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Festes Würgen am Hals – nicht immer gefährliche Körperverletzung

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Das AG verurteilt den Angeklagten wegen einer gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB, und zwar auf der Grundlage folgender Feststellungen:

„Das Amtsgericht hat insoweit festgestellt, dass der Angeklagte die Nebenklägerin, die gegen die abgeschlossene Hotelzimmertür trommelte und um Hilfe schrie, wutentbrannt packte und ihr den Hals zudrückte, damit sie still sei.

Weiter hat das Amtsgericht insoweit ausgeführt:  „ (…) Er drückte mit beiden Händen den Hals zu, so dass die Zeugin keine Luft mehr bekam. Die Zeugin erlitt hierdurch Schmerzen und hatte Schluckbeschwerden. An ihrem Hals waren Rötungen vorhanden. (…)“. 

Das reicht nach Auffassung des OLG für eine das Leben gefährdende Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht aus. dazu der OLG Hamm, Beschl. v. 28.10.2013 – 5 RVs 104/13:

„Zwar muss – wie auch das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat – die Tathandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB nicht dazu führen, dass das Opfer der Körperverletzung tatsächlich in Lebensgefahr gerät, sondern die jeweilige Einwirkung muss lediglich abstrakt geeignet sein, eine solche Gefährdung herbeizuführen. Danach kommt festes Würgen am Hals zwar grundsätzlich als geeignete Tathandlung in Betracht. Allerdings ist nicht jeder Angriff auf den Hals des Opfers in der Form des Würgens, der zu würgemalähnlichen Druckmalen oder Hautunterblutungen führt,  eine das Leben gefährdende Behandlung im Sinne dieser Vorschrift. Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit vielmehr Dauer und Stärke der Einwirkung, zu denen sich die Urteilsfeststellungen je nach Lage des Falles verhalten müssen (st. Rspr. des Bundesgerichtshofs, vgl. z.B. BGH, NStZ-RR 2004, 44 m.w.N.; BGH, Urteil vom 25. Oktober 2005 zu 4 StR 185/05, zitiert nach juris Rn. 10 m.w.N.; BGH, Beschluss vom 12. März 2013 zu 4 StR 42/13, zitiert nach juris Rn. 4)

Zu den näheren Umständen der Tatausführung, etwa dazu, ob der Nebenklägerin durch die Einwirkung des Angeklagten die Halsschlagader abgeschnürt wurde, enthalten die Urteilsgründe allerdings keine Feststellungen. Dies gilt gleichfalls für die hier möglicherweise bedeutsame Zeitspanne zwischen dem Eintritt der Atemnot bei der Nebenklägerin und dem Nichtweiterhandeln des Angeklagten.“

„Dritte Halbzeit“: „Cosa Nostra“ gegen „Schickeria“

Wir allen kennen den Begriff der „dritten Halbzeit“. Gemeint sind damit Ausschreitungen vor und/oder nach einem Fußballspiel. Damit hat sich vor einiger zeit der BGH im BGH, Beschl. v. 20.02.2013, 1 StR 585/12 (vgl. hier: “Komm lass uns kloppen” – Die ggf. strafbare “dritte Halbzeit”) befasst. Nun hat das OLG München nachlegen müssen. Bei ihm ging es um eine Auseinandersetzung im Vorfeld eines Fußballspiel zwischen den U-19-Mannschaften des FC Bayern München und des TSV 1860 München.  Aufeinander getroffen sind die dem TSV 1860 München nahestehende Fangruppierung mit dem „schönen“ Namen „Cosa Nostra“ und die dem dem FC Bayern München nahestehende Fangruppierung „Schickeria“ :-).  Wegen der dabei stattgefundenen Körperverletzungen war es zu einer Verurteilung durch das AG München wegen Körperletzung gekommen. Die hat dann das OLG beschäftigt, das auf der Grundlage der o.a. BGH-Rechtsprechung den Freispruch durch das LG München I aufgehoben und damit die AG-Verurteilung „gehalten“ hat.

Die amtlichen Leitsätze des OLG München, Urt. v. 26.o9.2013 – 4 StRR 150/13 – lauten:

1. Eine Körperverletzungshandlung kann trotz Einwilligung auf Grund der konkreten, die Tatausführung begleitenden Umstände gegen die guten Sitten verstoßen und rechtswidrig sein (§ 228 StGB).

