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Neues (?) aus Hamm zur menschenunwürdigen Unterbringung…………

Keine Entschädigung wegen menschenunwürdiger Haftsituation in der Justizvollzugsanstalt Detmold

Der 11. Zivilsenat des OLG Hamm hat am 29.09.2010 die Klagen zweier Strafgefangener abgewiesen, die von dem beklagten Land eine Entschädigung wegen menschenunwürdiger Unterbringung in der Justizvollzugsanstalt Detmold verlangt hatten ( I-11 U 88/08 und I-11 U 367/09).  In der PM heißt es:

Die klagenden Gefangen waren jeweils mehrere Monate in Gemeinschaftshafträumen untergebracht. In einem Fall standen vier Gefangenen eine Fläche von knapp 18 m² und eine nicht abgeschlossene Toilette zur Verfügung, in dem anderen Fall mussten sich zwei Inhaftierte einen Haftraum von 9 m² teilen, die Toilette war durch eine Schamwand abgetrennt. Der 11. Zivilsenat des OLG hat einen Entschädigungsanspruch dieser Gefangenen nun verneint. Eine gemeinsame Unterbringung mehrerer Gefangener in einem Haftraum sei menschenunwürdig, wenn die Grundfläche des Haftraums pro Gefangenem 5 m² unterschreite oder wenn sich in dem Haftraum eine Toilette ohne ausreichenden Sicht-, Geruchs- und Geräuschschutz befinde. Eine derartige Unterbringung verstoße gegen die im Justizvollzug bestehende Kardinalpflicht, Häftlinge menschenwürdig zu behandeln. Soweit diese Unterbringung nicht nur kurzfristig erfolge, begründe dies eine schuldhafte und entschädigungspflichtige Amtspflichtverletzung, wenn der Häftling keine Möglichkeit habe, dieser Art der Unterbringung zu entgehen. Es sei nicht erforderlich, dass psychische oder körperliche Gesundheitsschäden eingetreten seien, weil andernfalls die erhebliche Rechtsverletzung sanktionslos bliebe und so der Schutz der Menschenwürde und des Persönlichkeitsrechts verkümmern würde.

Den klagenden Strafgefangen stehe aber keine Entschädigung zu, weil ihnen seinerzeit geeignete Haftplätze in anderen Anstalten angeboten worden waren und sie sich in Kenntnis dieser Angebote schriftlich mit der nun beanstandeten Unterbringung einverstanden erklärt und auch im weiteren Verlauf keine Verlegung mehr verlangt hatten.

Zu der Problematik vgl. auch hier, hier und hier.

Urteile vom 29.09.2010, Az.: I-11 U 88/08 und I-11 U 367/09

PM vom 29.09.2010

Optische Beobachtung in der JVA erlaubt, Speicherung der „Beobachtungsdaten“ nicht unbedingt

Das OLG Celle hat jetzt im Beschl. v. 11.08.2010 – 1 Ws 366/10 (StrVollz) zur Frage der optischen Beobachtung von JVA-Besuchen Stellung genommen und ausgeführt: Die Beobachtung des Besuchsraums einer JVA durch eine Kamera sei eine zulässige Methode der optischen Besuchsüberwachung nach § 28 Abs. 1 Satz 1 NJVollzG. § 28 NJVollzG biete aber keine Ermächtigungsgrundlage für die Speicherung der Kamerabilder eines überwachten Gefangenenbesuchs; insoweit komme nur § 191 Abs. 1 NJVollzG als Ermächtigungsgrundlage in Betracht. Insoweit hat das OLG den Beschluss der StVK dann (erneut) aufgehoben und zurückverwiesen. Da muss also nachgearbeitet werden, wobei das OLG einen Unterschied zwischen Speicherung nach § 28 NJVollzG und § 191 NJVollzG macht.

Interessant m.E. auch dieser mehr als deutliche Hinweis des OLG:
Für die weitere Bearbeitung der Sache weist der Senat mit Blick auf die bevorstehende Entlassung des Antragstellers aus dem Strafvollzug vorsorglich darauf hin, dass das Feststellungsinteresse vorliegend nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr, sondern auch wegen des geltend gemachten schwerwiegenden Grundrechtseingriffs bestehen dürfte.

