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BVerfG: Im Klageerzwingungsverfahren es bitte nicht mit der Begründung übertreiben

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Im dritten Beitrag zu Entscheidungen des BVerfG (vgl. zum ersten Rechtsbeugung in Erfurt, oder: Wenn der OWi-Richter sauer ist…. und zum zweiten 4 x innerhalb von 10 Tagen BVerfG zur Durchsuchung – da liegt wohl was im Argen) geht es um das sog. Klageerzwingungsverfahren (§ 172 StPO). Dazu muss das das BVerfG auch immer wieder Stellung nehmen, weil nämlich hinsichtlich der Anforderungen an die Zulässigkeit eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung die Hürden hoch liegen, m.E. fast noch höher als bei der Begründung der Verfahrensrüge bei der Revision (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Und das BVerfG hat schon mehrfach beanstandet, dass die Hürden von den OLG zu hoch gelegt werden. Mit den Fragen setzt sich dann jetzt im BVerfG, Beschl. v. 27.07.2016 – 2 BvR 2040/15 – das BVerfG noch einmal auseinander. Mein Fazit: Die OLG dürfen nicht zu streng sein. Im vorgestellten Fall hat es für das OLG Celle gerade noch einmal gereicht. Bedenken hatte das BVerfG, zur Aufhebung haben sie aber nicht geführt:

bb) Zu den tragenden Erwägungen der angegriffenen Entscheidung gehört der Umstand, dass die Antragsschrift eine den Beschuldigten entlastende Einlassung des Zeugen S. nicht wiedergegeben habe. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Allerdings begegnet der vom Oberlandesgericht insofern angelegte einfachgesetzliche Maßstab mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG verfassungsrechtlichen Bedenken.

(1) Der Zweck des Klageerzwingungsverfahrens darf nicht darauf verkürzt werden, den Oberlandesgerichten eine bloße Aufsicht über die Richtigkeit der staatsanwaltschaftlichen Einstellungsbescheide zu überantworten. Für die gerichtliche Kontrolle im Klageerzwingungsverfahren kommt es vielmehr darauf an, ob zum Zeitpunkt der Entscheidung aus der Sicht des Oberlandesgerichts genügender Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage besteht.

Verlangt das Gericht für die Zulässigkeit des Antrags eine Wiedergabe der Ermittlungsergebnisse auch dann, wenn diese für die in den Bescheiden der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft dokumentierten Entscheidungen keine Rolle spielen und sich die Antragsschrift auch im Übrigen nicht auf die Ermittlungsakten bezieht, so verfehlt dies die norminternen Direktiven der Rechtsschutzgarantie in verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise.

Im Lichte von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG interpretiert, gestattet § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO allerdings, dass die Oberlandesgerichte in die Lage versetzt werden, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten eine Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen. Um sie vor einer Überlastung durch unsachgemäße und unsubstantiierte Anträge zu bewahren, kann für einen zulässigen Antrag gefordert werden, dass die Antragsschrift in groben Zügen den Gang des Ermittlungsverfahrens, den Inhalt der angegriffenen Bescheide und die Gründe für ihre Unrichtigkeit wiedergibt sowie eine aus sich selbst heraus verständliche Schilderung des Sachverhalts enthält, der bei Unterstellung eines hinreichenden Tatverdachts die Erhebung der öffentlichen Klage rechtfertigt. Entlastende Umstände, auf die sich auch Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft nicht stützen und deren Angabe nicht erforderlich ist, um das Ermittlungsverfahren in groben Zügen darzustellen, sind für eine Schlüssigkeitsprüfung insoweit nicht unentbehrlich.

