Der LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 21.02.2018 – 18 Qs 4/18 – zeigt, dass es sich immer wieder lohnt, genau hinzuschauen. Es geht um einen Sicherungshaftbefehl . Der Angeklagte ist durch Urteil des AG wegen vorsätzlicher Körperverletzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Erschleichen von Leistungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung zru Bewährung ausgesetzt worden sind, verurteilt worden. Unmittelbar im Anschluss an die Urteilsverkündung legten sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft zu Protokoll Berufung ein. In der Berufungshauptverhandlung waren weder der Angeklagte noch sein Verteidiger erschienen waren. Im Protokoll heißt es:
„Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft beantragt, die Berufung des Angeklagten zu verwerfen und erklärt, dass sie ihre Berufung zurücknimmt, falls das Verwerfungsurteil rechtskräftig wird“.
Daraufhin hat das LG die Berufung des Angeklagten verworfen. Zur Berufung der Staatsanwaltschaft traf es keine Sach-, sondern lediglich eine Kostenentscheidung, der zufolge die durch dieses Rechtsmittel veranlassten ausscheidbaren Kosten und notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last fallen.
Später ist dann auf der Urteilsurkunde der erstinstanzlichen Entscheidung ein Rechtskraftvermerk angebracht worden. Die StA hat das Vollstreckungsverfahren gegen den Angeklagten eingeleitet. In dem ist dann gem. § 453c StPO Sicherungshaftbefehl ergangen. In dem stellt das LG fest:
Das gegen den Angeklagten ergangene Urteil vom 20.04.2017 ist ungeachtet des (fehlerhaft) angebrachten Rechtskraftvermerks bis dato nicht rechtskräftig geworden. Zwar hat das Landgericht die Berufung des Angeklagten am 01.08.2017 aufgrund dessen (unentschuldigten) Ausbleibens bei Beginn der Berufungshauptverhandlung zu Recht gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO verworfen. Die zu Protokoll des Landgerichts erklärte Berufungsrücknahme der Staatsanwaltschaft war jedoch unwirksam, was den Eintritt der Rechtskraft des auch von ihr angegriffenen erstinstanzlichen Urteils gemäß § 316 Abs. 1 StPO nach wie vor hemmt.
Denn – so die zutreffenden Leitsätze:
- Bei der Erklärung über die Zurücknahme eines Rechtsmittels handelt es sich um eine Prozesshandlung, die eindeutig und zweifelsfrei zu erfolgen hat und – insbesondere – bedingungsfeindlich ist.
- Eine in der Berufungshauptverhandlung im Anschluss an den Antrag, die Berufung des unentschuldigt ausgebliebenen Angeklagten zu verwerfen (§ 329 Abs. 1 Satz 1 StPO), protokollierte Erklärung der Staatsanwaltschaft, wonach sie „ihre Berufung zurücknimmt, falls das Verwerfungsurteil rechtskräftig wird“, ist unwirksam.
Die Frage, ob überhaupt die besonderen sachlich-rechtlichen und prozessualen Voraussetzungen für den Erlass und die Aufrechterhaltung des angegriffenen Sicherungshaftbefehls bestehen, hat die Kammer nicht weiter zu vertieft. Sie hat aber wohl, wie man m.E. ihre Ausführungen entnehmen kann, erhebliche Zweifel. Ich auch.
Alos: Hinschauen, wobei ich mir nicht sicher bin, wer hier – außer der Strafkammer – hingeschaut hat.