Schlagwort-Archive: minder schwerer Fall

Strafzumessung I: Minder schwerer Fall der sexuellen Nötigung, oder: „Vehemenz des Zungenkusses“

© reeel – Fotolia.com

Ich stelle heute dann drei Entscheidungen vor, die Strafzumessungsfragen behandeln. Den Reigen eröffne ich mit dem BGH, Urt. v. 09.10.2019 – 1 StR 39/19. Das LG hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten, die keinen Erfolg hatte.

Der BGH führt zur Strafzumessung des LG aus:

3. Die Strafzumessung hält rechtlicher Nachprüfung stand.

a) Die Strafkammer hat bei der Prüfung eines minder schweren Falls des § 177 Abs. 1, Abs. 5 StGB idF vom 13. November 1998 nach Erörterung zugunsten und zulasten des Angeklagten sprechender Umstände folgendes Resümee gezogen:

„Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei ein minder schwerer Fall nicht zu begründen, zumal weder ein Geständnis noch eine Entschuldigung von Seiten des Angeklagten bei dieser Bewertung berücksichtigt werden konnte.“.

Das Landgericht hat mit dieser Erwägung nicht etwa – wie der Generalbundesanwalt meint – das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes straferschwerend gewertet, was fehlerhaft wäre, sondern lediglich festgestellt, dass keine weiteren Milderungsgründe im Sinne eines Geständnisses oder einer Entschuldigung vorliegen, die gegebenenfalls die Annahme eines minder schweren Falls hätten rechtfertigen können; denn die revisionsrichterliche Überprüfung der Strafzumessung hat sich am sachlichen Gehalt der Ausführungen des Tatgerichts, nicht an dessen – möglicherweise missverständlichen oder sonst unzureichenden – Formulierungen zu orientieren. Ob ein einzelner Umstand strafzumessungserheblich und ob die ihm vom Tatrichter beigelegte Bewertungsrichtung vertretbar ist, hängt insbesondere nicht davon ab, ob die Urteilsausführungen diesen Umstand positiv oder negativ umschreiben (BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86 Rn. 18, BGHSt 34, 345, 349 f.).

Allein dem Hinweis der Strafkammer auf das Fehlen von Geständnis und Entschuldigung in Gestalt einer hypothetischen Erwägung, dass sie bei ihrem Vorliegen u.U. einen minder schweren Fall hätten begründen können, lässt sich hier in diesem Zusammenhang nicht die Wertung entnehmen, dass ihr Fehlen als Strafschärfungsgrund Berücksichtigung gefunden hat.

b) Soweit die Verteidigung eine Verletzung des Doppelverwertungsverbots (§ 46 Abs. 3 StGB) rügt, weil die Strafkammer im Rahmen der konkreten Strafzumessung „die Vehemenz des Zungenkusses“ (UA S. 140) berücksichtigt und aufeinanderfolgende Handlungen des Angeklagten (dass dieser „trotz des jetzt für ihn bereits bekannten massiven Widerwillens der Zeugin dieser wieder einen massiven Zungenkuss aufgedrückt hat, sie über der Kleidung zuerst an ihren Busen packte, dann über den Oberkörper bis zuletzt in die Hose der Zeugin bis über die Schamhaargrenze griff und ihre Hand wieder über der Hose an seinem erigierten Penis gerieben hat“, UA S. 140) straferhöhend gewertet habe, trifft diese Beanstandung nicht zu. Die Gewichtung einer den Tatbestand erfüllenden Handlung in Gestalt der Intensität des Übergriffs oder verschiedenartiger aufeinanderfolgender sexueller Übergriffe verletzt § 46 Abs. 3 StGB nicht.

c) Dass die Strafkammer nicht strafmildernd eingestellt hat, dass die Zeugin den Raum schließlich jeweils habe verlassen können, ohne vom Angeklagten daran gehindert zu werden, ist – anders als die Revision meint – kein Rechtsfehler. Die Strafkammer hat nicht etwa sämtliche Strafzumessungs-, sondern nur die für die Strafe bestimmenden Strafzumessungsgründe zu benennen (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO). Eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 24. Oktober 2017 – 1 StR 226/17 Rn. 14 mwN). Zudem ist der Umstand, dass es nicht noch zu weiteren Straftaten in Gestalt einer Nötigung oder Freiheitsberaubung gekommen ist, kein Strafmilderungsgrund für die bereits begangene sexuelle Nötigung.

Strafzumessung II: Minder schwerer Fall und vertypte Strafmilderungsgründe, oder: Richtige Strafrahmenwahl?

