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Manipulierter Verkehrsunfall, oder: Wenn der Richter von sich aus zum Ermittler von Indizien wird

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In der zweiten Entscheidung, die ich heute vorstelle, dem OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.11.2020 – 11 W 35/20, geht es auch um einen mutmaßlich manipulierten Unfall/Versicherungsfall. Der Kläger macht beim LG Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls, den der Beklagte schuldhaft verursacht haben soll, geltend. Der Beklagte hat im Verfahren behauptet, der Kläger habe den Unfall absichtlich herbeigeführt. Dazu hat er zahlreiche Indizien, wie z.B. Spurwechselunfall, Geschwindigkeitserhöhung durch den Kläger, älteres Fahrzeugmodell des Klägers mit zahlreicher Sonderausstattung, Abrechnung auf Gutachtenbasis, mehrfache und erhebliche Vorschäden am klägerischen Fahrzeug, vorgetragen, die seiner Meinung nach für einen fingierten Unfall sprechen. Der mit der Sache befasste Richter recherchierte daraufhin im gerichtsinternen Verfahrensregister den Nachnamen des Klägers. Nach Erhalt mehrerer Treffer zu vergleichbaren Verfahren forderte er die Akten an. Er weist dann die Parteien darauf hin, dass er beabsichtige, das Verfahren gemäß § 149 Abs. 1 ZPO auszusetzen und die Akte der Staatsanwaltschaft mit der Bitte um Einleitung von Ermittlungen gegen den Kläger zuzuleiten. Grundlage für die von ihm in dem Beschluss für einen provozierten Verkehrsunfall angeführten Indizien waren u. a. Erkenntnisse aus den beiden beigezogenen Verfahrensakten.

Der Kläger lehnt daraufhin den Richter als befangen ab. Dieser führte in seiner dienstlichen Stellungnahme aus, dass er aufgrund des vom Beklagten erhobenen massiven Vorwurfs frühzeitig habe klären wollen, ob dieser berechtigt oder aus der Luft gegriffen sei. Er habe den Parteien frühzeitig einen entsprechenden Hinweis geben wollen, um den Rechtsstreit bestmöglich auf der sachlichen Ebene zu halten. Das LG hat das Befangenheitsgesuch zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde des Klägers hatte beim OLG Erfolg:

„Die gemäß § 46 Abs. 2, § 567 Abs. 1 ZPO statthafte und nach § 569 ZPO fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist begründet.

 Nach § 42 Abs. 2 ZPO ist die Besorgnis der Befangenheit gerechtfertigt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Darunter sind Gründe zu verstehen, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Nicht erforderlich ist, dass der Richter tatsächlich befangen ist; unerheblich ist, ob er sich für befangen hält. Entscheidend ist allein, ob aus der Sicht des Ablehnenden genügend objektive Gründe vorliegen, die nach Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (Vollkommer, in: Zöller, Kommentar zur ZPO, 32. Aufl. 2017, § 42 Rn. 9 m. w. N.).

Aus Sicht des Klägers liegen bei vernünftiger Betrachtung genügend objektive Gründe vor, die die Befürchtung wecken können, Richter am Landgericht R. stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber. Diese objektiven Gründe sind darin zu sehen, dass der abgelehnte Richter unzulässigerweise von Amts wegen ermittelt hat, um dadurch belastende Indizien zum Nachteil des Klägers zu finden.

Im Zivilprozess herrscht der Beibringungsgrundsatz. Das Gericht ermittelt den Sachverhalt nicht von Amts wegen, sondern legt seiner Entscheidung nur das Tatsachenmaterial zugrunde, was von den Parteien vorgetragen wird. Der Richter kann jedoch durch Fragen und Hinweise auf eine weitere Konkretisierung und Ergänzung hinwirken (vgl. Greger in Zöller, Kommentar zur ZPO, 33. Auflage, Vor § 128 Rn. 10 und 10a). Abweichend von diesem Grundsatz dürfen aber Tatsachen, die bei dem Gericht offenkundig sind, auch ohne Behauptung durch die Parteien zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht werden (vgl.: BGH, VersR 2007, 1087; OLG Zweibrücken, BeckRS 2014, 13307; Prütting in MüKo, Kommmentar zur ZPO, 6. Auflage, § 291 Rn. 13; Dötsch, MDR 2011, 1017).

