch die Anwesenheit eines Pflichtverteidigers auf Seiten des Angeklagten bei Ausbleiben eines eigenen anwaltlichen Beistands verstärken dürfte und ihr daher im Ergebnis nicht zuzumuten ist.“

Nebenklage I: Begründung der Nebenklägerrevision, oder: Wieder mal eine unzulässige Revision…..

Und dann

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heute Entscheidungen zur StPO, mit der „Unterkategorie“ Nebenklage.

Den Opener zum Warmwerden mache ich mit dem BGH, Beschl. v. 01.12.2022 – 3 StR 471/21. 

Das ist der Klassiker aus dem Bereich, nämlich die Frage nach den Anforderungen an die Revisionsbegründung des Nebenklägers. Man fragt sich, wie oft der BGh dazu eigentlich noch Stellung nehemn muss; offenbar wird das, was er dazu schreibt, von denjenigen, die es angeht, nicht gelesen. So auch hier.

Das LG hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und Körperverletzung verurteilt. Dagegen die auf die Sachrüge gestützte Revision des Nebenklägers, die (mal wieder) unzulässig ist. Denn:

„Gemäß § 400 Abs. 1 StPO kann der Nebenkläger ein Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt oder dass ein Angeklagter wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluss als Nebenkläger berechtigt. Die Begründung der Revision des Nebenklägers muss daher erkennen lassen, dass er mit seinem Rechtsmittel ein zulässiges Ziel verfolgt, also einen bisher unterbliebenen Schuldspruch des Angeklagten (auch) wegen einer Straftat, die die Berechtigung des Nebenklägers zum Anschluss an das Verfahren begründet; wird eine derartige Präzisierung bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist nicht vorgenommen, ist das Rechtsmittel unzulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 28. August 2012 – 3 StR 360/12, juris Rn. 2 f.; Urteil vom 26. Juli 2007 – 3 StR 221/07, NStZ 2007, 700, 701). So liegt es hier. Der Nebenkläger hat lediglich die allgemeine Sachrüge erhoben. Weitere Ausführungen, aus denen sich das konkrete Ziel seines Rechtsmittels entnehmen ließe, sind bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist nicht eingegangen. Ein Ausnahmefall, in dem auf eine derartige Klarstellung verzichtet werden könnte (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 1989 – 3 StR 148/89, BGHR StPO § 400 Abs. 1 Zulässigkeit 3), liegt nicht vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO. Der Nebenkläger hat danach auch die durch seine Revision entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen. Zwar hat auch die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt, so dass der Nebenkläger sein Rechtsmittel nicht „allein“ im Sinne des § 473 Abs. 1 Satz 3 StPO durchgeführt hat. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist jedoch nicht nach § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO erfolglos geblieben; auf ihr Rechtsmittel hat der Senat mit Urteil vom heutigen Tag das Urteil des Landgerichts teilweise aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung zurückverwiesen. In einer solchen Konstellation findet § 473 Abs. 1 Satz 3 StPO keine Anwendung.“

Wie gesagt: Wie oft den noch?

Altes oder neues Recht nach dem KostRÄnG 2021?, oder: Auftrag für gerichtliches Verfahren nur bedingt

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Am „Gebührenfreitag“ stelle ich dann zunächst den OLG Celle, Beschl. v. 22.09.2022 – 1 Ws 51/22 – vor. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

In Rahmen eines gegen den Angeklagten u.a. wegen des Verdachts der Begehung eines versuchten Tötungsdeliktes zum Nachteil des Geschädigten der Staatsanwaltschaft geführten Ermittlungsverfahrens legitimierte sich der Rechtsanwalt gegenüber der Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 14.12.2020 für den Geschädigten und beantragte zunächst Akteneinsicht. Die vom Geschädigten unterzeichnete schriftliche Vollmacht datiert vom 16.12.2020 und ermächtigte den Rechtsanwalt zur außergerichtlichen und gerichtlichen Erledigung für alle Instanzen, insbesondere die Verteidigung in einem Strafverfahren einschließlich der Vorverfahren. Im weiteren Verfahrensgang wurde der Rechtsanwalt noch im Ermittlungsverfahren mit Beschluss 23.2.2021 als Beistand des Geschädigten nach §§ 397a Abs. 1, 406h Abs. 3 StPO bestellt.

Am 29.03.2021 hat die Staatsanwaltschaft dann Anklage zum Schwurgericht erhoben. Die Anklage wurde mit Beschluss vom 06.05.2021 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Mit demselben Beschluss hat das LG den Geschädigten als Nebenkläger unter Beiordnung des Rechtsanwalts zu.

Mit Urteil vom 22.09.2021 wurde der Angeklagte vom LG zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde; darüber hinaus wurden ihm u.a. die dem Nebenkläger erwachsenen notwendigen Auslagen auferlegt. Der Beschwerdeführer nahm an mehreren Hauptverhandlungsterminen teil und legte nachfolgend Revision gegen das am 22.09.2021 verkündete Urteil des Schwurgerichts ein.

Nach Verfahrensbeendigung beantragte der Rechtsanwalt gegenüber der Staatskasse die Festsetzung seiner im Ermittlungsverfahren, erstinstanzlichen Verfahren sowie Revisionsverfahren entstandenen Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 6.657,34 EUR. Er legte dabei für sämtliche Verfahrensabschnitte die Gebührensätze in der ab dem 01.01.2021 geltenden Fassung des RVG zugrunde. Die UdG brachte hingegen unter Verweis auf die Vorschrift des § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG die Gebührensätze für sämtliche Verfahrensabschnitte in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung in Ansatz und setzte die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen lediglich auf 5.883,36 EUR fest. Die hiergegen eingelegte Erinnerung des Rechtsanwalts wies das LG als unbegründet zurück. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, dass bereits im Jahr 2020 ein unbedingter Auftrag sowohl für das Ermittlungsverfahren als auch das gerichtliche Verfahren vorgelegen hätte und daher für die gesamte Vergütung des Beschwerdeführers nach § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG das bisherige Recht anzuwenden sei.

Die dagegen gerichtete Beschwerde des Rechtsanwalts hatte Erfolg. Das OLG hat zugunsten des Rechtsanwalts auch die über den zuerkannten Betrag hinausgehenden 739,47 EUR zuerkannt:

„2. In der Sache kann der angefochtene Beschluss – soweit dieser noch mit der Beschwerde angefochten wird – keinen Bestand haben. Denn dem Beschwerdeführer steht über den zuerkannten Betrag von 5.883,36 EUR hinaus noch ein Vergütungsanspruch in Höhe von 739,47 EUR zu.

Im Einzelnen:

a) Gegenstand des Beschwerdeverfahren sind allein die für das gerichtliche sowie Revisionsverfahren festgesetzten Kosten, da der Beschwerdeführer die erfolgte Kostenfestsetzung für die im Ermittlungsverfahren angefallenen Gebühren mit seiner Beschwerde nicht weiter angegriffen hat und der Senat diesbezüglich mithin auch nicht zu einer Entscheidung berufen ist.

b) Für die Beurteilung der Frage, ob für das gerichtliche Strafverfahren altes oder neues Gebührenrecht anzuwenden ist, sind zwar sowohl die Urkundsbeamtin als auch das Land-gericht zutreffend davon ausgegangen, dass sich dies maßgeblich danach richtet, ob dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nach § 60 Abs. 1 S. 1 RVG ein unbedingter Auftrag zur Durchführung vor oder nach dem 1. Januar 2021 (Inkrafttreten des Kostenrechtsänderungsgesetzes 2021 – KostRÄG 2021) erteilt worden war. Bei der Beurteilung ist jedoch unberücksichtigt geblieben, dass es sich nach § 17 Nr. 10 a RVG bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und dem nachfolgenden gerichtlichen Verfahren um verschiedene Angelegenheiten handelt (vgl. Volpert, StraFo 2021, 188, 189; Burhoff in: Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, Angelegenheiten §§ 15 ff. Rn. 105, 142).

So geht das Landgericht zwar zu Recht davon aus, dass bereits im Jahr 2020 eine umfassende Vertretung des Geschädigten im Ermittlungsverfahren sowie in einem nachfolgenden gerichtlichen Verfahren durch den Geschädigten beauftragt worden war. Denn hierfür sprachen schon die Gesichtspunkte, dass gegen den Angeklagten ein Haftbefehl ergangen war und eine zeitnahe Anklageerhebung zu erwarten war. Auch hat der Beschwerdeführer bereits mit Schriftsatz vom 4. Januar 2021 die Bestellung als Beistand nach § 397a Abs. 1 Nr. 2 StPO und die Zulassung als Nebenkläger im Namen des Geschädigten beantragt, was belegt, dass er mit einem nachfolgenden gerichtlichen Verfahren in absehbarer Zeit rechnete.

Trotz dieser umfassenden Beauftragung durch den Geschädigten sowohl für das Ermittlungsverfahren als auch ein nachfolgendes gerichtliches Verfahren handelt es sich vorliegend ungeachtet der zeitgleichen Beauftragung nach § 17 Nr. 10a RVG gebührenrechtlich um verschiedene Aufträge und nicht um einen Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit (Gerold/Schmidt, RVG § 60 Rn. 6, beck-online).

c) Ein unbedingter Auftrag zur Erledigung der Vertretung des Geschädigten in einem gerichtlichen Verfahren vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 1. Januar 2021 lag hin-gegen gerade nicht vor, sodass die Vorschrift des § 60 Abs. 1 S. 1 RVG vorliegend nicht zum Tragen kam.

Zum Zeitpunkt der Auftragsannahme durch den Beschwerdeführer Ende des Jahres 2020 lagen vielmehr gleichzeitig ein unbedingter Auftrag für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und ein bedingter Auftrag für ein nachfolgendes Strafverfahren vor. Letzteres stand unter der Bedingung einer Anklageerhebung durch die Strafverfolgungsbehörde, sodass für die gebührenrechtliche Betrachtung nach § 60 Abs. 1 S. 1 RVG der spätere Zeitpunkt des Bedingungseintritts maßgeblich war (vgl. Volpert in: Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Buß-geldsachen, §§ 60 f. Übergangsvorschriften Rn. 13; Toussaint/Toussaint, 52. Aufl. 2022, RVG § 60 Rn. 9).

Die Anklageerhebung und damit die Überleitung in ein gerichtliches Strafverfahren erfolgte am 29. März 2021, sodass für die Kostenfestsetzung für das gerichtliche Verfahren das ab dem 1. Januar 2021 geltende Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zugrunde zu legen war.

d) Demgemäß steht dem Beschwerdeführer ein Vergütungsanspruch zu, der sich wie folgt berechnet:…..“

Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse bei PKH, oder: Nicht vergessen, denn der BGH erinnert nicht

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Heute Gebührenfreitag mit zwei kurzen/zackigen Entscheidungen.

Zunächst kommt hier der BGH, Beschl. v. 04.05.2022 – 3 StR 55/22 – zum PKH-Antrag im Adhäsionsverfahren. In einem Verfahren mit dem Vorwurf des Totschlags hatte die Tochter der durch die Tat Getöteten und in erster Instanz als solche zugelassene Nebenklägerin in der Tatsacheninstanz beim LG im Wege der Adhäsion einen Anspruch auf Hinterbliebenengeld geltend gemacht. Sie hat dann beantragt, ihr im Adhäsionsverfahren für die Rechtsmittelinstanz Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Rechtsanwalts zu bewilligen. Der BGG hat den Antrag abgelehnt:

„Im Adhäsionsverfahren ist über den Prozesskostenhilfeantrag von Nebenklägern für die jeweilige Instanz gesondert zu entscheiden (§ 404 Abs. 5 Satz 1 StPO i.V.m. § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO; vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Juni 2019 – 3 StR 547/18, juris Rn. 2; vom 30. Oktober 2018 – 3 StR 324/18, juris Rn. 2). Dies erfordert in jeder Instanz erneut die Prüfung und deshalb die Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragsstellers, der sich insoweit grundsätzlich des vorgeschriebenen Vordrucks gemäß § 117 Abs. 4 ZPO zu bedienen hat. Eine derartige Erklärung zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen hat die Nebenklägerin jedoch weder in der Tatsachen- noch in der Rechtsmittelinstanz abgegeben; auch ansonsten hat sie hierzu nichts vorgetragen.

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe löst auch keine Verpflichtung des Revisionsgerichts aus, die – aktuellen – wirtschaftlichen Verhältnisse zu ermitteln (BGH, Beschlüsse vom 6. Februar 2018 – 5 StR 347/17, juris Rn. 1; vom 5. September 2017 – 5 StR 271/17, juris Rn. 1). Das Erfordernis der Darlegung ergibt sich aus dem Gesetz; eines Hinweises auf diese Sachlage und eines Zuwartens mit der Entscheidung hat es somit nicht bedurft (BGH, Beschluss vom 6. Februar 2018 – 5 StR 347/17, juris Rn. 1).“

Sollte man als Nebenklägervertreter auf dem Schirm haben.