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Da hatte mal wieder einer einen Igel in der Tasche, oder ca. 142 € versus ca. 570 €…

… ist die erste Reaktion, wenn man den Beschluss des LG Zweibrücken v. 14.06.2010 – Qs 33/10 liest. Die zweite ist dann – im Hinblick auf die der landgerichtlichen Entscheidung zugrunde liegende Kostenfestsetzung des Rechtspflegers – „Frechheit“ (über die auf diese Formulierung eingehenden Kommentare bin ich mir bewusst).

Aber: Der Rechtspfleger setzt die Mindestgebühr (!!!) an, geht also im Grunde vom denkbar geringsten Fall aus und kommt so zu nur rund 142 € gegenüber rund 570 €, die der Verteidiger geltend gemacht hat.

Das LG legt zutreffend dar, dass Ausgangspunkt der anwaltlichen Gebührenberechnung in Strafsachen i.d.R. die Mittelgebühr ist (was sonst?) und die Mindestgebühr eben nur in weit unterdruchschnittlichen Fällen zum Ansatz kommt. Anhand der Kriterien des Einzelfalls wird dann ausgeführt, dass das Verfahren – m.E. zumindest – durchschnittlich ist und genau das festgesetzt,was der Rechtsanwalt beantragt hatte.

Der „Igel in der Tasche“ hat also nicht überlebt..

Wovon du lebst, interessiert mich nicht, oder: Auf deine Gebühren musst du bis zum Verfahrensabschluss warten….

Manche Dinge/Fragen machen mich ärgerlich. Da fragt gerade ein Kollege im Forum bei LexisNexis-Strafrecht in folgender gebührenrechtlichen Konstellation: Er war einem Untersuchungshäftling bei der HB-Eröffnung als Pflichtverteidiger beigeordnet und hat diesen in einer auswärtigen JVA auch besucht. Dort hat sich dann herausgestellt, dass der Mandant einen anderen RA beauftragt hatte. Dementsprechend bat der Kollege dann den noch zuständigen Ermittlungsrichter um Entpflichtung. Er wurde entpflichtet und hat dann umgehend den KFA bzgl. der Nr. 4101 und 4105 VV RVG sowie Fahrtkosten usw. gestellt. So weit, so gut – das hat mich auch nicht ärgerlich gemacht, sondern das, wann dann kommt:

Nun schreibt ihm nämlich der Kammervorsitzende, wo die Sache inzwischen anhängig ist, dass mit einer Kostenfestsetzung erst nach Abschluss des Verfahrens zu rechnen ist und dieser noch nicht absehbar ist, es werden gerade erst die Anklagen zugestellt. Das macht mich ärgerlich, denn:

  1. Warum wird die Vergütung nicht noch im Ermittlungsverfahren festgesetzt?
  2. Warum kommt niemand auf die Idee, ein Kostenheft anzulegen, damit festgesetzt werden kann, ohne dass die Akten benötigt werden; denn die sind „unentbehrlich“?
  3. Warum soll der Kollege, der die Arbeit bereits im Ermittlungsverfahren erbracht hat, nun warten bis das Verfahren abgeschlossen ist – also ggf. auch noch die Revision (zum Hintergrund: Verfahrensdauer ist bei fünf nicht deutschsprachige Angeklagten überhaupt nicht absehbar).
  4. Macht sich eigentlich niemand klar, dass der RA auch „leben“ muss. Aber wie hat schon der Kollege Nebgen so schön gepostet: Richter kennen keine Gebühren, sie kriegen Gehalt.

Im Übrigen: M.E. ist die Auskunft des Vorsitzenden auch falsch. Die Vergütung des Kollegen ist fällig (§ 8 RVG), nachdem die Pflichtverteidigerbeiordnung aufgehoben worden ist. Der Vergütungsantrag muss also beschieden werden. Nur: was kann man tun: Ich würde, wenn sich nichts bald was tut gegen die „Nichtfestsetzung“ Rechtsmittel einlegen, oder, was noch besser 🙂 😉 ist: Ich würde einen Vorschussantrag stellen (§ 47 RVG). Der muss auf jeden Fall beschieden werden, was die Kammer sicherlich sehr freuen wird.

Das werde ich jetzt nicht kommentieren; davon kann sich jeder Leser selbst eine Meinung bilden

Ein Kollege hat mir den Beschl. des AG Kempen v. 14.04.2010 – 2 Ls 94/09 übersandt, mit dem das AG beimVerteidiger nur zwei von drei geltend gemachten Fahrten als i.S. des § 46 RVG notwendig anerkannt hat. Im Beschl. heißt es: “

In der Jugendstrafsache

gegen pp.

niederländischer Staatsangehöriger

Verteidiger:

wegen Erpressung

wird die Erinnerung des Verteidigers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 07.12.2009 als unbegründet verworfen.

Gründe:

Auch nach Auffassung des Gerichts waren nur 2 Fahrten in die JVA Köln notwendig. Der Beschuldigte befand sich insgesamt 3 Monate im Gefängnis, dabei handelt es sich um einen recht kurzen Zeitraum.

Die vom Verteidiger mitgeteilten Gründe der einzelnen Fahrten erscheinen nicht durchgreifend.

Der Ablauf der Hauptverhandlung wurde als Grund für die 3. Fahrt aufgeführt, diese Thematik hätte man an einem der vorherigen Besuchstermine klären können.

