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Nicht „unfair“ sein: Was eingestellt ist, kann nur nach Hinweis verwendet werden

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Der Kollege Kabus aus Bad Saulgau hatte mir die von ihm „erstrittene“ Entscheidung des BGH im BGH, Beschl. v. 05.06.2013 – 1 StR 126/13 – zukommen lassen, die inzwischen auch auf der Homepage des BGH eingestellt ist. Sie enthält einen ganz interessanten Hinweis des BGH zu § 154 Abs. 2 StPO. Nichts Neues, aber der Hinweis auf ältere Rechtsprechung des BGH und damit deren Bestätigung:

„…Beabsichtigt das Gericht, im Rahmen der Beweiswürdigung Sachverhalte zu berücksichtigen, hinsichtlich derer in der Hauptverhandlung nach § 154 Abs. 2 StPO verfahren wurde, ist der Angeklagte zuvor auf diese Möglichkeit hinzuweisen (vgl. BGHSt 31, 302, 303; BGHR StPO § 154 Abs. 2 Hinweispflicht 1, 2 und 3; BGH StV 2000, 656); denn durch die Verfahrenseinstellung wird regelmäßig ein Vertrauen des Angeklagten darauf begründet, dass ihm der ausgeschiedene Prozessstoff nicht mehr angelastet werde. Deswegen gebieten es die faire Verfahrensgestaltung, aber auch der Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs, vor einer dennoch beabsichtigten nachteiligen Verwertung einen Hin- weis zu erteilen, um den Vertrauenstatbestand wieder zu beseitigen (BGHSt 30, 197; BGHR § 154 Abs. 2 Hinweispflicht 4)…“

 

Doch keine Hinweispflicht bei Verdoppelung der Geldbuße?

Ich hatte bereits über den Beschl. des OLG Hamm v. 13.11.2009 – 3 Ss OWi 622/09, in dem ein Verstoß gegen rechtliches Gehör bei Verdopplung der Regelbuße ohne Anhörung des Betroffenen angenommen worden ist, berichtet. Der wird von RiKG Urban Sandherr in DAR 2010 Heft 2, 99 – 100 besprochen. Sandherr teilt die Auffassung des OLG nicht. Seiner Meinung nach überspannt das OLG die Anforderungen an das rechtliche Gehör. Es schränke auch die Handlungsfähigkeit des Gerichts zu Unrecht ein. Die ganz herrschende Meinung vertrete daher auch die gegenteilige Auffassung. Denn die BKatV formuliere keine verbindliche Geldbuße, auf die der Betroffene vertrauen kann. Die BKatV mache nur Vorschläge. Zudem weist Sandherr darauf hin, dass dem Betroffenen neben der strafrechtlichen Folge auch verwaltungsrechtliche Maßnahmen drohen können, auf die er auch nicht hingewiesen werden muss.

Ich halte den Beschluss des OLG Hamm dennoch für zutreffend. Bei den Bußen des BKat handelt es sich um Regelbußen. Der Betroffene darf darauf vertrauen, dass, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, diese verhängt werden. Dann muss er m.E. aber auch zuvor auf die geplante Erhöhung hingewiesen werden. Wieso dadurch die Handlungsfähigkeit des Gerichts eingeschränkt wird, erschließt sich mir nicht.