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Briefkontrolle in der JVA – zweimal Art. 10 GG

120px-BriefWenn man die Leitsätze des KG, Beschl. v. 31.07.2013 – 2 Ws 300 Vollz liest – ergangen in einer Strafvollzugssache -dann man als Fazit daraus ziehen, Das Brief- und Postgeheimnis des Art. 10 Abs. 1 GG wird durch strafvollzusrechtliche Vorschriften eingeschränkt, diese Vorschriften werden ihrerseits aber wiederum durch Art. 10 GG eingeschränkt. Also eine Einschränkung der Einschränkung, wenn es um die Breif und Postkontrolle im Strafvollzug geht. Die (amtlichen) Leitsätze des Beschlusses lauten:

  1. Zwar wird das grundrechtlich geschützte Brief- und Postgeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) durch § 29 Abs. 3 StVollzG in verfassungsmäßiger Weise eingeschränkt, jedoch muss die Vorschrift ihrerseits im Lichte der besonderen Bedeutung des Brief- und Postgeheimnisses unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausgelegt und angewendet werden.
  2. Der Umstand, dass ein Strafgefangener einen Amtshaftungsprozess gegen das Land Berlin führt, in dem es maßgeblich um die Verhältnisse in der JVA geht, in der er untergebracht ist, begründet ein Bedürfnis dafür, den darauf bezogenen Briefverkehr mit seinem Prozessvertreter von der Briefkontrolle auszunehmen.
  3. Das Argument, im Hinblick auf die Vielzahl vergleichbarer Fälle, in denen wegen angeblich menschenrechtswidriger Unterbringung in der fraglichen JVA Entschädigungsansprüche geltend gemacht werden, führe eine Einzelfallprüfung bei jedem deshalb in einem zivilrechtlichen Rechtsstreit befindlichen Gefangenen zu einem um ein Vielfaches erhöhten Verwaltungs- und Organisationsaufwand, was der Vollzugsbehörde daher nicht „zuzumuten“ sei, misst dem Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG und dem Recht auf effektiven Rechtschutz (Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG) keine ausreichende Bedeutung zu.

Das KG folgt der Argumentation des Verurteilten und gibt Handreichungen für die Briefkontrolle:

Wenn insoweit Übereinstimmung besteht, kann – solange keine Tatsachen bekannt werden, die eine von dem Antragsteller konkret ausgehende Gefahr vermuten lassen – Gegenstand der Ermessensentscheidung der Vollzugsanstalt letztlich nur sein, wie die Vertraulichkeit des prozessbezogenen Schriftwechsels gewährleistet werden kann. Die von der Vollzugsbehörde ultimativ verlangte Bezeichnung der fraglichen Schriftstücke als „Verteidigerpost“, kann jedenfalls nicht zur Voraussetzung für einen Verzicht auf die Briefkontrolle gemacht werden, denn sie wäre eine Falschbezeichnung (wenngleich sie – entgegen der Sorge der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers – vor dem hier diskutierten Hintergrund wohl jedenfalls den subjektiven Tatbestand des § 115 OWiG nicht erfüllte).

Der Senat neigt – ohne dass dies hier jetzt bereits entscheidungserheblich wäre – zu der Ansicht, dass es im vorliegenden Fall am zweckmäßigsten wäre, als „Anwaltspost“ gekennzeichnete Schreiben von Rechtsanwältin B an den Antragsteller für die Dauer des anhängigen Amtshaftungsprozesses gar nicht zu kontrollieren oder in Gegenwart des Antragstellers lediglich einer groben Sichtung auf verbotene Beigaben oder Schriftstücke zu unterziehen, die offensichtlich nichts mit dem fraglichen Amtshaftungsverfahren zu tun haben (vgl. zu der ähnlichen Problematik bei der Durchsuchung von Hafträumen in Abwesenheit des Gefangenen: Senat, Beschluss vom 23. Mai 2003 – 5 Ws 99/03 Vollz – [[…]]).

