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Kollision falscher Linksabbieger/Überholer: 100 % beim Linksabbieger

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Hat ein Linksabbieger sich nicht ordnungsgemäß zum Linksabbiegen eingeordnet, sondern befand er sich zu dem Zeitpunkt, als er zum Linksabbiegen ansetzte, noch am rechten Fahrbahnrand, so haftet er im Falle einer Kollision mit einem überholenden Fahrzeug allein. So hat das OLG Frankfurt im OLG Frankfurt, Urt v. 26.01.2016 – 7 U 189/13 – entschieden. Begründung:

„Der Klägerin steht gegenüber den Beklagten kein Schadensersatzanspruch zu. Die vom Landgericht vorgenommene Haftungsverteilung von 100 : 0 ist angesichts der feststehenden groben Fahrverstöße seitens der Klägerin sachgerecht. Allein die höhere Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs rechtfertigt keine andere Beurteilung; sie tritt vielmehr zurück.

Nach den Feststellungen des Landgerichts, an deren Richtigkeit und Vollständigkeit keine Zweifel bestehen, so dass der Senat hieran gebunden ist, hat die Klägerin gegen die ihr obliegenden erhöhten Sorgfaltsanforderungen gemäß § 9 StVO verstoßen. Die Klägerin hat sich entgegen § 9 Abs. 1 StVO nicht ordnungsgemäß zum Linksabbiegen eingeordnet. Das klägerische Fahrzeug befand sich vielmehr am rechten Fahrbahnrand, als es plötzlich zum Linksabbiegen ansetzte. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beklagten zu 3) bereits zum Überholen angesetzt. Letzteres wäre ihm auch gefahrlos aufgrund der sich verbreiternden Fahrbahn möglich gewesen. Bei Beachtung der erforderlichen Rückschaupflicht hätte die Klägerin den Unfall durch Abbrechen des Abbiegevorgangs vermeiden können. Dass die Klägerin – zudem rechtzeitig – den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt hat, hat sie nicht beweisen können. Angesichts dessen hat das Landgericht auch zu recht einen eigenen haftungsbegründenden Sorgfaltsverstoß des Beklagten zu 3) verneint. Die Ausführungen in der Berufung rechtfertigen keine andere Beurteilung. Es lag keine unklare Verkehrslage im Sinne des § 5 StVO vor. Zwar hat die Klägerin nach den Feststellungen des Sachverständigen ihre Geschwindigkeit von ca. 35 km/h auf ca. 10 km/h kurz vor der Kollision herabgesetzt. Dies allein begründet jedoch für den Beklagten zu 3) nicht die Annahme einer unklaren Verkehrslage.

Eine unklare Verkehrslage liegt vor, wenn der Überholende nach den gegebenen Umständen mit einem ungefährlichen Überholvorgang nicht rechnen darf, d.h. wenn die Verkehrslage unübersichtlich ist. Bei einer Verlangsamung des Vorausfahrenden kommt es insoweit auf die konkrete Verkehrssituation und die Örtlichkeit an. Nur wenn diese geeignet sind, Zweifel über die beabsichtigte Fahrweise des Vorausfahrenden aufkommen zu lassen, kommt eine unklare Verkehrslage in Betracht (vgl. OLG München, Urteil vom 9.11.2012, Az.: 10 U 1860/12; KGR Berlin 2003, 169). Vorliegend fuhr die Klägerin jedoch am äußersten rechten Fahrbahnrand, an dem sich ausweislich der seitens des Sachverständigen gefertigten Lichtbilder Parkbuchten befanden. Des Weiteren verbreitert sich die Straße in jenem Bereich bereits dergestalt, dass – auch wenn noch nicht durch Markierung getrennt – bereits zwei Fahrspuren für den gleichgerichteten Verkehr zur Verfügung stehen. Wie der Sachverständige bei seiner Anhörung vor dem Landgericht ausgeführt hat, kann man ab ca. 20 Meter bezogen auf den roten PKW – so wie in der Skizze Blatt 16 seines Gutachtens eingezeichnet – gefahrlos den Einordnungsvorgang für den späteren Spurverlauf, der in eine Links- und eine Rechtsabbiegerspur mündet, vornehmen und auch gefahrlos in dieser Konstellation aneinander vorbeifahren. Dem entsprechend hatte sich der Beklagte zu 3) auch nach links eingeordnet. Damit, dass die Klägerin entgegen ihrer eindeutigen Einordnung zum rechten Fahrbahnrand plötzlich nach links abbiegen würde, musste er nicht rechnen. Die Klägerin kann sich insoweit nicht darauf berufen, der Beklagte zu 3) – der vermutet habe, die Klägerin suche rechts neben der Fahrbahn einen Parkplatz – habe zu keinem Zeitpunkt bekundet, dass diese nach rechts geblinkt habe. Abzustellen ist allein auf die objektiven Umstände, nicht auf das Gefühl des Überholwilligen.