In diesem Fall war es so, dass keine der Parteien sich auf die beigezogenen Akten berufen hatte. Es handelte sich bei dem Inhalt der beigezogenen Akten auch nicht um sogenannte offenkundige Tatsachen, § 291 ZPO. Der Akteninhalt war weder allgemeinkundig noch gerichtskundig. Die Akten konnten daher nicht ohne Verletzung des Beibringungsgrundsatzes in das Verfahren eingebracht werden.

Denn offenkundige Tatsachen sind einerseits solche, die einer größeren Anzahl von Personen bekannt oder für diese ohne Weiteres (z.B. aus allgemein zugänglichen Nachschlagewerken, Zeitschriften etc.) zuverlässig wahrnehmbar sind (Saenger, ZPO, 2019, § 291 Rn 3). Bei den beigezogenen Gerichtsakten handelt es sich nicht um allgemein zugängliche Quellen und bei ihrem Inhalt nicht um allgemeinkundige Tatsachen.

Offenkundig sind andererseits zwar auch solche Tatsachen, die das erkennende Gericht, etwa in einem früheren Verfahren oder aufgrund dienstlicher Mitteilungen, amtlich wahrgenommen hat, sog. gerichtskundige Tatsachen (Saenger, a.a.O. § 291 ZPO Rn. 4; BAG, Urteil vom 28.10.2010, NZA-RR 2011, 378). Nicht gerichtskundig in diesem Sinne sind jedoch Tatsachen, die dem erkennenden Gericht erst durch neu erworbenes Wissen (etwa durch gezieltes Studium) bekannt werden. So ist es nicht ausreichend, wenn die betreffende Tatsache lediglich ohne Weiteres aus Akten desselben Gerichts ersichtlich, dem erkennenden Gericht aber nicht positiv bekannt ist, sog. aktenkundige Tatsache (Saegner, a.a.O. § 291 ZPO Rn. 5, 6; Huber in Musielak/Voit, Kommentar zu ZPO, 17. Auflage 2020, § 291 ZPO, Rn. 2; Bacher in BeckOK, ZPO, Stand 01.09.2020, § 291 Rn. 6; Prütting in MüKo, ZPO, 2020, § 291 Rn. 9). Ebenfalls genügt es nicht, wenn der Richter die Tatsache selbst positiv nicht gekannt hat, sondern nur weiß, dass es dazu gerichtliche Akten in seiner Behörde gibt, durch deren Einsicht er sich die Kenntnis verschaffen kann. Damit wäre die Grenze zum Urkundenbeweis überschritten, die einen entsprechenden Beweisantritt voraussetzt (BAG, Urteil vom 28.10.2010, a.a.O.:, OLG Jena, Beschluss vom 13.09.2001, Az.: 6 W 519/01, recherchiert nach JURIS).

Die Beteiligung des Klägers an anderen Verkehrsunfällen war dem prozessleitenden Richter aus seiner bisherigen amtlichen Tätigkeit nicht bekannt. Er hat hiervon auch nicht etwa im Rahmen einer Vorprüfung seiner Kammerzuständigkeit erfahren, weil es nach dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts etwa auf eine entsprechende Vorbefassung ankäme. Eine gerichtskundige Tatsache lag somit nicht vor.

Vielmehr hat sich der abgelehnte Richter ausweislich seiner dienstlichen Stellungnahme zur Abklärung des von dem Beklagten erhobenen Vorwurfs eigenständig auf die Suche nach weiteren, den Kläger belastenden Indizien gemacht, die er dann auch in seinem Hinweisbeschluss zum Nachteil des Klägers verwertet hat. Die amtswegige Ermittlung durch die Nachforschung im gerichtsinternen Register und das Sammeln von Indizien zum Nachteil des Klägers stellen ausreichende objektive Gründe dar, die auch nach Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln.