© rcx – Fotolia.com

In der zweiten Entscheidung des Tages, dem BGH, Beschl. v. 26.02.2019 – 1 StR 14/19, muss der BGH mal wieder zur korrekten Prüfungsreihenfolge beim Zusammentreffen von minder schwerem Fall und gesetzlich vertypten Strafmilderungsgründen unter Berücksichtigung des § 50 StGB Stellung nehmen. Dazu muss er sich ja häufiger äußern. Und er gibt hier mal wieder einen kleinen Grundkurs.

Das LG hat den Angeklagten u. a. wegen versuchten Totschlags verurteilt. Bei der Strafrahmenwahl hat es zunächst die Annahme eines minder schweren Falles allein aufgrund der allgemeinen Strafmilderungsgründe verneint, anschließend zu­gleich die gesetzlich vertypten Strafmilderungsgründe des Versuchs und der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit eingestellt, sodann unter Annahme beider Strafmilderungsgründe einen minder schweren Fall bejaht und im An­schluss daran für jeden Strafmilderungsgrund gesondert prüft, ob diese überhaupt die fakultative Strafrahmenverschiebung eröffnen, und dies sodann im Rahmen ihrer Ermessensausübung jeweils verneint.

Der BGH hat das Urteil im Strafausspruch aufgehoben und insoweit zurückverwiesen:

3. Hinsichtlich der Prüfungsreihenfolge beim minder schweren Fall weist der Senat auf Folgendes hin:

Es verfehlt die Prüfungsreihenfolge, wenn die Strafkammer – wie vorliegend geschehen – zunächst die Annahme eines minder schweren Falles allein aufgrund der allgemeinen Strafmilderungsgründe verneint, anschließend zugleich die gesetzlich vertypten Strafmilderungsgründe des Versuchs und der erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit einstellt, sodann unter Annahme beider Strafmilderungsgründe einen minder schweren Fall bejaht und im Anschluss daran für jeden Strafmilderungsgrund (entgegen § 50 StGB) gesondert prüft, ob diese überhaupt die fakultative Strafrahmenverschiebung eröffnen, und dies sodann im Rahmen ihrer Ermessensausübung jeweils verneint (hier: für § 21 StGB im Hinblick auf das Wissen des nur aus Luxus und Langeweile Alkohol konsumierenden Angeklagten um seine Neigung, in alkoholisiertem Zustand erhebliche Gewalttaten zu begehen; für § 23 StGB im Hinblick auf die Nähe zur Tatvollendung, weil es dem Opfer nur aufgrund seiner außergewöhnlichen Reaktionsfähigkeit gelungen war, den auf den Bauch geführten Messerstich des heranstürmenden Angeklagten abzuwehren [UA S. 5, 27]).

Sieht das Gesetz einen besonderen Strafrahmen für minder schwere Fälle vor und ist auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben, muss bei der Strafrahmenwahl im Rahmen einer Gesamtwürdigung zunächst geprüft werden, ob die allgemeinen Milderungsgründe die Annahme eines minder schweren Falls tragen. Ist nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falls abzulehnen, so sind zusätzlich die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände in die gebotene Gesamtabwägung einzubeziehen. Erst wenn der Tatrichter die Anwendung des milderen Strafrahmens danach weiterhin nicht für gerechtfertigt hält, darf er seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen (st. Rspr.; vgl. z.B. BGH, Beschlüsse vom 4. April 2017 – 3 StR 516/16, NStZ 2017, 524; vom 7. März 2017 – 2 StR 567/16, Rn. 6 und vom 13. Oktober 2016 – 3 StR 248/16, Rn. 5, jeweils mwN). Bei Vorliegen eines zweiten gesetzlich vertypten Milderungsgrundes ist entsprechend zu verfahren und, soweit das Vorliegen eines minder schweren Falles bei Annahme nur eines gesetzlich vertypten Milderungsgrundes abzulehnen ist, der zweite vertypte Strafmilderungsgrund in die Gesamtwürdigung einzustellen (vgl. z.B. BGH, Beschlüsse vom 21. November 2007 – 2 StR 449/07, NStZ-RR 2008, 105 und vom 16. November 2017 – 2 StR 404/17, Rn. 2). Begründet erst das Hinzunehmen eines oder eines weiteren vertypten Strafmilderungsgrundes den minder schweren Fall, sind die vertypten Milderungsgründe für eine weitere Strafrahmenverschiebung verbraucht (§ 50 StGB; vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 27. Juli 1987 – 3 StR 308/87, NStZ 1987, 504).

