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8 km/Stunde weniger schnell, die können entscheidend sein

© rcx - Fotolia.com

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Machen wir heute mal OWi-Recht/Verkehrsrecht und schieben dem Posting Munition im Kampf gegen PoliscanSpeed, oder: Das OLG Frankfurt hat keine Ahnung…. gleich noch ein verkehrsrechtliches Posting nach, und zwar mit dem AG Senftenberg, Urt. v. 05.012.2015 – 50 b OWi 1511 Js-OWi 566/14 (89/14. Es behandelt das Messverfahren ProVida 2000 Modular. Der Betroffene soll so schnell gefahren sein, dass ihm zunächst mal ein Fahrverbot von zwei Monaten droht. Dann gelingt es dem Verteidiger aber die vorwerfbare Geschwindigkeit von 184 km/h auf „nur“ 176 km/h zu reduzieren. Und damit ist dann nur noch ein Monat Fahrverbot „im Topf“ und das kann der Verteidiger dem Gericht abkaufen.

Zur Reduzierung der vorwerfbaren Geschwindigkeit:

„Das Gericht ist außerdem davon überzeugt, dass die vorwerfbare Geschwindigkeit nicht 184 km/h, sondern nur 176 km/h beträgt. Das Gericht hat ein mündliches Gutachten des für Geschwindigkeitsmessverfahren öffentlich bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) ppp. aus Riesa über die Richtigkeit der Messung eingeholt, weil der Verteidiger zuvor ein Privatgutachten des für Verkehrsunfälle öffentlich bestellten Sachverständigen Dr. W. aus Berlin eingereicht hatte, wonach der PKW des Betroffenen am Ende der Messung zu weit entfernt gewesen und deshalb ein weiterer Sicherheitsabschlag erforderlich sei, weshalb die vorwerfbare Geschwindigkeit nur 180 km/ betrage. Der Sachverständige ppp. hatte vor der Hauptverhandlung die Einsicht in die Gerichtsakte genommen und alle mit dieser Messung in Zusammenhang stehenden Dateien ausgewertet. Er hat dann ausgeführt, die Messung sei mittels des Gerätes ProVida 2000 Modular durchgeführt worden. Das Videomesssystem erfasse jedoch nur die Geschwindigkeit des Messfahrzeuges. Die Geschwindigkeit des gemessenen Fahrzeuges werde durch Auswertung der Einzelbilder aus dem Messvideo bestimmt, wobei konkret die Abstandsänderung des gemessenen Fahrzeuges zum Messfahrzeug bestimmt werde. Es handele sich um das Vidista-Auswerteverfahren. Die Auswertung des Videobandes und des Kalibrierungsvideos habe erbracht, dass der Messbedienstete die Messung ordnungsgemäß durch geführt habe. Allerdings sei das gemessene Fahrzeug am Ende der Messung zu weit weg gewesen, so dass es statt des vorgeschriebenen Mindestmaßes von 10 % der Bildschirmgröße nur noch ein Maß von 6,1 % aufgewiesen habe. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt hat auf die Frage, wie in einem solchen Fall verfahren werden solle, erklärt, die Grenze des Messverfahrens werde dort anzutreffen sein, wo Objekte vermessen würden, die sich über geringere Abmessungen als 10 % der Bildschirmgröße erstrecken würden. Dementsprechend sei diese Messung außerhalb des vorschriebenen Messverfahrens erfolgt. Es sei jedoch hier möglich gewesen, die Geschwindigkeit des gemessenen Fahrzeugs anhand der dokumentierten Geschwindigkeit des Messfahrzeuges zu bestimmen, weil der Abstand zwischen beiden Fahrzeugen kurzzeitig gleich geblieben sei. Ausgehend von der Geschwindigkeit des Messfahrzeuges sei die vorwerfbare Geschwindigkeit des gemessenen Fahrzeuges auf 176 km/h (nach dem größtmöglichen Toleranzabzug) zu bestimmen. Das Gericht hat das Gutachten unter Berücksichtigung aller Umstände für richtig erachtet, weil es anschaulich und nachvollziehbar ist, zudem im Ergebnis im Wesentlichen mit dem Ergebnis des Privatgutachtens übereinstimmt.“

8 km/Stunde weniger schnell, können also entscheidend sein.

PoliscanSpeed – jetzt erst recht nicht standardisiert?

Poliscan Speed - RadarDer Streit in der Frage, ob PoliscanSpeed ein standardisietes Messverfahren ist, oder nicht, wird seit einiger zeit recht heftig geführt: Auf der einen Seite die OLG, die das Messverfahren mit Zähnen und Klauen verteidigen, wie hier den zuletzt bekannt gewordenen OLG Bamberg, Beschl. v. 26.04. 2013 – 2 Ss OWi 349/13 – (s. dazu: “Auch du mein Sohn Brutus” – OLG Bamberg zu PoliscanSpeed, oder: Das haben wir immer schon so gemacht).  Die OLG setzen sich m.E. mit den Einwänden gegen das Messverfahren, die von einigen AG, die ihnen die Gefolgschaft verweigern, nicht auseinander (vgl. hier als eines der ersten AG das AG Aachen, Urt. v. 10.12.2012 – 444 OWi-606 Js 31/12-93/12 – und dazu Na bitte, geht doch: Poliscan Speed ist nicht standardisiert…). Dass es allerdings auch andere gibt, will ich nicht verschweigen, wir sind ja ausgewogen (vgl. also hier das  AG Pinneberg, Urt. v. 29.10.2013 – 31 OWi 82/13).

Jetzt hat sich in dem Streit in einer umfassenden Stellungnahme auch die PTB zu Wort gemeldet und zur Entscheidung des AG Aachen Stellung genommen (vgl. http://www.ptb.de/cms/fachabteilungen/abt1/fb-13/stellungnahme.html).

Mich überzeugt das nicht – wobei ich allerdings einräume, dass ich kein Techniker bin.

Zunächst: Lassen wir das Verfahren der PTB mal außen vor, obwohl man sich schon fragt, ob es Aufgabe der PTB ist, sich zu einem gerichtlichen Entscheidung in der Weise zu äußern. Auch der Ton ist m.E. „gewöhnungsbedürftig“.

Im Übrigen: Die umfangreiche Stellungnahme der PTB und die wortreichen Erläuterungen und Erklärungen zeigen m.E. mehr als deutlich, dass PoliScanSpeed entgegen der von den OLG vertretenen Auffassung eben nicht nicht als standardisiertes Verfahren angesehen werden kann. Konkret haben sich die OLG mit den „Einwänden“ und Argumenten der AG bislang ja auch nicht auseinander gesetzt, sondern sich auf das Argument zurückgezogen: Zulassung der PTB = Standardisiert.

Übersehen wird von der PTB auch, dass es letztlich eine Frage der richterlichen Überzeugungsbildung ist, ob der Amtsrichter eine Messung mit PoliScanSpeed einer Verurteilung zugrunde legt oder ob er dieses wegen der gegen das Verfahren vorgetragenen Mängel als nicht ausreichend ansieht, um Grundlage einer Verurteilung sein zu können. Eine zwingende Beweisregel hat die Etikettierung eines Messverfahrens als „standardisiertes Verfahren“ nicht zur Folge.

Für den Verteidiger gilt: Er muss sich mit den „Einwänden“ der PTB gegen das Urteil des AG Aachen auseinandersetzen und ggf. dazu einen Sachverständigen befragen. Im Verfahren ist dann konkret zu Poliscan Speed und zu Messfehlern vorzutragen. Ich bin jedenfalls gespannt, wie es weitergeht, und zu welchen Ergebnissen die Sachverständigen, die jetzt sicherlich in den Verfahren das Wort bekommen werden, kommen.

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2014 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft

Messung mit Laveg VL 101 bei einem Motorrad nicht standardisiert

Schon etwas älter, aber mir erst jetzt bekannt geworden ist der KG, Beschl. v. 23.03.2011 – 3 Ws (B) 650/10, der einmal mehr beweist, das nicht alles, was an sich als standardisiertes Messverfahren läuft, auch wirklich als standardisiert angesehen wird. Das KG sagt im Leitsatz der Entscheidung:

Wird eine Geschwindigkeitsmessung mit einem Messgerät vom Typ Laveg VL 101 in Bezug auf ein Motorrad vorgenommen, so liegt bei einer Messung aus einer Distanz von 199 Metern keine standardisierte Messmethode vor, da ein Motorrad kein reflektierendes vorderes Kennzeichen hat und bei einer Ausrichtung des Messstrahls auf Karosserieteile die Bedienungsanleitung dieses Messgeräts den Messbereich auf 30 bis 150 Meter einschränkt.

Also Folge: Feststellungen des AG reichten nicht mit der weiteren Folge, dass das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben worden ist.

Abstandsmessung: Messung mit geeichtem Datengenerator

Mal wieder was zum Messverfahren: Das AG Landstuhl führt in seinem Urt. v. 03.03.2011 – 4286 Js 13510/10 zu Abstandsmessverfahren mit vorschriftsmäßig geeichtem Datengenerator aus: Eine Abstandsmessverfahren mit dem Charaktergenerator und Timer JVC/Piller, Typ CG-P50-E, sei nicht zu beanstanden, wenn vorschriftsmäßig Generator und Timer geeicht waren. Bei standardisierten Messverfahren habe das Gericht lediglich die Ordnungsmäßigkeit der Messung durch Einhaltung der Bedienungsanleitung und Überprüfung der vorgeschriebenen Eichung und nicht darüber hinaus nicht vorgeschriebene Eichungen weiterer Komponenten zu überprüfen. Der Tatrichter müsss sich, wenn der konkrete Einzelfall keine Veranlassung dazu gebe, nicht um die technischen Details des Messverfahrens kümmern. Das muss er nur, wenn der Verteidiger/Betroffene dazu konkret etwas vorträgt.

OLG Hamm zur Geschwindigkeitsüberschreitung und Geständnis

Das OLG Hamm, Beschl. v. 15.02.2011 – III-3 RBs 30/11 bestätigt die Rechtsprechung des 3. Senats für Bußgeldsachen, wonach bei geständiger Einlassung eines Betroffenen Feststellungen zu Messverfahren und Toleranzabzug im Urteil unterbleiben dürfen; andere Senate und Gerichte sehen das ein wenig strenger.

Eine Verurteilung wegen fahrlässiger Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit sei nicht zu beanstanden, wenn im Urteil zwar Angaben zum Messverfahren und zum Toleranzabzug nicht enthalten sind, der Betroffene sich aber vollumfänglich geständig eingelassen hat. Die fraglichen Angaben seien kein Teil der den Schuldspruch wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung tragenden Feststellungen, sondern gehören zu der ihm zugrunde liegenden Beweiswürdigung. In deren Rahmen dürfen sie durch die Bezugnahme auf das Geständnis des Betroffenen unterbleiben. Es reiche aus, wenn der Tatrichter sich Gewissheit von der Richtigkeit des Geständnisses verschafft hat und dies in den Urteilsgründen eindeutig zum Ausdruck bringt.