Das letztlich rein fiskalische Argument der Rechtsbeschwerde, im Hinblick auf die Vielzahl vergleichbarer Fälle, in denen wegen angeblich menschenrechtswidriger Unterbringung in der JVA Tegel Entschädigungsansprüche geltend gemacht werden, führe eine Einzelfallprüfung bei jedem deshalb in einem zivilrechtlichen Rechtsstreit befindlichen Gefangenen zu einem um ein Vielfaches erhöhten Verwaltungs- und Organisationsaufwand, was der Vollzugsbehörde daher nicht „zuzumuten“ sei, misst dem Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG und dem Recht auf effektiven Rechtschutz (Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG) keine ausreichende Bedeutung zu.“

Wie oft darf der Verteidiger den Mandanten in der JVA besuchen?

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Erst jetzt bin ich auf den Beschluss des LG Stuttgart v. 31. 07. 2012 – 14 Qs 8/12 gestoßen, der immerhin schon mehr als ein Jahr alt ist. Ist aber vielleicht auch gut so, denn: Der Beschluss ist m.E. hinsichtlich der von ihm behandelten Frage, wie der (Pflicht)Verteidiger seinen Mandanten in der JVA besuchen darf, nicht zutreffend. Der Verteidiger hatte mit seinem Festsetzungsantrag acht Fahrten zu Besprechungsterminen mit dem Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt geltend gemacht. Davon sind nur fünf anerkannt worden. Die Absetzung hat das LG wie folgt begründet:

„1. Nur die Kosten von fünf Besprechungsterminen sind erstattungsfähig. Weitere Termine erscheinen zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich (§ 46 Abs. 1 RVG).

Zutreffend weist das Amtsgericht auf den überschaubaren Zeitraum der Pflichtverteidigung (20.07.2011 — 29.11.2011), die Ansetzung von nur einem Verhandlungstag und die zumindest teilgeständige Einlassung des Angeklagten hin. Die Zahl von acht Besprechungsterminen steht hierzu in einem auffällig hohen Verhältnis. Dies begründet einen Anscheinsbeweis gegen die Erforderlichkeit und verlagert die Darlegungslast auf den Verteidiger (vgl. dazu OLG Zweibrücken, Beschl.v.04.06.2012 — 1 Ws 71/12). Diesem ist es unter Kostengesichtspunkten nicht ins freie Ermessen gestellt, wie oft er seinen Mandanten aufsucht. Insoweit gilt weiter der Grundsatz, dass der Verteidiger die Ausgaben für seine Tätigkeit möglichst niedrig halten muss. Dass er sich hierbei irren oder über das Ziel hinausschießen kann, liegt in der Natur der Sache (vgl. Gerold/Schmidt – Müller-Rabe, RVG, § 46 Rn. 81).

Konkrete Umstände, die in der vorliegenden Situation die Notwendigkeit von acht Besprechungsterminen begründen, legt die Beschwerde nicht dar. Eine allgemeingültige Regel, dass inhaftierten Personen, die eine Freiheitsstrafe zu gewärtigen haben, deren Vollstreckung möglicherweise nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann, regelmäßiger Besuche bedürften, existiert nicht. Eine solche Regel besagte im Übrigen auch nichts zur Häufigkeit.“ solcher Besuche.

Dazu hier nur kurz Folgendes: M.E. so nicht richtig, denn: Es ist allgemeine Meinung in der Rechtsprechung, dass grundsätzlich die Staatskasse die Beweislast dafür hat, dass Auslagen zur sachgemäßen Wahrnehmung der Interessen der Partei nicht erforderlich gewesen sind und der Verteidiger grundsätzlich selbst entscheiden kann, welche Aufwendungen er zur Führung des Mandats für erforderlich i.S. des § 46 RVG hält. Das ist auch schon für Fahrtkosten für Besuche des Angeklagten in der JVA entschieden. Wenn sich allerdings Anhaltspunkte ergeben, die auf einen Missbrauch der kostenschonenden Prozessführung des Pflichtverteidigers hindeuten, verlagert sich die Beweislast auf den Verteidiger verlagern. Von „Missbrauch“ konnte man hier m.E. noch nicht ausgehen. Acht Besuche des Inhaftierten in der JVA in einem Zeitraum von vier Monaten sind nicht missbräuchlich sondern liegen noch im Rahmen. Eine Erklärung, warum die anerkannten fünf Besuche ausreichend sein sollen, gibt das LG zudem nicht.