Der Beklagte zu 3) ist auch nicht mit unangepasster, überhöhter Geschwindigkeit gefahren. Nach den Feststellungen des Sachverständigen betrug die Geschwindigkeit ca. 40 bis 45 km/h.“

Motorradfahrer mit 70 km/h zu tief geflogen: Haftung bei Unfall trotz Vorfahrt zu 70 %

entnommen wikimedi.org Urheber Noop1958

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Ein bisschen „tief geflogen“ war ein Motorradfahrer in dem dem OLG Hamm, Urt. v. 23.02.2016 – 9 U 43/15 – zugrunde liegenden Verkehrsgeschehen. Er war nämlich anstatt der erlaubten 50 km/h mit 121 km/h geflogengefahren. An einer Autobahnfahrt kam es zum Zusammenstoß mit dem aus der rechtsseitig gelegenen, untergeordneten Autobahnabfahrt nach links hin abbiegenden PKW des Beklagten. Motorradfahrer bzw. dessen Versicherung und Beklagter haben dann um die Haftungsverteilung gestritten. Das OLG verteilt: 70% zu 30 % zu Lasten des (vorfahrtberechtigten) Motorradfahrers. Begründung:

„aa) Auf beiden Seiten ist zunächst die Betriebsgefahr des jeweiligen Fahrzeugs zu berücksichtigen.

bb) Darüber hinaus ist aus Sicht des Senats auf beiden Seiten ein die Betriebsgefahr weiter erhöhendes unfallursächliches Verschulden der beteiligten Fahrzeugführer anzunehmen.

(1) Auf Seiten des Versicherten der Klägerin liegt – dies stellt die Klägerin nicht in Abrede – eine massive Tempoüberschreitung (nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen feststellbares Mindesttempo von 121 km/h statt erlaubter 50 km/h) vor. Diese Geschwindigkeitsüberschreitung hat sich nach den auch insoweit nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen T (vgl. dazu schon S. 6 f. des im Ermittlungsverfahren erstatteten schriftlichen Gutachtens, Bl. 36 f. der BeiA 312 Js 340/11 Staatsanwaltschaft Arnsberg, sowie die diesbezüglichen Ausführungen vor dem Senat, S. 4 des Berichterstattervermerk i. V. m. der Anlage E 15) auch unfallursächlich ausgewirkt; danach hätte, wäre das Motorrad – namentlich zum Zeitpunkt der Reaktion seines Fahrers – nur mit den zulässigen 50 km/h bewegt worden, der PKW des Beklagten zu 1) den Kollisionsbereich bei Eintreffen des Motorrades in jedem Fall längst verlassen.

(2) Soweit das Landgericht in die Abwägung zu Lasten der Klägerin auch einen Verstoß ihres Versicherten gegen das Rechtsfahrgebot eingestellt hat, begegnet dies – unabhängig von der Frage der Vorwerfbarkeit der diesbezüglichen Ausweichreaktion – jedenfalls deshalb Bedenken, weil das Rechtsfahrgebot nicht den Schutz von aus Einmündungen einbiegender Verkehrsteilnehmer bezweckt (vgl. dazu nur Geigel/Freymann, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kap. 27, Rdn. 58 f. m. w. Nachw. aus der Rechtsprechung). Auch eine relevante weitere Betriebsgefahrerhöhung vermag der Senat insoweit bei der hier gegebenen Konstellation nicht zu erkennen.