 2. Die Sittenwidrigkeit wechselseitiger Körperverletzungen bei tätlichen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen kann sich trotz fehlender konkreter Lebensgefahr sowohl aus der ex ante zu beurteilen-den unkontrollierbaren Eskalationsgefahr des Tatgeschehens mit nicht ausschließbaren gravierenden Körperverletzungsfolgen bis hin zu einer konkreten Lebensgefahr bezüglich einzelner Teilnehmer (im Anschluss an BGH, Beschluss v. 20.2.2013, 1 StR 585/12) als auch aus einer konkret gegebenen Gefährdung von Rechtsgütern Dritter ergeben.

 3. Der Schutz des Selbstbestimmungsrechts über die eigene körperliche Integrität kann nur soweit gehen, als dadurch keine Grundrechte Dritter beeinträchtigt werden. Bei der Wahl des öffentlichen Verkehrsraums als „Austragungsort“ einer konsentierten Prügelei ist absehbar, dass unbe-teiligte Dritte in die tätlichen Auseinandersetzungen mit hineingezogen und in ihren Rechten, insbesondere in ihrer Willensentschließungsfreiheit und der körperlichen Integrität verletzt werden.

Zigarettenrauch ins Gesicht ist Körperverletzung – dagegen Notwehr erlaubt.

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Nach meinem Urlaub habe ich in meinem Postkasten die LTO-Nachricht von LTO zu einem AG Erfurt-Urteil betreffend Passivrauchen gefunden bzw. zu dessen „Auswirkungen“.

Das AG Erfurt hat danach am 18. 09.2013 eine 25 Jahre alte Frau frei gesprochen, die bei einem Discobesuch im vergangenen Juni einem Raucher ein Glas an den Kopf geworfen hatte, nachdem dieser ihr provokant Zigarettenqualm ins Gesicht geblasen hatte. Dagegen habe sich die Frau zur Wehr setzen dürfen, alle Voraussetzungen der Notwehr seien erfüllt, urteilte der Strafrichter. Näheres hier bei LTO unter: Zigarettenrauch ins Gesicht pusten ist Körperverletzung

Kantholz

entnommen: openclipart.org

Die Frage: minder schwerer Fall, ja oder nein? hat bei der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 StGB) für die Strafzumessung erhebliche Bedeutung. Zwar ist das Tatgericht in der Beurteilung der Strafzumessungserwägungen verhältnismäßig frei – „ureigene Aufgabe des Tatrichters“ – bei Rechtsfehlern kann und darf das Revisionsgericht aber eingreifen. Das musste sich jetzt eine Strafkammer des LG Detmold vom OLG Hamm sagen lassen. Das LG hatte einen minder schweren Fall angenommen, und zwar auf der Grundlage folgender Feststellungen:

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts bestanden zwischen dem Angeklagten und dem späteren Geschädigten T schon seit einiger Zeit Streitigkeiten und Spannungen, weil T ein (Liebes-)Verhältnis mit der Freundin des Bruders des Angeklagten unterhielt. Am 17. April 2012 trafen der Angeklagte und T vor dessen Wohnung, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Betrieb, in dem der Angeklagte als Lager- und Versandarbeiter tätig ist, befindet, zusammen. Der Angeklagte sprach T, der gerade aus seinem Pkw ausgestiegen war, an, und es entwickelte sich eine heftige Diskussion, in deren Verlauf der Angeklagte T aufforderte, er solle innerhalb von vier Wochen aus seiner Wohnung ausziehen, anderenfalls werde er, der Angeklagte, ihn „totschlagen“. Nachdem es in der Folge dieser verbalen Auseinandersetzung noch zu einer „Rangelei“ zwischen dem Angeklagten und T gekommen war, begab sich T zunächst in das Haus, in dem sich seine Wohnung befindet. Er ärgerte sich jedoch über das Verhalten des Angeklagten und begab sich wieder nach draußen. Dort erklärte er dem Angeklagten, dieser habe ihm, T, nichts zu sagen und könne ihn „am Arsch lecken“. Der Angeklagte nahm daraufhin einen Holzbalken (Kantholz) von einer in der Nähe stehenden Palette und schlug mit diesem Holzstück mindestens zweimal gegen das Gesicht des T. T gelang es, den ersten Schlag abzuwehren. Der zweite Schlag traf ihn indes im Bereich des linken Ohres. T konnte den Angeklagten danach packen, woraufhin beide Kontrahenten zu Boden gingen. Als Folge des – zweiten – Schlages blutete das linke Ohr des T, er erlitt zudem eine Schädelprellung mit einer hämatösen Prellmarke.