Aus der von Seiler in Thomas/Putzo, Kommentar zur ZPO, 2020, § 291 Rn. 2, zitierten Entscheidung des BGH (Urteil vom 14.07.1954, NJW 1954, 1656) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Es reicht nach dieser Entscheidung – entgegen Seiler – nicht, wenn die Tatsache ohne Weiteres aus den Akten desselben Gerichts ersichtlich ist. Auch in dieser Entscheidung stellt der BGH darauf ab, dass der Richter das verwerten darf, was ihm im Zusammenhang mit seiner amtlichen Tätigkeit – auch in anderen Verfahren – bekannt geworden ist, ebenso wie er die Kenntnis von Urteilen anderer Kollegen verwerten darf. Die Entscheidung besagt aber nicht, dass sich ein Richter in Verfahren, in denen der Beibringungsgrundsatz herrscht, von sich aus auf die Suche nach weiteren Umständen begeben darf, die sich aus anderen Akten des Gerichts ergeben könnten.

Shoppen in einer fremden Stadt ==> Manipulierter Verkehrsunfall?

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Und als zweite „Kessel-Buntes-Entscheidung“ mal wieder etwas zum manipulierten Unfall – „getürkter“ Unfall darf man ja nicht mehr schreiben, dann hagelt es gleich böse Kommentare. Zu der Frage „manipulierter Unfall“ hatte ich ja schon länger keine Entscheidung mehr. Jetzt bin ich durch das VerkehrsrechtsBlog des Kollegen Gratz auf das LG Hannover, Urt. v. 25.01.2017 – 11 O 97/15 – gestoßen (worden).

Gegenstand des Streits ist ein Verkehrsunfall am 27.11.2014 in Hannover-Laatzen, an dem der Pkw des Klägers, BMW 530 d mit Erstzulassung am  23.06.2008 und einem Kilometerstand von rund 186.000 km beteiligt war. Bei dem Pkw des Beklagten handelt es sich um einen Gebrauchtwagen mit einem Wert von ca. 1.200 EUR. Der Schaden ist fiktiv abgerechnet worden. Das LG hat die Klage, mit der rund 6.000 EUR geltend gemacht worden sind, abgewiesen. Es kommt aufgrund einer Gesamtbetrachtung und Würdigung „starker Indiztatsachen“ zu der Überzeugung: Manipulierter Unfall.

An die Spitze stellt das LG:

„Die Darlegungen des Klägers, warum sein Fahrzeug gerade am behaupteten Unfallort in Laatzen – der Kläger ist wohnhaft in Arnsberg und hat nach eigenen Angaben keine Bezüge zu Hannover – geparkt war, sind ebenso wie seine Schilderung des gesamten Ablaufs des Unfalltages nicht plausibel und stehen zudem auch in wesentlichen Punkten im Widerspruch zu den Angaben der Zeugin pp..

So ist schon kaum verständlich, dass sich der Kläger statt für einen längeren Aufenthalt bei seiner Verwandtschaft – gerade für deren Besuch hat der Kläger mit seiner Familie doch offenbar die nicht unerhebliche Wegstrecke auf sich genommen – dafür entschieden haben will, die Zeit für einen Spaziergang in Hannover auf dem Rückweg zu nutzen. Es widerspricht nach Auffassung der Kammer zudem der Lebenserfahrung, dass man mit einem viereinhalb-jährigen Kind nach einem anstrengenden Tag bzw. einer erheblichen Zeit im Auto noch einen Spaziergang machen will bzw. “shoppen” geht, anstatt nach Hause zu fahren.

