Die dritte Entscheidung kommt nicht aus dem strafverfahrensrechtlichen Bereich, sondern aus dem Zivilverfahren. Etwas ungewöhnlich für einen Dienstag, der Beschluss passt aber gut in die Thematik „Ablehnung“.
Das OLG Frankfurt hatte ein landgerichtliches Urteil aufgehoben und an das LG zurückverwiesen. In seiner Entscheidung hatte das OLG u.a. festgestellt, dass „die erstinstanzliche Beweiserhebung auch im Zusammenhang mit der Übertragung der Durchführung der Beweisaufnahme auf eines der Kammermitglieder als beauftragtem Richter gemäß § 375 Abs. 1 a ZPO verfahrensfehlerhaft gewesen sei.“ Der später abgelehnte Richter nimmt dann in einem Schreiben an die Parteien dazu sowie zum Inhalt des Berufungsurteils Stellung. Hierbei äußerte er unter anderem die Ansicht, dass „die Ausführung des Einzelrichters im OLG-Urteil (…) Unsinn (sei)“, wonach die Übertragung der Beweisaufnahme auf ein Kammermitglied als beauftragtem Richter gemäß § 375 Abs. 1 a ZPO bereits deshalb verfahrensfehlerhaft gewesen sei, weil nicht von vornherein davon habe ausgegangen werden könne, dass das Prozessgericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck sachgerecht zu würdigen vermag. Darüber hinaus kündigte er an, dass die Kammer auch weiterhin von der Möglichkeit des § 375 Abs. 1 a ZPO Gebrauch machen müsse, da sie erheblich überlastet sei und im Übrigen den Kammermitgliedern nicht abverlangt werden könne, an sämtlichen Zeugenvernehmungen teilzunehmen.
Daruf wird dann von der Beklagten ein Ablehnungsantrag gestützt (§ 42 ZPO), der im OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.04.2018 – 13 W 8/18 – Erfolg hat:
„Das Ablehnungsgesuch erweist sich nach Auffassung des erkennenden Senats als begründet, weshalb der angefochtene Beschluss hinsichtlich der Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs betreffend den Richter A abzuändern war.
Zwar ist dem Landgericht zuzugeben, dass die „deutlich formulierte Kritik“ des abgelehnten Richters an der Entscheidung des Berufungsgerichts ihrem Inhalt nach „keine Position zugunsten der einen oder anderen Partei beinhalte, da sie sich ausschließlich gegen das Berufungsgericht wende“. Hierbei darf jedoch nicht verkannt werden, dass die Besorgnis der Befangenheit nicht nur bei unmittelbar parteibezogenen Verfahrens- bzw. Verhaltensweisen eines Richters begründet sein kann, sondern auch dann, wenn andere Verhaltensweisen des Richters das Misstrauen in dessen unparteiliche und sachliche Amtsführung rechtfertigen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn eine unsachgemäße Verfahrensleitung oder grobe Verfahrensverstöße vorliegen, die zu einer Beeinträchtigung des richterlichen Vertrauensverhältnisses führen können (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO 32. Aufl. § 42 Rz 25 mit Beispielen).
Eine solche – in dieser Weise aus Sicht der Parteien unsachgemäß erscheinende – Verfahrensleitung mag noch nicht allein in der von dem abgelehnten Richter in seiner Verfügung vom 5.9.2017 in Teilen geübten Kritik an dem Berufungsurteil liegen, insbesondere in Verbindung mit der getroffenen Wortwahl („Unsinn“).
Dem abgelehnten Richter ist es selbstverständlich unbenommen, eine von der Auffassung des Berufungsgerichts im vorliegenden Verfahren zu den streitgegenständlichen verfahrensrechtlichen Fragen abweichende Rechtsauffassung zu vertreten, diese zu äußern und den Prozessparteien zur Kenntnis zu bringen. Dies folgt bereits aus der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 GG) und bedarf insoweit keiner näheren Erläuterung. Der Senat erinnert jedoch daran, dass das Gebot der Sachlichkeit und Zurückhaltung im Prozess nicht nur für die Parteien und deren Prozessbevollmächtigte, sondern auch für den Richter gilt. Mit diesen Grundsätzen dürfte die Wortwahl in der Verfügung des abgelehnten Richters nach Ansicht des Senats zumindest insoweit nicht vereinbar sein, als darin die Ausführungen des Einzelrichters im Berufungsurteil zur Verfahrensfehlerhaftigkeit der erstinstanzlichen Beweisaufnahme als „Unsinn“ bezeichnet werden.
Hierbei geht es nicht um etwaige Empfindlichkeiten des erkennenden Senats als Berufungsgericht, der ebenso wie alle anderen Verfahrensbeteiligten offene und sachliche Kritik an seiner Rechtsauffassung und Verfahrensweise hinzunehmen hat, sondern vielmehr um die Gewährleistung einer sachlichen Verfahrensleitung. Gleichwohl mag dies vorliegend auf sich beruhen.
Entscheidend ist im vorstehenden Zusammenhang vielmehr, dass die von dem abgelehnten Richter in seiner Verfügung in mehrfacher Hinsicht geäußerte Kritik an der im Berufungsurteil vertretenen Rechtsauffassung bei der hierdurch begünstigten Partei (hier der Beklagten) berechtigterweise die Besorgnis der Befangenheit auslösen kann, auch wenn diese tatsächlich nicht vorgelegen haben mag.
Eine entsprechende Besorgnis ist jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn – wie vorliegend – der abgelehnte Richter nach Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das Landgericht durch ein beharrliches Festhalten an der früheren, im Rechtsmittelzug für unrichtig erklärten Rechtsansicht zum Ausdruck bringt, dass beabsichtigt sei, im Wesentlichen in gleicher Weise prozessual erneut zu verfahren (OLG Frankfurt am Main MDR 1984, 408; 1988, 415).
So wird auch hier durch den Inhalt der Verfügung des abgelehnten Richters das Vertrauen in eine zukünftige sachgerechte Amtsführung deshalb beeinträchtigt, weil für das weitere Verfahren aus der maßgeblichen Sicht der Beklagten ein Verfahrensverstoß angekündigt wird. Nach dem Wortlaut der Verfügung des abgelehnten Richters hat es nämlich zumindest den Anschein, dass das Landgericht nicht beabsichtigt, die Bindungswirkung an die Rechtsansicht des Berufungsgerichts gemäß § 563 Abs. 2 Analog ZPO zu beachten. Ein Verstoß gegen die Bindungswirkung durch das im Rechtszug untergeordnete Gericht rechtfertigt aber regelmäßig die Besorgnis der Befangenheit (vgl. OLG Frankfurt am Main MDR 1988, 413; OLG München MDR 2003, 1070 ).
Ebenso wie das Berufungsgericht an die Rechtsansicht des Bundesgerichtshofs als Revisionsgericht gebunden ist, soweit der Verstoß einer Aufhebung und Zurückverweisung zugrunde liegt (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 31. Auflage, § 563 Rz. 3 a), bindet die der Aufhebung zugrunde liegende Rechtsansicht des Berufungsgerichts das Landgericht in entsprechender Anwendung des § 563 Abs. 2 ZPO (vgl. BGHZ 51, 135; OLG Hamm FamRZ 1986, 1138). Diese Bindungswirkung besteht unabhängig davon, ob die Auffassung des Rechtsmittegerichts zutrifft oder ob sie das erstinstanzliche Gericht teilt. Nicht bindend sind lediglich Hinweise für das weitere Verfahren. Entstehen zwischen erstinstanzlichem Gericht und Rechtsmittelgericht Meinungsverschiedenheiten über den Umfang der Bindungswirkung, so ist die Auffassung des Rechtsmittelgerichts verbindlich. Das Erstgericht ist somit auch in der Frage, wie weit die Bindung geht, an die Auslegungen des Rechtsmittelgerichts gebunden (vgl. Zöller/Heßler, ZPO a. a. O., § 538 Rn. 60).“
Wie gesagt: Die Entscheidung stammt aus dem Zivilverfahren, aber entsprechende Konstellationen kann ich mir im Straf-/Bußgeldverfahren auch vorstellen 🙂 . Man schreibt als Richter der Instanz zu einer Rechtsmittelentscheidung (im übertragenen Sinn): „Die spinnen beim OLG..“ besser nicht.