Der wesentliche Inhalt eines Beweismittels, der in den staatsanwaltschaftlichen Bescheiden keine Rolle spielt, muss nur dann dargestellt werden, wenn die Antragsschrift auf die Ermittlungsakten zurückgreift, insbesondere weil sie auf diesem Weg das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts aufzeigen möchte. In diesem Fall kann eine selektive Wiedergabe dem Zweck des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO zuwiderlaufen. Gelingt es der Antragsschrift aber, die Unrichtigkeit der staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen darzustellen und auf der Grundlage der dort verarbeiteten Ermittlungsergebnisse schlüssig das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts zu belegen, ist diesem Zweck Genüge getan. Anders als das Oberlandesgericht meint, ist die Frage, ob aus seiner Sicht genügender Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage besteht, keine Voraussetzung für den Zugang des Antragstellers zu Gericht, sondern für die Anklageerhebung (§§ 170, 174 StPO). Dass sich aus den Ermittlungen insgesamt ein hinreichender Tatverdacht ergibt, darf daher nicht zu einer Voraussetzung der Zulässigkeit des Antrags gemäß § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO gemacht werden.

(2) Die Anwendung von § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO im vorliegenden Fall genügt vorliegend jedoch den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Die Beschwerdeführerin hatte sich dazu entschieden, die Einlassungen des Beschuldigten und der Zeugen in der Antragsschrift wiederzugeben, und dabei umfangreich auf Inhalte der Ermittlungsakten zurückgegriffen. Sie war daher gehalten, zumindest den wesentlichen Inhalt der Beweismittel mitzuteilen, um eine nur selektive und dadurch gegebenenfalls sinnentstellende Darstellung der Ermittlungsergebnisse zu verhindern.

Vor diesem Hintergrund ist die Auffassung des Oberlandesgerichts, die Antragsschrift gebe insoweit nicht den wesentlichen Inhalt der Ermittlungsergebnisse wieder, verfassungsrechtlich noch vertretbar. Die Antragsschrift gibt unter anderem die Angaben des Zeugen S. wieder, der als einziger etwas darüber aussagen konnte, ob der Geschädigte das Messer bei Abgabe des zweiten Schusses noch in der Hand hielt. Bei der Wiedergabe dieser Aussage hat sie die vom Oberlandesgericht hervorgehobenen Passagen jedoch ausgelassen, obwohl für die Beschwerdeführerin Anlass bestanden hätte, insofern vollständig vorzutragen. Der Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft schildert insoweit, dass der Beschuldigte der Auffassung gewesen sei, schießen zu müssen, weil der Geschädigte das noch unbeschädigte Messer in der erhobenen rechten Hand gehalten und so den Eindruck erweckt habe, angreifen zu wollen. Der Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft greift die Aussage des Zeugen S. auf, wonach das Messer in der Hand des Geschädigten unbeschädigt gewesen sei. Dagegen behauptet die Antragsschrift, zusätzliche Ermittlungen hätten zeigen können, dass das Messer durch den ersten Schuss bereits zerstört worden sei und der Geschädigte zum Zeitpunkt des zweiten Schusses das Messer nicht mehr in der Hand gehalten habe. Dieser Umstand ist maßgeblich für die rechtliche Erwägung, dass die Tötung des Geschädigten durch Notwehr gerechtfertigt war. Die Auffassung des Oberlandesgerichts, dabei handele es sich um einen den Beschuldigten entlastenden Umstand von solchem Gewicht, dass er neben den diesen belastenden Aspekten nicht habe verschwiegen werden dürfen, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Solche zeigt auch die Beschwerdeführerin nicht auf.“

Klageerzwingung III: Die Hürden sind (zu) hoch, oder: Das BVerfG hilft

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Die von den OLG aufgestellten Hürden, um einen zulässigen Klageerzwingungsantrag zu stellen, sind sehr hoch. Viele/die meisten Anträge scheitern daran, dass den OLG der Sachvortrag nicht ausreicht. So auch in einem dem BVerfG, Beschl. v. 21.10.2015 -2 BvR 912/15 zugrunde liegenden Klageerzwingungsverfahren in Hamburg. In dem hatte das OLG Hamburg in einem Verfahren wegen Körperverletzung mit Todesfolge durch zwei Ärzte das OLG den Antrag der Eltern des verletzten Kindes zurückgewiesen. Das BVerfG hat auf die Verfassungsbeschwerde diese Zurückweisung als verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbar angesehen:

Klageerzwingung I: Der Erbe als Antragsteller?