Insgesamt kann das Gericht die Ausführungen des Klägers, sie hätten in Hannover als einer Stadt, zu der sie keinerlei Bezüge haben, auf dem Rückweg deshalb spazieren gehen wollen, weil sie genug Zeit gehabt hätten, schlichtweg nicht nachvollziehen. Eine solche Überlegung hält das Gericht vielmehr für abwegig.

Hinzu kommt, dass sich die Schilderung auch nicht mit den geographischen Verhältnissen in Einklang bringen lässt. So würde man als Verkehrsteilnehmer von Hannover aus in aller Regel zunächst die Autobahn 2 in Richtung Westen nehmen, um nach Arnsberg zu gelangen. Aufgrund dessen würde ein Navigationsgerät – der Kläger will ja “nach Navi” gefahren sein – vom Zentrum aus – dort will der Kläger offenbar zunächst gewesen sein – das Fahrzeug nach Norden wieder auf die A2 in Richtung Westen leiten. Vor diesem Hintergrund erschließt sich auch nach den eigenen Angaben des Klägers nicht, wie dieser in das deutlich südlich von Hannover gelegene Laatzen bzw. konkret zum Vorfallsort gekommen sein will. Bezeichnenderweise konnte der Kläger hierzu auf Nachfrage auch nichts sagen. Entsprechendes gilt für die Version der Zeugin pp.. Nach der Abfahrt von der Autobahn 2 ist der Vorfallsort schlichtweg nicht durch ein längeres Fahren auf einer Straße erreichbar, zumal dazwischen bereits das eigentliche Ziel – das Zentrum von Hannover – liegt.“

Des Weiteren steht das Vorbringen des Klägers auch deutlich im Widerspruch zu den Angaben der Zeugin pp., die nichts von einem geplanten Spaziergang bekundet hat, sondern von einer spontanen Überlegung “Shoppen” zu gehen, gesprochen hat.

Na ja, so ganz stark finde ich das Argument nicht, aber die anderen Indizien reichen m.E. auch:

  • Es handelt sich bei dem vom Kläger behaupteten Unfallgeschehen um einen leicht zu beherrschenden, unkomplizierten und vergleichsweise gefahrlosen Fahrvorgang, bei dem der behauptete Fahrfehler bzw. Anlass des Unfalls nicht nachvollziehbar war, zumal der insoweit gehaltene Vortrag des Klägers weder konstant noch mit der Aussage des Zeugen pp. bzw. weiteren Umständen kompatibel war.
  • Die Haftungslage war zu Lasten der Beklagten eindeutig.
  • Bei dem klägerischen Fahrzeug handelt es sich um ein leistungsstarkes älteres Fahrzeug der Oberklasse mit hohem Kilometerstand, welches wegen der vergleichsweise hohen Unterhaltskosten allgemein nur relativ schwer verkäuflich sein dürfte. Zudem war dieses Fahrzeug in der konkreten Art der Ausgestaltung der Schädigung sehr gut geeignet, für den Kläger eine Einnahmequelle zu generieren. Das “Schädigerfahrzeug” ist – jedenfalls ausweislich der Angaben des Zeugen pp. – als minderwertiges Fahrzeug anzusehen.
  • Hinzu kommt die Abrechnung auf fiktiver Basis.
  • Schließlich der für manipulierte Unfallereignisse typische Umstand, dass der Fahrer des gegnerischen PKW nicht mitverklagt wurde.

Manipulierter Verkehrsunfall: Der Besuch in der Eisdiele, oder: Ausgerutscht

entnommen wikimedia.org Urheber Mindmatrix

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Nach dem KG, Beschl. v. 05.10.2015 – (5) 161 Ss 190/15 (40/15)  (vgl. dazu: Manipulierter Verkehrsunfall mal anders, nämlich als Betrug) zum manipulierten Verkehrsunfall aus strafverfahrensrechtlicher Sicht, hier dann noch einmal eine zivilrechtliche Fragestellung, nämlich das LG Duisburg, Urt. v. 17.08.2015 – 3 O 230/13 -, auf das ich durch den Kollegen aus dem Verkehrsrechtsblog aufmerksam geworden bin. Das Urteil fällt sicherlich aus dem Rahmen, und zwar sowohl wegen der Schadenshöhe als auch wegen des beschädigten Objekts. Es ging nämlich offenbar um die Sanierung einer Eisdiele auf „kaltem Weg“. Folgendes Geschehen war dazu Gegenstand des Urteils:

„Der Beklagte zu 1) hatte sich von der Beklagten zu 2) ein Fahrzeug der Marke VW T 5 Kastenwagen mit dem amtlichen Kennzeichen pp., für das der Beklagte zu 3) Haftpflichtversicherer war, gemietet. Am 30. Oktober 2012 gegen 21.25 Uhr war der Beklagte zu 1) in H. auf dem M. platz damit unterwegs. An diesem Tag war es regnerisch, der M. platz war nass.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte zu 1) habe beabsichtigt, Campingutensilien seines Vaters, die in seinem Keller untergestellt waren, zu einem Bekannten des Vaters zu transportieren. Daher sei er mit dem Fahrzeug mit leicht erhöhter Schrittgeschwindigkeit auf dem M. platz gefahren. Plötzlich habe der Beklagte zu 1) beabsichtigt, rückwärts in Richtung der Häuserzeile M. platz 3 zu fahren, um mit dem Heck des Fahrzeugs vor dieser Häuserzeile zum Stehen zu kommen. Auf diesem Wege habe der Beklagte zu 1) erreichen wollen, dass er die in seinem Keller gelagerten Gegenstände nicht weitertragen müsse. Der Beklagte zu 1) habe dann das Fahrzeug zurückgesetzt. Um die Geschwindigkeit zu kontrollieren, habe er dies durch Gas und Kupplung gemacht. Als er bereits ein gutes Stück zurückgesetzt habe, sei er mit dem linken Fuß von der leicht getretenen Kupplung abgerutscht. Das Fahrzeug habe hierdurch beschleunigt und stieß mit dem Heck in die Schaufensterscheibentür des Eiscafés. Die Klägerin behauptet, insgesamt seien Schäden in Höhe von 163.634,27 Euro entstanden. Wegen des weiteren Vorbringens bezüglich der Schäden wird auf die Klageschrift verwiesen.

Das LG sagt: Manipuliert, und zwar aufgrund einer Gesamtschau folgender Indizien:

  • „Die Art des behaupteten Unfallhergangs, nämlich das Rückwärtssetzen gegen die Eisdiele, ist leicht und ohne nennenswertes Verletzungsrisiko von den Beteiligten inszeniert worden. Außerdem ist bei einer derartigen Unfallkonstellation die Schuldfrage eindeutig und es muss nicht mit Einwendungen eines Mitverschuldens gerechnet werden. Eine solche eindeutige Haftungslage ist bei einem manipulierten Unfall ein häufig anzutreffender Umstand (vgl. Urteil des OLG Köln vom 2. März 2010, Aktenzeichen: 9 U 122/09).
  • Als weiteres Indiz ist hinzuzufügen, dass sich die Beteiligten gut kannten. Hier hat der Beklagte zu 1) im Rahmen seiner Anhörung selbst ausgeführt, dass er den Kläger seit über 30 Jahren kennt und das Verhältnis als freundschaftlich zu bezeichnen ist. Dieser Umstand ist sicherlich auch als Indiz dafür zu werten, dass der Beklagte sich bereit erklärt hat, an einem manipulierten Unfallereignis mitzuwirken, um der Klägerin wirtschaftlich zu helfen.
  • Darüber hinaus ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen T. und auch seiner Anhörung, dass das behauptete Fahrmanöver technisch zwar unter extremen Gesichtspunkten nachvollziehbar ist, dies aber nicht mehr dem normalen Fahrverhalten entspricht…… Damit liegt natürlich ein ganz erhebliche Indiz dafür vor, dass der Beklagte zu 1) mit der Klägerin, welche sich seit langen Jahren kennen, diesen Unfall abgesprochen haben.
  • Als weiteres typisches Indiz für einen manipulierten Unfall ist der Umstand anzusehen, dass der Beklagte zu 1) das Fahrzeug zuvor bei der Beklagten zu 2) angemietet hat. Damit konnte er umgehen, dass sein eigenes Fahrzeug in Mitleidenschaft gezogen wird odermöglicherweise auch eigene Versicherungsrabatte in Mitleidenschaft gezogen werden. Das Anmieten eines Fahrzeugs und dann einen manipulierten Unfall durchzuführen, stellt auch ein weiteres klares Kriterium für ein solches manipuliertes Unfallereignis dar.“

