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Die nächtliche Sichtkontrolle im Vollzug – so einfach geht das nicht

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Den Abschluss der Entscheidungen zu Strafvollstreckung und Strafvollzug macht der OLG Hamm, Beschl. v. 24.11.2016 – III – 1 Vollz (Ws) 302/16, ergangen in einer sog. Maßregelvollzugsache. Der Betroffene befindet sich auf Grundlage der §§ 7 JGG, 63 StGB wegen einer von ihm begangenen gefährlichen Körperverletzung seit dem 15.02.2002 in der Unterbringung, die seit dem 04.02.2011 in der LWL-Maßregelvollzugsklinik Herne vollzogen wird. Der Betroffene hat sich gegen zweimal nächtlich stattfindende Sichtkontrollen seines Zimmers gewendet, die in unregelmäßigen Abständen bei verschlossen bleibender Zimmertür durch eine Sicht- bzw. Kommunikationsklappe derart erfolgen, dass mit einer Taschenlampe kurz auf das Bett bzw. auf den Betroffenen geleuchtet wird, wobei der Lichtkegel der Taschenlampe auch das Gesicht des Betroffenen treffen kann. Am 08.11.2015 beantragte der Betroffene das Unterlassen dieser Kontrollen, die nach seinem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen im gerichtlichen Verfahren seit vier Jahren erfolgen. Das ist abgelehnt worden: Nach therapeutischer Beurteilung gebiete die Fürsorgepflicht die Durchführung der Kontrollen und überwiege das Interesse an ungestörter Nachtruhe.

Das OLG sagt dazu: Bei nächtlichen Überprüfungen eines Untergebrachten in Form von nächtlichen Sichtkontrollen handelt es sich um an § 21 Abs. 1 MRVG NRW zu messende besondere Sicherungsmaßnahmen:

Denn entgegen der Auffassung des Antragsgegners und der Strafvollstreckungskammer handelt es sich bei den nächtlichen Überprüfungen des Betroffenen an § 21 Abs. 1 MRVG NRW zu messende besondere Sicherungsmaßnahmen. Nach dieser Vorschrift kann bei einer erheblichen Gefahr für das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung, insbesondere bei – vorliegend von dem Antragsgegner im angefochtenen Bescheid gerade nicht positiv festgestellten – Selbstgefährdung und Fluchtgefahr, unter anderem die „Beobachtung bei Nacht“ angeordnet werden, soweit und solange dies erforderlich ist. Schon der Gesetzeswortlaut spricht eindeutig dafür, dass die vorliegende Maßnahme dem Regelungsgehalt dieser Norm unterfällt. Auch der von der Strafvollstreckungskammer angeführte Umstand, dass die Überprüfung hier lediglich stichprobenartig und nicht dauerhaft erfolgt, ändert nichts daran, dass es sich hierbei begrifflich um eine – wenn auch im Verhältnis zur permanenten Überwachung weniger einschneidende – Beobachtung zur Nachtzeit handelt (vgl. die Einordnung punktueller, aber jederzeit möglicher nächtlicher Kontrollen im Strafvollzug bei BGHSt 37, 380, Rn. 7, juris; Senatsbeschluss vom 27.01.2015 – 111-1 Vollz (Ws) 664-665114 Rn. 10, juris; Arloth, a.a.O., § 88 Rn. 5 m.w.N.; Schwind in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetz, 6. Aufl., § 88 Rn. 12; ähnl. Rzepka in: Kammeier, Maßregelvollzugsrecht, 3. Aufl., Rn. H 99), die von der – keine besondere Sicherungsmaßnahme darstellenden – nächtlichen Überprüfung aufgrund eines konkreten dienstlichen Anlasses wie etwa bei verdächtigen Geräuschen (vgl. Schwind in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, a.a.O.) oder der im Rahmen des Maßregelvollzugs unerlässlichen einfachen Beaufsichtigung von Patienten (vgl. Rzepka in: Kammeier, a.a.O.) zu unterscheiden ist.