Weiter gibt die dem Senatsbeschluss in dieser Sache vom 9. März 2010 widersprechende Behandlung des Antrags auf Löschung der Aufzeichnung als unzulässiger Verpflichtungsantrag Anlass zu dem Hinweis, dass die Strafvollstreckungskammer bei Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 120 Abs. 1 StVollzG i.V.m. § 358 Abs. 1 StPO die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt ist, ihrer neuen Entscheidung zu Grunde zu legen hat (vgl. OLG Nürnberg StV 2000, 573 [OLG Celle 19.05.2000 – 1 Ws 87/00]; OLG Stuttgart MDR 1985, 434; Callies/Müller-Dietz aaO. § 119 Rn. 5; Schuler, in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG 5. Aufl. § 119 Rn. 7; Arloth aaO. § 119 Rn. 6).

Da scheint die StVHK sich nicht an Vorgaben gehalten zu haben.

Mal wieder was zur menschenunwürdigen Unterbringung in der JVA – stilles Erdulden bringt nichts, sondern meckern muss man ….

Das OLG Düsseldorf berichtet in einer PM v. 26.08.2010 über ein Urteil des 18. Zivilsenats vom 25.08.2010 – I 18 U 21/10, in dem es (mal wieder) um die menschenunwürdige Unterbringung in der Haft ging. Die Zelle des Gefangenen war (nur) 8,3 qm groß, mehrfach belegt und mit einer offenen Toilette (immerhin) mit Sichtschutz ausgestattet. Das LG hatte eine Entschädigung gewährt, das OLG hat auf die Berufung des Landes das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. In der PM heißt es: „Die Frage, wann eine Geldentschädigung zu gewähren sei, sei nicht pauschal, sondern anhand des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen. Hier habe der Häftling selbst die Situation nicht als unerträglich empfunden. So habe er, nachdem er einen Vollzugsbeamten um die Verlegung in eine Einzelzelle gebeten habe, sein Anliegen nicht mehr weiterverfolgt. Auch habe er sich weder an die Gefängnisleitung gewandt noch bestehende Rechtsschutzmöglichkeiten ausgeschöpft. Es sei davon auszugehen, dass die Anstaltsleitung einem Verlegungsgesuch nachgekommen wäre, wenn der Gefangene nachdrücklich darauf bestanden hätte.“ Das passt – das vollständig begründete Urteil liegt noch nicht vor – zum Urteil des BGH v. 11.03.2010 – III ZR 124/09 (vgl. dazu hier): Auch da hatte der Verurteilte nicht unternommen. Also: Meckern, meckern, meckern.

Man fragt sich allerdings, warum das Land bei einer zugesprochenen Entschädigung von 680 € (!!) in die Berufung gehen muss. Gerichts- und Anwaltskosten dürften – ich habe nicht ausgerechnet – sicherlich ausreichen, um die 680 € zu zahlen. Und: Ist es nicht im Grunde „erbärmlich“, dass es einem Rechtsstaat nicht gelingt, seine Gefangenen menschenwürdig unterzubringen? 8,3 qm, Mehrfachbelegung und offene Toliette……..sind es nicht.

Im wahrsten Sinne des Wortes: Das ist eine „Sauerei“, oder zumindest ein starkes Stück…

…was ein Strafgefangener auf Transporten erleben/erdulden musste (vgl. dazu den Beschl. d. BVerfG v. 15.07.2010 – 2 BvR 1023/08).

Er war dabei zweimal jeweils kurzzeitig im Transporthaus einer niedersächsischen Strafvollzugsanstalt untergebracht. Nach der zweiten dortigen Unterbringung beantragte er beim LG u.a. die gerichtliche Feststellung, dass die zuständige JVA durch die Anordnung seiner Unterbringung in dem Transporthaus seine Menschenwürde (Art. 1 GG) verletzt habe. Dazu trug er vor, dass die Haftraumwände mit Hakenkreuzen und rassistischen, Gewalt androhenden Texten versehen gewesen seien, und es habe sich Kot an den Wänden befunden (wegen der Einzelheiten der „Ausstattung“ vgl. die Darstellung im Beschluss des BVerfG). Schon bei der früheren Unterbringung seien die Wände in dem Transporthaus in ähnlicher Weise – insbesondere mit antisemitischen Äußerungen rohster Art – beschmiert gewesen. Das LG hat seinen Antrag mit der Begründung zurück, dass angesichts der Beendigung der Unterbringung der Beschwerdeführer kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit mehr habe. Das OLG hat die hiergegen erhobene Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen.

Warum „Sauerei“ oder „starkes Stück“?

  1. Zunächst m.E. wegen der „Art der Unterbringung“, die man dem Strafgefangenen zumutet. Was du nicht willst, das man dir tut…. oder: Auch Strafgefangene sind keine Menschen zweiter Klasse, wie der Kollege Vetter zutreffend feststellt (vgl. hier). Weder die Hakenkreuze noch die Texte sind zumutbar und erst recht nicht der Kot an den Wänden.
  2. Für mich nicht nachvollziehbar ist, dass das LG und auch das OLG sich auf einen formalen Gesichtspunkt zurückgezogen haben. Das LG ist davon ausgegangen, dass eine Rückverlegung des Strafgefangenen konkret nicht erkennbar sei. Dabei hat man übersehen, dass bei gewichtigen Eingriffen ein Feststellungsinteresse trotz zwischenzeitlicher Erledigung jedenfalls dann anzuerkennen ist, wenn die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene gerichtlichen Rechtsschutz kaum erlangen kann. Und da fragt man sich: Wie soll der Strafgefangene die Frage denn überprüfen lassen können?
  3. Nachdenklich stimmt mich allerdings auch, dass das BVerfG (mal wieder) mehr als zwei Jahre gebraucht hat, um die Frage zu entscheiden. Da fragt man sich doch wirklich: Was nützt mir ein Verfassungsgericht, das mir dann nach zwei Jahren endlich Rechtsschutz gewährt.

Hilfestellung: Besuchserlaubnis für Dolmetscher. Wer kennt Rechtsprechung?

Im Forum bei LexisNexis Strafrecht hat sich vor einigen Tagen folgende Problematik gestellt (Fragesteller kommt aus Bayern):

Hallo werte Kollegen,
unserer Staatsanwaltschaft ist – wohl auf Geheiss des Ministeriums – mal wieder etwas Neues eingefallen:
Ich wollte zum Mandangespräch in die JVA eine Dolmetscherin mitnehmen, keine öffentlich bestellte, sondern jemand, der dies „nebenbei“ macht und in der Vergangenheit schon oft, auch für die Justiz beanstandungsfrei gemacht hat. Ich habe dann einen Sprechschein für diese Dame beantragt, nunmehr bei der StA, die nach der Änderung des U-Haftrechts per Übertragung des Gerichts dafür zuständig ist.
Sollte alles kein Problem sein – dachte ich. Nun wurde mir aber dieser Antrag abgelehnt, da die StA die Anweisung hat, Sprechscheine (also Besuchserlaubnisse) nur noch an öffentlich bestellte Dolmetscher zu erteilen.
Das kommt mir doch alles sehr komisch vor, soll ich künftig auf eine Besprechung mit meinem Mandanten drei Wochen oder noch mehr warten bis ein öff.best. Dolmetscher mal Zeit hat und sich eine teilweise auch recht weite Anreise einrichten kann? Von den Kosten ( allein schon den Fahrtkosten, da bei uns in der Region nicht für alle gängigen Sprachen öff.best. Dolmetscher vorhanden sind) mal gar nicht zu reden, die werden ja ohnehin dem armen Mandanten bzw der Staatskasse aufgebrummt…Jedenfalls sehe ich darin doch eine erhebliche Einschränkung der Rechte der Verteidigung ?

Der Kollege sucht Rechtsprechung. Zu der Problematik scheint es aber nichts zu geben, jedenfalls haben wir nichts gefunden. Kann hier jemand helfen?