Aber ein bißchen ist der Verteidiger es leider auch selbst Schuld und da liegt für die Praxis die Bedeutung: Warum werden nicht zumindest mit der Beschwerde die konkreten Umstände, die in der vorliegenden Situation die Notwendigkeit von acht Besprechungsterminen begründen, darlegt. Dazu bestand doch, nachdem schon das AG einen Teil der geltend gemachten Auslagen nicht anerkannt hatte, Anlass genug. Gegen die Absetzungen musste mit der Beschwerde „angeschrieben“ werden. Die „Sache laufen zu lassen“ und die Beschwerde nicht konkret (!) zu begründen, führt dazu, dass Auslagen mit ziemlicher Sicherheit verloren gehen. Und das sollte doch nicht sein.

Faxnutzung in der JVA

muss möglich sein bzw. dem verurteilten Strafgefangenen ist grds. der Zugang zum JVA-Fax zu gewähren. Geschieht das nicht und versäumt der Strafgefangene eine Frist, so wird ihm i.d.R. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. So der OLG Celle, Beschl. v. 23.08.2011 – 1 Ws 325/11 (StrVollz). Folgender Sachverhalt:

„Am Montag, 2. Mai 2011, dem Tag des Fristablaufs, beantragte der Antragsteller mit dem Zusatz „Eilt Terminsache!“, das Faxgerät der Antragsgegnerin für die Übersendung des auf den 1. Mai 2011 datierten Antrags auf gerichtliche Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer nutzen zu dürfen. Auf Nachfrage der Antragsgegnerin, was ihn innerhalb der 14-tägigen Rechtsmittelfrist von der Übersendung abgehalten habe, erwiderte der Antragsteller, er habe das erst ein paar Tage „sacken“ lassen müssen. Er habe den Antrag am Freitag fertig gehabt, wollte ihn Montag morgen abgeben und habe dann erfahren, dass der Antrag am Montag wahrscheinlich nicht mehr den Empfänger erreiche. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag auf Gewährung des anstaltseigenen Faxgeräts mit folgender Begründung ab:

„Sie hatten 14 Tage Zeit, was Sie von vornherein wussten. Wenn Sie den Vollzugsplan haben „sacken lassen“ müssen, so ist festzustellen, dass in Bezug auf den vorherigen Vollzugsplan nicht allzu viel Neues niedergeschrieben wurde und dies als Argument ungeeignet ist. Als Realschüler ist Ihnen das Erfassen des „Ausmaßes“ Ihres Vollzugsplans zuzutrauen, zumal Sie über Ostern vom 21.04. bis 26.04.11 auch genügend Zeit ohne Schulstress für die Bearbeitung hatte. Wenn Sie – wie Sie darlegen – Freitag (29.04.) den Vorgang fertig hatten, so hätten Sie diesen auch zur Post geben können. Ihre Argumente dringen nicht durch, weswegen eine Weitergabe per Fax am 02.05.11 nicht dringend angezeigt war.“

Das OLG hat Wiedereinsetzung gewährt und die Begründung der Entscheidung der JVA beanstandelt:

„Denn im konkreten Fall war die Entscheidung der Antragsgegnerin schon deshalb ermessensfehlerhaft, weil sie in der Sache den Vorwurf an den Antragsgegner enthielt, er habe das Rechtsmittel nicht schon vor Ablauf der Rechtsmittelfrist eingelegt. Die ablehnende Entscheidung erschöpft sich im Wesentlichen darin, dass dem Antragsteller bereits vor Ablauf der 14-tägigen Frist die Einreichung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung möglich war, insbesondere weil der Vollzugsplan nur wenige Änderungen enthielt, vom Antragsteller aufgrund seiner Fähigkeiten schneller hätte erfasst werden können und die Osterfeiertage zur Verfügung gestanden hätten. Damit hat die Antragstellerin jedoch das grundsätzlich bestehende Recht des Antragstellers, die Rechtsbehelfsfrist auszuschöpfen, in unzulässiger Weise verkürzt.“

Zudem sagt das OLG: Die Dringlichkeit eines Falls i.S. des § 29 Abs. 1 Satz 2 NJVollzG, der zur Frage der Faxnutzung Stellung nehme,  seit nach objektiven Kriterien und unabhängig davon zu beurteilen, ob der Strafgefangene den Eilbedarf in vorwerfbarer Weise herbeigeführt habe.