Das OLG Hamm hat das – wohl zu Recht – anders gesehen und kommt im OLG Hamm, Beschl. v. 21.05.2013 – 3 RVs 27/13 – zur Aufhebung, denn:

Gemessen an diesem Maßstab, begegnet die Annahme eines minder schweren Falles der gefährlichen Körperverletzung durch das Landgericht durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Bereits nach dem Gesamtbild der Tat liegt die Annahme, dass der vorliegende Fall sich nach dem Gewicht von Unrecht und Schuld vom Durchschnitt vorkommender Fälle so zu Gunsten des Angeklagten abhebt, dass die Anwendung des Strafrahmens für minder schwere Fälle geboten erscheint, eher fern. Die Ausführungen des Landgerichts lassen überdies besorgen, dass die Strafkammer bei der Abwägung einseitig nur (vermeintlich) zugunsten des Angeklagten sprechende Gesichtspunkte berücksichtigt hat. In mehrfacher Hinsicht fehlt es an der gebotenen Auseinandersetzung mit gegen den Angeklagten sprechenden Aspekten. Die Erwägung der Strafkammer, die Tat habe sich aus der Situation heraus ergeben und sei darauf zurückzuführen, dass der Geschädigte T nach der ursprünglichen Auseinandersetzung noch einmal zu dem Angeklagten gegangen sei und diesen angesprochen habe, lässt eine Auseinandersetzung mit dem Umstand vermissen, dass nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen Ausgangspunkt des gesamten Tatgeschehens ein provozierendes Verhalten des Angeklagten war und die der gefährlichen Körperverletzung unmittelbar vorausgehende Ansprache des Angeklagten durch den Geschädigten eine nachvollziehbare – wenn auch in der Wortwahl sicher teilweise unsachliche – Reaktion auf die vorangegangenen Aggressionen des Angeklagten darstellte. Von einer Tatprovokation durch den Geschädigten – hierauf will das Landgericht vermutlich hinaus – kann vor diesem Hintergrund kaum die Rede sein. Warum der Umstand, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der gefährlichen Körperverletzung keinen Nötigungsvorsatz (mehr) hatte, die Körperverletzungstat also nicht zugleich – tateinheitlich – noch einen weiteren Straftatbestand erfüllte, zur Begründung der Annahme eines minder schweren Falles geeignet sein soll, erschließt sich dem Senat nicht. Bei einer blutenden Wunde und einer Schädelprellung handelt es sich auch keineswegs nur um geringfügige Verletzungen. Die Strafkammer setzt sich auch nicht hinreichend mit dem Umstand auseinander, dass es letztlich nur den Abwehrbewegungen des Geschädigten zu verdanken sein dürfte, dass es trotz der erheblichen konkreten Gefährlichkeit der von dem Angeklagten ausgeführten Schläge nicht zu noch schlimmeren Verletzungen gekommen ist. Es ist nicht ohne Weiteres nachvollziehbar – wenn nicht sogar widersprüchlich -, dass das Landgericht einerseits zur Begründung der Annahme eines minder schweren Falles auf die nach seiner Ansicht geringfügigen Verletzungsfolgen hinweist, andererseits aber insbesondere im Rahmen der Anwendung des § 47 Abs. 2 StGB der konkreten Gefährlichkeit der Schläge ein ganz besonderes Gewicht beimisst.

Strafzumessung: Die unwahre Notwehrbehauptung – zulässig?

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Der Angeklagte wird u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Der BGH, Beschl. v. 29.01.2013 – 4 StR 532/12 – hebt auf die Revision des Angeklagten das Urteil im Strafausspruch auf. Hintergrund?