(3) Hauptstreitpunkt und für die Frage einer anteiligen Haftung der Beklagten entscheidend ist es, ob auch dem Beklagten zu 1) ein ins Gewicht fallendes unfallursächliches Verschulden, namentlich in Form einer Verletzung des – durch die massive Geschwindigkeitsüberschreitung nicht berührten – Vorfahrtrechts des Versicherten der Klägerin, anzulasten ist. Nach Auffassung des Senats ist dies nach dem Ergebnis der in dieser Instanz durchgeführten Parteianhörung und Beweisaufnahme – entgegen der Annahme des Landgerichts – zu bejahen.Der Beklagte zu 1) will – wie er letztlich bei seiner Anhörung durch den Senat auf Vorhalt seiner diesbezüglichen Angaben von Ende November 2012 beim Landgericht Arnsberg im Vorprozess (vgl. Bl. 98 R der beigezogenen Akten I-4 O 355/12 Landgericht Arnsberg) bestätigt hat und es aus Sicht des Senats auch geboten war – erst nach links, dann nach rechts und dann direkt vor dem tatsächlichen Abbiegebeginn nochmals nach links gesehen haben Der Sachverständige T hat nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass das nach seinen Feststellungen mit eingeschaltetem Fahrlicht von links aus der dortigen Kurve kommende Motorrad des Herrn D für den Beklagten zu 1) in jedem Fall zum Zeitpunkt des Anfahrentschlusses und des dabei gebotenen zweiten Linksblicks unmittelbar vor dem tatsächlichen Abbiegebeginn erkennbar war und der Beklagte zu 1) in jedem Fall auch bereits zum Zeitpunkt des von ihm angegebenen ersten Linksblicks das herannahende Motorrad hätte wahrnehmen können (vgl. dazu im Einzelnen die im Berichterstattervermerk auf S. 3 ff. niedergelegten Ausführungen hierzu i.V.m. den dort in Bezug genommenen Anlagen). Da der Beklagte zu 1) das Motorrad nach seinen Angaben erst deutlich nach Abbiegebeginn erstmals wahrgenommen hat, ist davon auszugehen, dass er vor dem Abbiegen überhaupt nicht hinreichend nach von links herannahenden Fahrzeugen Ausschau gehalten und auf solche Fahrzeuge – namentlich auf das hier in Rede stehende Motorrad des Versicherten der Klägerin – geachtet hat. Hätte er dies mit hinreichender Sorgfalt getan, hätte er das mit eingeschaltetem Fahrlicht herannahende Motorrad bereits bei seinem ersten Linksblick und nochmals bei dem gebotenen zweiten Linksblick unmittelbar vor dem Anfahren in jedem Fall erkennen können und müssen. Dabei hätte er bei der hinsichtlich der Beobachtung des Motorrades gebotenen Sorgfalt und Aufmerksamkeit – wie dem Senat die im Senatstermin von allen Prozessbeteiligten eingesehenen Videoaufnahmen, Slideshows und Simulationen des Sachverständigen T verdeutlicht haben und wie es auch der Sachverständige bestätigt hat (vgl. S. 5 des Berichterstattervermerks) – zudem jedenfalls erkennen können und müssen, dass das Motorrad erheblich schneller als mit den erlaubten 50 km/h fuhr. Zwar war es nach den Ausführungen des Sachverständigen aus der Perspektive des an der Einmündung wartenden Beklagten zu 1) schwieriger, einzuschätzen, ob das Motorrad tatsächlich mit den festgestellten mindestens 121 km/h oder nur mit gut 100 km/h fuhr, bei denen es – so der Sachverständige (vgl. S. 5 des Berichterstattervermerks) – ohne jegliche Abwehrhandlung des Motorradführers zu keiner Kollision gekommen wäre. Gleichwohl hätte nach Auffassung des Senats der Beklagte zu 1) unter den hier gegebenen Umständen – eine hinreichende Ausschau nach links mit den vorgenannten Wahrnehmungen unterstellt – im Zweifel zuwarten müssen, hätte er in dieser Situation jedenfalls keinesfalls in der tatsächlich erfolgten langsamen Weise mit der vom Sachverständigen festgestellten nur geringen Beschleunigung abbiegen dürfen; vielmehr hätte er, wenn überhaupt, sein Abbiegemanöver zwecks sicherer Vermeidung jeglicher Behinderung oder gar Gefährdung des erkennbar mit deutlich überhöhtem Tempo herankommenden Motorradfahrers allenfalls zügig durchführen dürfen, wodurch nach den auch insoweit überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen (vgl. S. 4 f. des Berichterstattervermerks) eine Kollision ebenfalls vermieden worden wäre.