Spielgeräte für den Sicherungsverwahrten

Das OLG Nürnberg, Beschl. v. 09.06.2011 – 1 Ws 242/11 setzt sich mit der Frage auseinander, ob und wann einem Sicherungsverwahrten die Genehmigung zum Betrieb einer elektronischen Spielekonsole (Playstation)  zu gewähren ist. Die JVA hatte das verweigert. Das OLG weist in seinem Beschluss dann aber darauf hin:

 

 

Bei Prüfung der Frage, ob einem Sicherungsverwahrten von ihm beantragte elektronische Spielgeräte zu gewähren sind, ist insbesondere auch das Abstandsgebot zu beachten. Hieraus folgt u.a., dass jedenfalls in der Übergangszeit bis zur gesetzlichen Neuregelung des Rechts der Sicherungsverwahrung Beschränkungen nur insoweit zulässig sind, als sie unerlässlich sind, um die Sicherheit und Ordnung des betroffenen Lebensbereiches aufrechtzuerhalten.“

Die StVK musste neu entscheiden.

Und:

Ergänzend bemerkt der Senat, dass ein Abstellen darauf, die beantragte Spielekonsole diene lediglich der Freizeitbeschäftigung kein geeignetes Argument für deren Versagung ist. Wie das Oberlandesgericht bereits entschieden hat (Ws 62/02NStZ-RR 2002, 191), soll das Leben im Vollzug – umso mehr in der Sicherungsverwahrung – den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich angepasst werden. Der Gebrauch von elektronischen Spielgeräten ist aber zwischenzeitlich fester Bestandteil der allgemeinen Lebensverhältnisse geworden.“

Die Geschichte geht weiter: Das iPad in der JVA – Teil 3

Ich hatte am 24.06.2011 über das „iPad in der JVA“ berichtet (und dann auch noch hier). Nun berichtet der Kollege erneut – und dieses Mal verhältnismäßig positiv:

Hallo, liebe Kollegen,

ich kann jetzt schon (überraschend schnell) ein paar Neuigkeiten berichten:

Der von mir eingeschaltete stellvertrende Behördenleiter der Staatsanwaltschaft hat sich umgehend nach Erhalt meiner Unterlagen mit der Anstaltsleitung der JVA in Verbindung gesetzt ( mit dem Herrn OStA war man bereit zu reden!), um der Sache auf den Grund zu gehen. Ihm wurde dann als Hintergrund mitgeteilt, dass besagtes Verbot nicht für alle Notebooks oder Netbooks gelte, sondern nur für ipads. Dies deshalb, weil man auf einer Konferenz der bayerischen Anstaltsleiter über diese neumodischen Geräte gesprochen habe und keine Einigung darüber erzielen konnte, ob ein ipad jetzt ein Mobiltelefon oder ein Computer sei ( Himmel, hilf….ich stelle mir gerade ein Telefonat mit einem ipad am Ohr vor…). Jedenfalls seien aufgrund dieser schwierigen Fragestellung die iPads in der JVA Kaisheim verboten. Aber man wolle den von mir erwirkten Gerichtsbeschluss zum Anlass nehmen, diese Frage vom Ministerium klären zu lassen Bleibt zu hoffen, dass ein halbwegs technisch begabter Ministerialer damit betraut wird…

Aber das Wichtigste : Bis zur Klärung der Frage werden künftig entsprechende Gerichtsbeschlüsse, die mir die Mitnahme erlauben, wieder beachtet werden.

Ich bin schon gespannt, ich habe den nächsten Beschluss schon vorliegen; schaun mer mal.“

Nun, das iPad als Mobiltelefon. Die Diskussion hatten wir doch auch schon mal in Zusammenhang mit dem § 23 Abs. 1 a StVO.