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Knauseriges LG – aber die Kammer muss ja auch nicht davon leben

Das LG Kleve, Beschl. v. 01.04.2011 – 111 Qs 9/11 zeigt mal wieder, wie knauserig LG gerade in OWi-Verfahren sein können. Danach sind einfache, alltägliche Verkehrsordnungswidrigkeiten (zum Beispiel wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung mit einer Geldbuße von 80 €) im unteren Bereich des Bemessungsrahmens (§ 14 RVG) einzuordnen. Auch wenn Ordnungswidrigkeitenverfahren in einem hohen Anteil Verkehrsordnungswidrigkeiten zum Gegenstand haben, würden die Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren, von Ausnahmen abgesehen, dadurch nicht bedeutsamer oder schwieriger.

Und: Ist das richtig?

„Auch die Sach- und Rechtslage war denkbar einfach. Sie beschränkte sich auf die Frage, ob der Betroffene zur fraglichen Zeit Fahrer des Fahrzeugs war oder nicht. Zur Klärung dieser Frage wurde ein Lichtbildvergleichsgutachten eingeholt. Das gerichtliche Verfahren stellte im Vergleich zu anderen Ordnungswidrigkeitsverfahren sowohl vom Umfang als auch von der Schwierigkeit her nur unterdurchschnittliche Anforderungen an die Tätigkeit des Verteidigers. Dies gilt insbesondere auch für die Tätigkeit des Verteidigers in den beiden Hauptverhandlungsterminen. Der erste Hauptverhandlungstermin am 13.01.2010 führte zur vorläufigen Einstellung des Verfahrens wegen längerer Abwesenheit des Betroffenen. Vor diesem Hintergrund erscheint selbst die vom Amtsgericht festgesetzte Terminsgebühr in Höhe von 130 Euro bereits als vergleichsweise hoch. Selbst wenn man berücksichtigt, dass der Sachverständige in diesem Termin Fotos von dem Bruder des Betroffenen angefertigt und einen Abgleich mit dem Foto aus der Bußgeldakte vorgenommen hat, rechtfertigt dies jedenfalls nicht den Anfall der sogenannten Mittelgebühr. Denn die Tätigkeit des Sachverständigen hat weder viel Zeit in Anspruch genommen noch nennenswerte Anforderungen an die Tätigkeit des Verteidigers gestellt, zumal die Hauptverhandlung absehbar mit der vorläufigen Einstellung des Verfahrens endete. Auch die zweite Hauptverhandlung am 08.09.2010 war mit einer Dauer von 15 Minuten verhältnismäßig kurz. Die durchgeführte Beweisaufnahme beschränkte sich auf die Erstattung des Lichtbildvergleichsgutachtens durch den Sachverständigen mit dem Ergebnis, dass der Betroffene eher nicht der Fahrer gewesen sei. Rechtlich folgte daraus zwingend der Freispruch des Betroffenen. Die Hauptverhandlung am 08.09.2010 stellte an den Verteidiger somit in jeder Hinsicht nur unterdurchschnittliche Anforderungen. Die von dem Amtsgericht unterhalb der Mittelgebühr festgesetzte Terminsgebühr in Höhe von 130 Euro ist daher, auch unter Berücksichtigung der oben genannten weiteren Kriterien, angemessen.“

Die Hüter der Staatskasse haben (mal wieder) zugeschlagen…

Mich erreichte vor einigen Tagen die Mail eines Kollegen, der sich über die Abrechnungspraxis in seinem LG-Sprengel bitter beklagte, wenn es um die Erstattung der Wahlanwaltsgebühren nach einem Freispruch ging. Ich wollte an sich dazu sofort bloggen, habe dann aber doch lieber ein wenig gewartet, um erst mal meine Verärgerung über die Beispiele abklingen zulassen. Jetzt geht es, aber das vorweg: Manches ist schon abenteuerlich, was dem Kollegen da zugemutet wird; man kann es auch anders nennen, was ich mir hier aber verkneifen will.

Hier dann die Beispiele.