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In meinem Blogordner haben sich einige Entscheidungen zum sog. Klageerzwingungsverfahren (§§ 172 ff. StPO) 2 angesammelt, die ich heute dann mal posten will. Zum Aufwärmen 🙂 zunächst der OLG Bamberg, Beschl. v. 17.12.2015 – 3 Ws 47/15, der sich zur Antragsbefugnis des Erben und Pflichtteilsberechtigten im Klageerzwingungsverfahren verhält. Dazu schreibt das OLG die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung in der Frage noch eimal fest, was es in folgenden Leitsätzen festgehalten hat:

  1. Als zur Antragstellung berechtigter „Verletzter“ i.S.v. § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO kann nur derjenige angesehen werden, der durch die behauptete Straftat – ihre Begehung unterstellt – in seinen Rechten, Rechtsgütern oder rechtlich anerkannten Interessen unmittelbar beeinträchtigt ist (u.a. Festhaltung an OLG Bamberg, Beschl. v. 07.10.2008 – 3 Ws 60/08 = OLGSt StPO § 172 Nr. 47 und OLG Stuttgart Justiz 2010, 309).
  2. Der Erbe eines durch ein Vermögens- oder Eigentumsdelikt Geschädigten ist weder unmittelbar Verletzter i.S.v. § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO noch geht das höchstpersönliche Antragsrecht nach § 172 II StPO durch Erbfall auf ihn über. Dies gilt erst recht für den Inhaber eines lediglich schuldrechtlichen Pflichtteilsanspruchs gegenüber dem Erben (u.a. Anschluss an OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.12.2008 – 1 Ws 208/08 und v. 30.09.2008 – 1 WS 147/08 [bei juris]; OLG Schleswig, Beschl. v. 16.05.2006 – 2 Ws 155/06 = SchlHA 2007, 286 und OLG Düsseldorf, Beschl. v. 17.01.1994 – 2 Ws 396/93 = wistra 1994, 155).

Der Verein im Klageerzwingungsverfahren, oder: Zivilrecht meets Strafrecht

buch_paragraphenzeichen_BGB_01Wer meine Vita ein wenig kennt, weiß, dass ich „strafverfahrensrechtliche Vorkinder“ habe. Dazu gehört mein „Vereinrecht, Ein Leitfaden für Vereine und ihre Mitglieder“, das als Leitfaden für Vereinsmitglieder und Vorstände inzwischen in 9. Auflage erschienen ist. Und gerade wegen dieses Vorkindes interessieren mich Entscheidungen der Strafgerichte, die auch einen Bezug zum Vereinrecht haben, besonders.

In die Kategorie gehört der KG, Beschl. v. 09.11.2015 – 3 Ws 554/15, in dem es um einen (ausländischen) Verein im Klageerzwingungsverfahren ging. Der Antrag ist an den strengen Anforderungen für einen solchen Antrag gescheitert. Das KG fasst seine Entscheidung in folgenden Leitsätzen zusammen:

Betreibt ein ausländischer Verein das Klageerzwingungsverfahren, erfordert § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO Darlegungen zu den Vertretungsverhältnissen und zur Prozessfähigkeit (§ 56 ZPO).

Ein der Wahrnehmung palästinensischer Interessen verpflichteter Verein ist nicht Geschädigter (§§ 171, 172 StPO) einer Volksverhetzung. Denn das individualisierte Rechtsgut des § 130 StGB ist die Menschenwürde, die nur natürlichen Personen zukommt.  

