Hat ein Linksabbieger sich nicht ordnungsgemäß zum Linksabbiegen eingeordnet, sondern befand er sich zu dem Zeitpunkt, als er zum Linksabbiegen ansetzte, noch am rechten Fahrbahnrand, so haftet er im Falle einer Kollision mit einem überholenden Fahrzeug allein. So hat das OLG Frankfurt im OLG Frankfurt, Urt v. 26.01.2016 – 7 U 189/13 – entschieden. Begründung:
„Der Klägerin steht gegenüber den Beklagten kein Schadensersatzanspruch zu. Die vom Landgericht vorgenommene Haftungsverteilung von 100 : 0 ist angesichts der feststehenden groben Fahrverstöße seitens der Klägerin sachgerecht. Allein die höhere Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs rechtfertigt keine andere Beurteilung; sie tritt vielmehr zurück.
Nach den Feststellungen des Landgerichts, an deren Richtigkeit und Vollständigkeit keine Zweifel bestehen, so dass der Senat hieran gebunden ist, hat die Klägerin gegen die ihr obliegenden erhöhten Sorgfaltsanforderungen gemäß § 9 StVO verstoßen. Die Klägerin hat sich entgegen § 9 Abs. 1 StVO nicht ordnungsgemäß zum Linksabbiegen eingeordnet. Das klägerische Fahrzeug befand sich vielmehr am rechten Fahrbahnrand, als es plötzlich zum Linksabbiegen ansetzte. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beklagten zu 3) bereits zum Überholen angesetzt. Letzteres wäre ihm auch gefahrlos aufgrund der sich verbreiternden Fahrbahn möglich gewesen. Bei Beachtung der erforderlichen Rückschaupflicht hätte die Klägerin den Unfall durch Abbrechen des Abbiegevorgangs vermeiden können. Dass die Klägerin – zudem rechtzeitig – den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt hat, hat sie nicht beweisen können. Angesichts dessen hat das Landgericht auch zu recht einen eigenen haftungsbegründenden Sorgfaltsverstoß des Beklagten zu 3) verneint. Die Ausführungen in der Berufung rechtfertigen keine andere Beurteilung. Es lag keine unklare Verkehrslage im Sinne des § 5 StVO vor. Zwar hat die Klägerin nach den Feststellungen des Sachverständigen ihre Geschwindigkeit von ca. 35 km/h auf ca. 10 km/h kurz vor der Kollision herabgesetzt. Dies allein begründet jedoch für den Beklagten zu 3) nicht die Annahme einer unklaren Verkehrslage.
Eine unklare Verkehrslage liegt vor, wenn der Überholende nach den gegebenen Umständen mit einem ungefährlichen Überholvorgang nicht rechnen darf, d.h. wenn die Verkehrslage unübersichtlich ist. Bei einer Verlangsamung des Vorausfahrenden kommt es insoweit auf die konkrete Verkehrssituation und die Örtlichkeit an. Nur wenn diese geeignet sind, Zweifel über die beabsichtigte Fahrweise des Vorausfahrenden aufkommen zu lassen, kommt eine unklare Verkehrslage in Betracht (vgl. OLG München, Urteil vom 9.11.2012, Az.: 10 U 1860/12; KGR Berlin 2003, 169). Vorliegend fuhr die Klägerin jedoch am äußersten rechten Fahrbahnrand, an dem sich ausweislich der seitens des Sachverständigen gefertigten Lichtbilder Parkbuchten befanden. Des Weiteren verbreitert sich die Straße in jenem Bereich bereits dergestalt, dass – auch wenn noch nicht durch Markierung getrennt – bereits zwei Fahrspuren für den gleichgerichteten Verkehr zur Verfügung stehen. Wie der Sachverständige bei seiner Anhörung vor dem Landgericht ausgeführt hat, kann man ab ca. 20 Meter bezogen auf den roten PKW – so wie in der Skizze Blatt 16 seines Gutachtens eingezeichnet – gefahrlos den Einordnungsvorgang für den späteren Spurverlauf, der in eine Links- und eine Rechtsabbiegerspur mündet, vornehmen und auch gefahrlos in dieser Konstellation aneinander vorbeifahren. Dem entsprechend hatte sich der Beklagte zu 3) auch nach links eingeordnet. Damit, dass die Klägerin entgegen ihrer eindeutigen Einordnung zum rechten Fahrbahnrand plötzlich nach links abbiegen würde, musste er nicht rechnen. Die Klägerin kann sich insoweit nicht darauf berufen, der Beklagte zu 3) – der vermutet habe, die Klägerin suche rechts neben der Fahrbahn einen Parkplatz – habe zu keinem Zeitpunkt bekundet, dass diese nach rechts geblinkt habe. Abzustellen ist allein auf die objektiven Umstände, nicht auf das Gefühl des Überholwilligen.
Der Beklagte zu 3) ist auch nicht mit unangepasster, überhöhter Geschwindigkeit gefahren. Nach den Feststellungen des Sachverständigen betrug die Geschwindigkeit ca. 40 bis 45 km/h.“