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Strafzumessung I: Strafzumessung in BtM-Verfahren, oder: „Kronzeuge“ und „minder schwerer Fall“

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By Dundak – Own work

Ich habe seit längerem keine Strafzumessungsentscheidungen mehr vorgestellt. Da hole ich heute nach.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 12.01.2022 – 3 StR 394/21. Ergangen ist der Beschluss in einem BtM-Verfahren. Das LG hat wegen unerlaubten Handels mit BtM in nicht geringer Menge verurteilt. Der BGH hebt den Strafausspruch auf:

„2. Der Strafausspruch hält dagegen rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil das Landgericht eine mögliche Strafmilderung nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG nicht erwogen hat, obwohl es sich ausweislich der Urteilsgründe zu einer ausdrücklichen Erörterung gedrängt sehen musste.

a) Der Angeklagte machte nach den Feststellungen bereits im Ermittlungsverfahren Angaben zur arbeitsteiligen Vorgehensweise der Bande, zur Rolle der Mitangeklagten und eines gesondert Verfolgten sowie zur Anzahl und Menge der Betäubungsmittellieferungen nach B. . Diese Einlassung wiederholte der Angeklagte in der Hauptverhandlung (UA S. 11 ff.). Hierauf hat das Landgericht die Verurteilung der lediglich teilgeständigen Mitangeklagten gestützt (UA S. 13 ff.).

Es hat einen minder schweren Fall gemäß § 30a Abs. 3 BtMG verneint und der Strafbemessung den Strafrahmen des § 30a Abs. 1 BtMG zugrunde gelegt. Eine weitere Strafmilderung nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist nicht erörtert worden. Bei der Verneinung eines minder schweren Falles und bei der Strafzumessung im engeren Sinne hat die Strafkammer jedoch zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er die Taten bereits im Ermittlungsverfahren umfassend eingeräumt und auch Tatbeiträge von anderen Beteiligten benannt hat, was zu deren Überführung beigetragen hat (UA S. 22).

b) Die Nichterörterung von § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist danach rechtsfehlerhaft. Nach den Urteilsgründen lag es nahe, dass der Angeklagte durch die freiwillige Benennung weiterer Bandenmitglieder gemäß § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG dazu beigetragen hat, die Taten über seinen eigenen Tatbeitrag hinaus aufzuklären ( BGH, Beschlüsse vom 11. November 2021 – 4 StR 134/21 , juris Rn. 12; vom 20. August 2014 – 1 StR 390/14 , juris Rn. 4; vom 31. August 2010 – 3 StR 297/10 , juris Rn. 2 f.; vom 23. Oktober 2008 – 3 StR 413/08 , NStZ-RR 2009, 58 f.).

c) Auf dem dargelegten Rechtsfehler beruht der Strafausspruch. Zwar hat das Landgericht zugunsten des Angeklagten sein Geständnis und die Aufklärungshilfe berücksichtigt. Die Urteilsgründe lassen jedoch nicht erkennen, dass es die Möglichkeit geprüft hat, aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG minder schwere Fälle nach § 30a Abs. 3 BtMG zu bejahen oder die Strafe dem nach § 31 Satz 1 Nr. 1 BtMG , § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen zu entnehmen ( BGH, Beschlüsse vom 11. November 2021 – 4 StR 134/21 , juris Rn. 12; vom 31. August 2010 – 3 StR 297/10 , juris Rn. 2 f.). Dies zwingt zur Aufhebung sämtlicher verhängten Einzelstrafen und des Gesamtstrafenausspruchs. Die strafzumessungsrelevanten Feststellungen können bestehen bleiben, da ausschließlich ein Rechtsanwendungsfehler vorliegt. Weitere, zu diesen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen kann das neue Tatgericht treffen.“

Strafabschlag für den „Kronzeugen“ bei BtM-Taten…

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In der Praxis macht die Anwendung der §§ 31 BtMG, 46b StGB, also der sog. Kronzeugenregelung, immer wieder Schwierigkeiten, wie gerade auch der BGH, Beschl. v. 0.3.2014 – 3 StR 429/13 – zeigt. Da ging es sowohl um die Anwendung des § 31 BtMG als auch bei einem anderen Teil der Taten um die des § 46b StGB. Der BGH hat dazu Stellung genommen. Das Ergebnis lässz sich in etwa folgenden Leitsätzen zusammenfassen:

„1. Der Tatbegriff im Sinne von § 31 BtMG umfasst auch die Betäubungsmitteltaten anderer Personen, die als rechtlich selbständig zu werten und nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens sind, sofern ein innerer und verbindender Bezug zwischen der eigenen und der offenbarten Tat besteht.

2. Die Anwendung der allgemeinen Kronzeugenregelung nach § 46b StGB ist durch die bereichsspezifische Kronzeugenregelung in § 31 BtMG nicht ausgeschlossen. Unter der Geltung des alten Rechtszustands war es ausreichend, dass sich die Aufklärungshilfe nur auf eine von mehreren, dem „Kronzeugen“ zur Last liegenden Taten bezog.

3. Zur Aufklärung der Tat „über den eigenen Tatbeitrag hinaus“ ist ein umfassendes Geständnis nicht erforderlich; ein nur teilweises Einräumen des eigenen Tatbeitrags ist ausreichend; auch ein Leugnen des eigenen Tatbeitrags ist für die Annahme einer Aufklärungshilfe unschädlich.“

Ergebnis dieser Stellungnahme: Aufhebung des Strafausspruchs und Zurückverweisung.

BGH, Beschl. v. 2

Der BGH, der Kronzeuge und die Katalogtat

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Zu streng hat eine Strafkammer des LG Frankfurt/Main bei der Strafzumessung den § 46b StGB gesehen und ist daher nach Auffassung des BGH von einem falschen Strafrahmen ausgegangen. Das führt dann zur Aufhebung der Strafzumessung durch den BGH, Beschl. v. 25.04.2013 – 2 StR 37/13.

Das LG hat den Angeklagte wegen Untreue in Tateinheit mit Computerbetrug in 71 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Hinsichtlich des gewerbsmäßig begangenen Computerbetrugs war das LG wegen Vorliegens der Voraussetzungen des § 46b StGB von einen gemäß § 49 Abs. 1 StGB reduzierten Strafrahmen ausgegangen.  Eine Strafrahmenverschiebung hinsichtlich des jeweils tateinheitlich gewerbsmäßig begangenen Untreuetatbestands hat es jedoch abgelehnt mit der Begründung, insoweit handele es sich nicht um eine Katalogtat im Sinne von § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB in Verbindung mit § 100a Abs. 2 StPO. Dazu der BGH, der den GBA eingerückt hat:

„Indes beanstandet die Beschwerdeführerin zu Recht, dass das Landgericht eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 46b, 49 Abs. 1 StGB anders als im Fall des jeweils tateinheitlich begangenen Computerbetrugs ausgeschlossen hat, weil es sich bei dem Untreuetatbestand nicht um eine Katalogtat im Sinne von § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB i.V.m. § 100a Abs. 2 StPO handele (vgl. UA S. 12).
Die Strafkammer hat dabei übersehen, dass die Anlasstat keine Katalogtat sein muss, es vielmehr genügt, dass diese wie vorliegend mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist. Nach den Feststellungen hat die Angeklagte bereits bei ihrer polizeilichen Vernehmung die Zeugin M. glaubhaft als Mitwisserin und teilweise begünstigte Mittäterin Fälle 1, 8, 11, 19, 27, 32, 37, 47, 64, 69, 78 benannt, worauf diese ihre Tatbeteiligung eingestanden hat. Computerbetrug unter den in § 263 Abs. 3 Satz 2 StGB genannten Voraussetzungen stellt eine Katalogtat im Sinne des § 100a Abs. 2 Nr. 1 n) StPO dar. Für Täterschaft und Teilnahme gelten die allgemeinen Grundsätze (vgl. Wohlers in MünchKomm StGB § 263a Rn. 71), weshalb die Annahme von Mittäterschaft der Zeugin M. nahe liegt. Gleiches gilt unbeschadet der konkurrenzrechtlichen Einordnung der Taten (vgl. BGH NStZ-RR 2006, 106) vor dem Hintergrund der häufi-gen Zahlungen auch für das Vorliegen des Merkmals der Gewerbsmäßigkeit. All dies hat das Landgericht nicht geprüft.“

 

Der BGH und der neue § 31 BtMG

Dre BGH hat jetzt in zwei Entscheidungen zur Anwendung des neuen § 31 BtmG und zur Anwendung des alten Rechts Stellung genommen, vgl. hier den Beschl. v. 18.03.2010 – 3 StR 65/10 und Beschl. v. 27.04.2010 – 3 StR 79/10; zum ersten Beschl. vgl. bereits hier.

Aus den beiden (identischen) Entscheidungen lässt sich folgern: In allen Betäubungsmittelverfahren, bei denen die Tat vor dem 01.09.2009 begangen wurde, kann auch noch durch Offenbarungen in der Hauptverhandlung Aufklärungshilfe geleistet werden. Art. 316d EGStGB steht dem nicht entgegen. Die erstrebte Strafrahmenverschiebung scheitert nicht an § 31 Satz 2 BtMG n.F., § 46b Abs. 3 StGB (dazu demnächst mehr im StRR); vgl. auch noch den Kollegen Ratzka hier.

Opfer kann Kronzeuge sein

Der BGH hat jetzt in seinem für BGHSt bestimmten Urteil v. 19.05.2010 – 5 StR 182/10 zum neuen § 46b StGB – Kronzeugenregelung – Stellung genommen. Danach kann auch das Tatopfer “Kronzeuge” sein, da § 46b StGB auch auf das Opfer einer in § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB i.V.m. § 100a Abs. 2 StPO bezeichneten Tat anwendbar ist. Der BGH geht davon aus, dass die Tat, wegen der der Angeklagte angeklagt ist, nicht mit der Tat identisch sein muss, über die er Erkenntnisse geliefert hat.

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