Die Absetzung der 3. Fahrt und die entsprechende Kürzung des Antrages vom 02.09.2009 ist somit korrekt und die Erinnerung unbegründet.“

Lassen wir mal die Frage der Berechtigung der Absetzung dahinstehen – sie steht im Übrigen nicht in Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung. Viel interessanter ist nämlich die mir auch vorliegende Stellungnahme des Bezirksrevisors. In der heißt es:

„—– dort beantrage ich die Erinnerung als unbegründet zu verwerfen,

Nach hiesiger Auffassung waren nur 2 Fahrten in die JVA Köln notwendig. Der Beschuldigte befand sich insgesamt 3 Monate im Gefängnis, dabei handelt es sich um einen recht kurzen Zeitraum.

Die vom Verteidiger mitgeteilten Gründe der einzelnen Fahrten erscheinen nicht durchgreifend.

Der Ablauf der Hauptverhandlung wurde als Grund für die 3. Fahrt aufgeführt, diese Thematik hätte man an einem der vorherigen Besuchstermine klären können.

Die Absetzung der 3. Fahrt und die entsprechende Kürzung des Antrages vom 02.09.2009 ist somit korrekt und die Erinnerung unbegründet.“

Die wortgleiche Übereinstimmung will ich nun wirklich nicht kommentieren, außer: Ein wenig Mühe = eine eigene Meinung sollte man sich schon bilden. Der Verteidiger hatte übrigens zwei Seiten unter Anführung von Rechtsprechung und Literatur geschrieben.

Fahrtkosten auch für den auswärtigen Wahlverteidiger – so zutreffend das AG Witten

Ich hatte bereits in StRR 2010, 117 darauf hingewiesen, dass nach der Änderung des § 142 Abs. 1 StPO zum 01.10.2009 durch das 2. Opferrechtsreformgesetz dem auswärtigen Wahlverteidiger bei der Erstattung seiner Fahrtkosten nicht mehr entgegengehalten werden kann/darf, wenn er nicht „ortsansässig“ war. Denn das ist auch für die Bestellung des Pflichtverteidigers kein Kriterium mehr (vgl. dazu Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 5. Aufl., 2010, Rn. 1196 m.w.N.).

Die andere Argumentation würde, worauf jetzt das AG Witten in seinem zutreffenden Beschluss v. 21.04.2010 – 9 Ds-63 Js 63/09-44/09 – hingewiesen hat, den Wahlverteidiger schlechter stellen. Bis sich die zutreffende Ansicht des AG Witten durchgesetzt hat, sollte in den Kostenfestsetzungsanträgen auf diese Argumentation und die „richtige“ Entscheidung des AG Witten hingewiesen werden.

Wenn ich will, helfe ich dir – LG Magdeburg rettet Kostenfestsetzung

Das LG Magdeburg hat jetzt einem RA geholfen, dem das AG entgegengehalten hatte, dass eine Kostenentscheidung keine ausreichende Grundlage für seinen Festsetzungsantrag war. (vgl. Beschl. v. 06.07.2009, 25 Qs 57/09). Im Beschluss heißt es:

„Das Amtsgericht Aschersleben hat in seiner Einstellungsentscheidung sehr wohl eine Entscheidung über die Verfahrenskosten und notwendigen Auslagen der Angeklagten getroffen. Zwar ist die vorgenannte Formulierung unpräzise, aber auslegungsfähig. Das Gesetz zwingt den Richter nicht zu einer bestimmten Wortwahl, wenn er eine Entscheidung trifft. Die Formulierung „auf Kosten der Staatskasse“ ist durchaus gebräuchlich und kann auch ohne weiteres dahin verstanden werden, dass sowohl über die Verfahrenskosten als auch über die notwendigen Auslagen entschieden werden sollte. Die Rechtspflegerin hat im Rahmen ihrer Entscheidung über einen Kostenerstat­tungsantrag grundsätzlich zu berücksichtigen und ggfs. auszulegen, welche Entscheidung das Gericht treffen wollte, wenn eine Formulierung gewählt wurde, die nicht eindeutig ist. Ist die Rechtspflegerin dazu nicht in der Lage, kann sie ggfs. eine dienstliche Äußerung des entscheiden­den Richters einholen. Dies hat die Kammer auch getan. im Rahmen der dienstlichen Äußerung hat Richterin am Amtsgericht sich dahin geäußert, dass es sich bei der Kostenentscheidung um den gesetzlichen Regelfall des § 467 Abs. 1 StPO gehandelt hat. Eine ausdrückliche Aufnahme der Entscheidung über die notwendigen Auslagen sei versehentlich nicht erfolgt. Hinzu kommt, dass das Gericht die Ausnahmetatbestände des § 467 Abs. 2 und 3 StPO in seiner Entscheidung nicht genannt hat, was aber bei einer Abweichung vom Regelfall zu erwarten gewesen wäre. Im Ergebnis folgt die Kammer den ausführlichen Gründen des Oberlandesgerichts Naumburg in seinem Beschluss vom 17. Januar 2001, Az.: 1 Ws 13/01, NStZ-RR 2001, 189.“

Manchmal ist man erstaunt, wie einfach sich manche Dinge regeln lassen (wenn man nur will).