cc) Bei dieser Sachlage ist es im Rahmen der Abwägung der vorgenannten beiderseitigen Verursachungsbeiträge nach Auffassung des Senats nicht gerechtfertigt, den Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 1) ganz hinter dem in der Tat massiven Verschulden des Versicherten der Klägerin zurücktreten zu lassen. Vielmehr erachtet der Senat angesichts der nach dem Vorstehenden feststehenden unfallursächlichen Vorfahrtverletzung des Beklagten zu 1), welche unter den hier gegebenen, oben erörterten Umständen auch keineswegs nur von geringem Gewicht ist, eine Haftungsverteilung von 70 : 30 zu Lasten der Beklagten für angemessen.W

Die unheilvolle Begegnung auf dem Seitenstreifen der BAB mit einem Polizeifahrzeug: Alleinhaftung

entnommen wikimedia.org Author Achim Engel

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Die Konstellation, die das OLG Frankfurt im OLG Frankfurt, Urt. v.  14.03.2016 – 1 U 248/13 – entschieden hat, wird in der Praxis wahrscheinlich häufiger anzutreffen sein, nämlich: Nach einem Verkehrsunfall auf einer BAB bilden die Autofahrer dort eine sog. Rettungsgasse. Der der Sohn der Klägerin wechselt mit dem Pkw seiner Mutter von der mittleren auf die rechte Fahrspur und überfährt dabei die durchgezogene Linie des Standstreifens. Dabei kollidiert er mit einem dort fahrenden Polizeieinsatzfahrzeug, das mit einer mäßigen Geschwindigkeit von 45-50 km/h und Blaulicht fährt. Mutter meint, die Polizei hätte die Rettungsgasse nutzen müssen und verlangt Schadensersatz vom beklagten Land. Das OLG Frankfurt erteilt dem eine Absage und sagt: Mutter haftet allein, Begründung:

„aa) Der Sohn der Klägerin hat den Unfall dadurch allein verursacht, dass er beim Wechsel von dem mittleren auf den rechten Fahrstreifen mit dem von ihm geführten Fahrzeug über die Begrenzungslinie hinaus auf den Seitenstreifen geraten ist. Damit hat er gegen das Gebot der Fahrbahnbenutzung nach 2 Abs. 1 Satz 1 StVO verstoßen, weil der durch das Zeichen 295 der Anlage 2 lfd. Nr. 68 zu § 41 Abs. 1 StVO („durchgehende Linie“) getrennte Seitenstreifen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 StVO nicht Bestandteil der Fahrbahn ist und außerdem die durchgehende Linie nicht gemäß Anlage 2 lfd. Nr. 68 Spalte 3 Nr. 1. a) überfahren werden darf. Denn diese darf nur in den in der Anlage 2 lfd. Nr. 68 Spalte 3 zu § 41 Abs. 1 StVO normierten Ausnahmen überfahren werden, die hier jedoch nicht vorliegen.

