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Mord I: Niedrige Beweggründe, oder: Motivlage nicht berücksichtigt

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Heute stelle ich dann drei Entscheidung zum Mordparagrafen vor (§  211 StGB). Den Anfang mache ich mit dem BGH, Beschl. v. 07.04.2020 – 4 StR 34/20. Das LG Hagen hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Seine dagegen gerichtete auf die Sachrüge gestützte Revision hatte in vollem Umfang Erfolg.

„Die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das vom Landgericht angenommene mordqualifizierende Merkmal der Tötung aus niedrigen Beweggründen ist nicht ausreichend mit Tatsachen belegt.

1. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils lernte der Angeklagte die später Getötete Z. Ende 2017 kennen und verliebte sich in sie, obwohl er sich selbst in einer festen Beziehung befand. Frau Z. , die zu der Zeit mit einem griechischen Gastwirt liiert war, nahm zwar die Hilfe des Angeklagten etwa bei Behördenangelegenheiten gerne an, sagte ihm aber, dass es für sie beide keine gemeinsame Zukunft geben werde. Auch vermied sie es, mit dem Angeklagten alleine zusammen zu sein. Nachdem der Angeklagte und Frau Z. ihre jeweiligen Beziehungen beendet hatten, verfolgte der Angeklagte Frau Z. verstärkt. Er rief sie bis zu zweihundertmal täglich an, folgte ihr auf dem Weg zur Arbeit und zurück, so dass sich Frau Z. von einer Arbeitskollegin begleiten ließ. Ab Februar 2019 nahm Frau Z. eine neue Beziehung mit Adam L. auf. Am 25. Februar 2019 beobachtete der Angeklagte, dass Adam L. Z. in ihrer Wohnung besuchte. Aufgebracht und unruhig nahm er Kontakt zu zwei Bekannten der Frau Z. auf, die ihn aufforderten, die Frau in Ruhe zu lassen. Als L. die Wohnung der Frau Z. verlassen hatte, klopfte der Angeklagte wiederholt an ihrer Tür, bis sie ihn nach einem Anruf um 5.03 Uhr einließ. In der Wohnung kam es zum Streit. Möglicherweise reagierte Frau Z. aufgrund des Genusses von Alkohol und Amphetamin aggressiv, sie griff den Angeklagten aber nicht körperlich an. Der schubste sie, so dass sie zu Boden fiel und sich eine blutende Platzwunde am Hinterkopf zuzog. Anschließend würgte er sie mindestens dreißig Sekunden lang, bis sie starb. Ihren Tod nahm er billigend in Kauf. Er handelte aus Eifersucht und damit sie sich keinem anderen Mann zuwenden konnte.

Das Schwurgericht hat das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe angenommen. Maßgebliches Tötungsmotiv sei die Durchsetzung eines personalen Besitzanspruchs gegen Z. gewesen, in die er bereits seit Monaten verliebt gewesen sei und die er nunmehr erstmalig mit einem anderen Mann gesehen habe. Er sei nicht bereit gewesen zu akzeptieren, dass Frau Z. ein Leben in einer neuen Beziehung führe. Dabei habe er keinerlei Anlass oder Berechtigung gehabt, an eine zwischen ihm und der Frau bestehende Beziehung zu glauben.

2. Die Annahme niedriger Beweggründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung auf niedrigen Beweggründen, wenn das Hauptmotiv, welches der Tat ihr Gepräge gibt, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb verwerflich ist (vgl. BGH, Urteile vom 14. Dezember 2006 – 4 StR 419/06 Rn. 9, juris; vom 10. März 2006 – 2 StR 561/05, NStZ 2006, 338, 340 mwN). Die Beurteilung der Frage, welches Motiv handlungsleitend für die Tötung des Opfers war, setzt eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren voraus (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 2. Dezember 1987 – 2 StR 559/87, BGHSt 35, 116, 127; vom 19. Oktober 2001 – 2 StR 259/01, BGHSt 47, 128, 130). Den Anforderungen an eine vollständige Gesamtwürdigung wird das Landgericht nicht gerecht; es lässt für das Geschehen maßgebliche Umstände außer Acht.

Die Strafkammer hat bei der Feststellung der Motivlage des Angeklagten nicht berücksichtigt, dass der Tötung ein Streit vorausging (UA 9). Diese Feststellung stützt die Strafkammer offenbar auf die Aussage des Angeklagten gegenüber dem Polizeibeamten K. am Tattag (UA 19), in der Beweiswürdigung wird der Streit nicht ausdrücklich angesprochen. Die Strafkammer hat zudem nicht auszuschließen vermocht, dass Frau Z. auf das Anliegen des Angeklagten verbal aggressiv reagierte. Sie hat dieses Geschehen sodann aber nicht in seiner für das Mordmerkmal relevanten Bedeutung erfasst. Der Streit mit dem verbal aggressiven späteren Tatopfer wäre bei der anzustellenden Gesamtwürdigung einzubeziehen gewesen, da nicht auszuschließen ist, dass diese Umstände für den Angeklagten ebenfalls handlungsleitend waren und einem ausschließlich aus übersteigerter Eifersucht und unbegründeten Besitzansprüchen beruhenden Angriff des Angeklagten entgegenstanden, zumal das angenommene Tötungsmotiv auch nicht ohne Weiteres zu einem (nur) bedingten Tötungsvorsatz passt.

Auf dieser mangelhaften Würdigung beruht die angefochtene Entscheidung. Der Senat kann nicht ausschließen, dass bei fehlerfreier Prüfung das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe verneint worden wäre.“

Verkehrsrecht I: Noch ein „Raser-Fall“ in Berlin, oder: BGH moniert Beweiswürdigung

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Heute mal wieder ein wenig Verkehrsrecht mit drei Entscheidungen, von denen eine vom BGH, eine vom LG Freiburg und eine vom AG Dortmund kommt.

Lassen wir dem BGH den Vortritt mit dem BGH, Beschl. v. 10.10.2019 – 4 StR 96/19 -, also schon etwas älter. Der Beschluss ist aber, aus welchen Gründen auch immer, erst in den letzten Tagen auf der Homepage des BGH veröffentlicht worden.

Es ist noch mal ein „Raser-Fall“, über den der BGH zu entscheiden hatte. Das LG Berlin hatte den Angeklagten u.a. wegen wegen versuchten Mordes in zwei (tateinheitlichen) Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Dagegen die Revision. Das Rechtsmittel hatte Erfolg.

Das LG hatte folgende Feststellungen getroffen:

„1. Nach den Feststellungen des Landgerichts führte der Angeklagte, der nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war und sich illegal in Deutschland aufhielt, am Morgen des Tattages kurz vor 8 Uhr in erheblich alkoholisiertem Zustand einen Pkw; eine ihm um 10.25 Uhr entnommene Blutprobe ergab neben Rückständen von Cannabis und Kokain eine Blutalkoholkonzentration von 1,93 Promille. Im Kofferraum des Fahrzeugs transportierte er gestohlene Baumaschinen. Nach kurzer Fahrt parkte er am Straßenrand (II.2. der Urteilsgründe).

Dort fiel das Fahrzeug gegen 8 Uhr mit noch laufendem Motor zwei Polizeibeamten auf. Die Beamten hielten ihr Dienstfahrzeug in entgegengesetzter Fahrtrichtung schräg vor dem Pkw des Angeklagten an und stiegen aus. Als einer der Beamten am Fahrzeug des Angeklagten stand und ihn aufforderte, den Motor abzustellen und auszusteigen, fuhr der Angeklagte, der wegen seiner vorausgegangenen Straftaten seiner Entdeckung und seiner Festnahme entgehen wollte, los. Er fuhr mit dem linken Hinterrad einem der Beamten über den Fuß, was zu einem kurzen Druckschmerz, jedoch keiner Verletzung führte, und stieß mit seinem Pkw gegen die offene Fahrertür des Polizeifahrzeugs, wodurch dieses leicht beschädigt wurde.

Auf der Flucht vor dem ihm folgenden Polizeifahrzeug befuhr der Angeklagte mit stark überhöhter Geschwindigkeit eine innerörtliche Straße, auf der die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h beschränkt war, und überholte dort trotz starken Gegenverkehrs ein vor ihm fahrendes Fahrzeug, weshalb das entgegenkommende Fahrzeug zur Vermeidung einer Kollision eine Vollbremsung unternahm. Der Angeklagte hatte sich „spätestens jetzt entschlossen, seine Flucht um jeden Preis, auch unter Inkaufnahme der Verletzung oder Tötung Dritter, fortzusetzen“. Er fuhr nun „mit zunehmender Geschwindigkeit“ auf eine durch eine Lichtzeichenanlage geregelte Kreuzung zu. An der Haltelinie der Lichtzeichenanlage, die für Fahrzeuge aus Richtung des Angeklagten bereits seit mindestens 37 Sekunden rotes Licht zeigte, standen in einer Linksabbiegerspur ein Pkw und auf der äußerst rechten Spur ein Lastenfahrrad. Auf der Fahrspur zwischen dem Linksabbieger und dem Lastenfahrrad befand sich kein Fahrzeug.

Die Fußgängerampel an der Kreuzungseinmündung zeigte bereits seit zehn Sekunden grünes Licht, und Fußgänger querten die Fahrbahn. Der Angeklagte, der spätestens nach dem Überholen des vor ihm fahrenden Fahrzeugs und damit aus einer Entfernung von mehr als 400 Metern das rote Ampellicht an der Kreuzung und die bereits passierenden Fußgänger sah, fuhr . bei erlaubten 30 km/h . mit einer Geschwindigkeit von mindestens 75 km/h durch die höchstens vier Meter breite Lücke zwischen dem Linksabbieger und dem Lastenfahrrad und überquerte die Haltelinie der für Fahrzeuge aus seiner Richtung weiterhin rotes Licht abstrahlenden Lichtzeichenanlage. Da er im Wissen um seine vorangegangenen Straftaten um jeden Preis seiner Festnahme durch die ihm folgenden Polizeibeamten entgehen wollte, nahm er dabei billigend in Kauf, dass er die Fahrbahn querende Fußgänger erfassen und verletzen oder töten könnte. Unmittelbar hinter der Haltelinie erfasste er mit der rechten Front seines Fahrzeugs zwei Fußgängerinnen, die bei grünem Licht der Fußgängerampel die Fahrbahn querten. Durch die Kollision erlitten die beiden Geschädigten schwerste und lebensgefährliche Verletzungen.

Der Angeklagte, der die Kollision bemerkt hatte, fuhr nun, um seiner Festnahme zu entgehen, unter weiterer Beschleunigung mit 100 bis 120 km/h über die Kreuzung und bog anschließend in eine Querstraße ab. Als ihm wenig später zwei Polizeibeamte mit ihrem Einsatzfahrzeug unter Verwendung von Sonderzeichen entgegenkamen, fuhr er mit überhöhter Geschwindigkeit und ohne auszuweichen frontal auf das Einsatzfahrzeug zu, so dass dieses „abrupt“ über die Bordsteinkante auf den Bürgersteig ausweichen musste (II.3. der Urteilsgründe).

Der Angeklagte parkte sodann, stieg aus und setzte seine Flucht zu Fuß fort. Er konnte kurz darauf festgenommen werden. Am Einsatzfahrzeug der Polizei trat er um sich und gegen die Tür des Dienstfahrzeugs, um sich losreißen und flüchten zu können, was ihm jedoch nicht gelang (II.4. der Urteilsgründe).“

Der BGH hat aufgehoben und u.a. das wie folgt begründet:

„a) Die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes in zwei tateinheitlichen Fällen hat aus mehreren Gründen keinen Bestand. Zum einen sind die Feststellungen zum konkreten Unfallgeschehen, auf das die Strafkammer ihre Annahme, der Angeklagte habe mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt, gestützt hat, in wesentlichen Punkten lückenhaft bzw. stehen mit dem weiteren Urteilsinhalt nicht in Einklang. Zum anderen halten die Beweiserwägungen, mit denen die Schwurgerichtskammer einen auf ein Tötungsdelikt bezogenen bedingten Vorsatz des Angeklagten bejaht hat, auch unter Berücksichtigung des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 1. März 2018 . 4 StR 399/17, BGHSt 63, 88 Rn. 16; vom 5. Dezember 2017 . 1 StR 416/17, NStZ 2018, 206; vom 27. Juli 2017 . 3 StR 172/17, NStZ 2018, 37; Beschluss vom 7. Juni 1979 . 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20; Franke in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 337 Rn. 117 ff. mwN) einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

aa) Nicht nachvollziehbar festgestellt und belegt sind bereits die für die Annahme vorsätzlichen Handelns wesentlichen Sichtverhältnisse für den Angeklagten an der Unfallstelle, insbesondere seine Sicht auf die Fußgänger bei seiner Annäherung an die Fußgängerfurt. Zwar hat das Landgericht festgestellt, dass bei Annäherung des Angeklagten an die Unfallkreuzung bereits mehrere Fußgänger die Fahrbahn „querten“ . unter ihnen die Geschädigten und drei Zeugen . und der Angeklagte die „bereits passierenden Fußgänger sah“ (UA S. 12). Aus dem Urteil geht aber auch unter Berücksichtigung seines Gesamtzusammenhangs schon nicht hervor, aus welcher Richtung die Passanten . die Geschädigten eingeschlossen . kamen. Die Feststellung eines „Querens“ oder „Passierens“ der Furt durch die drei Zeugen widerspricht darüber hinaus den Ausführungen des Landgerichts in der Beweiswürdigung. Danach gingen der Zeuge F. und der Zeuge B. hinter den Geschädigten, der Zeuge L. kam den Tatopfern entgegen (UA S. 20). Keiner dieser Zeugen hatte danach die Fußgängerfurt vollständig überquert. Es bleibt vielmehr aufgrund der lückenhaften Feststellungen und der Widersprüche unklar, wo sich diese Fußgänger und die Tatopfer bei Annäherung des Angeklagten befanden und ob er freie Sicht auf sie hatte oder ob sie – etwa durch den an der Haltelinie der Linksabbiegerspur wartenden Pkw – vorübergehend verdeckt waren. Weiteres Fußgängeraufkommen an der Furt bei Annäherung des Angeklagten, das für ihn ein Warnsignal gewesen sein könnte, ist nicht belegt.

Überdies verhalten sich die Urteilsgründe insoweit auch widersprüchlich dazu, ob der Angeklagte Passanten auf der Fußgängerfurt tatsächlich wahrnahm. Denn während das Urteil einerseits darauf abstellt, dass der Angeklagte die passierenden Fußgänger „sah“ bzw. „erkannte“ (UA S. 12 und 28), ist an anderen Stellen des Urteils lediglich davon die Rede, es sei für den Angeklagten „erkennbar“ gewesen, dass sich in der Fußgängerfurt Menschen befanden (UA S. 29 und 30).

bb) Einer tragfähigen Grundlage entbehren auch die im angefochtenen Urteil festgestellten und vom Landgericht als vorsatzbegründender Umstand herangezogenen (UA S. 29) zeitlichen Zusammenhänge des Unfallgeschehens in Bezug auf die Dauer des roten Ampellichts für den Angeklagten sowie des grünen Ampellichts für die Fußgänger.

Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte zu einem Zeitpunkt über die Haltelinie der Lichtzeichenanlage fuhr, als diese für ihn bereits „seit mindestens 37 Sekunden rotes Licht“ und die Fußgängerampel „schon zehn Sekunden grün“ zeigte (UA S. 12). Eine nachvollziehbare Begründung für diese Annahme findet sich im Urteil nicht.

Das Landgericht hat sich in der Beweiswürdigung insoweit auf die Ausführungen des Sachverständigen gestützt. Dieser hat seinerseits auf die Angaben von Zeugen Bezug genommen und ausgeführt, „entsprechend den Wahrnehmungen der Zeugen an der Kreuzung“ sei das vom Angeklagten geführte Fahrzeug in der 41. bis 51. Sekunde des Phasenlaufplanes über die Haltelinie gefahren (UA S. 22). Jedoch ergibt sich aus der Beweiswürdigung weder, auf welche Zeugenaussage mit welchem Inhalt sich der Sachverständige hierbei bezogen hat, noch was die Zeugen insoweit bekundet haben. Ausweislich der im Urteil mitgeteilten Angaben der Zeugen hat lediglich die Fahrerin des Lastenfahrrads ausgesagt, sie habe schon „eine Weile“ gestanden (UA S. 19). Im Übrigen haben die Zeugen nur bekundet, dass es „rot“ gewesen sei, als der Angeklagte über die Ampel fuhr. Die zeitlichen Zusammenhänge zwischen dem Phasenplan der Ampel einerseits und den Annahmen der Strafkammer andererseits, dass die Ampel für den Angeklagten „seit mindestens 37 Sekunden rotes Licht“ und die Fußgängerampel „schon zehn Sekunden grün“ gezeigt habe, als er die Haltelinie passierte, erschließen sich auf der Grundlage dieser Begründung nicht.

cc) Auch die Feststellungen zu der vom Angeklagten zum Zeitpunkt des Unfalls gefahrenen Geschwindigkeit sind nicht tragfähig belegt. Diesem Umstand hat die Strafkammer bei der Begründung des Tötungsvorsatzes maßgebliche Bedeutung beigemessen; so hat sie unter anderem ausgeführt, es könne „kein Zweifel daran bestehen, dass es dem Angeklagten angesichts der sehr hohen Geschwindigkeit bewusst gewesen ist, dass ein getroffener Fußgänger sehr wahrscheinlich tödlich verletzt werden würde“ (UA S. 29).

Insoweit hat das Landgericht festgestellt, dass die vom Angeklagten an der Unfallstelle erreichte Geschwindigkeit „mindestens 75 km/h“ betrug (UA S. 12). Zum Beleg hierfür hat es sich in der Beweiswürdigung den Ausführungen des Verkehrsunfallsachverständigen angeschlossen, der bekundet hat, es sei „von einem Vollanstoß mit 53 bis 75 km/h auszugehen, wobei aufgrund der Angaben der unmittelbaren Tatzeugen der obere Wert hoch wahrscheinlich erscheine“ (UA S. 22).

Mit dieser bloßen Bezugnahme auf die Angaben des Sachverständigen ist die festgestellte Geschwindigkeit von „mindestens 75 km/h“ jedoch nicht tragfähig begründet. Zum einen hat die Strafkammer nicht dargelegt, auf welche konkreten Zeugenangaben sich der Sachverständige bei seiner Einschätzung der gefahrenen Geschwindigkeit gestützt hat. Zum anderen fehlt es an einer Begründung, warum die Strafkammer sich die sichere Überzeugung verschafft hat, dass der von dem Sachverständigen lediglich als „hoch wahrscheinlich“ erachtete obere Wert der Geschwindigkeitsspanne von 53 bis 75 km/h erreicht worden sei, und warum – insofern abweichend von der Einschätzung des Sachverständigen – sogar eine Geschwindigkeit von mindestens 75 km/h feststehe.

Soweit das Landgericht an anderer Stelle in der Beweiswürdigung referiert hat, was einzelne Zeugen zu der vom Angeklagten gefahrenen Geschwindigkeit bekundet haben (UA S. 19 f.), wird der im Urteil festgestellte (Mindest-)Wert auch durch diese vagen Zeugenangaben nicht ausreichend belegt, zumal deren Angaben erheblich von der vom Sachverständigen ermittelten Höchstgeschwindigkeit abwichen. Insofern fehlt es bereits an einer eigenen Würdigung dieser bloßen Geschwindigkeitsschätzungen der Zeugen durch die Strafkammer und der erforderlichen kritischen Prüfung der Zuverlässigkeit solcher Schätzungen durch nicht verkehrsgeschulte Zeugen (vgl. etwa KG VRS 131, 328, 329; NZV 2008, 626, 627; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2008, 321, 322; OLG Hamm VRS 58, 380, 381; König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., § 3 StVO Rn. 63/64 mwN). Nicht auszuschließen ist deshalb, dass auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Würdigung zu Gunsten des Angeklagten von einer geringeren Annäherungsgeschwindigkeit auszugehen gewesen wäre.

dd) Als unzureichend erweist sich schließlich die Beweiswürdigung im Hinblick auf das von der Strafkammer bei der Begründung des Tötungsvorsatzes im Rahmen der rechtlichen Würdigung angeführte weitere Beschleunigen (UA S. 29) durch den Angeklagten kurz vor der Unfallstelle. Denn für ein weiteres Beschleunigen durch den Angeklagten zu diesem Zeitpunkt fehlt in der Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils jeglicher Beleg.“

Na ja, ob das im nächsten „Rechtsgang“ besser wird…./werden kann …..

Mord im Straßenverkehr, oder: Hamburger Raser Fall

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So, zu Beginn der 10. KW. dann heute zwei Entscheidungen des BGH zum Verkehrsstrafrecht. Vielleicht nicht unbedingt das Richtige zum Rosenmontag, aber es gibt ja Teile in der Bundesrepublik da wird gearbeitet und nicht gefeiert.

Ich eröffne mit dem BGH, Beschl. v. 16.01.2019 – 4 StR 345/18. Der ist schon als Entscheidung des BGH im sog. Hamburger-Raser-Fall über die Ticker gelaufen. Die – so weit ich das übersehe – erste Entscheidung zur Frage des Mordes im Straßenverkehr. Der BGH hat in diesem Fall die Entscheidung des LG Hamburg, der u.a. wegen Mordes (§ 211 StGB) verurteilt worden ist, bestätigt  und folgenden Zusatz angefügt:

„Das Landgericht hat den bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten rechtsfehlerfrei festgestellt und belegt. Nach den Feststellungen war dem Angeklagten, als er absichtlich im Übergangsbereich der Straße An der Alster in die Straße Ferdinandstor auf die Gegenfahrbahn der mehrspurigen nunmehr durch Verkehrsinseln getrennten innerstädtischen Straßen mit möglichst hoher Geschwindigkeit fuhr, bewusst, „dass es mit hoher, letztlich unkalkulierbarer und nur vom Zufall abhängender Wahrscheinlichkeit zu einem frontalen Zusammenstoß mit entgegenkommenden Fahrzeugen kommen würde.“ Ihm war auch „bewusst, dass ein Frontalunfall mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod eines oder mehrerer direkter Unfallbeteiligter sowie eventuell zur Schädigung weiterer Personen führen würde.“ All dies, auch der eigene Tod, wurde vom Angeklagten gebilligt, weil er „kompromisslos das Ziel, der Polizei zu entkommen“, verfolgte. Der Zurechnung des eingetretenen Todeserfolges zu dem vom Vorsatz des Angeklagten umfassten Kausalverlauf steht daher nicht entgegen, dass der Angeklagte nicht unmittelbar mit einem entgegenkommenden Fahrzeug kollidierte, sondern infolge der Kollisionen mit dem Kantstein am rechten Fahrbahnrand und einer der Verkehrsinseln die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor und nach Überqueren des Glockengießerwalls auf der gegenüberliegenden Seite, am Einmündungsbereich des Ballindamms, mit einer Geschwindigkeit von „ca. 130 bis 143 km/h“ ungebremst frontal mit dem ihm entgegenkommenden Taxi des Geschädigten Y.    kollidierte.
Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift steht der vom Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellten Verdeckungsabsicht nicht entgegen, dass das Schwurgericht „tatsachenalternativ“ ein Handeln des Angeklagten in suizidaler Absicht festgestellt hätte. Das Schwurgericht hat vielmehr „nicht klären“ können, ob „auch suizidale Gedanken mit motivgebend waren“; „im Ergebnis“ – so das Landgericht weiter – „war ihm die Chance auf ein Entkommen wichtiger als das sichere Überleben“; dies stellt das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht nicht in Frage (vgl. Fischer, StGB, 66. Aufl., § 211 Rn. 68b). Daher kann der Senat offenlassen, ob auch die Voraussetzungen des vom Landgericht weiterhin angenommenen Mordmerkmals der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln erfüllt sind.“

