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Nach 1 Jahr und 4 Monaten keine weitere „vorläufige“ Entziehung der Fahrerlaubnis

© Andrey - Fotolia.com

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Der LG Hannover, Beschl. v. 24.02.2016 – 40 Qs 18/16 – ist zwar nicht in einem verkehrsstrafrechtlichen Verfahren ergangen, sondern in einem Verfahren wegen eines Verstoßes gegen das WaffG, er ist aber sicherlich vor allem (auch) für die Verkehrsstrafrechtler von Bedeutung. Das LG sagt nämlich, dass bei einem Zeitablauf von einem Jahr und 4 Monaten seit Anordnung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a StPO) die weitere Aufrechterhaltung der Maßnahme als unverhältnismäßig anzusehen ist:

„Unbeschadet des fortbestehenden dringenden Tatverdachts und unabhängig von der Frage, ob der mutmaßliche Eignungsmangel im Sinne des § 69 StGB weiter besteht und deshalb gemäß § 111 a StPO dringende Gründe für die Annahme sprechen, dass dem Angeklagten die Fahrerlaubnis zu entziehen sein wird, erscheint die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis vorliegend wegen auf einer sachwidrigen Behandlung unter Verletzung des Beschleunigungsgebots beruhenden Verzögerung des Verfahrens unverhältnismäßig (vgl. dazu OLG Karlsruhe, NStZ 2005, 402 f.).

Der verfahrensgegenständliche Vorfall datiert vom 27.10.2014. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 12.11.2014 wurde dem Angeklagten die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen. Am 17.04.2015 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage zum Strafrichter. Eine auf den 12.10.2015 terminierte Hauptverhandlung wurde wegen Abwesenheit eines Zeugen ausgesetzt. Am 13.10.2015 wurde Termin für die neue Hauptverhandlung auf den 10.03.2016 bestimmt.

Den Angeklagten auf geraume Zeit auf der Grundlage vorläufiger Erkenntnisse ohne Fahrerlaubnis zu belassen, widerspricht vor dem Hintergrund dieser zögerlichen Sachbehandlung dem Rechtsstaatsgebot. Die Belastung aus einem Eingriff in den grundrechtlich geschützten Bereich muss in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenen Vorteilen stehen. Das gilt sowohl hinsichtlich der Anordnung und der Vollziehung als auch hinsichtlich der Fortdauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (vgl. LG Stuttgart, Beschluss vom 13. März 2013 — 18 Qs 14/13 —, juris). Bei einem Zeitablauf von einem Jahr und 4 Monaten seit Anordnung der Maßnahme bis zur Hauptverhandlung ist ein solches vernünftiges Verhältnis im vorliegenden Fall nicht mehr gegeben. Aus diesem Grunde ist die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis als unverhältnismäßig aufzuheben.“

Recht so…..

Unfallflucht: Bei 1.300 € ist die „Fremdschadensgrenze“, oder: Drunter geht es nicht mehr

© Thaut Images Fotolia.com

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Die (Regel)Entziehung der Fahrerlaubnis nach einem unerlaubten Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB) setzt nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB u.a. einen bedeutenden Fremdschaden voraus. Dessen Höhe ist im StGB nicht bestimmt, muss also von der Rechtsprechung bestimmt werden. Und die tut sich damit schwer bzw. eine Entwicklung nach oben ist mühsam und schwerfällig. Inzwischen kann man allerdings davon ausgehen, dass es wohl h.M. der (Ober)Gerichte ist, dass diese Grenze bei 1.300 € zu ziehen ist. Das zeigen noch einmal zwei landgerichtliche Beschlüsse aus neuerer Zeit, nämlich der LG Hannover, Beschl. v. 3.09.2015 – 46 Qs 81/15 und der LG Schwerin, Beschl. v. 21.10.2015 – 32 Qs 56/15. Und bei der Ermittlung des Schadens spielen wirtschaftliche Kriterien eine Rolle. Der „bedeutende Schaden“  beurteilt sich nach der Höhe des Betrages, um den das Vermögen des Geschädigten als direkte Folge des Unfalls vermindert wird, so noch einmal das LG Hannover.

M.E. müsste übrigens die Grenze für den „bedeutenden Schaden“ schon längst höher liegen. Es gibt zwar ein paar Entscheidungen dazu: So wird im LG Bezirk Lübeck die Grenze (schon) bei 1.500 € gezogen (LG Lübeck DV 2014, 130; s. auch LG Hamburg DAR 2008, 219 [Ls.] = VRR 2007, 403 [Ls.]), und beim LG Frankfurt am Main bei 1.400 € (StV 2009, 649 = VRR 2008, 430 = StRR 2008, 473). Das LG Landshut will die Grenze erst bei 2.500 € ziehen (StRR 2013, 116 = VRR 2013, 110 = DAR 2013, 588 = VA 2013, 69). Aber viel mehr hat sich da bisher nicht getan. Was m.E. aber gar nicht geht, ist eine amtsgerichtliche Entscheidung, die – wie die des dem LG Schwerin-Beschluss zugrunde liegende Entscheidung des AG Wismar – die Grenze immer noch bei knapp nur 1.000 € zieht. Willkommen im vorigen Jahrhundert? Nun ja, aber zumindest im vorigen Jahrzehnt.