Der Angeklagte hatte in der Hauptverhandlung zu einem Tatvorwurf erklärt, den Zeugen H. geschlagen zu haben, als dieser nach einer zunächst verbal geführten Auseinandersetzung eine Teleskopstange mit einem kleinen Ball an der Spitze in die Hand nehmen wollte. In einem weiteren habe ihn die Zeugin B. mit einer Handtasche geschlagen. Er habe gesehen, dass er an der rechten Hand geblutet habe und ein Messer in der linken Hand der Zeugin wahrgenommen. Dieses Messer habe er ihr wegnehmen wollen. Schließlich habe er sie an der linken Schulter ergriffen und „herumgewirbelt“. Auch glaube er um sich geschlagen zu haben, weil er das Gefühl hatte, sich wehren zu müssen. Das LG hatte in diesen Einlassungen einen schulderhöhenden Umstand gesehen, weil der Angeklagte den Zeugen H. und die Zeugin B. verdächtigt habe, sich ihm gegenüber der versuchten bzw. der vollendeten Körperverletzung schuldig gemacht zu haben. Der BGh hat das als rechtsfehlerhaft angesehen.

„b) Grundsätzlich ist es einem Angeklagten nicht verwehrt, sich gegen den Vorwurf der Körperverletzung mit der Behauptung zu verteidigen, er habe in Notwehr gehandelt. Soweit damit Anschuldigungen gegen Dritte verbunden sind, werden die Grenzen eines zulässigen Verteidigungsverhaltens dadurch nicht überschritten (BGH, Beschluss vom 6. Juli 2010 – 3 StR 219/10, NStZ 2010, 692; MükoStGB/Miebach, 2. Aufl., § 46 Rn. 129). Eine wahrheitswidrige Notwehrbehauptung kann erst dann straferschwerend gewertet werden, wenn Umstände hinzukommen, nach denen sich dieses Verteidigungsverhalten als Ausdruck einer zu missbilligenden Einstellung darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2007 – 4 StR 60/07, NStZ 2007, 463; Beschluss vom 27. April  1989 – 1 StR 10/89, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 4; SSW-StGB/Eschelbach, § 46 Rn. 124). Dies ist hier nicht der Fall. Der Angeklagte hat sich auf die wahrheitswidrige Behauptung eines drohenden (Fall II. 2a der Urteilsgründe) bzw. eines bereits eingeleiteten Angriffs (Fall II. 2b der Urteilsgründe) der Zeugen beschränkt. Darüber hinausgehende Verleumdungen oder Herabwürdigungen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 1990 – 3 StR 85/90, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 8; Beschluss vom 11. Mai 1989 – 1 StR 184/89, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 5), die eine straferschwerende Bewertung rechtfertigen könnten, sind in seinem Vorbringen nicht enthalten. Auch hat der Angeklagte die Zeugen nicht einer besonders verwerflichen Handlung bezichtigt (vgl. BGH, Urteil vom 14. November 1990 – 3 StR 160/90, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 10), sodass nicht angenommen werden kann, dass es ihm darum ging, ihr Ansehen über das verfolgte Verteidigungsziel hinaus zu beschädigen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 1994 – 1 StR 71/94, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsver-halten 13).“

Nun, und dann haben wir noch einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot:

„2. Die Bemessung der Einzelstrafe im Fall II. 2b der Urteilsgründe (Tat zum Nachteil der Zeugin B. ) ist auch deshalb rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht straferschwerend berücksichtigt hat, dass es zum Einsatz eines Messers kam (UA 31). Hierin liegt ein Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB, da die Verwendung des Messers bereits zur Begründung der Strafbarkeit des Angeklagten nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB herangezogen worden ist. Soweit das Landgericht in diesem Zusammenhang darauf abgehoben hat, dass es mit dem Messereinsatz zu einer Steigerung der Übergriffe des Angeklagten auf die Zeugin gekommen ist, wird damit nicht lediglich das Vortatverhalten des Angeklag-ten gewürdigt, sondern auch die Verwendung des Messers mit negativem Vorzeichen in die Bewertung einbezogen.