Hat das Klageerzwingungsverfahren neben Privatklagedelikten auch ein Offizialdelikt zum Gegenstand, so ist der Antrag insgesamt unzulässig, wenn der Antrag in Bezug auf das Offizialdelikt unzulässig ist.“

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Wie ist das mit den Gebühren im Klageerzwingungsverfahren?

© haru_natsu_kobo Fotolia.com

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Am vergangenen Freitag hatte ich das Posting: Wie ist das mit den Gebühren im Klageerzwingungsverfahren? veröffentlicht, das mit der Frage abgeschlossen hat, ob die Abrechnung/Ansicht der Staatskasse in dem Sache richtig war. Nun, dazu gibt es einen Beschluss, nämlich den OLG Koblenz, Beschl. v. 08.08.2014 – 1 Ws 56/14. Und: M.E. nur zum Teil richtig,w as das OLG da gemacht hat. Dazu kurz:

  • Zutreffend ist der Ansatz des OLG, dass es sich bei den „durch das Verfahren über den Antrag veranlassten Kosten“ i.S. des § 177 StPO, die von einer Kostenentscheidung des OLG nach § 177 StPO erfasst werden, immer nur um die im Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung/Klageerzwingungsverfahren nach § 172 Abs. 2 StPO entstandenen Kosten handeln kann. Die demgegenüber vom Kollegen in der Frage und auch gegenüber dem OLG vertretene andere Auffassung, dass sich nämlich die Kostenentscheidung des OLG nicht lediglich auf das Klageerzwingungsverfahren, sondern auf das gesamte Strafverfahren beziehe, würde dem Wortlaut der Vorschrift des § 177 StPO widersprechen.
  • Zutreffend ist die Entscheidung des OLG auch noch insoweit, wenn ihr (inzidenter) die Annahme zugrunde liegt, dass auch der Verteidiger des Beschuldigten im Klageerzwingungsverfahren nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG abrechnet und für ihn grds. die Gebühren Nr. 4100, 4104 VV RVG entstehen. Zutreffend ist es auch, wenn das OLG davon ausgeht, dass dann, wenn der Rechtsanwalt den Beschuldigten zuvor auch schon im Ermittlungsverfahren verteidigt hat, für dessen Tätigkeiten im Klageerzwingungsverfahren nach § 172 Abs. 2 StPO nicht zusätzliche Gebühren entstehen. Vielmehr werden diese Tätigkeiten – ebenso wie z.B. Tätigkeiten des Verteidigers in einem Beschwerdeverfahren durch die allgemeinen Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG mitabgegolten.
  • Unzutreffend ist die Entscheidung des OLG aber, wenn einfach festgestellt wird, dass „keine durch das Klageerzwingungsverfahren veranlassten erstattungsfähigen Gebühren angefallen“ seien. Richtig ist, dass keine besonderen Gebühren(tatbestände) angefallen sind und die Tätigkeit des Verteidigers im Klageerzwingungsverfahren durch die für seine Tätigkeiten im (Ermittlungs)Verfahren entstandene (Verfahrens)Gebühr Nr. 4100 VV RVG abgegolten wird. Das OLG übersieht aber, dass die Tätigkeit im Klageerzwingungsverfahren zu einem Mehraufwand des Verteidigers geführt hat, der im Zweifel zur Folge hat, dass deshalb die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG höher innerhalb des Rahmens zu bemessen ist als sie ohne diese Tätigkeiten zu bemessen wäre. Insoweit gilt dasselbe wie für die Abrechnung von Beschwerden im Bereich von Teil 4 VV RVG. Das OLG hätte also die sog. Differenztheorie anwenden und einmal die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG mit Klageerzwingungsverfahren und einmal ohne Klageerzwingungsverfahren ermitteln müssen Der Unterschiedsbetrag wären durch das Klageerzwingungsverfahren veranlasste erstattungsfähige Gebühren i.S. des § 177 StPO gewesen und würden durch die Kostenentscheidung des OLG erfasst und wären damit von der Antragstellerin zu erstatten.