Manipulierter Verkehrsunfall mal anders, nämlich als Betrug

© fabstyle - Fotolia.com

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Ich habe ja schon öfter über manipulierte 😉 Verkehrsunfälle berichtet. Das waren aber immer zivilrechtlichen Entscheidungen, in denen es um die Frage ging, ob die (Kasko)Versicherung zahlen muss. Jetzt kann ich dann aber auch mal eine Entscheidung zum manipulierten Verkehrsunfall aus strafrechtlicher Sicht bringen. Daher: Manipulierter Verkehrsunfall mal anders. Ein solcher, wenn es denn einer war, war Gegenstand des KG, Beschl. v. 05.10.2015 – (5) 161 Ss 190/15 (40/15) -. Keine Frage für das KG war es, dass das festgestellte Geschehen um einen gestellten Unfall als Betrug (§ 263 StGB) zu werten wäre, darauf verschwendet das KG – zutreffend – kein Wort. Eine Frage war es dann aber, ob ein ggf. vorliegender Betrug vom LG auch ausreichend sicher festgestellt war bzw. ob die landgerichtliche Beweiswürdigung frei von Rechtsfehlern war.

Und dazu führt das KG u.a. aus:

3. a) Die Schlussfolgerung des Landgerichts, der Angeklagte und der gesondert Verfolgte M. hätten sich verabredet, einen gestellten Verkehrsunfall durchzuführen, um unberechtigte Ansprüche gegenüber der Versicherung durchzusetzen, beruht auf keiner tragfähigen Grundlage. Fehlen Beweismittel, mit denen der Verdacht auf ein manipuliertes Unfallgeschehen nachgewiesen werden könnte, bedarf es einer Häufung von Beweisanzeichen, die für einen fingierten Unfall typisch sind (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 1977 – VI ZR 206/75 – Rz. 28; BayObLG, Urteil vom 3. Juli 1997 – 5 St RR 36/97 – Rz. 51). Solche typischen Indizien für einen manipulierten Unfall sind unter anderem, dass der Geschädigte auf Reparaturkostenbasis abrechnet, der Schädiger aufgrund der Unfallsituation voll haften muss, das geschädigte Fahrzeug hochwertig ist, während das schädigende Fahrzeug wertlos ist, der Unfall ohne nennenswerte Verletzungsrisiken war, er im Dunkeln geschah, neutrale Zeugen nicht anwesend waren und sich die Unfallbeteiligten zur Tatzeit in finanziellen schlechten Verhältnissen befanden (vgl. OLG Köln, Urteil vom 12. April 2013 – 19 U 96/12 – Rz. 32 ff. und Rz. 49; KG, Beschlüsse vom 7. September 2010 – 12 U 210/09 – Rz. 20 ff; vom Oktober 2007 – 12 U 72/06 – Rz. 6; OLG Frankfurt, Urteil vom 21. September 2006 – 16 U 75/06 – Rz. 27 f.). Eine ungewöhnliche Häufung derartiger Umstände, welche die Überzeugung zulässt, dass es sich um eine verabredete Schadenszufügung gehandelt haben muss, ist dem Urteil des Landgerichts nicht zu entnehmen. Die mitgeteilten Indizien lassen bloß die Möglichkeit einer Beteiligung des Angeklagten zu.