Zumindest nach der Systematik des MRVG NRW (zur Rechtslage in anderen Bundesländer vgl. Rzepka in: Kammeier, a.a.O., Rn. H 98) erscheint es auch nicht zulässig, beim Fehlen der Voraussetzungen für besondere Sicherungsmaßnahmen gemäß § 21 Abs. 1 MRVG NRW eine Beobachtung zur Nachtzeit auf die allgemeine Regelung des § 5 S. 2 MRVG NRW zu stützen, nach der dem Betroffenen vorbehaltlich einer „besonderen Regelung“ dieses Gesetzes Einschränkungen bereits dann auferlegt werden dürfen, wenn dies zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Therapie, des geordneten Zusammenlebens oder für die Zusammenarbeit unerlässlich ist. Denn bei § 21 Abs. 1 MRVG NRW handelt es sich gerade um eine solche „besondere Regelung“, deren erhöhte und einzelfallbezogene Anordnungsvoraussetzungen (vgl. Verrel in: Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgesetze, 12. Aufl., Abschnitt M Rn. 79) unterlaufen würden, wenn eine Beobachtung zur Nachtzeit auch aus anderen Gründen angeordnet werden dürfte (ähnl. zur Erforderlichkeit einer gesetzlichen Grundlage für die Fesselung eines nach § 63 StGB Untergebrachten im Rahmen einer Vorführung Senatsbeschluss vorn 23.09.2014 – 11I-1 Vollz(Ws) 411/14 – Rn. 14, juris). Zutreffend führt Prütting (MRVG und PsychKG NRW, § 21 MRVG Rn. 7) aus, dass die Beobachtung bei Nacht einen sehr massiven Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Betroffenen darstellen kann, die daher unter dem Blickwinkel des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen das Recht auf Schutz der Persönlichkeit und der Intimsphäre abgewogen werden muss und die zudem einer gesetzlichen Grundlage bedarf, welche mit den Vorgaben des § 21 Abs. 1 MRVG NRW vorliegt. Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass grundsätzlich allein unter den in dieser Vorschrift normierten Voraussetzungen nach Prüfung des Einzelfalles eine nächtliche Beobachtung zulässig ist (ähnl. BGH, a.a.O., zu § 88 StVollzG; allg. Volckart/Grünebaum, Maßregelvollzug, 8. Aufl., Rn. 111.210, wonach die je nach Landesrecht zu den besonderen Sicherungsmaßnahmen gehörende Beobachtung „nur unter den engen Kautelen des jeweiligen Maßregelgesetzes zur Gefahrenabwehr zulässig“ ist).

Ergebnis: Die Überwachung hat zu unterbleiben. Allerdings:

„Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Antragsgegner durch diese Entscheidung nicht an einer etwaigen erneuten Anordnung der nächtlichen Beobachtung des Betroffenen im Sinne des § 21 Abs. 1 MRVG NRW gehindert wird, sofern sich zukünftig ergeben sollte, dass die diesbezüglichen Voraussetzungen erfüllt sind. Auch bleiben von dieser Entscheidung die Möglichkeiten zur nächtlichen Überprüfung aufgrund eines konkreten dienstlichen Anlasses oder zur im Rahmen des Maßregelvollzugs unerlässlichen einfachen Beaufsichtigung von Patienten unberührt, die nach den obigen Ausführungen von einer besonderen Sicherungsmaßnahme im Sinne des § 21 Abs. 1 MRVG NRW zu unterscheiden sind.“

Hornhautraspel/-hobel im Strafvollzug, oder: Fußpflegetipps vom OLG

entnommen wikimedia.org Urheber Gmhofmann in der Wikipedia auf Deutsch

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Fußpflege im Strafvollzug? Ja, im übertragenen Sinn geht es darum im OLG Celle, Beschl. v. 18.08.2016 – 1 Ws 323/16 (StrVollz) –, der für mich ein wenig zu der Rubrik gehört: Was es soll alles gibt bzw. was so alles entschieden werden muss. Es geht ging um die Zulässigkeit des Besitzes von „Hornhautbearbeitungsgeräten“ im Strafvollzug. Der Antragsteller befindet sich im Strafvollzug in der JVA S. Diese hat es  abgelehnt, dem Antragsteller Hornhautbearbeitungsgeräte (Hornhautraspeln und Hornhauthobel) zum persönlichen Besitz in seinem Haftraum aus seiner Habe auszuhändigen, weil ein Besitz dieser im Eigentum des Antragstellers stehenden Gerätschaften mit den Sicherheitsbelangen der Anstalt, bei der es sich um eine JVA des geschlossenen Vollzugs mit hohem Sicherheitsstandard handelt, nicht vereinbar sei. Die Hornhautbearbeitungsgeräte verfügten über scharfkantige Metalleinsätze, die missbräuchlich zum Schärfen und Anspitzen von Gegenständen und damit zur Herstellung von Waffen verwendet werden könnten. Mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen diese Entscheidung gewandt und beantragt, die StVK möge die JVA verpflichten, ihm die Hornhautbearbeitungsgeräte zum persönlichen Besitz in seinem Haftraum auszuhändigen. Er leide unter starker Hornhautbildung an den Füßen und müsse deshalb zur Erhaltung seiner Gesundheit regelmäßig mit Hornhautraspeln und einem Hornhauthobel die Hornhaut an seinen Füßen entfernen. Der Antragsteller hat sich ferner darauf berufen, er sei im Februar 2016 aus dem Maßregelvollzugszentrum M. in den Strafvollzug in die JVA S. verlegt worden. Im Maßregelvollzug seien ihm der Erwerb der Hornhautbearbeitungsgeräte und deren ständiger Besitz in seinem Unterkunftsraum gestattet gewesen. Beanstandungen seitens der Maßregelvollzugseinrichtung habe es insoweit nicht gegeben. Deswegen genieße er, was dieses Besitzrecht anbelange, Bestandsschutz. Dazu das OLG, dass der JVA im Rechtsbeschwerdeverfahren Recht gegeben hat:

„….Gegen die Annahme der Antragsgegnerin, dass der persönlicher Besitz der Hornhautbearbeitungsgeräte durch den Antragsteller in seinem Haftraum die Sicherheit der Anstalt beeinträchtige, ist – wie die Strafvollstreckungskammer zutreffend ausgeführt hat – von Rechts wegen nichts zu erinnern. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Besitzversagung nach § 21 Satz 2 NJVollzG – bei denen es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt, deren Auslegung und Anwendung durch die Vollzugsbehörde der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterworfen sind – liegen vor. Zutreffend weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass die Hornhautbearbeitungsgeräte über scharfkantige Metalleinsätze verfügen, die missbräuchlich zum Schärfen und Anspitzen von Gegenständen und damit zur Herstellung von Waffen verwendet werden könnten. Diese abstrakte Gefahr einer Nutzung als Werkzeug zur Waffenherstellung genügt, um eine Gefahr für die Sicherheit der Anstalt zu bejahen, zumal wenn es sich – wie bei der JVA S. – um eine Anstalt mit hohem Sicherheitsstandard handelt. Irrelevant ist, wie auch die Strafvollstreckungskammer zu Recht ausgeführt hat, ob konkret ein Missbrauch der Gegenstände durch den Antragsteller zu befürchten ist. Es genügt, dass die Hornhautbearbeitungsgeräte als solche generell-abstrakt dazu geeignet sind, in sicherheitsgefährdender Art verwendet zu werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. März 2003 – 2 BvR 1848/02, NStZ 2003, 621; BVerfG, Beschluss vom 14. August 1996 – 2 BvR 801/96, NStZ-RR 1997, 24, BVerfG, Beschluss vom 24. März 1996 – 2 BvR 222/96, NStZ-RR 1996, 252; BVerfG, Beschluss vom 28. Februar 1994 – 2 BvR 2731/93, NStZ 1994, 453; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 30. Juni 2016 – 2 Ws 125/16, juris; Kruis/Cassardt, NStZ 1995, 521 [523]).

2. Die Entscheidung der JVA S., dem Antragsteller den persönlichen Besitz der Hornhautbearbeitungsgeräte in seinem Haftraum nicht zu gestatten, ist entgegen der Annahme der Strafvollstreckungskammer auch ermessensfehlerfrei ergangen.

a) Anders als von der Strafvollstreckungskammer angenommen, liegt rechtlich kein Widerruf einer fortgeltenden Besitzgestattung durch die Maßregelvollzugseinrichtung, sondern eine „Erstentscheidung“ und damit rechtlich eine Versagungsentscheidung nach § 21 Satz 2 NJVollzG durch die JVA S. vor. Die Besitzgestattung durch die Maßregelvollzugseinrichtung (auf der Basis von § 19 Abs. 1 Nds. MVollzG) galt auch ohne entsprechende explizite Beschränkung allein für den Maßregelvollzug und erlosch automatisch mit der Verlegung des Antragstellers in den Strafvollzug. Entgegen der Rechtsauffassung der Strafvollstreckungskammer genießt der Antragssteller insofern auch keinen bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigenden Bestandsschutz oder Vertrauensschutz. Zutreffend ist die Antragsgegnerin daher davon ausgegangen, dass sie ihre Entscheidung, ob dem Antragsteller der die Sicherheit der Anstalt abstrakt-generell beeinträchtigende Besitz von Hornhautraspeln und einer Hornhauthobel in seinem Haftraum gestattet werden kann, unabhängig davon zu treffen hatte, dass dem Antragsteller der persönliche Besitz dieser Gegenstände im Maßregelvollzug, der dem Strafvollzug in der Anstalt der Antragsgegnerin unmittelbar vorausgegangen war, erlaubt war……