bb) Die Berufung kann demgegenüber nicht geltend machen, der Sohn der Klägerin habe nicht mit einem von hinten auf dem Standstreifen herannahenden Einsatzfahrzeug rechnen müssen. Denn die Beamten haben, als sie unter Einsatz von blauem Blinklicht den Seitentreifen befuhren, nicht gegen die Straßenverkehrsordnung verstoßen. Entgegen der von der Berufung vertretenen Ansicht mussten die Beamten für ihre Einsatzfahrt nicht etwaig gebildete Rettungsgassen benutzen. Die Fahrt auf dem Seitenstreifen als solche wirkt nicht haftungsbegründend, da sie keinen rechtswidrigen Verstoß gegen Vorschriften der StVO darstellt. Die Beamten waren bei ihrer Einsatzfahrt gemäß 35 Abs. 1 StVO von den Vorschriften dieser Verordnung befreit. ….Dabei tritt die Befreiung von den Vorschriften der StVO auch dann ein, wenn das Sonderrechtsfahrzeug weder Einsatzhorn noch Blaulicht führt oder diese zwar vorhanden sind, aber nicht betätigt werden. Nach § 38 Abs. 2 StVO darf bei Einsatzfahrten – wie hier – auch blaues Blinklicht allein verwendet werden (m.w.N. KG, Urteil vom 20. März 2003 – 12 U 199/01 – Rn. 25, juris)….

dd) Demgegenüber kann nicht festgestellt werden, dass der Fahrer des Einsatzfahrzeuges bei Wahrnehmung des Sonderrechts auf dem Seitenstreifen gegen die ihm hierbei obliegenden besonderen Sorgfaltspflichten verstoßen hätte.

Auch wenn Polizeibeamte berechtigt die Sonderrechte nach § 35 Abs. 1 StVO in Anspruch nehmen, kann eine Sorgfaltsverletzung darin liegen, dass sie bei der Wahrnehmung der Sonderrechte sorgfaltswidrig gehandelt haben. § 35 Abs. 8 StVO bestimmt, dass die Sonderrechte nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgeübt werden dürfen. Den Erfordernissen der Verkehrssicherheit kommt stets Vorrang gegenüber dem Interesse des Einsatzfahrzeuges am raschen Vorwärtskommen zu (Burmann/Heß/Hühnermann/ Jahnke/Janker a.a.O. Rn. 17). Je mehr der Sonderrechtsfahrer von Verkehrsregeln abweicht, umso höhere Anforderungen sind an seine Sorgfalt zu stellen (Hentschel/König/Dauer a.a.O. Rn. 8).

Dass sich die Beamten nicht dementsprechend verhalten hätten, kann nicht festgestellt werden. …

ee) Eine erhöhte Betriebsgefahr des Einsatzfahrzeuges kann ebenfalls nicht festgestellt werden. Das Einsatzfahrzeug hat den Seitenstreifen mit mäßiger Geschwindigkeit befahren, wobei dies zusätzlich zur Warnung der Verkehrsteilnehmer unter Einsatz von blauem Blinklicht geschah. Schon das Setzen eines Blaulichts ist für den übrigen Verkehr ein hinreichend deutliches Warnzeichen dafür, dass nicht von einem normalen Verkehrsablauf ausgegangen werden kann (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 05. Januar 2004 – 12 U 1352/02 – juris).

b) Bei der danach vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verschuldens- und Verursachungsbeiträge tritt die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Einsatzfahrzeuges vollständig hinter dem Verschulden des Sohnes der Klägerin und der durch dessen Fahrfehler erhöhten Betriebsgefahr des von ihm gelenkten Fahrzeuges zurück.“

Rückwärts fahrender LKW/falsch fahrender Radfahrer – wie wird gehaftet?