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Diszipinarverfahren – mal was anderes

Disziplinarverfahren – mal was anderes? Ja, etwas Gebührenrechtliches, und zwar vom VG Berlin. Dieses hat in seinem Beschl. v. 05.11.2010 – 60 KE 2.10 darauf hingewiesen, dass bei der Abrechnung ein pauschaler Aufschlag von 20 Prozent auf die Mittelgebühr der dem Rechtsanwalt in Disziplinarverfahren zustehenden Gebühren unzulässig ist.

Das gilt übrigens nicht nur für das Disziplinarverfahren, sondern auch für alle anderen Bereiche, in denen Rahmengebühren geltend gemacht werde. Vielfach wird das von Verteidigern/Rechtsanwälten aber falsch gemacht, wenn sie bei der Abrechnung die Mittelgebühr zugrunde legen und dann 20 % aufschlagen. Richtig ist es vielmehr in den durchschnittlichen Fällen vom Mittelwert des jeweiligen Rahmens auszugehen. Ein Spielraum für die Erhebung einer höheren Gebühr als der Mittelgebühr besteht erst und nur, wenn besondere Umstände eine Erhöhung über den Mittelwert hinaus rechtfertigen. Es gibt keinen allgemeinen Zuschlag zur Mittelgebühr von 20 Prozent. Eine Erhöhung der Mittelgebühr ist nur zulässig und wird nur dann anerkannt, wenn besondere Umstände für eine Erhöhung über den Mittelwert vorgetragen werden oder sich sonst aus der Akte ergeben.

Nicht über diese Gebührenentscheidung ärgern – es ist Sonntag

Immer wieder der Kampf um die Mittelgebühr, immer wieder Entscheidungen, in denen das eine „Lager“ die Gebühren des anderen „Lagers“ reduziert. Geht ja auch so einfach. Es ärgert dann schon. Der Mitarbeiter der RSV, der mir das Urteil des AG Bühl v. 27.10.2010 – 3 C 142/10 – hat zukommen lassen, war allerdings – hatte ich den Eindruck – hoch erfreut. 

Und hat – das will ich nicht verschweigen – meine HP gelobt, weil ich dort auch für den Rechtsanwalt nachteilige Entscheidungen einstelle. Ja, warum nicht, denn man muss ja auch die „andere Seite“ kennen, wenn man sich mit ihr auseinandersetzen will. Das mache ich dann also ein wenig anders als vilefach RSV. Die kennen offenbar nur die für sie günstigen Entscheidungen, die anderen werden häufig übersehen, um nicht zu sagen „verschwiegen“.

Der Kampf um die Mittelgebühr in Bußgeldverfahren und das Rasenmäherprinzip

In (straßenverkehrsrechtlichen) OWi-Verfahren gibt es immer wieder den Kampf um die Mittelgebühr. Dafür ist der Beschl. des LG Neuruppin v. 08.02.2010, 16 Qs 9/10, auf den ich erst jetzt gestoßen bin, ein „schönes“ Beispiel. Das LG sagt:

Wird ein Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung mit Festsetzung einer Geldbuße von 130 Euro und drei Punkten im Verkehrsregister wegen Doppelverfolgung auf Kosten der Staatskasse eingestellt und beschränkt sich die Verteidigung auf die Sichtung einer VHS-Videokassette, die Rüge der Zuständigkeit des Gerichts und die Geltendmachung des Einwands der Doppelverfolgung in zwei einseitigen Schriftsätzen, so handelt es sich gebührenrechtlich um eine weit unterdurchschnittliche Angelegenheit. Die Gebühren können demnach nicht in Höhe der Mittelgebühr festgesetzt werden. Angemessen ist vielmehr eine Festsetzung auf 50 Prozent unter der Mittelgebühr.“

Also: Weit unterdurchschnittlich, ich wage, diese Aussage aus dem landgerichtlichen Beschluss zu bezweifeln. Und auch die Bedeutung der Angelegenheit für den Betroffenen mit den drei drohenden Punkten wird m.E. nicht richtig gesehen.

Und total verfehlt ist der Beschluss hinsichtlich der Gebühr Nr. 5115 VV RVG. Da sollte es inzwischen auch in Neuruppin angekommen sein, dass diese Gebühr eine Festgebühr ist, also immer die Mittelgebühr anfällt. Aber, wenn man schon kürzt, dann kürzt man eben alles. Rasenmäherprinzip.