Die Antragsgegnerin hat ausweislich des angefochtenen Beschlusses erkennbar eine Ermessensentscheidung getroffen und das Besitzinteresse des Antragstellers rechtsfehlerfrei mit den Sicherheitsbelangen der Anstalt abgewogen. Die Antragsgegnerin hat dargetan, dass der Antragsteller ein Bimsstein benutzen dürfe, der grundsätzlich geeignet sei, Hornhaut an den Füßen zu entfernen. Sollte der Antragsteller unter einer so starken Hornhautbildung an den Füßen leiden, dass eine solche Eigenpflege der Füße nicht ausreiche, könne er den medizinischen Dienst in Anspruch nehmen und könne ihm bei entsprechender medizinischer Indikation eine professionelle Fußpflege verordnet werden. Eine medizinische Indikation für eine Benutzung von Hornhautraspeln und einem Hornhauthobel durch den Antragsteller liege nach Mitteilung der Anstaltsärztin nicht vor. Auch komme eine Aushändigung lediglich der Raspeln nicht in Betracht, weil auch diese als Werkzeuge zur Waffenherstellung verwendet werden könnten. Eine bloß zeitweilige Aushändigung der Hornhautbearbeitungsgeräte zur Benutzung unter Aufsicht von Justizvollzugsbeamten komme nicht in Betracht, weil der damit verbundene Aufwand nicht zu rechtfertigen sei.

Diese Erwägungen sind rechtlich nicht zu beanstanden, zumal es neben der vom Antragsteller bislang praktizierten mechanischen Hornhautentfernung bekanntlich auch wirksame Cremes zur Hornhautentfernung gibt, die aus medizinischer Sicht ohnehin regelmäßig gegenüber einer mechanischen Hornhautentfernung mittels Raspel und Hobel wegen der damit verbundenen Verletzungs- und Infektionsgefahr vorzugswürdig sind……“

OLGs sind eben auch in solchen Dingen „sach- und fachkundig….

Keine selbst gebrannten CDs im Maßregelvollzug

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Nach den beiden Fesselungsentscheidungen – in meinen Augen eher etwas schwerere Kost (vgl. hier Fesselung eines Maßregelpatienten bei der Vorführung?, oder: Hat das OLG Hamm seine Hausaufgaben nicht gemacht? und Fesselung bei der Darmentleerung, oder: Habt Ihr sie denn noch alle,…..?) – zum Abschluss etwas im Verhältnis dazu Leichteres im OLG Celle, Beschl. v. 24.09.2015 – 1 Ws 452/15 [MVollz]). Nämlich die Frage: Ist im Maßregelvollzug der Bezug selbstgebrannter Cds zu gestatten. Das war einem Untergebrachten von der JVA verwehrt worden. Das OLG Celle stimmt dem zu, und zwar mit dem Leitsatz:

„Die Auffassung, dass selbstgebrannte CDs wegen der Möglichkeit verdeckter Datenübermittlung eine abstrakte Gefahr für die Sicherheit der Anstalt darstellen, der nur mit einem unverhältnismäßig hohen Kontrollaufwand begegnet werden könnte, verletzt weder Art. 3 GG noch das Abstandsgebot.“

Fesselung bei der Vorführung zur Anhörung?, oder: Hat das OLG Hamm seine Hausaufgaben nicht gemacht?

© gunnar3000 - Fotolia.com

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Heute dann mal ein Strafvollstreckungs-/vollzugstag, den ich eröffne mit dem Hinweis auf einen Streit zwischen einer StVK des LG Kleve und dem OLG Hamm betreffend die Vorführung eines Maßregelpatienten in Fesselung. Das OLG Hamm hatte im OLG Hamm, Beschl. v. 23.09.2014 – – III – 1 Vollz (Ws) 411/14 – entschieden:

„Eine Fesselung im Rahmen einer Vorführung, allein aus allgemeinen Sicherheitserwägungen oder zur Vorbeugung einer möglich erscheinenden Flucht, ist bei nach § 63 StGB untergebrachten Maßregelpatienten mangels Vorhandenseins einer entsprechenden Gesetzesgrundlage unzulässig.“

Betroffen war eine StVK des LG Kleve, die die Vorführung des im Maßregelvollzug Untergebrachten in Fesselung verfügt hatte. Der Untergebrachte war dann gefesselt zur Anhörung vorgeführt worden. Das OLG hatte das als rechtswidrig angesehen.

Nun wurde erneut eine mündliche Anhörung des Untergebrachten gemäß § 67e StGB wurde durch den Vorsitzenden der großen StVK bestimmt, und zwar in einem Saal des LG Kleve. Der An- und Abtransport erfolgte, da die Klinik, in der der Untergebracht untergebracht ist,  über keinen entsprechenden Transportdienst verfügt, durch den Transportdienst der JVA X. Die Beamten der JVA legten dem Untergebrachten während des Transports Fesseln an. Im Gerichtsgebäude übernahmen die Gerichtswachtmeister. Während der Anhörung im besonders gesicherten „Vorführsaal“ blieb der Untergebrachte ungefesselt. Auf der Grundlage dieser Anhörung hat die große Strafvollstreckungskammer die Unterbringungsfortdauer beschlossen. Der Untergebrachte hat nun unterBezugnahme auf den Beschluss des OLG Hamm vom 23.09.2014 die Feststellung beantragt, dass die Fesselung rechtwidrig war.

Das LG Kleve sieht das im LG Kleve, Beschl. v. 07.12.2015 – 182 StVK 1/15 – (erneut) anders und „rügt“ das OLG mit deutlichen Worten:

Dem steht nicht der Beschluss des 1. Strafsenates des OLG Hamm vom 23.09.2014 – III – 1 Vollz (Ws) 411/14 entgegen, weil dieser über die Entscheidung des damaligen konkreten Einzelfalles hinaus keine Bindungswirkung entfaltet.

Auch in der Sache überzeugt diese Entscheidung nicht.
…….

Sind mithin vom Wortlaut und von der Entstehungsgeschichte her mehrere Auslegungen möglich, so ist nicht die zu wählen, die zu lebensfremden und lebensgefährlichen Ergebnissen führt.

Als Anordnungsgrundlage greift § 5 MRVG NRW (Einschränkung der Freiheit der Maßregelvollzugspatienten, die für die Sicherheit unerlässlich ist) ein. Während einige Maßregelvollzugsgesetzte der Länder nur die besonders geregelten Eingriffe und Einschränkungen zulassen, hat NRW darüber hinaus ausdrücklich diese Generalklausel ins MRVG eingefügt. Die Fesselung ist auch als besondere Sicherungsmaßnahme im Sinne des § 21 MRVG NRW anzusehen (Kammeier, vorstehend; Prütting, MRVG und PsychKG NRW, § 21 MRVG NRW Rn. 9). Zudem greift § 22 MRVG NRW, der unter anderem zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung bei einer erheblichen Gefährdung die Möglichkeit der Anwendung unmittelbaren Zwangs vorsieht, wozu auch die Fesselung gehört (vgl. § 58 Abs. 1 bis 3 PolG NRW) als Rechtsgrundlage ein (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.04.2ß015 – III 2 Ws 137-138/15; zu § 176 GVG und § 231 StPO als Rechtsgrundlage für die Fesselungsanordnung durch den Vorsitzenden vgl. 5. Strafsenat des OLG Hamm, Beschluss vom 09.01.2014 – 5 RVs 134/13; zur „obergerichtlich hinreichend geklärten“ Fesselung bei Vorführung von Strafgefangenen vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 10.10.2014 – 20 Ws 229/14). Hinzuweisen ist noch auf § 73 VwVG NRW und § 14 Abs. 1 OBG NRW.

Sinn und Zweck der Vorschriften sprechen dafür, dass sie auch als Rechtsgrundlage für eine Fesselung eingreifen.