FahrradfahrerAus der Reihe: Wie wird gehaftet?“ weise ich heute auf das OLG Saarbrücken, Urt. v. 22.01.2015 – 4 U 69/14 hin. Er kommt bei der Konstellation: Rückwärts in eine Grundstückseinfahrt einbiegender Lkw mit einem einen Radweg in der falschen Richtung befahrenden Radfahrerin, zu der für mich ein wenig überraschenden vollen Haftung des LKW-Fahrers. Das begründet das OLG mit

  • der Betriebsgefahr beim LkW,
  • einem Verstoß des Lkw-Fahrers gegen § 9 StVO,

kein Verschulden des Radfahrerin, das insbesondere nicht in der Benutzung des Radwegs in der nicht angezeigten „falschen“ Richtung besteht, da die Richtung eines Radwegs nur den Gegen-, nicht aber den kreuzenden Verkehr schützt.

Überraschend, jedenfalls für mich, aber ich kann ja auch kein Zivilrecht 🙂 . Die Radfahrerin selbst war übrigens wohl nur von einer Haftungsquote von 75% zu ihren Gunsten ausgegangen und hatte erst gar nicht mehr beantragt.

Rückwärts fahren im Parkhaus – wie wird gehaftet?

© Thaut Images - Fotolia.com

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Ich denke, fast jeder kennt die Verkehrssituation, die dem LG Heidelberg, Urt. v. 13.01.2015 – 2 S 8/14 – zugrunde liegt: In einer Tiefgarage ist es zu einem Zusammenstoß zweier Pkw gekommen. Zur Kollision kam es, als die Klägerin des Verfahrens mit ihrem Fahrzeug aus ihrer schräg zur Durchfahrt zwischen den Parkreihen angeordneten Parkbucht rückwärts herausfuhr, während der Beklagte zu Ziffer 1 mit seinem Fahrzeug auf dieser Durchfahrt ein Stück geradeaus rückwärts fuhr, um anschließend in eine vor seinem Fahrzeug gelegene Parkbucht besser vorwärts einparken zu können. Nach den Feststellungen des AG waren beide Fahrzeuge bei der Kollision in Rückwärtsfahrt. Am Anfang des Durchfahrtswegs, auf dem sich die Kollision ereignete, befindet sich eine Pfeilmarkierung. Der mit weißer Farbe auf dem Boden aufgebrachte Pfeil weist lediglich in eine Richtung. Der Beklagte zu Ziffer 1 fuhr unmittelbar vor der Kollision rückwärts in die entgegengesetzte Richtung. Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz, und zwar 100 %.  Die Beklagten halten eine hälftige Haftungsverteilung für angemessen.

Das LG geht von einer Haftungsverteilung von geht von einem überwiegenden Verschulden des Beklagten aus und hat es daher für angemessen gehalten, dass die Beklagten den der Klägerin entstandenen Schaden zu 2/3 ersetzen. Das LG stellt fest, dass auch Parkhäuser und der Allgemeinheit zur Verfügung gestellte Tiefgaragen – unabhängig von einer entsprechenden Widmung – jedenfalls während der Betriebszeit dem öffentlichen Verkehrsraum zuzurechnen isnd, so dass die Verhaltensvorschriften der StVO anwendbar sind. Hier haben nach Aufassung des LG sowohl die Klägerin als auch der Beklagte zu Ziffer 1 gegen die beim Rückwärtsfahren geltende erhöhte Sorgfaltspflicht verstoßen. Zur Haftungsverteilung dann:

Nach der Überzeugung der Kammer wiegt das Verschulden des Beklagten Ziffer 1 an der Herbeiführung des Unfalls aber schwerer als das Verschulden der Klägerin, so dass eine Haftung der Beklagten im Umfang von 2/3 gerechtfertigt ist.