Versagt der Tatrichter dagegen dem Angeklagten eine Strafrahmenverschiebung aufgrund seines Ermessens gemäß § 21 StGB, obwohl eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit vorliegt, ist allerdings die Verminderung der Schuld infolge der verringerten Steuerungsfähigkeit nur bei der Strafzumessung im engeren Sinn zu berücksichtigen (Eschelbach in BeckOK StGB, 41. Ed., § 21 Rn. 35). Entsprechendes gilt für § 23 StGB. Spiegelbildlich ist die verminderte Schuld im Rahmen der Prüfung des minder schweren Falles nur noch als allgemeiner Strafmilderungsgesichtspunkt und nicht mehr mit dem entsprechenden Gewicht als vertypter Strafmilderungsgrund einzustellen.“

Strafzumessung III: „Nicht ohne eigene Schuld“, oder: Die Ohrfeige als nicht angemessene Reaktion

© fotomek – Fotolia.com

Die dritte und letzte Entscheidung des Tages kommt dann auch vom 3. Strafsenat des BGH. Es ist der BGH, Beschl. v. 19.12.2018 – 3 StR 391/18. Das LG hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Nach den Feststellungen des LG-Urteils schuldete der Angeklagte dem Geschädigten H.  aus dem Kauf einer Hose 20 €. Deswegen stellte der Zeuge H.  am 15.09.2017 im Beisein des  A.  den Angeklagten zur Rede und forderte ihn auf, den restlichen Kaufpreis zu bezahlen. Als der Angeklagte entgegnete, er könne nicht zahlen, verlangte H.  die Hose zurück. Der Angeklagte lehnte auch dieses ab. Der alkoholisierte H.  ärgerte sich darüber und rangelte mit dem Angeklagten, dem es gelang, den Zeugen wegzuschubsen. Dieser versetzte aus Verärgerung dem Angeklagten eine schmerzende Ohrfeige. Zu einem weiteren Angriff setzte H.  nicht an, was auch der Angeklagte erkannte. Dennoch stieß er, „nicht ausschließbar, weil er aufgrund der erhaltenen Ohrfeige zornig war und sich hierdurch herabgesetzt fühlte“, dem Zeugen sein Klappmesser in den Oberbauch und durchtrennte innerhalb der Wunde willentlich mit einer weiteren Schnittbewegung den linksseitigen Bauchmuskel.

Das LG hat bei der Strafzumessung die Voraussetzungen des 213 Alternative 1 StGB abgelehnt: Der Angeklagte habe durch seine Ankündigung, weder den Kaufpreis zu bezahlen noch die Hose zurückzugeben, die Ohrfeige herausgefordert; H.  s körperlicher Angriff sei verständlich. Nach Abwägung der strafmildernden Umstände mit den straferschwerenden Gründen hat das Landgericht keinen minder schweren Fall nach § 224 Abs. 1 Halbsatz 2 StGB angenommen. Dabei hat es zu Lasten des Angeklagten gewürdigt, er habe „den Zeugen H.  wahrheitswidrig einer – gemeinsam mit  A.  begangenen – gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB unter Vornahme mehrerer Schläge bezichtigt“. Das beanstandet der BGH:

„1. Diese Strafzumessungserwägungen halten sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Bereits die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei nicht ohne eigene Schuld in die Auseinandersetzung mit H.  geraten, so dass 213 Alternative 1 StGB nicht anwendbar sei, begegnet durchgreifenden Bedenken.

aa) Nicht „ohne eigene Schuld“ handelt der Täter, der das Opfer zu seinem Verhalten herausfordert. Das ist nicht schon bei jeder Handlung des Täters der Fall, die ursächlich für die ihm zugefügte Misshandlung gewesen ist. Vielmehr muss er dem Opfer genügende Veranlassung gegeben haben; dessen Verhalten muss eine verständliche Reaktion auf vorangegangenes Tun des Täters gewesen sein. Dabei ist die Verständlichkeit auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu prüfen (BGH, Beschlüsse vom 9. August 1988 – 4 StR 221/88, BGHR StGB § 213 Alternative 1 Verschulden 1; vom 2. Oktober 1985 – 3 StR 376/85, StV 1986, 200; vom 26. April 1985 – 2 StR 181/85, StV 1985, 367; vom 22. Juli 1981 – 3 StR 254/81, juris 4).

