© FotolEdhar – Fotolia.com
Verständigung, Verständigung, Verständigung (§ 257c StPO) so wird der ein oder andere denken/stöhnen, der derzeit die verfahrensrechtliche Rechtsprechung der Obergerichte auswertet. Auch wir haben in der letzten Zeit immer wieder über Entscheidungen berichtet, die sich mit der Problematik befasst haben (vgl. zuletzt hier die Übersicht bei Verständigung/Absprache – ein Rechtsprechungsmarathon). Neben dem BGH sind es zunehmend auch die OLG, die „Verständigungsfragen entscheiden. Dabei geht es derzeit meist um die Fragen der Belehrung nach/bei einer Verständigung (§ 257c Abs. 5 StPO) und/oder um die Fragen der ausreichenden bzw. nicht ausreichenden Mitteilung gem. § 243 Abs. 2 Satz 2 StPO. Außerhalb dieser Problemkreise liegt nun die Entscheidung des OLG Saarbrücken, die den Focus mal wieder auf inhaltliche Fragen des § 257c StPO richtet, und zwar den OLG Saarbrücken, Beschl. v. 04.10.2013 – 1 Ws 106/13. Der befasst sich mit der Frage, über was im Verständigungsgespräch alles gesprochen werden muss. Und das OLG sagt: Über alles, also auch über eine dass Geldauflagen, die im Fall einer Bewährungsstrafe auf den Angeklagten ggf. zukommen soll. Das hatte man aber bei einem AG nicht getan, dann aber im Bewährungsbeschluss eine Geldauflage von 500 € festgesetzt. Gesetzeswidrig sagt das OLG, zumindest dann, wenn die Geldauflage vorher in keiner Weise im Gespräch war:
„b) Die Anordnung der Geldauflage ist jedenfalls deshalb gesetzwidrig, weil sie unter den hier gegebenen Umständen gegen den aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgenden, in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK normierten Grundsatz des fairen Verfahrens verstößt.
aa) Das Gebot der Verfahrensfairness gebietet es in der Regel, dass dann, wenn – wie hier – das Gericht im Rahmen einer Verständigung nach § 257c StPO die Verhängung einer zur Bewährung auszusetzenden Freiheitsstrafe zusagt, eventuell anzuordnende Bewährungsauflagen bereits im Rahmen des der Verständigung vorausgehenden Rechtsgesprächs angesprochen werden und der Angeklagte nicht erst durch den im Anschluss an die Verkündung des Urteils zu verkündenden Bewährungsbeschluss von einer Bewährungsauflage überrascht wird (vgl. OLG Köln NJW 1999, 373 ff. – Rn. 14, 17 nach juris; Meyer-Goßner, a. a. O., § 257 Rn. 12; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 56b Rn. 10; LK-Hubrach, StGB, 12. Aufl., § 56b Rn. 30; SK-StPO/Frisch, a. a. O.).
bb) Dass – wie in dem vom Oberlandesgericht Köln (a. a. O.) entschiedenen Fall – der Bewährungsbeschluss erst verkündet wird, nachdem – was nach heutiger Rechtslage nicht mehr zulässig wäre (§ 302 Abs. 1 Satz 2 StPO) –im Anschluss an die Urteilsverkündung Staatsanwaltschaft, Angeklagter und Verteidiger bezüglich des Urteils einen Rechtsmittelverzicht erklärt haben, ist dabei nicht der maßgebliche Gesichtspunkt. Entscheidend ist vielmehr, dass die hier angeordnete Auflage, einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen, der Genugtuung für das begangene Unrecht als „echte Reaktion auf die Straftat“ (vgl. Schönke/Schröder/Stree/Kinzig, StGB, 28. Aufl., § 56b Rn. 4) dienen soll, wenn ohne sie im Hinblick auf das Absehen von der Strafvollstreckung das begangene Unrecht keinen hinreichenden Ausgleich und die Rechtsgemeinschaft keine hinreichende Genugtuung erführe (OLG Köln, a. a. O., Rn. 17 nach juris; Schönke/Schröder/Stree/Kinzig, a. a. O., § 56b Rn. 11).
cc) Wenn also – wie hier – der Tatrichter der Auffassung ist, dass der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion des Strafrechts auch in Ansehung der erfolgten Verständigung im Strafprozess und des damit einhergehenden Geständnisses des Angeklagten nur durch die Anordnung auch einer Geldauflage neben der verhängten, zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe Genüge getan werden kann, muss er den Angeklagten auf diesen gesamten Umfang der Rechtsfolgenerwartung hinweisen. Nur so ist gewährleistet, dass der Angeklagte vollumfänglich über die Tragweite seiner Mitwirkung an der Verständigung, deren Bestandteil sein Geständnis ist, informiert ist und er autonom darüber entscheiden kann, ob er von seiner Freiheit, die Aussage zu verweigern, Gebrauch macht oder sich auf eine Verständigung einlässt (vgl. zu diesem Erfordernis: BVerfG NJW 2013, 1058 ff. – Rn. 99, 125 nach juris). Der Hinweis auf die in Betracht kommende Anordnung einer Geldauflage ist daher nicht anders als die in § 257c Abs. 5 StPO verankerte Belehrungspflicht des Gerichts über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichts von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach § 257c Abs. 4 StPO zur Sicherung des Grundsatzes des fairen Verfahrens und der Selbstbelastungsfreiheit erforderlich.“
M.E. hat das OLG mit seiner Entscheidung Recht. Ob die Grundsätze auch gelten, wenn die Geldauflage im Laufe der Hauptverhandlung im Gespräch war, kann im Einzelfall sicherlich zweifelhaft sein. Dann wäre sie im zweifel nicht mehr „überraschend“.
Zur Abrundung: Beim ersten Blick auf die Entscheidung war ich erstaunt, dass das OLG über eine Beschwerde gegen eine amtsgerichtliche Entscheidung entschieden hat. Auf den ersten Blick hält man sicherlich nach dem allgemeinen Instanzenzug das LG für zuständig. Aber dann hilft/half– wie immer – ein Blick ins Gesetz, und zwar in § 305a Abs. 2 StPO. Danach ist, wenn gegen das Urteil eine zulässige Revision und gegen den gem. § 268a StPO ergangenen Bewährungsbeschluss Beschwerde eingelegt wird, das Revisionsgericht zur Entscheidung auch über die Beschwerde zuständig. Und dann kam die Erinnerung wieder 😉 .