Dass bei Gefangenen bzw. Untergebrachten, die per Definition besonders schwer einzuschätzen (psychische Beeinträchtigung) und besonders gefährlich sind (vgl. § 63 StGB) eine Fesselung – zum Schutz der Allgemeinheit und zum Schutz der vorführenden Beamten – möglich sein muss, liegt auf der Hand. Für Personen, die regelmäßig unmittelbaren Kontakt zu diesem Personenkreis haben, bedarf dies keiner weiteren Ausführung. Im Übrigen sei beispielhaft auf F 60.2 der ICD-10 hingewiesen („Dissoziale Persönlichkeitsstörung: … Kaltes Unbeteiligtsein und Rücksichtslosigkeit … sehr geringe Frustrationstoleranz und niedrige Schwelle für aggressives, auch gewalttätiges Verhalten …“). Den vorführenden Beamten ist es generell und insbesondere bei psychisch Kranken unmöglich, die „Tagesform“ des Probanden einzuschätzen und die oft raptusartigen Aggressionsausbrüche oder Fluchtversuche vorherzusehen. Dies gilt erst recht aufgrund der örtlichen Gegebenheiten des LG xx, wo der Gefangenentransporter nicht in einen umschlossenen Innenhof einfahren kann, sondern der Eingang zu den Haftzellen in einem allgemein zugänglichen Bereich liegt.“

Liest sich so ähnlich wie: Hausaufgaben nicht gemacht. Wird man beim OLG Hamm nicht so gerne lesen. Ich bin gespannt, ob und wie man darauf antwortet.

Die „Gustl-Mollath-Gedächtnis-Reform“….

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Es bewegt sich etwas, nun nicht im Verfahren Gustl Mollath, darüber brütet jetzt das OLG Nürnberg (vgl. Wiederaufnahmeantrag von G. Mollath als unzulässig abgelehnt…Und nun? – auf nach Nürnberg), sondern im Unterbringungsrecht. Es gibt nämlich eine Reforminitiative des BMJ, die – das räumt das BMJ auch offen ein -sicherlich vom Fall Mollath mit initiert worden ist. Da heißt es:

„Vor dem Hintergrund der breiten öffentlichen Diskussion um die Unterbringung von Gustl Mollath in der Psychiatrie und der seit Jahren steigenden Zahl von Personen, die in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind, hat Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Eckpunkte erarbeiten lassen.

Zu dem „Reformpaket wird dann dann ausgeführt auf der Homepage des BMJ:

„..Die strafrechtlichen Vorschriften zur Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus sollen darin reformiert werden. Kern der Überlegungen ist, durch ein engmaschiges Netz an Kontrollen dafür Sorge zu tragen, dass der massive Eingriff in die Freiheit der Betroffenen, den die Unterbringung darstellt, dort, wo er nicht zwingend angezeigt erscheint, vermieden wird.

Künftig soll eine Überprüfung der Maßnahme bereits nach vier Monaten, sodann nach weiteren acht Monaten und schließlich im Jahresrhythmus stattfinden. Dabei ist stets ein Gutachter beizuziehen. Alle zwei Jahre muss sich ein neuer Gutachter mit dem Fall befassen, um zu verhindern, dass stets derselbe Gutachter seine vorherigen Gutachten lediglich fortschreibt und sich nicht eingehend mit möglicherweise neu vorliegenden Umständen befasst. Soll die Unterbringung länger als sechs Jahre vollzogen werden, muss der Richter die Gutachten von zwei Sachverständigen einholen, um eine möglichst umfassende Entscheidungsgrundlage zu haben.

Die Anzahl der Personen, die sich nach den Vorschriften des Strafgesetzbuchs in einem psychiatrischen Krankenhaus befinden, steigt seit Jahren an. Waren es im Jahr 1996 noch knapp 3.000, so sind es inzwischen schon 6.750 Personen – jeweils auf das alte Bundesgebiet bezogen. Allen diesen Personen gemeinsam ist, dass sie eine Straftat begangen haben, für die sie aufgrund verminderter Schuldfähigkeit oder Schuldunfähigkeit nicht oder nur eingeschränkt bestraft werden konnten, ein Gutachter jedoch ihre künftige Gefährlichkeit für die Allgemeinheit festgestellt hat. Bislang überprüft ein Richter lediglich jährlich und ohne zwingende neue Begutachtung, ob die Voraussetzungen einer weiteren Unterbringung noch vorliegen. Erst nach fünf Jahren ist das Gutachten eines „externen“ Sachverständigen einzuholen, also ein Sachverständiger, der vorher mit dem Fall noch nicht befasst war.

Das Eckpunktepapier mit den Reformvorschlägen finden man hier: Eckpunkte: Reformüberlegungen zur Unterbringung nach § 63 StGB).

Nun ja, ein wenig Zeit, bis das mal umgesetzt ist, ist ja noch. Da steht ja erst auch noch eine Bundestagswahl ins Haus.