Gespannt sein darf man da ja immer noch auf die Entscheidung aus Berlin, und zwar aus dem Verfahren, das ja schon mal beim BGH war. Da hatte allerdings ja das LG Berlin zunächst mal einen „Boxenstopp“ einlegen müssen (vgl. 2. Durchgang im Berliner-Kudamm-Raser-Fall vorerst geplatzt, oder: Besorgnis der Befangenheit der Kammer begründet.

StGB I: Heimtückemord, oder: Arg- und Wehrlosigkeit erkennen und ausnutzen…

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Am heutigen Mittwoch, dem Buß- und Bettag – früher war es ein bundesweiter Feiertag, der 1995 als Beitrag zur Pflegeversicherung gestrichen worden ist, und huet nur noch in Sachsen Feiertag ist – dann wieder mal ein wenig materielles Recht.

Und da weise ich zunächst hin auf den BGH, Beschl. v. 16.05.2018 – 1 StR 123/18, in dem der BGH zum „Heimtückemord“ Stellung genommen hat. Das LG hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie Bedrohung verurteilt. Die Revision des Angeklagten hatte hinsichtlich des Schuldspruchs wegen versuchten Mordes keinen Bestand.

„b) Das Landgericht hat sowohl einen bedingten Tötungsvorsatz bei der Messerattacke als auch die Arg- und Wehrlosigkeit des Geschädigten K. in diesem Zeitpunkt angenommen. Es hat jedenfalls das für das Mordmerkmal der Heimtücke erforderliche Ausnutzungsbewusstsein des Angeklagten nicht ausreichend belegt.

In subjektiver Hinsicht setzt der Tatbestand des Heimtückemordes nicht nur voraus, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers erkennt; erforderlich ist außerdem, dass er die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tatbegehung ausnutzt (BGH, Urteil vom 24. September 2014 – 2 StR 160/14, NStZ 2015, 214, 215). Dafür genügt es, wenn er die die Heimtücke begründenden Umstände nicht nur in einer äußerlichen Weise wahrgenommen, sondern in dem Sinne in ihrer Bedeutung für die Tatbegehung erfasst hat, dass ihm bewusst geworden ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 14. Juni 2017 – 2 StR 10/17 Rn. 10, NStZ-RR 2017, 278, 279 mwN).

Das Ausnutzungsbewusstsein kann bereits dem objektiven Bild des Geschehens entnommen werden, wenn dessen gedankliche Erfassung durch den Täter – wie bei Schüssen in den Rücken des Opfers – auf der Hand liegt (BGH, Beschluss vom 30. Juli 2013 – 2 StR 5/13, NStZ 2013, 709, 710; Urteil vom 15. November 2017 – 5 StR 338/17 Rn. 15, NStZ-RR 2018, 45, 47). Das gilt in objektiv klaren Fällen bei einem psychisch normal disponierten Täter selbst dann, wenn er die Tat einer raschen Eingebung folgend begangen hat. Denn bei erhaltener Unrechtseinsicht ist die Fähigkeit des Täters, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfer realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen, im Regelfall nicht beeinträchtigt (BGH, Urteile vom 27. Februar 2008 – 2 StR 603/07, NStZ 2008, 510, 511; vom 31. Juli 2014 – 4 StR 147/14, NStZ 2015, 30, 31 mwN und vom 15. November 2017 – 5 StR 338/17 Rn. 15, NStZ-RR 2018, 45, 47). Danach hindert nicht jede affektive Erregung oder heftige Gemütsbewegung einen Täter daran, die Bedeutung der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers für die Tat zu erkennen. Allerdings kann die Spontaneität des Tatentschlusses im Zusammenhang mit der Vorgeschichte der Tat und dem psychischen Zustand des Täters ein Beweisanzeichen dafür sein, dass ihm das Ausnutzungsbewusstsein fehlte (BGH, Urteil vom 15. November 2017 – 5 StR 338/17 Rn. 15, NStZ-RR 2018, 45, 47).

Vorliegend hat das Landgericht aus dem objektiven Geschehensablauf darauf geschlossen, dass der Angeklagte sich die Arg- und Wehrlosigkeit des Geschädigten K. zunutze machen wollte. Maßgebliche Bedeutung hat es dabei dem Überraschtsein des Geschädigten K. sowohl von den zwei Faustschlägen als auch von der unmittelbar folgenden Messerattacke und den aufgrund der Dunkelheit eingeschränkten Sichtverhältnissen beigemessen. Angesichts der Feststellungen, dass dem mit Tötungsvorsatz ausgeführten Messerstich zwei mit Körperverletzungsvorsatz ausgeführte Faustschläge unmittelbar vorausgingen, ist vorliegend das objektive Bild des Geschehens – anders als etwa bei Schüssen in den Rücken eines Opfers – nicht derart eindeutig, dass allein daraus auf ein Ausnutzungsbewusstsein beim Angeklagten im maßgeblichen Zeitpunkt der Messerattacke geschlossen werden könnte. Hinzu kommt, dass der Angeklagte wegen des kurz zuvor erfolgten Messereinsatzes gegen den Taxifahrer Ü. davon ausgehen konnte, dass sein Messer und seine Bereitschaft dieses einzusetzen dem Geschädigten K. gegenwärtig waren. Dies gilt besonders auch vor dem Hintergrund, dass das Landgericht zugleich eine affektive Erregung sowie eine Alkoholisierung des Angeklagten, der eine nicht vollkommen unerhebliche Menge hochprozentigen Alkohols konsumiert hatte, und die Spontaneität der Tatbegehung festgestellt hat (UA S. 6, 36), und damit allesamt Umstände, die nach dem zuvor Ausgeführten gegen ein Ausnutzungsbewusstsein sprechen können. Zudem ist angesichts des raschen Tatgeschehens und der zuvor genannten Gesichtspunkte nicht nachvollziehbar belegt, dass das Vorgehen des Angeklagten einem Tatplan entsprochen habe (UA S. 16, 36 f.) und der Tatort von diesem gewählt worden sei (UA S. 37).“

Strafzumessung I: U.a. versuchter Mord, oder: Einiges zu meckern hat der BGH

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Über den BGH, Beschl. v. 18.07.2018 – 4 StR 170/18 – hatte ich ja vor ein paar Tagen schon berichtet (s. Das Inbrandsetzen einer Hütte, oder: Urteilsanforderungen). Ich komme heute auf den Beschluss wegen der Ausführungen des BGH zur Strafzumessung noch einmal zurück.

Ich erinnere: Das LG hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit schwerer Brandstiftung und mit gefährlicher Körperverletzung, wegen Brandstiftung in zwei Fällen, wegen Sachbeschädigung und wegen Trunkenheit im Verkehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Der BGh hat teilweise im Schuldspruch aufgehoben.

Im Rechtsfolgenausspruch hat der bGh insgesamt aufgehoben:

2. Soweit die Schuldsprüche Bestand haben, unterliegen die Strafaussprüche insgesamt der Aufhebung.

„a) Hinsichtlich der gegen den Angeklagten wegen der Tat im Zusammenhang mit der Inbrandsetzung des Hauses F. Straße verhängten Einzelfreiheitsstrafe von sechs Jahren ist nicht auszuschließen, dass die Strafkammer einen zu großen Schuldumfang zugrunde gelegt hat. Das Landgericht hat das Vorliegen zweier Mordmerkmale – Heimtücke und Einsatz eines gemeingefährlichen Mittels – straferschwerend berücksichtigt. Zwar begegnet die Annahme von Heimtücke keinen rechtlichen Bedenken, so dass der Schuldspruch wegen versuchten Mordes nicht in Frage steht. Die Annahme einer Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel wird von den Urteilsgründen mit Blick auf die hierfür erforderliche Gefährdung einer unbestimmten Mehrzahl von Menschen jedoch nicht getragen.