Regress der Versicherung bei einem Unfall während eines Fahrverbotes?

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Eine Frage, die sich in der Praxis ggf. häufiger stellt oder stellen könnte, behandelt das LG Hannover, Urt. v.  19.11.2014 – 6 S 52/14, leider ohne Sachverhalt, aber der erschließt sich aus der rechtlichen Wertung des LG, und zwar: Gegen den Versicherungsnehmer ist ein Fahrverbot festgesetzt worden. Das hält ihn aber nicht davon ab, dennoch mit seinem Pkw zu fahren. Es kommt zu einem Unfall, der von seiner Kfz-Haftpflichtversicherung reguliert wird. Die nimmt den Versicherungsnehmer nun in Regress und hat damit beim AG auch Erfolg gehabt. Das LG sagt: Nein, geht nicht, denn:

„Die diesem Urteil zugrunde liegende Rechtsauffassung des Amtsgerichts ist nicht zutreffend. Nach Ziffer D.1.3 AKB darf das Fahrzeug nicht von einem Fahrer benutzt werden, der nicht im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis ist. Schon dem Wortlaut nach unterfällt ein Fahrverbot dieser Bestimmung nicht. Denn es berührt nicht die Fahrerlaubnis, die während des Fahrverbots fortbesteht (vgl. dazu: BGH, Urteil vom 11.02.1987, Aktenzeichen IVa ZR 144/85, Rn. 24, nach Juris; vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 25.04.1985, Aktenzeichen 5 U 171/84, Orientierungssatz 2., nach Juris). Auch der Zweck von Ziffer D.1.3 AKB rechtfertigt es nicht, sie auch auf Fahrverbote zu erstrecken, denn das Fehlen der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wird festgestellt, wenn die Fahrerlaubnis entzogen, nicht aber, wenn ein Fahrverbot ausgesprochen wird (BGH a.a.O., Rn. 25).

Hat aber der Beklagte nicht gegen Ziffer D.1.3 AKB verstoßen, ist die Klägerin auch nicht gemäß Ziffer 0.3.1 AKB von ihrer Leistungspflicht freigeworden und kann daher nicht die Erstattung des an den Unfallgeschädigten gezahlten Betrages verlangen.“

Glück gehabt, wenn wir mal die strafrechtlichen Folgen außen vor lassen….

Pflichti 8: Nochmal “Waffengleichheit” und: Interessante Auslagenentscheidung

© ferkelraggae - Fotolia.com

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Heute dann mal wieder ein Tag der Pflichtverteidigung, den wir mit dem LG Hannover, Beschl. v. 20.12.2013 – 40 Qs 135/12 starten. Und dann zur “Waffengleichheit”, nämlich:

“Ist bei mehreren Angeklagte, die eine Tatbeteiligung jeweils bestreiten, zu besorgen, dass die Angeklagten sich in der Hauptverhandlung gegenseitig belasten könnten, gebietet der Grundsatz der „Waffengleichheit” grundsätzlich die Beiordnung eines Pflichtverteidigers, wenn auch dem anderen Mitangeklagten ein Pflichtverteidiger bestellt worden ist.”

Insoweit schon ganz interessant. Interesssant(er) aber noch wegen der Kosten- und Auslagenentscheidung: Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Pflichtverteidigerbestellung war nämlich – so das LG – prozessual überholt, nachdem das Amtsgericht in der Sache bereits durch Urteil entschieden hatte; eine rückwirkende Verteidigerbeiordnung kam nach Auffassung des LG nach Abschluss des Verfahrens nicht (mehr) in Betracht. Aber das LG hat die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten in entsprechender Anwendung von § 472 Abs.2 StPO der Landeskasse auferlegt, weil das Rechtsmittel vor Eintritt der prozessualen Überholung Erfolg gehabt hätte. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestellung eines Pflichtverteidigers hätten nämlich vorgelegen, eben wegen der erforderlichen “Waffengleichheit”.

Das Leben jenseits von U.Hoeneß: Einstellung im Glaeseker-Verfahren

entnommen wikimedia.org Quelle  Deutsch: Foto aufgenommen von Benutzer Benutzer:AxelHH, Mai 2008

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Quelle
Deutsch: Foto aufgenommen von Benutzer Benutzer:AxelHH, Mai 2008

Ja, es gibt noch ein Leben jenseits von U. Hoeneß, der bzw. dessen Prozess natürlich medial heute die Welt beherrscht.:-)

Das führt dann dazu, dass die ein oder andere interessante Meldung übersehen wird – was ja nicht sein muss. Deshalb der Hinweis hier auf die Nachricht aus Hannover, dass man dort das Verfahren gegen O.Glaseker, den ehemaligen Sprecher des ehemaligen Bundespräsidenten C. Wulff, heute gegen 25.000 € Geldauflage nach § 153a StPO eingestellt hat. Damit ist die Kuh verfahrensmäßig vom Eis. Näheres hier bei LTO und/oder beim Deutschlandfunk.