Dies folgt indessen entgegen der von der Kammer noch im Termin vom 09.12.2014 vorläufig vertretenen Auffassung nicht daraus, dass der Beklagte Ziffer 1 gegen die Pfeilrichtung rückwärts fuhr. Insoweit kann dahinstehen, wie die auf dem Durchfahrtsweg angebrachten Richtungspfeile rechtlich einzuordnen sind. Denn es liegt bereits in der Natur eines Parkplatzes und folgt erst recht aus der schräg verlaufenden Ausrichtung der Parkbuchten in der in Rede stehenden Tiefgarage, dass ein Rückwärtsfahren zum Rangieren und vor allem zum Ausparken von Fahrzeugen unumgänglich ist. Dazu muss zwangsläufig auch auf dem Durchfahrtsweg zumindest ein kurzes Stück rückwärts gefahren werden. Demzufolge können die Pfeilmarkierungen nicht den Zweck verfolgen, jegliches Rückwärtsfahren auf dem Durchgangsweg zu untersagen. Sie beinhalten vielmehr nur das Gebot, den Durchfahrtsweg bei der Suche nach einem Parkplatz lediglich in Pfeilrichtung zu befahren. Diesem Gebot handelt zwar auch derjenige Fahrzeugführer zuwider, der entgegen der Pfeilrichtung eine größere Wegstrecke rückwärts fährt als zum Rangieren beim Ein- oder Ausparken erforderlich wäre. Dass der Beklagte Ziffer 1 eine größere Wegstrecke zurücklegte als zum Einparken in die von ihm ausgesuchte freie Parklücke erforderlich war, steht indessen nicht zweifelsfrei fest. Das Amtsgericht hat dazu keine Feststellungen getroffen. Die Klägerin hat keine hinreichend konkreten Angaben dazu gemacht, wie groß die von dem Beklagten Ziffer 1 zurückgelegte Strecke war. Wenn die von dem Beklagten Ziffer 1 angesteuerte Parklücke – wie von diesem behauptet – zwei Plätze hinter dem Parkplatz der Klägerin lag, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass der Beklagte Ziffer 1 bis zum Parkplatz der Klägerin zurückstoßen musste, um in die Parklücke ordnungsgemäß hineinfahren zu können.

Dass der Sorgfaltsverstoß des Beklagten Ziffer 1 schwerer wiegt als das Verschulden der Klägerin ergibt sich aber aus der Tatsache, dass sein Fahrverhalten mehr Risiken barg als dasjenige der Klägerin und ihn aus diesem Grund eine nochmals erhöhte Sorgfaltspflicht traf. Der Beklagte Ziffer 1 musste beim Rückwärtsfahren auf dem Durchfahrtsweg in gleicher Weise mit entgegenkommenden wie mit aus den Parklücken rückwärts ausparkenden Fahrzeugen rechnen. Letztere konnte er bei aufmerksamem Blick durch die Heckscheibe und die hinteren Seitenfenster auch erkennen. Er musste dabei besonders in Rechnung stellen, dass die rückwärts ausparkenden Fahrzeugführer in erster Linie auf den ihnen auf dem Durchfahrtsweg entgegenkommenden Verkehr achten würden und sein Fahrzeug aus diesem Grund nicht bemerken könnten. Wie bereits dargelegt, durfte die Klägerin zwar nicht darauf vertrauen, dass auf dem Durchfahrtsweg keine Fahrzeuge rückwärts entgegen der Pfeilrichtung fahren würden. Sie musste sich daher ebenso wie der Beklagte Ziffer 1 nach allen Seiten vergewissern. Aufgrund der schräg zur Durchfahrt verlaufenden Anordnung ihres Parkplatzes konnte sie beim Blick nach hinten durch die Heckscheibe aber nur den Durchfahrtsweg in die dem Fahrzeug des Beklagten Ziffer 1 abgewandte Richtung und die hinter ihr geparkten Fahrzeuge sehen. Um das Fahrzeug der Beklagten Ziffer 1 wahrzunehmen, hätte sie ihren Blick von der Fahrtrichtung abwenden müssen. Die Klägerin musste zudem davon ausgehen, dass wesentlich mehr Fahrzeuge den Durchfahrtsweg vorwärts in Pfeilrichtung befahren würden als rückwärts entgegen der Pfeilrichtung. Aus den genannten Gründen wiegt der von ihr begangene Sorgfaltsverstoß weniger schwer als der von dem Beklagten Ziffer 1 begangene Pflichtenverstoß. Ein hälftige Haftungsverteilung würde den gegebenen Umständen nicht gerecht werden.“

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2015 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft…