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Unfallschaden I: Kollision mit einem Rettungswagen während der Einsatzfahrt, oder: Haftungsverteilung

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Author Soenke Rahn

Im „Kessel Buntes“ heute zwei zivilrechtliche Entscheidungen.

Zunächst kommt dann hier das OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.04.2021 – I-1 U 122/20. Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

„Der Kläger macht gegenüber der Beklagten Ansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 26.03.2019 in der N. Straße Düsseldorf unter Beteiligung eines Rettungsfahrzeugs der Beklagten ereignete.

Am späten Abend des Unfalltags litt der Sohn des Klägers unter Husten und Atemnot. In der Absicht, den Sohn ins Krankenhaus zu fahren, stellte der Kläger seinen Pkw BMW X6, amtliches Kennzeichen D- , auf der Straße vor seinem Haus N. Straße Nr.  unter einer Straßenlaterne ab. In Höhe des Grundstücks des Klägers beschreibt die N. Straße eine Kurve von 90 Grad und begrenzt dadurch dieses Grundstück an zwei Seiten. Im Kurvenbereich ist die gepflasterte Straße gegenüber dem übrigen Straßenverlauf deutlich verbreitert. Zur Veranschaulichung der örtlichen Gegebenheiten wird auf die Anlage K1 Bezug genommen. Der Pkw des Klägers war an dem gegenüber seinem Haus liegenden Straßenrand abgestellt, wobei die exakte Position zwischen den Parteien umstritten ist. Die N. Straße ist durch das Zeichen 325.1 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesen. Markierte Parkflächen gibt es im Kurvenbereich nicht.

Der Kläger entschied sich dagegen, den Sohn selbst ins Krankenhaus zu transportieren, und forderte gegen 22:20 Uhr über die Rettungsleitstelle der Beklagten einen Rettungswagen an. Der Unfallort wurde daher durch einen durch den Mitarbeiter M. gesteuerten Rettungswagen und ein Notarzt-Einsatzfahrzeug angefahren.

Im Zuge des Einsatzes kollidierte der Rettungswagen mit seiner hinteren rechten Ecke mit dem hinteren linken Kotflügel des Klägerfahrzeugs, wobei zwischen den Parteien umstritten ist, ob dies beim Anfahren der Unfallörtlichkeit oder beim Verlassen derselben geschah. Durch die Kollision wurde der Pkw des Klägers beschädigt, was zu Reparaturkosten in Höhe von 8.012,84 Euro netto führte. Hierauf sowie auf dem Kläger entstandene Gutachterkosten in Höhe von 1.072,18 Euro und eine durch diesen geltend gemachte Unkostenpauschale von 25,00 Euro zahlte die Beklagte einen Betrag von 6.832,52 Euro, was einem Anteil von 75 % des Gesamtschadens von 9.110,02 Euro entspricht. Zudem erstattete die Beklagte außergerichtliche Rechtsanwaltskosten auf der Grundlage eines dem gezahlten Betrag entsprechenden Streitwerts.

Der Kläger hat den Rest klageweise geltend gemacht. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte dann beim OLG auch keinen Erfolg.

Die Entscheidung des OLG hat folgende Leitsätze:

  1. Kollidiert ein Rettungswagen bei seiner Einsatzfahrt aufgrund von Unaufmerk-samkeit mit einem in einer scharfen Kurve geparkten Kfz, ist eine Haftungs-verteilung von 75 : 25 zulasten des Rettungswagens gerechtfertigt.

  2. Bei der Haftungsabwägung bleibt allerdings das mangels einer ausgewiesenen Parkfläche im Bereich des Verkehrszeichens 325.1 geltende Parkverbot außer Betracht, da dieses der Verwirklichung des mit dem verkehrsberuhigten Bereich geschaffenen Bewegungs- und Kommunikationsraums, nicht aber der Sicherstellung ausreichenden Raums für den durchfahrenden Fahrzeugverkehr dient.

Rettungswagen gegen Linksabbieger, oder: Wer haftet wie?

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Author Soenke Rahn

Mit den Hinweisen auf interessante verkehrszivilrechtliche Entscheidungen hinke ich ja immer ein wenig hinterher. Aber da ich die nur an Samstagen im „Kessel Buntes“ bringe, ist dafürt nicht so vile Raum und es kommt zu „Verzögerungen“. So auch beim OLG München, Urt. v. 12.01.2018 – 10 U 2135/17, der mal wieder eine „Sonderrechtsproblematik“ zum Gegenstand hat, und zwar Überholen bei unklarer Verkehrslage (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO). Dazu die Leitsätze aus der Entscheidung:

1. Für die im Rahmen von § 35 Abs. 5a StVO erforderliche Beurteilung, ob höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden, kommt es nicht auf eine Betrachtung ex post, sondern darauf an, ob sich der Einsatzfahrer nach der ihm bekannten Lage für berechtigt halten durfte, die Sonderrechte in Anspruch zu nehmen (Anschluss OLG Düsseldorf Beschluss vom 06.01.2010, Az.: IV – 3 RBs 95/09). Die Darlegungs- und Beweislast trägt insoweit derjenige, der sich auf die Sonderrechte beruft.

2. Der Fahrer eines Einsatzfahrzeugs mit aktiviertem Blaulicht und Martinshorn darf an einer ampelgeregelten Kreuzung darauf vertrauen, dass die anderen Verkehrsteilnehmer, für die Grünlicht gilt, dem bei Rotlicht die Kreuzung überquerenden Einsatzfahrzeug freie Bahn gewähren, wenn sie ihr Tempo hinreichend reduzieren (vgl. BGH Urt. v. 17.12.1974 – VI ZR 207/73).
3. Demgegenüber darf der Fahrer eines Einsatzfahrzeugs trotz aktiviertem Blaulicht und Martinshorn nicht darauf vertrauen, dass ein Linksabbieger, der vor dem Abbiegen sein Tempo reduziert oder anhält, insbesondere wenn der linke Fahrtrichtungsanzeiger nicht abgestellt wird, das von hinten kommende Einsatzfahrzeug noch vor dem Abbiegen überholen lässt (entgegen LG Saarbrücken LG Saarbrücken Urt. v. 1.7.2011 – 13 S 61/11). Überholt der Fahrer des Einsatzfahrzeugs den Linksabbieger dennoch, kann darin ein Verstoß gegen § 35 Abs. 8 StVO liegen.
4. Kollidiert ein Einsatzfahrzeug mit aktiviertem Blaulicht und Martinshorn mit einem von ihm unter Verstoß gegen § 35 Abs. 8 StVO überholten, seinerseits gegen § 9 Abs. 1 S. 4, § 38 Abs. 1 S. 2 StVO verstoßenden Linksabbieger, so kommt eine Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zulasten des Linksabbiegers in Betracht.“
Die Leitsätze stammen von der Seite „Bayern-Recht“. Ich habe die Beck-RS-Fundstellen aufgelöst. M.E. eine Unsitte der entsprechenden Seiten mit Bezahlfundstellen zu arbeiten. Was macht der, der dorthin keinen Zugang hat. Er darf suchen….

Kollision Bus/Motorrad an einer Engstelle, oder: Wer haftet wie?

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Die Haftungsverteilung nach Kollisionsunfällen im Straßenverkehr ist nicht einfach. Das zeigt sich m.E. darin, dass es zu der Problematik immer wieder Entscheidungen gibt, in denen die OLG landgerichtliche Haftungsquoten abändern, wobei in meinen Augen manches auch „Geschmacksache“ ist. In den Bereicht gehört das OLG Brandenburg, Urt. v. 02.03.2017 – 12 U 18/16, das zur Haftungsverteilung bei einer Kollision zwischen einem Linienbus und einem entgegenkommenden Motorradfahrer an einer Engstelle Stellung nimmt. Das LG hatte bei der klagenden Motorradfahrerin eine Mithaftungsquote von nur 20 % gesehen und die Beklagten u.a. zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 100.000,00 € verurteilt.

Das OLG sieht es anders. Es geht allerdings ebenso wie das LG davon ausgegangen, dass sich keine der Parteien mit Erfolg auf das Vorliegen eines unabwendbaren Ereignisses i.S.v. § 17 Abs. 3 StVG berufen kann und dass beiderseits ein Verkehrsverstoß festzustellen ist. Bei den Beklagten geht es um den Linienbus. Da stellt das OLG einen Verstoß gegen § 41 Abs. 1 StVO i.V.m. dem Vorschriftszeichen 208 fest. Bei der Motorradfahrerin geht das OLG von einem Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot gem. § 2 Abs. 2 StVO aus.

Die Haftungsquote sieht das OLG aber anders:

Eine Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge führt zu einer überwiegenden Haftung aufseiten der Beklagten, allerdings lediglich zu 60 %, und nicht, wie vom Landgericht angenommen, zu 80 %. Soweit das Landgericht dem Beklagten zu 2. eine besondere Schwere der Schuld attestiert hat mit der Begründung, er habe den Verkehrsverstoß vorsätzlich begangen, überzeugt dies in dieser Form nicht. Unabhängig davon, ob der aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht abgeleitete Vorsatzbegriff ohne weiteres auf das Zivilrecht übertragen werden kann, ist zu berücksichtigen, dass angesichts der Verkehrslage der Verkehrsverstoß nicht als besonders gravierend zu bewerten ist. Wie bereits zuvor ausgeführt, war bei Einfahren in die Engstelle eine Gefährdung der Motorradfahrer bei normaler Fahrweise und Einhaltung des Rechtsfahrgebotes kaum zu erwarten, auch wenn eine Gewissheit hierüber letztlich nicht bestand. Angesichts der Tatsache, dass an der Engstelle Pkws ohnehin ungehindert aneinander hätten vorbeifahren können und unter Berücksichtigung dessen, dass es auch dem vom Beklagten zu 2. geführten Bus ohne weiteres möglich gewesen wäre, die Engstelle ohne Verlassen der eigenen Fahrbahnhälfte zu passieren, erscheint es nicht grob verkehrswidrig, dass der Beklagte zu 2. die Situation so eingeschätzt hat, dass mit einer nachhaltigen Gefährdung des entgegenkommenden Fahrzeugverkehrs, also der Motorradgruppe, so ohne weiteres nicht zu rechnen war, so dass sein Verhalten in einem milderen Licht erscheint.

Auf der anderen Seite war die Fahrweise der Klägerin insoweit unangemessen, als sie, wie bereits ausgeführt, nach dem nur sehr eingeschränkt geltenden Verbot der Einfahrt für den Gegenverkehr ohne weiteres mit einem solchen hätte rechnen müssen und deshalb ihre Fahrweise darauf hätte einrichten müssen, möglichst weit rechts zu fahren, um einerseits eine Eigengefährdung und andererseits eine Gefährdung des Gegenverkehrs auszuschließen. Ob ihre Fahrweise auf Leichtsinn beruht oder ob sie mit der Bewältigung der Rechtskurve überfordert war und möglicherweise deshalb unbeabsichtigt zu weit nach links geraten ist, kann nicht abschließend geklärt werden. So oder so bleibt aber ein nicht unerhebliches Fehlverhalten, das in der Gewichtung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge zwar hinter dem Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 2. zurückbleibt, aber doch mit 40 % zu bewerten ist. Dabei berücksichtigt der Senat auch die beiderseitigen Betriebsgefahren. Einerseits die des Busses, der aufgrund seiner Kompaktheit eben nur deshalb in die Engstelle hat einfahren sollen, wenn eine Gefährdung des Gegenverkehrs ausgeschlossen war und diejenige des Motorrades, dessen Instabilität sich in der hier maßgeblichen Unfallsituation auch durchaus ausgewirkt hat.

Und: Das OLG reduziert auch das Schmerzensgeld. Die 100.000 €, die das LG zugesprochen hatte sind ihm zu hoch. Angemessen seien nur 50.000 €.

Kollision falscher Linksabbieger/Überholer: 100 % beim Linksabbieger

© fabstyle - Fotolia.com

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Hat ein Linksabbieger sich nicht ordnungsgemäß zum Linksabbiegen eingeordnet, sondern befand er sich zu dem Zeitpunkt, als er zum Linksabbiegen ansetzte, noch am rechten Fahrbahnrand, so haftet er im Falle einer Kollision mit einem überholenden Fahrzeug allein. So hat das OLG Frankfurt im OLG Frankfurt, Urt v. 26.01.2016 – 7 U 189/13 – entschieden. Begründung:

„Der Klägerin steht gegenüber den Beklagten kein Schadensersatzanspruch zu. Die vom Landgericht vorgenommene Haftungsverteilung von 100 : 0 ist angesichts der feststehenden groben Fahrverstöße seitens der Klägerin sachgerecht. Allein die höhere Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs rechtfertigt keine andere Beurteilung; sie tritt vielmehr zurück.

Nach den Feststellungen des Landgerichts, an deren Richtigkeit und Vollständigkeit keine Zweifel bestehen, so dass der Senat hieran gebunden ist, hat die Klägerin gegen die ihr obliegenden erhöhten Sorgfaltsanforderungen gemäß § 9 StVO verstoßen. Die Klägerin hat sich entgegen § 9 Abs. 1 StVO nicht ordnungsgemäß zum Linksabbiegen eingeordnet. Das klägerische Fahrzeug befand sich vielmehr am rechten Fahrbahnrand, als es plötzlich zum Linksabbiegen ansetzte. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beklagten zu 3) bereits zum Überholen angesetzt. Letzteres wäre ihm auch gefahrlos aufgrund der sich verbreiternden Fahrbahn möglich gewesen. Bei Beachtung der erforderlichen Rückschaupflicht hätte die Klägerin den Unfall durch Abbrechen des Abbiegevorgangs vermeiden können. Dass die Klägerin – zudem rechtzeitig – den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt hat, hat sie nicht beweisen können. Angesichts dessen hat das Landgericht auch zu recht einen eigenen haftungsbegründenden Sorgfaltsverstoß des Beklagten zu 3) verneint. Die Ausführungen in der Berufung rechtfertigen keine andere Beurteilung. Es lag keine unklare Verkehrslage im Sinne des § 5 StVO vor. Zwar hat die Klägerin nach den Feststellungen des Sachverständigen ihre Geschwindigkeit von ca. 35 km/h auf ca. 10 km/h kurz vor der Kollision herabgesetzt. Dies allein begründet jedoch für den Beklagten zu 3) nicht die Annahme einer unklaren Verkehrslage.

Eine unklare Verkehrslage liegt vor, wenn der Überholende nach den gegebenen Umständen mit einem ungefährlichen Überholvorgang nicht rechnen darf, d.h. wenn die Verkehrslage unübersichtlich ist. Bei einer Verlangsamung des Vorausfahrenden kommt es insoweit auf die konkrete Verkehrssituation und die Örtlichkeit an. Nur wenn diese geeignet sind, Zweifel über die beabsichtigte Fahrweise des Vorausfahrenden aufkommen zu lassen, kommt eine unklare Verkehrslage in Betracht (vgl. OLG München, Urteil vom 9.11.2012, Az.: 10 U 1860/12; KGR Berlin 2003, 169). Vorliegend fuhr die Klägerin jedoch am äußersten rechten Fahrbahnrand, an dem sich ausweislich der seitens des Sachverständigen gefertigten Lichtbilder Parkbuchten befanden. Des Weiteren verbreitert sich die Straße in jenem Bereich bereits dergestalt, dass – auch wenn noch nicht durch Markierung getrennt – bereits zwei Fahrspuren für den gleichgerichteten Verkehr zur Verfügung stehen. Wie der Sachverständige bei seiner Anhörung vor dem Landgericht ausgeführt hat, kann man ab ca. 20 Meter bezogen auf den roten PKW – so wie in der Skizze Blatt 16 seines Gutachtens eingezeichnet – gefahrlos den Einordnungsvorgang für den späteren Spurverlauf, der in eine Links- und eine Rechtsabbiegerspur mündet, vornehmen und auch gefahrlos in dieser Konstellation aneinander vorbeifahren. Dem entsprechend hatte sich der Beklagte zu 3) auch nach links eingeordnet. Damit, dass die Klägerin entgegen ihrer eindeutigen Einordnung zum rechten Fahrbahnrand plötzlich nach links abbiegen würde, musste er nicht rechnen. Die Klägerin kann sich insoweit nicht darauf berufen, der Beklagte zu 3) – der vermutet habe, die Klägerin suche rechts neben der Fahrbahn einen Parkplatz – habe zu keinem Zeitpunkt bekundet, dass diese nach rechts geblinkt habe. Abzustellen ist allein auf die objektiven Umstände, nicht auf das Gefühl des Überholwilligen.

Der Beklagte zu 3) ist auch nicht mit unangepasster, überhöhter Geschwindigkeit gefahren. Nach den Feststellungen des Sachverständigen betrug die Geschwindigkeit ca. 40 bis 45 km/h.“

Teurer Einkaufswagen, oder: Wer haftet wie bei einem Zusammenstoß?

entnommen openclipart.org

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Die „Einkaufswagen-Entscheidung“ des OLG Hamm – es handelt sich um das OLG Hamm, Urt. v. 18.08.2015 – 9 U 169/14 – hat ja auch schon andere Blogs beschäftigt. Ich will darüber auch berichten. Ist nämlich ganz interessant die Entscheidung. Wir haben es ja sonst häufig mit einem Einkaufswagen in Zusammenhang mit § 142 StGB zu tun (vgl. z.B. Der (weg)rollende Einkaufswagen II – Unfall i.S. des § 142 StGB oder Der (weg)rollende Einkaufswagen). Hier ging es aber mal um die zivilrechtliche Haftung.

Im Verfahren hatte ein Autofahrer aus Bielefeld Schadensersatz in Höhe von rund 5.400 € geltend gemacht. Er war mit seinem Pkw nachts mit einem herrenlosen Einkaufswagen kollidiert, der unvermittelt vor ihm auf die Straße gerollt war. Der 9. Zivilsenat des OLG Hamm hat dem Ladenbesitzer, dem der Einkaufswagen gehörte, 80 % der Unfallkosten auferlegt, weil der Einkaufswagen nicht richtig verschlossen war. 20 % seines Schadens muss der Autofahrer wegen der Betriebsgefahr seines Fahrzeugs selbst tragen.

Das OLG meint zur Verkehrssicherungspflicht:

…Der Beklagte musste daher dafür Vorsorge treffen, dass die Einkaufswagen nach Geschäftsschluss sicher abgestellt waren. Dies gilt zum einen im Hinblick auf Schutzmaßnahmen gegen die unbefugte Benutzung durch Dritte, zum anderen aber auch mit Blick auf die Verhinderung eines Wegrollens dieser Einkaufswagen im Sinne einer Verselbstständigung. Dies gilt vorliegend um so mehr, als der Gehsteig vor dem Ladengeschäft, an den der Abstellplatz für die Einkaufswagen angrenzt, zur Fahrbahn hin ein Gefälle aufweist.

1.3  Die von dem Beklagten ergriffenen Sicherungsmaßnahmen genügen diesen Anforderungen nicht. Die auf dem Abstellplatz in drei nebeneinander gelegenen Reihen befindlichen Einkaufswagen wurden nach Ladenschluss von einer Mitarbeiterin mittels einer durch die Einkaufswagen geführten Kette gesichert, die um einen am Kopfende des Abstellplatzes vorhandenen Metallpfosten geschlungen wurde. Eine Sicherung der Kette mittels eines Vorhängeschlosses unterblieb, weil ein solches bereits seit längerer Zeit nicht mehr zur Verfügung stand. Diese Art der Sicherung war unzureichend, wie der Zustand, den die den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten vor Ort angetroffen haben, dokumentiert. Der Zeuge T hat ausgesagt, die Kette habe auf dem Boden vor dem jeweils letzten Einkaufswagen in jeder Reihe gelegen. Hierdurch war zwar weiterhin sichergestellt, dass ein Einkaufswagen aus dem Abstellplatz nicht auf den Gehsteig und die Fahrbahn rollen konnte, weil, wie das Landgericht bei dem Ortstermin festgestellt hat, die Kette einen solchen Durchmesser hatte, dass ein Einkaufswagen ohne Zutun nicht darüber hinweg rollen konnte. Die unbefugte Entnahme eines nicht mit einem Pfandmarkensystem ausgerüsteten Einkaufswagens durch einen Dritten war aber leicht möglich, da es nur eines leichten Anhebens zur Überwindung der am Boden liegenden, im Querschnitt 1 – 2 cm starken Kette bedurfte. Dieser Umstand begründet das Vorliegen einer eine Verkehrssicherungspflicht auslösenden abhilfebedürftigen Gefahrenstelle. Denn nach den Erfahrungen des Senats ist es eine nicht nur vereinzelte Beobachtung, dass leicht zugängliche Einkaufswagen nach Geschäftsschluss, durch Trunkenheit oder Übermut begünstigt, zweckwidrig verwendet werden, um sie anschließend an Ort und Stelle oder auch anderenorts stehen zu lassen. Um eine solche zweckwidrige Nutzung möglichst auszuschließen, genügt es nicht, durch Vorlegen einer Kette den Anschein zu erwecken, die Entnahme eines Einkaufswagens sei nicht möglich. Dies insbesondere dann, wenn durch die Lage der Kette vor den Einkaufswagen im Bodenbereich der bezweckte Anschein einer Sicherung schnell widerlegt ist. Die Sicherung der Einkaufswagen durch eine abschließbare Kette ist geeignet, diese zweckwidrige Benutzung zu verhindern und erfordert keinen spürbaren wirtschaftlichen Aufwand. Daraus folgt, dass dem Beklagten die Beachtung der gebotenen Sicherungsmaßnahmen auch subjektiv möglich und zumutbar war, so dass die Verkehrssicherungspflicht seitens des Beklagten schuldhaft verletzt worden ist…“