Die Ohrfeige ist hier nicht als angemessene Reaktion des Geschädigten auf die Leistungsverweigerung des Angeklagten zu werten. Es ist überzogen und nicht mehr verständlich, dass der Zeuge H.  zum Durchsetzen seiner Forderung zunächst eine Rangelei begann und den Angeklagten schließlich sogar ohrfeigte, mithin Gewalt ausübte.

bb) Die Ohrfeige ist nach den Umständen des vorliegenden Falles als ausreichend schwere Provokation zu werten. Sie griff nicht lediglich nur geringfügig in die körperliche Unversehrtheit des Angeklagten ein, sondern erreichte wegen der erlittenen Schmerzen die erforderliche Erheblichkeit für eine Misshandlung im Sinne des 223 Abs. 1 StGB (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. September 2017 – 1 StR 436/17, NStZ-RR 2018, 20, 21; vom 13. Januar 2016 – 1 StR 581/15, StraFo 2016, 167).

b) Zum als straferschwerend gewürdigten Umstand, den Zeugen H.  zu Unrecht der gefährlichen Körperverletzung bezichtigt zu haben, hat der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt:

„Grundsätzlich ist es einem Angeklagten nicht verwehrt, sich gegen den Vorwurf der Körperverletzung mit der Behauptung zu verteidigen, er habe in Notwehr gehandelt. Soweit damit Anschuldigungen gegen Dritte verbunden sind, werden die Grenzen eines zulässigen Verteidigungsverhaltens dadurch nicht überschritten. Eine wahrheitswidrige Notwehrbehauptung kann erst dann straferschwerend gewertet werden, wenn Umstände hinzukommen, nach denen sich dieses Verteidigungsverhalten als Ausdruck einer zu missbilligenden Einstellung darstellt (BGH, NStZ-RR 2013, 170, 171; vgl. auch Senat, NStZ 2010, 692; BGH, NStZ-RR 1999, 328). Vorliegend lag in der unzutreffenden Behauptung des Angeklagten, er habe nur deshalb mit dem Messer in der Hand nach dem Zeugen H.  geschlagen, weil dieser ihn nach mehreren unter Beteiligung      A.  s ausgeführten Schlägen erneut anzugreifen versucht habe (UA S. 10), keine über das Leugnen eigener Schuld hinausgehende, herabwürdigende Ehrverletzung des Geschädigten, die strafschärfend berücksichtigt hätte werden können; auch eine über das zulässige Verteidigungsverhalten hinausgehende, rechtsfeindliche Gesinnung ist den Angaben nicht zu entnehmen (vgl. BGH,NStZ-RR 1999, 328, 329; Senat, NStZ 2010, 692). Die Falschbelastung des Zeugen H.  hätte deshalb nicht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden dürfen.“…“

Beim Bezahlen im „Puff“ aufgefallen, oder: Falscher Fuffziger

© Julydfg – Fotolia.com

Heute dann mal ein „Exotic-Day“, d.h. Entscheidungen aus Bereichen und/oder zu Vorschriften, mit denen man nicht so häufig zu tun hat. Den Beginn macht das AG Dortmund, Urt. v. 28.04.2017 – 767 Ls-700 Js 2292/16 -16/17. Es hat eine Geldfälschungsproblematik (§ 146 StGB) zum Gegenstand, nämlich die Frage nach dem minder schweren Fall i.S. des § 146 Abs. 3 StGB. Der Angeklagte hatte sich über das „Darknet“ 35 falsche 50,00 EURO-Geldscheine. Hierfür zahlte er 480,00 EURO. Er hatte vor, das Geld zu nutzen, um „Abenteuer“ zu erleben. Die Qualität des Falschgeldes war zwar nicht gut, es war jedoch durchaus geeignet, mit echtem Geld verwechselt zu werden. Mit einem der Scheine wollte der Angeklagte eine Dienstleistung im Bordel bezahlen. Dabei file auf, dass es sich um einen falschen Schein handelte und das Verfahren kam in Gang. Das AG hat den Angeklagten wegen versuchten Betruges gemäß den §§ 263 Abs. I, Abs. II, 22, 23 StGB in Tateinheit (§ 52 StGB) mit Geldfälschung (§ 146 Abs. I Nr. 3 StGB) verurteilt. Zur Strafzumessung – der Angeklagte hatte einen minderschweren Fall geltend gemacht:

„Bei der Strafzumessung war dabei auszugehen von dem gesetzlichen Strafrahmen des § 146 Abs. I StGB. Ein minderschwerer Fall im Sinne des Abs. III kam nicht in Betracht. Es lag bei den von dem Angeklagten bestellten und besessenen Geldmengen nicht nur ein bloßer Bagatellfall vor. Auch war die Qualität der Geldscheine nicht derart dilettantisch, dass die Unechtheit der Geldscheine auf dem ersten Blick zu erkennen war. Die Geldscheine hatten Originalgröße und waren mit den Originalfarben eines üblichen 50,00-EURO-Scheines versehen. Der Angeklagte hatte für die Geldscheine dementsprechend einen recht hohen Betrag gezahlt, nämlich einen solchen von 480,00 EURO für 35 Stück Papier. Allein dies zeigt, dass bereits bei Ankauf der Geldscheine davon ausgegangen wurde, dass dieser unter Zugrundelegung eines späteren Einsatzes durchaus werthaltig für den Täter sein würden. Schließlich war zu berücksichtigen, dass der Angeklagte den einen 50,00-EURO-Schein, den er der Zeugin übergeben hatte, durchaus geeignet hielt, die Zeugin darüber zu täuschen, dass es sich um echtes Geld handelt. Aus der Tatsache, dass die Zeugin aufgrund des Schwarzlichtes sofort misstrauisch wurde, kann nicht geschlossen werden, dass es sich bei den Geldscheinen dementsprechend um eine schlechte Qualität gehandelt hat, die einer Fälschung im Verkehr sofort erkennen ließen.

Hierfür spricht auch die Äußerung des Zeugen B, der zwar erklärte, nicht häufig mit Falschgeld zu tun gehabt zu haben, jedoch gelegentlich schon einmal als Polizist Falschgeld in Händen gehalten zu haben. Der Zeuge B erklärte, dass die Fälschung der 50,00-EURO-Scheine, die er bei dem Angeklagten gefunden habe erst auf den zweiten Blick erkennbar gewesen seien. Auch die weiteren Umstände der Tat, nämlich das Geständnis und die Tatsache, dass kein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist, lassen neben fehlenden strafrechtlichen Vorbelastungen keinen Schluss auf einen minderschweren Fall zu.

Es war dementsprechend von einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe auszugehen, die das Gericht auch als tat- und schuldangemessene Sanktion festgelegt hat. Das Gericht hat dabei jedoch schon zu Gunsten des Angeklagten bewertet, dass er selbst einen wirtschaftlichen Schaden bereits dadurch erlitten hat, dass er für die Geldscheine 480,00 EURO bezahlt hat und die Geldscheine nunmehr nicht mehr einsetzen kann. Zudem ist er strafrechtlich nicht vorbelastet und geständig. Auch aus der Tatsache, dass es sich bei den Fälschungen nicht um eine hervorragende Qualität handelte, hat das Gericht Strafmilderungsgründe entnommen.“

„wenn du Eier hast, komm runter“, oder: Schwere Beleidigung?

© Dan Race Fotolia .com

© Dan Race Fotolia .com

Im BGH, Beschl. v. 08.09.2016 – 1 StR 372/16 – geht es um die Frage der Annahme eines minder schweren Falles (§ 213 StGB) des Totschlags (§ 212 StGB). Das LG hatte das verneint, der BGH hat hingegen die Voraussetzungen des § 213 StGB auf der Grundlage des folgenden Sachverhalts als grundsätzlich vorliegend angenommen:

„Nach den Feststellungen des Landgerichts konnte der Angeklagte deswegen nicht schlafen, weil der Geschädigte mit dessen Lebensgefährtin deren Mutter besucht hatte und diese sich ab 23.30 Uhr vor der Haustür laut unterhielten. Nachdem sie der im ersten Stock des Hauses wohnende Angeklagte gegen 24 Uhr durch das Schlafzimmerfenster aufgefordert hatte, leise zu sein, weil er am nächsten Tag früh zur Arbeit müsse, kam es alsbald zu gegen-seitigen Beleidigungen. Dann forderte ihn der Geschädigte wie folgt auf: „Wenn du Eier hast, komm runter!“ Weil seine Ehefrau diese Äußerung mitbekommen hatte, fühlte sich der Angeklagte in seiner Ehre gekränkt und rief nach unten, dass er runterkomme und sie alle umbringe. Auf diesem Weg nahm er eine an der Wand des Wohnungsflures zu Dekorationszwecken hängende Axt mit einer Gesamtlänge von ca. 27 cm mit und lief nach unten vor das Haus. Er lief auf den Geschädigten zu und rief, dass er diesen nun umbringen werde, worauf dieser ihn mit seinem Körper zur Seite drückte, ohne dass er die in der rechten Hand nach unten gehaltene Axt bemerkte. Der Angeklagte hob daraufhin den Arm und schlug mit der Axt mindestens zweimal in Richtung Kopf-/Halsbereich, wobei er den Tod des Geschädigten zumindest billigend in Kauf nahm. Dieser konnte den Schlägen jedoch ausweichen und zudem den rechten Arm des Angeklagten so fixieren, dass sich die Axt hinter dessen Rücken befand. Der An-geklagte wollte daraufhin dem Geschädigten mit der anderen Hand an den Hals fassen, was dieser jedoch ebenfalls abwehren konnte. Kurz darauf erschien die Ehefrau des Angeklagten, nahm ihm die Axt weg, und ging mit dem Angeklag-ten zurück in die Wohnung, wo er von der alsbald eintreffenden Polizei festge-nommen wurde. Der Geschädigte erlitt durch den Angriff des Angeklagten eine 6 cm lange Schnittwunde am linken Arm, welche im Krankenhaus ambulant behandelt wurde, sowie Kratzer im Hals- und Brustbereich.“

Dazu der BGH:

Hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 213 Alt. 1 StGB hat das Schwurgericht die Worte des Geschädigten „wenn Du Eier hast, komm runter“ als ’schwere Beleidigung‘ angesehen. Es hat § 213 Alt. 1 StGB aber nicht angenommen, weil nach seiner Auffassung der Angeklagte nicht „auf der Stelle zur Tat hingerissen“ worden sei, denn er habe zunächst die an der Wand hängende Axt an sich nehmen, die Wohnung verlassen und nach unten gehen müssen, bevor er auf den Geschädigten traf. Indem das Schwurgericht allein auf die Zeitdauer zwischen der provozierenden Aussage des Geschädigten und dessen durchgeführten Angriff abstellte, hat es einen falschen Maßstab angewandt. Maßgebend ist vielmehr, ob der bei einem Täter durch die Provo-kation hervorgerufene Zorn noch angehalten und ihn zu seiner Tat hingerissen hat (BGH, Beschlüsse vom 28. September 2010 – 5 StR 358/10, NStZ-RR 2011, 10 und vom 26. Juli 1994 – 1 StR 286/94, NStZ 1995, 83) und als nicht durch rationale Erwägung unterbrochene Gefühlsaufwallung fortgewirkt hat (BGH, Beschluss vom 16. April 2007 – 5 StR 134/07, NStZ-RR 2007, 200). Nach den Feststellungen des Schwurgerichts hat der Angeklagte auf die Bemerkung des Geschädigten sofort reagiert und ist nach unten auf die Straße gegangen, wobei er im Vorbeigehen die an der Wand hängende Axt erfasste und mitnahm. Damit liegt eine spontane Reaktion des Angeklagten vor, welche insoweit die Voraussetzungen des § 213 Alt. 1 StGB erfüllt.“

allerdings mit dem „Hinweis“:

„Ob die Äußerung des Geschädigten „wenn Du Eier hast, komm runter“ als schwere Beleidigung zu verstehen ist, hat der Tatrichter neu zu beurteilen, wobei die Anforderungen nicht zu niedrig anzusetzen sind (BGH, Urteil vom 26. Februar 2015 – 1 StR 574/14, NStZ 2015, 582, Fischer, StGB, 63. Aufl., § 213 Rn. 5). Dabei kommt es nicht darauf an, wie der Angeklagte die Kundgebung des Geschädigten aufgefasst hat, sondern darauf, ob sie objektiv als schwer beleidigend zu beurteilen ist (BGH, Urteil vom 13. Mai 1981 – 3 StR 42/81, NStZ 1981, 300). Maßgebend ist der konkrete Geschehensablauf unter Berücksichtigung von Persönlichkeit und Lebenskreis der Beteiligten (Fischer, StGB, 63. Aufl., § 213 Rn. 5) der konkreten Beziehung zwischen Täter und Opfer (BGH, Urteil vom 12. Mai 1987 – 1 StR 43/87, NStZ 1987, 555) sowie der tatauslösenden Situation (BGH, Beschluss vom 21. Mai 2004 – 1 StR 170/04, NStZ 2004, 631). Auch wird zu berücksichtigen sein, welche weiteren Beleidigungen im Vorfeld der Tat zwischen den Beteiligten gewechselt wurden und inwieweit der Geschädigte hierbei unmittelbar beteiligt war.“