aa) Das Mordmerkmal der Tötung mit einem gemeingefährlichen Mittel ist erfüllt, wenn der Täter ein Tötungsmittel einsetzt, das in der konkreten Tatsituation eine unbestimmte Mehrzahl von Menschen an Leib und Leben gefährden kann, weil er die Ausdehnung der Gefahr nicht in seiner Gewalt hat (vgl. BGH, Urteile vom 16. August 2005 – 4 StR 168/05, NStZ 2006, 167, 168; vom 1. September 1992 – 1 StR 487/92, BGHSt 38, 353, 354; vom 4. Februar 1986 – 5 StR 776/85, BGHSt 34, 13, 14). Dabei ist nicht allein auf die abstrakte Gefährlichkeit eines Mittels abzustellen, sondern auf seine Eignung und Wirkung in der konkreten Situation unter Berücksichtigung der persönlichen Fähigkeiten und Absichten des Täters (vgl. BGH, Urteile vom 16. August 2005; vom 1. September 1992; jeweils aaO). Von dem Mordmerkmal tatbestandlich nicht erfasst wird eine „schlichte“ Mehrfachtötung; eine solche liegt jedenfalls dann vor, wenn sich der Täter mit Tötungsabsicht gegen eine bestimmte Anzahl von ihm individualisierter Opfer richtet (vgl. BGH, Urteile vom 16. August 2005 – 4 StR 168/05, NStZ 2006, 167, 168; vom 16. März 2006 – 4 StR 594/05, NStZ 2006, 503, 504; vom 14. Januar 2010 – 4 StR 450/09, NStZ-RR 2010, 373, 374; Eser/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, aaO, § 211 Rn. 29; SK-StGB/Sinn, 9. Aufl., § 211 Rn. 61; Rengier, Strafrecht – Besonderer Teil II, 19. Aufl., § 4 Rn. 47c; Zieschang, FS Puppe, 2011, S. 1301, 1318 ff.).

bb) Nach den Feststellungen wollte der Angeklagte den Tod der Nebenklägerin sowie der Zeugen B. S. und Ba. , während er den Tod der Zeuginnen S. S. und K. jedenfalls billigend in Kauf nahm. In diesem Sinne verhält sich auch die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite des Angeklagten.

In der rechtlichen Würdigung zum Tötungsvorsatz führt die Strafkammer – hiervon abweichend – aber aus, dass der Angeklagte den Tod „jedenfalls der Bewohner der im ersten Obergeschoss liegenden Wohnungen“ gewollt habe; aus dem Umstand, dass er die in das erste Obergeschoss führende Treppe entzündet habe, um den dortigen vier Bewohnern die Fluchtmöglichkeit zu nehmen, sei direkter Tötungsvorsatz zu folgern gewesen.

Dieser Widerspruch wird in den Urteilsgründen nicht aufgelöst. Die Reichweite der Tötungsabsicht des Angeklagten ist somit unklar, so dass nicht auszuschließen ist, dass jedenfalls bezüglich aller im ersten Obergeschoss aufhältigen Personen eine dem Mordmerkmal nicht unterfallende versuchte („schlichte“) Mehrfachtötung vorlag. Die Urteilsgründe bieten auch keinen Anhalt dafür, dass der Angeklagte damit rechnete und billigte, dass sich neben den üblichen Bewohnern zur Tatzeit weitere Menschen in dem Haus aufhielten oder dass das Feuer auf Nachbargebäude überzugreifen drohte, was die Annahme des Mordmerkmals hätte rechtfertigen können. Die Gefährdung nur einer weiteren, nicht als Tatopfer anvisierten Person, der Zeugin K. , reicht zur Begründung der Gemeingefährlichkeit indes nicht aus, da sich hieraus gerade nicht eine – über die versuchte Mehrfachtötung hinausgehende – Gefährdung einer unbestimmten Mehrzahl von Personen ergibt.

b) Soweit der Angeklagte gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 4 Var. 1 StGB wegen der Brandstiftung an dem Pkw der Nebenklägerin zu einer Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden ist, hat der Strafausspruch ebenfalls keinen Bestand, da es insoweit im angefochtenen Urteil an jeglichen tatbezogenen Strafzumessungserwägungen fehlt. Sowohl bei der Ablehnung eines minder schweren Falles gemäß § 306 Abs. 2 StGB als auch bei der konkreten Strafzumessung hat die Strafkammer lediglich pauschal auf die Strafzumessungserwägungen, die sie zu dem versuchten Mord angestellt hat, verwiesen. Die dortigen Ausführungen sind aber überwiegend auf das versuchte Tötungsdelikt zugeschnitten und ohne Bezug zu dem Brandstiftungsdelikt. Dagegen bleiben bezüglich der Brandstiftung am Pkw der Nebenklägerin relevante Strafzumessungsgesichtspunkte unerörtert, wie etwa die Schadenshöhe (vgl. BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg, Stand: 1. Mai 2018, § 306 Rn. 46; LK-StGB/Wolff, aaO, § 306 Rn. 50; zum Schutzzweck der Norm zuletzt BGH, Beschluss vom 22. Mai 2018 – 4 StR 598/17 mwN).

c) Zudem hat die wegen der Sachbeschädigung an der Kutsche der Nebenklägerin (§ 303 Abs. 1 StGB) verhängte Einzelstrafe von 90 Tagessätzen keinen Bestand, da auch hier jegliche tatbezogenen Strafzumessungserwägungen fehlen und nur pauschal festgehalten wird, dass die Strafe „nach Abwägung aller Umstände“ für tat- und schuldangemessen gehalten worden ist.“