Der Umstand, dass der Angeklagte fiktive Reparaturkosten geltend machte, ist für sich betrachtet unverdächtig. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein Verkehrsunfallgeschädigter im Hinblick auf § 249 Abs. 2 S. 1 BGB in der Regel einen Anspruch auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob er den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 2015 – VI ZR 267/14 -Rz. 10). Nichts anderes gilt in Bezug auf die Tatsache, dass der gesondert Verfolgte M. gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 StVG alleine für die Schäden verantwortlich ist, und der Wagen des Angeklagten zum Zeitpunkt des Unfalles erst fünf Jahre alt und hochwertig war. Diese Umstände sind nur in Verbindung mit einer Vielzahl weiterer Beweisanzeichen geeignet, den Vorwurf eines manipulierten Unfalles zu bestätigen.

Soweit sich auf die Angaben des Sachverständigen gründen lässt, dass der gesondert Verfolgte M. seinen Wagen bewusst auf das parkende Auto des Angeklagten lenkte, ist dies in erster Linie ein gewichtiges Beweisanzeichen dafür, dass der gesondert Verfolgte M. gegen Normen des Strafgesetzbuches verstoßen haben könnte. Dem Umstand kommt aber nicht das gleiche Gewicht zu für die Frage, ob der Unfall mit dem Angeklagten verabredet war. Denn neben einer Verabredung kommt gleichermaßen in Betracht, dass sich der gesondert Verfolgte M. – z.B. durch den Genuss von Alkohol oder Betäubungsmitteln – in einem Ausnahmezustand befand, er aus sonstigen Gründen Vandalismus betrieb oder er allein die A. Versicherung betrügen wollte. Welchen körperlichen und geistigen Zustand der gesondert Verfolgte M. kurz nach dem Unfall aufwies, hat das Landgericht nicht festgestellt. Soweit es ein nur auf den gesondert Verfolgten M. beschränktes Tatgeschehen mit dem Argument verneint hat, dass sich bei Schädigung anderer Kraftfahrzeuge, wie hier, die Haftpflichtversicherungskosten wegen einer entsprechenden Heraufstufung erhöhten, hat es nicht bedacht, dass dieser – im Übrigen dem Grunde und der Höhe nach nicht näher aufgeklärte – Umstand sogar gegen die für einen Betrug notwendige Absicht des gesondert Verfolgten M. streiten könnte, sich im Zusammenhang mit dem Unfall einen Vermögensvorteil zu verschaffen, weil sich eine Erhöhung der Versicherungsbeiträge infolge der Anzeige des Unfalles gegenüber der Versicherung wirtschaftlich nachteilig auswirkt. Hingegen drängt sich nicht auf, dass dieser Gesichtspunkt gerade auf eine Verabredung mit dem Angeklagten hindeuten könnte.

Zwar könnte im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung ein – starkes – Indiz für ein manipuliertes Unfallgeschehen sein, dass der BMW innerhalb von nur rund eineinhalb Jahren in insgesamt fünf gleichartige Verkehrsunfälle verwickelt war (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. März 2013 – 1 U 99/12 – […] Rz. 40 f).

Jedoch hat das Landgericht dieses Indiz in die Beweiswürdigung nicht ausdrücklich einbezogen, so dass nicht auszuschließen ist, dass es dem Angeklagten geglaubt hat, er habe bei den vier weiteren Unfällen „Pech gehabt.“ Zudem sind zu den anderen Unfällen keine Einzelheiten bekannt, insbesondere fehlen Angaben zu der jeweiligen Schadenshöhe und der Frage, ob der Angeklagte die anderen Schäden auf Gutachtenbasis mit dem Ansatz von Kosten einer BMW-Werkstatt abrechnete, obwohl er den Wagen nicht oder jedenfalls nicht in einer BMW-Werkstatt reparieren ließ.“

Verlangt werden also letztlich dieselben Prüfschritte, die man bei den zivilrechtlichen Fragen auch gehen muss. Liegt m.E. ja auch auf der Hand.